Hintergrund

Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist bei Patienten über 65 Jahre eine der häufigsten Ursachen für eine schwere Visusminderung [6, 31, 46]. Die Prävalenz der AMD steigt exponentiell mit dem Alter an [61]. Man unterscheidet die trockene und die exsudative Form der AMD. Es handelt sich um eine multifaktorielle, degenerative Erkrankung der Netzhaut [1, 29, 54, 56], die durch oxidativen Stress begünstigt wird [8, 47, 79]. In der Netzhaut werden aufgrund einer hohen Konzentration von Sauerstoff und ungesättigten Fettsäuren in Kombination mit hoher Lichtexposition freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies gebildet. Um eine Netzhautschädigung zu verhindern, müssen diese schädlichen Moleküle durch Antioxidantien neutralisiert werden [78]. Ergebnisse mehrerer Studien weisen auf eine negative Korrelation zwischen der Zufuhr von Karotinoiden und Antioxidantien und der Prävalenz bzw. Progression der AMD hin [2, 26, 36, 38, 52, 57].

Wir berichten über den aktuellen Wissensstand und geben auf dieser Basis Empfehlungen. Für die vorliegende Übersichtsarbeit wurde eine Literaturrecherche im Onlinekatalog der amerikanischen National Library of Medicine (http://www.ncbi.nlm.nih.gov) sowie der Onlinedatenbank Ovid (http://gateway.ovid.com) bis einschließlich Juni 2007 durchgeführt. Es wurde nach folgenden Suchbegriffen und deren Kombinationen gesucht: „age-related macular degeneration (AMD), maculopathy, antioxidants, macular pigment, lutein, zeaxanthin, micronutrients, vitamins, supplementation trial, zinc“. Außerdem erfolgte eine Zusatzrecherche nach den Artikeln, die in den online verfügbaren Arbeiten zitiert wurden.

Epidemiologie und Klassifizierung

Aufgrund der demographischen Entwicklung ist in Europa und Nordamerika eine Zunahme altersabhängiger Erkrankungen zu beobachten. Die Prävalenz der AMD steigt in unserer Bevölkerung exponentiell mit dem Alter an: sie beträgt bei 60-Jährigen 1–3%, bei 70-Jährigen dagegen bereits etwa 20% und bei 80-Jähringen 30–40% (Abb. 1; [35, 61, 75]). Für wissenschaftliche Studien wird die AMD anhand der Stereofundusfotodokumentation klassifiziert. In diesen Arbeiten werden mehrere Klassifikationssysteme (wie z. B. Wisconsin Age-Related Maculopathy Grading System [45] oder Klassifikationssystem der ARM Epidemiological Study Group) verwendet [13]. Die Einstufung erfolgt anhand des Vorhandenseins von Defekten im retinalen Pigmentepithel (RPE), der Anzahl und Größe von Drusen sowie der Anwesenheit subretinaler Blutungen als Zeichen der Neovaskularisation oder einer subretinalen Fibrose. Diese exakte Klassifizierung ermöglicht bei jedem in die Studie aufgenommenen Patienten die Beurteilung der AMD-Progression. Eine vereinfachte Risikoeinschätzung für die Progression in eine fortgeschrittene AMD wurde im Bericht AREDS Nr. 18 publiziert [3].

Abb. 1
figure 1

Prävalenz der altersabhängigen Makuladegeneration in unterschiedlichen Altersgruppen nach der Rotterdam-Studie [35]

In der klinischen Praxis werden zwei Hauptformen der AMD unterschieden: die trockene und die feuchte (exsudative) Form, bei der sich unter der Netzhaut flächige Gefäßmembranen (Choroidale Neovaskularisationen, CNV) ausbilden. Laut der European Eye Study [6] ist die trockene Form die deutlich häufiger vorkommende Variante der Erkrankung, die Prävalenz einer neovaskulären AMD betrug bei Männern 5,5% und bei Frauen 10,5%.

Es gibt keine zuverlässig wirksame Maßnahme, die Entwicklung der trockenen AMD bzw. ihre Progression in die feuchte Form zu verhindern. Seit Jahren wird jedoch die Möglichkeit der therapeutischen Beeinflussung der AMD durch eine Supplementation von Spurenelementen, Antioxidantien und Vitaminen diskutiert.

