Das makuläre Pigment (MP) der menschlichen Netzhaut ist in der zentralen Retina als Macula lutea („gelber Fleck“) sichtbar. Biochemisch handelt es sich um eine Anreicherung von Lutein (L) und Zeaxanthin (Z), die zur Stoffklasse der Karotinoide zählen. Da diese von Säugetieren nicht synthetisiert werden können, müssen sie mit der Nahrung zugeführt werden und zählen deshalb wie Vitamine zu den essenziellen Mikronährstoffen. In letzter Zeit gewinnen sie zunehmend an Interesse, da sie möglicherweise bei bestimmten Formen von retinalen Degenerationen, und hier insbesondere bei der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD), eine protektive Wirkung besitzen [1,29]. Obwohl die Ursache der Erkrankung weiterhin unklar ist, gibt es zunehmend Hinweise, dass oxidativer Stress die Entwicklung degenerativer Erkrankungen, einschließlich der AMD, und Alterungsprozesse an sich begünstigt [1,7,22,23,24].

Die schützende Wirkung des MP in der Retina beruht im Wesentlichen auf zwei Haupteigenschaften des MPs:

  • Das MP besitzt aufgrund seines Absorptionsspektrums eine effektive Filterwirkung gegenüber energiereichem, blauen Licht, das zu photooxidativen Schäden an der neurosensorischen Netzhaut führen kann und dient somit als „natürliche Sonnenbrille“ [26,27].

  • Das MP weist direkte antioxidative Eigenschaften auf, die es ermöglichen, reaktive Sauerstoffspezies und somit eine Schädigung durch freie Radikale an der Netzhaut zu vermindern [1,22].

Aus epidemiologischen Studien gibt es erste Hinweise, dass die Dichte des makulären Pigments durch einen erhöhten Konsum von Früchten und Gemüse oder einer geeigneten Supplementation erhöht werden kann [3,15,21].

In dieser Studie untersuchten wir, ob Schwankungen der MP-Dichte (MPD) bei gesunden Probanden im Verlauf eines Jahres auftraten und ob die MPD von wechselnden Ernährungsgewohnheiten abhängig ist.

Material und Methoden

In diese prospektive Studie wurden junge gesunde Probanden eingeschlossen, die Studenten der Universität Leipzig sind. Einschlusskriterien waren ein ophthalmologisch an beiden Augen gesicherter regelrechter Augenbefund ohne pathologische Netzhautveränderungen und ein unauffälliger Allgemeinzustand. Bei den Probanden wurde die Dichte des MP an sechs verschiedenen Messzeitpunkten jeweils im Abstand von 2 Monaten innerhalb eines Jahres bestimmt. Da beide Augen in der Dichte des MP grundsätzlich gut übereinstimmen, wurde jeweils nur ein Auge der Testpersonen in die Auswertung der Untersuchungsergebnisse einbezogen [12]. Die Probanden wurden gemäß ihrer Nahrungsaufnahme von Lutein und Zeaxanthin in Hoch- und Niedrigkonsumenten eingeteilt. Dabei sollten die Probanden ihre üblichen Ernährungsgewohnheiten beibehalten und keine spezielle Diät für die Studie halten. Für die Erhebung des Nahrungsgehalts an Lutein und Zeaxanthin wurde bei den Probanden in den Messintervallen die kumulative Zufuhr an Karotinoiden per Fragebogen ermittelt. Dabei wurde der molekulare Gehalt an L/Z mit der angegebenen verzehrten Menge an karotinoidhaltigen Lebensmitteln verrechnet. Als Grundlage hierfür diente die Auflistung des Karotingehalts (mol%) in Gemüse nach Sommerburg [28]. Die Probanden wurden dann einer Gruppe mit hoher bzw. niedriger L/Z-Zufuhr in der Nahrung zugeordnet. Anschließend wurden die Gruppen mit der jeweiligen MPD verglichen.

Untersuchung

Bei allen Testpersonen wurde eine umfassende ophthalmologische Untersuchung durchgeführt, bestehend aus Prüfung der Sehschärfe mit bester Korrektur, Spaltlampenuntersuchung und Untersuchung des Fundus in Mydriasis. Die Pupille des Testauges wurde mit 0,5%igem Tropicamid und 2,5%igen phenylephrinhaltigen Augentropfen weitgestellt. Die makuläre Pigmentmessung wurde mit einem modifizierten konfokalen Scanning-Laser-Ophthalmoskop (HRA, Fa. Heidelberg Engineering, Heidelberg, Deutschland) durchgeführt [31]. Die Patienten wurden vor das Gerät positioniert und aufgefordert, ruhig geradeaus zu schauen. Bei 488 nm und 514 nm Wellenlänge und einem 530-nm-Band-pass-Filter haben wir 20°-Autofluoreszenzbilder vom hinteren Augenpol aufgenommen.