Ätiopathogenese und Risikofaktoren

Die AMD ist eine komplexe multifaktorielle Erkrankung [1, 29, 54, 56], bei deren Pathogenese genetische [28, 59], kardiovaskuläre [43, 70] und nutritive Faktoren [29, 65] sowie Umweltkomponenten [23, 69] eine Rolle spielen. Ein wichtiger Risikofaktor ist die positive Familienanamnese, d. h. die direkten Angehörigen eines AMD-Patienten haben ein erhöhtes Risiko, auch an AMD zu erkranken [59]. In letzter Zeit wurden bezüglich der Kenntnis der genetischen Grundlagen der AMD deutliche Fortschritte gemacht. Es wurde die Bedeutung des Komplementfaktors H identifiziert [25, 55], des Weiteren wird der kausale Zusammenhang mit Polymorphismen in zahlreichen Genen diskutiert [55].

Obwohl die genaue Ursache der AMD weiterhin unklar bleibt, gibt es Hinweise, dass oxidativer Stress die Entwicklung dieser degenerativen Erkrankung begünstigt [8, 36, 37, 41, 47, 79]. Alle Faktoren, die den oxidativen Stress verstärken, gelten als Risikofaktoren für die Entwicklung einer AMD. So ist Rauchen heutzutage einer der sicher bestätigten Risikofaktoren der AMD [25, 31, 51, 68]. Delcourt et al. [25] zeigten, dass bei Rauchern, die mehr als 400 Zigaretten (20 Schachteln) im Jahr rauchen, das Risiko einer AMD-Progression 3fach erhöht ist.

Tan et al. [70] zeigten, dass die Inzidenz der Spätformen der AMD (exsudative AMD oder geographische Atrophie) bei Personen mit erhöhtem Gesamtcholesterin höher ist. Diabetiker haben eine höhere Prävalenz einer geographischen Atrophie und Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen (Angina pectoris, Z. n. Herzinfarkt oder Z. n. Schlaganfall) einer trockenen AMD. Auch adipöse Personen haben ein höheres Risiko für eine AMD. Als Ursache dafür wird vermutet, dass die Fettleibigkeit den oxidativen Stress und entzündliche Reaktionen begünstigt [42].

Funktion der Karotinoide

Das makuläre Pigment (MP), das in der zentralen Retina als gelber Fleck (Macula lutea) sichtbar ist, ist biochemisch eine Anreicherung von Lutein (L) und Zeaxanthin (Z; [4, 16, 66]). Die beiden Stoffe gehören zur Klasse der Karotinoide und werden nur in Pflanzen und einigen Mikroorganismen synthetisiert. Sie absorbieren Licht im Blau- und UV-Bereich und sind wichtige lichtsammelnde Pigmente, die in den Membranen der Chloroplasten die Lichtenergie an das Chlorophyll weiterleiten. Außerdem stellen sie für den Photosyntheseapparat einen Schutz gegen Photooxidation dar [27].

Säugetiere können Karotinoide nicht synthetisieren. Sie müssen mit der Nahrung zugeführt werden und zählen deshalb zu den essenziellen Mikronährstoffen [27]. Die Karotinoide absorbieren das hochenergetische blaue Licht (mit der Wellenlänge um 460 nm), das zu photooxidativen Netzhautschäden führen kann, bevor es die Photorezeptoren und das retinale Pigmentepithel erreicht [4, 69]. Weiter verfügt das MP über direkte antioxidative Eigenschaften, die eine Netzhautschädigung durch freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies verhindern [4]. Diese schützende Funktion des MP, die schon 1949 von Georg Wald vermutet wurde [76], konnte später auch im Tiermodell experimentell bestätigt werden. Thomson et al. [71] bewiesen, dass das MP zu einer signifikanten Reduktion der lichtinduzierten Photorezeptorenapoptose führt.

Von den mehr als 40 im menschlichen Organismus nachweisbaren Karotinoiden enthält die zentrale Netzhaut in höchster Konzentration L und Z [4]. Die Konzentration von L und Z ist im Bereich der Makula 10 000-mal höher als im Blut. Die hohe Konzentration in der Makula ist nur durch eine aktive Akkumulation durch das Xanthophyll-binding-Protein (XBP) möglich [4, 16]. Diese gelben Karotinoide sind jedoch nicht nur in der inneren Netzhautschicht konzentriert, sondern sie befinden sich mit Ausnahme von Hornhaut, Sklera und Glaskörper in allen Augengeweben. L und Z sind überwiegend in der Henle-Faserschicht und Außensegmenten der Zapfen und Stäbchen lokalisiert [15, 66]. Etwa 30% von L und Z befinden sich im uvealen Gewebe [4]. Das Verhältnis von L zu Z ist in der Fovea etwa 1:2,4; in der Netzhautperipherie ist es umgekehrt (etwa 2:1; [16]).

Karotinoide und Makulapigmentdichte (MPD)

Zahlreiche Studien untersuchten den Einfluss der diätetischen Aufnahme von L und Z auf die MPD. Die Ergebnisse müssen sehr vorsichtig interpretiert werden, da eine Auswertung basierend auf einer Erhebung der Nahrungsaufnahme mit Hilfe von Fragebögen allein sehr anfällig für Verzerrungen ist [41]. Mehrere Autoren konnten keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Zufuhr von L und Z in der Nahrung und MPD feststellen [35, 41]. Eine Studie von Ciulla et al. [21] mit einer Probandenzahl von 280 zeigte dagegen einen signifikanten positiven Zusammenhang zwischen der Luteinaufnahme und der MPD. Auch mehrere Supplementationsstudien zeigten, dass sowohl die Konzentration der Karotinoide im Serum als auch die MPD durch eine Supplementation ansteigt [17, 36, 47].

Landrum et al. [47] bewiesen jedoch, dass es keine direkte Korrelation zwischen der Veränderung der Luteinserumkonzentration und der MPD gibt. Nach einer Supplementation von 30 mg L am Tag verzehnfachte sich die Serumkonzentration innerhalb von 10–20 Tagen und erreichte dann ein Plateau. Nach Absetzen der Supplementation sank die Serumkonzentration innerhalb von 60 Tagen auf das Niveau der Ausgangkonzentration. Die MPD reagierte verzögert auf die Supplementation. Ein Anstieg wurde erst nach 20–40 Tagen beobachtet und die Patienten erreichten eine maximale Zunahme der MPD um 20–40% des Ausgangswertes. Ebenso verzögert wurde eine Verminderung der MPD erst etwa 50 Tage nach Absetzen der Supplementation festgestellt.

Sehr wichtig sind die Ergebnisse von Hammond et al. [36], die darauf hinweisen, dass eine erhöhte Serumkonzentration von beiden Karotinoiden nicht bei allen Patienten zu einem Anstieg der MPD führt. Hammond et al. [36] untersuchten die MPD bei Patienten, die 15 Wochen lang zusätzlich in der Diät 60 g Spinat pro Tag (10,8 mg L und 0,3 mg Z) konsumierten. Die gemessenen Werte wurden verglichen mit der MPD bei Patienten, die dazu noch zusätzlich täglich 150 g Mais (0,4 mg L und 0,3 mg Z) konsumierten. Die Ergebnisse zeigten, dass es bei einem Teil der Patienten nach der Karotinoidsupplementation zwar zu einem Anstieg der Serumkonzentration kam, die MPD aber dadurch nicht beeinflusst wurde. Diese Patienten wurden von den Autoren der Studie als „retinal nonresponders“ bezeichnet. Dagegen sind „retinal responders“ Patienten, bei denen ein Anstieg der Serumkonzentration und der MPD festgestellt wurde. Als „serum and retinal nonresponders“ wurden die Patienten bezeichnet, bei denen es nach der Supplementation weder zu einem Anstieg der Plasmakonzentration noch der MPD kam. Auch wenn es sich um eine sehr kleine Stichprobe handelte, zeigen diese Resultate, dass ein Teil der Patienten trotz einer exzessiven Supplementation von L und Z keine Zunahme der MPD erreicht. Die „retinal nonresponders“ wurden kürzlich auch von Trieschmann et al. [72] dokumentiert.