Messung der makulären Pigmentdichte

Wir quantifizieren die makuläre Pigmentdichte, indem wir Funktionalbilder der MPD erstellen und die foveale und parafoveale Autofluoreszenz bei 488 nm und 514 nm vergleichen [31] (Abb. 1). Diese Funktionalbilder werden durch digitale Subtraktion der logarithmierten Autofluoreszenzbilder berechnet und stellen die Dichte des makulären Pigments kodiert dar. Innerhalb eines Kreises mit einem 1°-Durchmesser wird die MPD mit Hilfe dieser Funktionalbilder bestimmt. In früheren Studien konnten wir zeigen, dass die Reproduzierbarkeit bei Wiederholungsmessungen hoch ist. Der Variationskoeffizient für Messwertwiederholungen beträgt etwa 5% [32].

Abb. 1
figure 1

Schema der Autofluoreszenzmessung AF). Absorptionsspektrum des makulären Pigmentes (schwarze Kurve) mit maximaler Absorption bei 460 nm. Bilder zur Quantifizierung der MP-Dichte werden bei 488 nm und 514 nm aufgenommen, Sperrfilter bei 530 nm, Detektion der Lipofuszinautofluoreszenz mit einem Maximum bei 620–630 nm Wellenlänge

Für die statistische Analyse untersuchten wir zunächst die MP-Dichte des Probandenkollektivs auf Normalverteilung. Da diese vorlag, wurde ein gepaarter t-Test eingesetzt, um Unterschiede der mittleren MPD zwischen den sechs Untersuchungsterminen zu bewerten. Um die einzelnen Messwerte auf das kalendarische Datum zu beziehen, wurde die Glättungsmethode nach Lowess-Guggen benutzt. Mit dem Mann-Whitney-U-Test wurden Unterschiede der MPD zwischen der Gruppe der Hochkonsumenten und der der Niedrigkonsumenten untersucht, und die Regressionsanalyse wurde angewandt, um den Zusammenhang zwischen der täglichen L/Z-Aufnahme und der MPD zu prüfen. Ebenfalls mit dem Mann-Whitney-U-Test wurde die MPD in Abhängigkeit des Geschlechts untersucht.

Ergebnisse

Wir schlossen 30 gesunde Probanden (16 Frauen, 14 Männer) im Alter von 19 bis 33 Jahren (im Mittel 23±3 Jahre) in unsere Studie ein. Der bestkorrigierte Visus lag bei allen Probanden zwischen 20/16 und 20/20. Ein Proband wurde nur zu den Zeitpunkten 1–3 untersucht (Drop-out). In die Gruppe der Hochkonsumenten wurden 12 Probanden eingeschlossen, und 18 Personen wurden der Gruppe der Niedrigkonsumenten zugeordnet.

Die Mittelwerte der MPD zu den sechs Messzeitpunkten (MZP) waren wie folgt (Abb. 2):

  • MZP1: 0,336±0,082 D.U.;

  • MZP2: 0,296±0,074 D.U.;

  • MZP3: 0,303±0,076 D.U.;

  • MZP4: 0,315±0,068 D.U.;

  • MZP5: 0,314±0,070 D.U.;

  • MZP6: 0,308±0,088 D.U..

Abb. 2
figure 2

Boxplot der mittleren MPD bei 30 Probanden zu 6 verschiedenen Messzeitpunkten. Keine signifikanten Unterschiede traten auf

Der gepaarte t-Test zeigte keine signifikanten Unterschiede der MPD zwischen den verschiedenen Untersuchungszeitpunkten. Die statistische Analyse nach Lowess-Guggen zeigte eine parallel verlaufende Glättungslinie und keine Peaks. Es kann nicht von einem signifikanten Einfluss des Jahreszeitfaktors (kalendarische Zeit) auf die MPD ausgegangen werden (Abb. 3). Die Mittelwerte der MPD bei den Hochkonsumenten lagen bei 0,325±0,076 D.U. und bei den Niedrigkonsumenten bei 0,310±0,76 D.U. Es konnte kein nachweisbarer Zusammenhang zwischen der L/Z-Aufnahme und der MPD gefunden werden (Abb. 4). Mit dem Mann-Whitney-U-Test wurden keine signifikanten Unterschiede der MPD zwischen der Gruppe der Hoch- und der der Niedrigkonsumenten gefunden (p=0,4335), und die Regressionsanalyse zeigte keine signifikante Korrelation (r2=0,023, p=0,4259). Ebenfalls keine signifikanten Unterschiede der MPD wurden zwischen Männern (MP=0,311±0,071 D.U.) und Frauen (MP=0,316±0,077 D.U.) gefunden (p=0,7695), und es bestanden keine signifikanten Unterschiede in der L/Z-Aufnahme zwischen den Geschlechtern (p=0,9499).