Die randomisierte placebokontrollierte Studie LAST (Lutein Antioxidant Supplementation Trial; [57]) untersuchte bei Patienten mit einer atrophischen AMD nach einer Luteinsupplementation nicht nur die MPD, sondern auch den Einfluss dieser Therapie auf die Sehschärfe. Verglichen wurden die Ergebnisse zwischen den Patienten, die 10 mg L zu sich nahmen und den Patienten, die 10 mg L und zusätzlich Antioxidantien, Mineralien und Vitamine bekamen. Patienten in der Kontrollgruppe bekamen ein Placebo (Maltodextrin). Bei den Patienten, die die Supplementation mit L oder die Kombination von L und Antioxidantien erhielten, wurden ein statistisch signifikanter Anstieg der MPD gegenüber den Basiswerten sowie eine Verbesserung der Kontrastsensitivität beobachtet. In beiden behandelten Gruppen wurde nach der Supplementation eine signifikante Visusverbesserung festgestellt. Damit wurde gezeigt, dass es durch eine Luteinzufuhr nicht nur zu einem Anstieg der MPD sondern auch zu einer Zunahme der Sehschärfe kommt.

Einfluss der MPD und der Karotinoide auf die AMD

Hammond et al. [34] ebenso wie Beatty et al. [9] fanden bei gesunden Probanden eine mit dem Alter zunehmende Verminderung der MPD. In anderen Studien konnte diese Beobachtung nicht bestätigt werden [17, 77]. Bernstein et al. [11] legten nahe, dass eine reduzierte MPD ein Risikofaktor für AMD sein könnte. Jedoch müssen die Schwächen der Studie, die aus der Untersuchung beider Augen bei unterschiedlich großem Anteil der Probanden mit AMD und der Kontrollprobanden resultieren, in Betracht gezogen werden. Berendschot et al. [10] wiesen bei Patienten mit einer AMD keine signifikant reduzierte MPD nach.

Der Zusammenhang zwischen der Zufuhr von L und Z in der Nahrung oder ihrer Serumkonzentration und dem Risiko der Entwicklung oder Progression einer AMD wurde in den bisher publizierten Studien kontrovers bewertet. Mehrere Studien zeigten eine Korrelation zwischen der AMD und einer niedrigen Serumkonzentration von L und Z [18, 24, 62] genauso wie der diätetischen Aufnahme dieser Karotinoide (semiquantitativ anhand von Fragebögen über die Nahrungsaufnahme; [62, 64]). Seddon et al. [62] untersuchten im Rahmen der multizentrischen Studie EDCCS (Eye Disease Case-Control Study) den Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Karotinoiden, Vitamin A, C und E und der Häufigkeit einer fortgeschrittenen oder exsudativen AMD. Eine negative Assoziation mit dem Risiko einer fortgeschrittenen AMD wurde nur für die Zufuhr von L und Z im höchsten Quantil beobachtet. In anderen Studien wurde keine Korrelation zwischen Serumkonzentration oder Aufnahme von Karotinoiden gefunden [32, 48, 49].

Aufgrund der bekannten Eigenschaften der Karotinoide und des MP kann angenommen werden, dass die Supplementation von L und Z die Entwicklung und Progression der AMD positiv beeinflussen kann. Jedoch liegt zurzeit keine randomisierte placebokontrollierte Studie vor, die dies bewiesen hat [50, 60].

In unterschiedlichen Studien wurde die Supplementation von L mit unterschiedlichen Dosierungen durchgeführt [36, 47, 57], dabei ist die Tagesdosis von 10 mg die am häufigsten erwähnte. Der Einfluss einer Kombination aus 10 mg L und 2 mg Z auf die AMD wird zurzeit in der Studie „AREDS II“ untersucht.

In einigen kommerziell angebotenen Präparaten werden aus Marketinggründen auch höhere Dosierungen angeboten. Dies scheint möglich, weil die gereinigte Kristallform von L wegen fehlender bekannter Nebenwirkungen als Medikament der Gruppe „GRAS“ („generally recognised as safe“) klassifiziert wurde [5].

Antioxidantien, Vitamine und Mikronährstoffe

Die ersten experimentellen Arbeiten, die die Rolle der Antioxidantien in der Pathogenese der AMD studierten, stammen aus den 70er Jahren [37]. Seitdem wurden zahlreiche Arbeiten veröffentlicht, die den Zusammenhang zwischen der AMD und der Supplementation von antioxidativ wirkenden Vitaminen und Mikronährstoffen beschrieben [2, 20, 26, 48, 62, 65, 74]. Wie schon erwähnt, wird eine durch freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies entstandene Netzhautschädigung als ein wichtiger Faktor in der Pathogenese der AMD angesehen [8, 47, 79]. Vitamin C und E genauso wie β-Karotin, die alle über eine starke antioxidative Wirkung verfügen, könnten den oxidativen Stress hemmen und dadurch das Risiko der AMD positiv beeinflussen [1]. Bezüglich der Hemmung des oxidativen Stresses wurden weitere Mikronährstoffe (wie Zink, Selen und Kupfer) als Teile und Kofaktoren von Metalloenzymen untersucht [2, 40, 67, 73].

Die Studie POLA (Pathologies Oculaires Liées à l’Age; [26]) zeigte, dass eine hohe Plasmakonzentration von Vitamin E (höchstes vs. niedrigstes Quantil) bei Patienten mit einer trockenen AMD das Risiko der Entwicklung einer exsudativen AMD oder einer geographischen Atrophie um 82% reduziert. Es gibt jedoch Studien, die keine Korrelation zwischen der Zufuhr von Vitamin E und der Progression der AMD gefunden haben und dadurch die Rolle dieser Supplementation in der Prävention der Erkrankung in Frage stellen [58].

Randomisierte placebokontrollierte Studien

Die widersprüchlichen Ergebnisse der Studien erzeugen eine gewisse Unsicherheit und sind Ursache für unterschiedliche Meinungen über die Rolle der Supplementation mit Nahrungsergänzungsmitteln für die Prävention der AMD. Die Erklärung für die divergierenden Ergebnisse liegt zumindest teilweise in der unterschiedlichen Methodik, die in den einzelnen Studien verwendet wurde. Aus diesem Grund sind die Ergebnisse der randomisierten kontrollierten Studien von größter Bedeutung. Zurzeit gibt es nur einige Studien, die diese Kriterien erfüllen (Tab. 1). Die Studie von Newsome et al. [52] zeigte bei den Patienten, die eine Supplementation mit Zink für zwei Jahre erhielten, im Vergleich zur Placebogruppe ein signifikant reduziertes Risiko für eine AMD-bedingte Sehverschlechterung. In ähnlich konzipierten Studien von Stur et al. [67] und Holz et al. [40] wurde aber kein Effekt dieser Therapie gefunden. Da die Studie von Holz [40] nur als Abstract publiziert wurde, sind die genauen Angaben nicht verfügbar und die Studie ist nicht in Tab. 1 erwähnt. Die Rolle von Vitamin E auf Katarakt und AMD wurde in der Studie VECAT (Vitamin E, Cataract, and Age-related Maculopathy Trial) [33, 58] untersucht. Die Studie zeigte keinen signifikanten Einfluss der Supplementation mit Vitamin E auf die Entstehung und Progredienz der AMD. Laut Evans [30] war die Anzahl der Patienten mit AMD nicht groß genug, um den Einfluss statistisch nachweisen zu können. Eine Studie von Kaiser et al. [44] fand keinen signifikanten Effekt einer Supplementation mit dem Antioxidantienpräparat „Visaline“ (Vitamin C, E, β-Karotin und Buphenine) auf die AMD. Die Beobachtungszeit betrug aber nur 6 Monate.

Tab. 1 Übersicht von randomisierten und placebokontrollierten Studien

Der Effekt von 14 Antioxidantien (Präparat „Ocuguard“) auf die AMD wurde von Richer (Multicenter Ophthalmic and Nutritional Age-related Macular Degeneration Study) [55] untersucht. Die Ergebnisse sind wegen der kleinen Patientenzahl (n=71) von begrenzter Aussagekraft. Dasselbe gilt auch für die Studie LAST (n=90; [57]), die die Rolle von L und einer Kombination von L und mehreren Antioxidantien (Präparat „OcuPower“) vs. Placebo untersuchte. Bei kurzer Beobachtungszeit und fehlender Beurteilung der Fundusbefunde können die Studien von Kaiser et al. [44] und LAST [57] keine Aussagen zum Einfluss der Supplementation auf die Progression der AMD machen.

Die bis jetzt größte und wichtigste randomisierte placebokontrollierte Studie ist die ARED-Studie (Age-Related Eye Disease Study; [2]), die die Rolle von Antioxidantien, Zink und Kupfer untersuchte.

ARED-Studie

In der ARED-Studie [2] wurden die Patienten anhand des Fundusbefundes und der Sehschärfe in vier Kategorien eingeteilt (Tab. 2). Die Supplementation mit Antioxidantien fand nach folgendem Schema statt: Die 1. Gruppe erhielt täglich eine Supplementation mit Antioxidantien (Tab. 1), den Patienten in der 2. Gruppe wurde eine Kombination von 80 mg Zink (als ZnO) und 2 mg Kupfer (als CuO) verabreicht, in der 3. Gruppe wurden den Patienten die oben erwähnten Antioxidantien in Kombination mit 80 mg Zink gegeben und die 4. Gruppe stellte die Placebokontrolle dar. In allen Gruppen wurde über einen Zeitraum von mehr als 6 Jahren der Anteil von Patienten mit einer moderaten Visusminderung (definiert als Abfall ≥15 Buchstaben im ETDRS-Visus) ausgewertet. Weiterhin wurde anhand der Fundusfotodokumentation die Progression der AMD untersucht.

Tab. 2 Eingruppierung der Patienten in der ARED-Studie (anhand des Fundusbefundes und der Sehschärfe)

Die Ergebnisse zeigten in der Kategorie 3 und 4 bei den Patienten, die eine Supplementation mit Zink, Kupfer und Antioxidantien erhielten, eine signifikante Reduktion der Progression der AMD. Ebenso zeigten nur Patienten aus der Kategorie 3 und 4, die Antioxidantien mit Zink und Kupfer bekamen, eine signifikant geringere Visusminderung im Vergleich zur Placebogruppe. In der Kategorie 1 und 2 wurde weder eine signifikante Reduktion der Progression der AMD noch ein Unterschied in den Visusergebnissen beobachtet.

Eine Supplementation mit Antioxidantien gemäß der AREDS-Medikation ist anhand dieser Ergebnisse nur bei Patienten indiziert, die die Kriterien der Kategorie 3 und 4 erfüllen. Für alle anderen Patienten wurde keine signifikante Beeinflussung der AMD nachgewiesen. Patienten mit einer exsudativen AMD an beiden Augen wurden in der ARED-Studie nicht untersucht.

Mehrere Autoren wiesen auf die Limitationen der Studie hin [7, 63]. Vor allem wird die statistische Auswertung der AREDS-Ergebnisse diskutiert. Zahlreiche Patienten der Kategorie 2 wurden bei der Auswertung aus der Analyse retrospektiv ausgeschlossen. Außerdem war das gewählte Signifikanzlevel außerordentlich gering [7].

β-Karotin bei Rauchern kontraindiziert

Raucher haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer AMD zu erkranken. Bei Rauchern darf aber die β-Karotin-Supplementation nur mit größter Zurückhaltung verordnet werden. Diese Einschränkung resultiert aus den Ergebnissen der Studie von Omen et al. [53], die bei einer Zufuhr von 25–50 mg β-Karotin am Tag bei Rauchern eine signifikant erhöhte Prävalenz des Lungenkrebses feststellte. Deshalb wurde in Deutschland am 01.05.2006 für Arzneimittel, die β-Karotin als Wirkstoff enthalten und bei denen die empfohlene tägliche maximale Einnahme 20 mg β-Karotin überschreitet, eine vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlichte Änderung der Gebrauchsinformation angeordnet. Nun muss bei diesen Arzneimitteln in der Gebrauchsinformation eingefügt werden, dass das Arzneimittel von starken Rauchern (20 oder mehr Zigaretten/Tag) nicht eingenommen werden darf.

AREDS II

Zurzeit startet die Studie „AREDS II“, die den Einfluss der Supplementation von 10 mg L, 2 mg Z, 1 g ω-3-Fettsäuren und 80 oder 40 mg Zink auf die Progression einer AMD untersucht. Im Vergleich zu der ursprünglichen AREDS-Supplementation enthält die AREDS II–Formel aus oben genannten Gründen kein β-Karotin. Bei der ursprünglichen Dosis von 80 mg Zink wurden zwar keine Nebenwirkungen beobachtet, es gibt aber Befürchtungen, dass diese hohe Dosierung die Entwicklung einer Prostatahyperplasie oder einer Alzheimer-Demenz bewirken könne. Deswegen wird in AREDS II parallel zu 80 mg noch eine reduzierte Dosis (40 mg) getestet. Weitere Informationen zu dieser Studie sind im Internet (https://web.emmes.com/study/areds2/) zugänglich.

Rolle der ω-3-Fettsäuren

In letzter Zeit wird die schützende Rolle der ω-3-Fettsäuren für die Entstehung der AMD intensiv diskutiert. Einige ungesättigte Fettsäuren (Fettsäuren mit mehreren Doppelbindungen) sind für den Menschen lebensnotwendig, weil sie vom menschlichen Körper nicht synthetisiert werden können. Im Zusammenhang mit der AMD wird über Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) gesprochen [19]. Kürzlich wurden Hinweise darauf publiziert, dass die ω-3-Fettsäuren in der Netzhaut die pathologische Angiogenese inhibieren [22].

Hodge [39] wies in seinem Review darauf hin, dass eine positive Beeinflussung der AMD durch die Zufuhr von ω-3-Fettsäuren in mehreren bis jetzt publizierten Studien festgestellt wurde. Da aber keine dieser Studien randomisiert war, kann keine eindeutige klinische Empfehlung erfolgen.

Ist die Supplementation von Antioxidantien toxisch?

Immer wieder wird die mögliche Toxizität einer Supplementation mit Antioxidantien diskutiert. Eine Metaanalyse von Bjelakovic et al. [14] kam zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Antioxidantien das Leben verkürzen kann. Diese Analyse wird aber nicht allgemein akzeptiert [10]. Biesalski [12] sieht keinen Grund, die in der ARED-Studie gestellte Indikation zur Anwendung der Antioxidantien anzuzweifeln. Es bestehen bezüglich des Risikos sicher Unterschiede zwischen den einzelnen Substanzen. Das bei Rauchern erhöhte Lungenkrebsrisiko bei hoher Zufuhr von β-Karotin wurde schon erwähnt [53]. Auf der anderen Seite wurden bei einer Supplementation mit reinem L keine Nebenwirkungen beobachtet [5]. Nach Angaben der amerikanischen Behörde für Ernährung und Medikamente (US FDA) ist eine Zufuhr von ω-3-Fettsäuren bis 3 g am Tag nicht toxisch. Bei einer höheren Dosis wurde bei einigen Patienten eine Blutungsneigung beschrieben (http://www.fda.gov).

Zufuhr der Antioxidantien und Lutein aus natürlichen Quellen

Viele Patienten fragen, ob sie durch eine gesunde Ernährung oder eine Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel die Entwicklung oder Progression der AMD beeinflussen können.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bestimmt den Nährstoffgehalt von Nahrungsmitteln seit mehr als 50 Jahren und in dieser Zeit waren die Schwankungen minimal (http://www.dge.de). Nach Angaben der DGE (Stellungnahme vom 09.09.2003) besteht in unserem Land kein Mangel an vitaminreicher Ernährung. Vitaminpräparate, die deutlich über der von der DGE täglich empfohlenen Dosis liegen, sollten nur als Medikamente eingesetzt werden, unter Beachtung von Wirkung und Nebenwirkung.

Die einzige evidenzbasierte Therapieempfehlung ist zurzeit nur die AREDS-Supplementation, die aber nur für eine klar definierte Untergruppe der Patienten indiziert ist. Wie schon erwähnt, gibt es zurzeit keine sicheren Hinweise, dass eine erhöhte Zufuhr von L die AMD positiv beeinflussen kann. Eine höhere Zufuhr von L ist aber nicht schädlich. Größere Mengen von L und Z befinden sich laut „USDA-NCC Carotenoid Database“ in grünem oder gelbem Gemüse (Tab. 3). Diese Datenbank wurde 1998 an der Universität Minnesota aus den Daten des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (USDA) und der Ernährungskoordinationszentrale (Nutrition Coordinating Center) zusammengestellt und ist über das Internet (http://www.nal.usda.gov/fnic/foodcomp/Data/car98/car_tble.pdf) zugänglich. Die in der „USDA-NCC Carotenoid Database“ gespeicherten Informationen lassen erkennen, dass die konkreten Mengen in Abhängigkeit von der Herkunftsregion des Gemüses und der Jahreszeit schwanken.

Tab. 3 Wichtigste natürliche Quellen von Lutein und Zeaxanthin im Gemüse und Obst (durchschnittlicher Gehalt in μg/100 g) anhand der „USDA-NCC Carotenoid Database“

Fazit für die Praxis

Die altersabhängige Makuladegeneration ist die führende Ursache für Blindheit in Europa und Nordamerika. Aus diesem Grunde ist die Suche nach präventiven und therapeutischen Maßnahmen, die die Entwicklung bzw. die Progression dieser Erkrankung verhindern oder verlangsamen können, von großer Bedeutung. Soweit eine Prävention der AMD möglich ist, gründet sie sich auf eine vernünftige Lebensweise. Man sollte sich regelmäßig bewegen, das Gewicht kontrollieren, einen normalen Cholesterinwert anstreben und das Rauchen einstellen. Die Ernährung sollte reich an Früchten, Gemüse, Nüssen und Fisch sein.

In dem Dilemma, dass Antioxidantien aktiv beworben werden, von vielen Patienten gewünscht sind und daher immer häufiger angewendet werden, aber nur wenig randomisierte Studien vorliegen und eine Toxizität nicht ausgeschlossen werden kann (http://www.fda.gov), empfehlen wir Folgendes.

Patienten unter 50 Jahren haben keine AMD und brauchen keine Supplementation mit Vitaminen oder anderen Ergänzungsstoffen. Bei Patienten über 50 Jahren sollte eine Supplementation nur in Abhängigkeit vom Augenhintergrundsbefund empfohlen werden. Die ARED-Studie zeigte, dass eine Supplementation mit Vitamin C, E, β-Karotin, Zink und Kupfer nur bei Patienten mit fortgeschrittenen Formen der AMD (AREDS Nr. 8, AREDS-Kategorien 3 und 4) indiziert ist [2]. Für alle anderen Patientengruppen liegen zurzeit keine Ergebnisse von randomisierten Studien vor, die eine positive Beeinflussung der AMD durch die Supplementation beweisen. Wir sind der Meinung, dass Menschen, die keine Zeichen einer AMD haben, keine Nahrungsergänzungsmittel brauchen.

Liegt das Stadium I bis II vor, kann die Ergänzung von L (10 mg/Tag) und ω-3-Fettsäuren (500–1000 mg /Tag) angeboten werden. Diese Supplementation scheint insbesondere nach einer Linsenoperation sinnvoll zu sein, da dann mehr energiereiches (Blau)licht auf ein lipofuscinbeladenes Pigmentepithel fällt. Wir halten dies für sinnvoll aufgrund der Ergebnisse zahlreicher experimenteller und epidemiologischer Studien. Die Patienten sollten aber darauf hingewiesen werden, dass für diese Supplementation zurzeit noch kein Wirkungsnachweis durch randomisierte Studien vorliegt. Weil L und ω-3-Fettsäuren in dieser Dosierung nicht toxisch sind, kann die Supplementation bei Patienten durchgeführt werden, die jetzt alle Mittel zur AMD Beeinflussung wünschen und nicht warten können oder wollen, bis die Ergebnisse von randomisierten Studien vorliegen. Ob L und ω-3-Fettsäuren die Progression der AMD beeinflussen können, werden erst die Ergebnisse der AREDS II zeigen.