Abb. 3
figure 3

MPD in Abhängigkeit der kalendarischen Zeit

Abb. 4
figure 4

Boxplot der mittleren MPD in Abhängigkeit von Lutein- und Zeaxanthinaufnahme

Diskussion

In dieser Studie wurde die makuläre Pigmentdichte durch eine nichtinvasive Messmethode bei 30 gesunden Probanden an sechs Messzeitpunkten innerhalb eines Jahres bestimmt. Danach wurden diese Werte mit den Ernährungsgewohnheiten der Probanden verglichen, die anhand von Fragebögen ermittelt worden waren. Die Studie zeigt, dass die MPD keinen jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt und dass sie durch unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten bei jungen Probanden nicht beeinflusst wird.

Da die Karotinoide einen niedrigen Umsatz in der Netzhaut durchlaufen und lokale retinale Prozesse eine Rolle bei der Akkumulation und Stabilisierung der MPD spielen, kann die MPD nicht eine kurzfristige Änderung der Ernährungsgewohnheiten, sondern nur Veränderungen über einen langen Zeitraum reflektieren [21]. Aus diesem Grund wurden die Probanden unserer Studie dazu angehalten, ihre üblichen Ernährungsgewohnheiten beizubehalten, damit keine Verzerrungen bei dem Vergleich der aktuellen L/Z-Aufnahme mit der MPD durch eine neu begonnene Diät auftreten. Es zeigte sich — vergleichbar mit anderen Studien — eine hohe interindividuelle Variabilität der MPD [4,11,13,18,25]. Die mittlere MPD zu den sechs Messzeitpunkten und die MPD-Werte der einzelnen Probanden im Verlauf eines Jahres waren jedoch konstant. Dies lässt sich durch eine gleichbleibende Ernährung der Probanden erklären. Weiterhin lässt sich aus den Ergebnissen schließen, dass ein jahreszeitlicher Einfluss auf die MPD nicht besteht und dass evtl. saisonbedingte Änderungen der diätetischen Aufnahme von L/Z keinen Einfluss auf die MPD haben. Die Studie zeigt außerdem, dass die interindividuelle Variabilität der MPD sich nicht durch unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten erklären lässt. So fanden sich z. B. bei einer Probandin im Verlauf des Jahres konstant hohe MP-Werte (mittlere MPD 0,467 D.U.) bei anamnestisch geringem L/Z-Verzehr, während bei einer anderen Probandin bei anamnestisch hohem L/Z-Verzehr konstante, aber eher niedrige MPD-Werte (mittlere MPD 0,256 D.U.) auftraten.

Querschnittstudien wie diese, welche die diätetische Aufnahme von Lutein und Zeaxanthin mit der MPD vergleichen, müssen immer bezüglich ihrer Grenzen interpretiert werden, da eine Bewertung der Nahrungsaufnahme durch Fragebögen sehr anfällig für Verzerrungen durch die Angaben der Probanden ist. Außerdem basieren unsere Erhebungen auf Fragebögen, mit denen die Verdauungs- und Absorptionseigenschaften und der Transport der Karotinoide in die Gewebe nicht berücksichtigt werden, sodass die individuelle Bioverfügbarkeit der Karotinoide nicht erfasst werden kann. Trotz dieser Einschränkungen konnten wir in dieser Studie zeigen, dass eine Veränderung der MPD sich nicht einfach durch eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten erreichen lässt.

In anderen Beobachtungsstudien konnte ebenfalls kein signifikanter Zusammenhang zwischen der L/Z-Aufnahme in der Nahrung und der MPD festgestellt werden [2,14]. Bone ermittelte die diätetische Einnahme von Lutein und Zeaxanthin per Fragebogen und bestimmte die Konzentration der Karotinoide im Blutserum und die makuläre Pigmentdichte [5]. Er fand eine schwache Korrelation, bei der etwa die Hälfte der Schwankungen in der Serumkonzentration und etwa ein Drittel der makulären Pigmentdichte durch die diätetische Einnahme erklärbar ist. Die schwache Korrelation zwischen L/Z-Aufnahme und MPD erklärt Bone mit dem niedrigen retinalen Umsatz der Karotinoide. In allen drei Studien, wie auch in der unseren, sind die Probandengruppen jedoch sehr klein gewesen (n<50). Eine Studie von Curren-Celentano u. Ciulla mit einer Probandenzahl von 280 konnte hingegen einen signifikanten und positiven Zusammenhang zwischen L/Z-Aufnahme und MPD feststellen [9,10]. Auch mehrere Supplementationsstudien zeigten, dass sowohl die Konzentration der Karotinoide im Serum als auch die MPD durch eine geeignete Substitution ansteigt [3,6,19,20]. Interessanterweise traf dies aber nicht für alle Probanden zu. Bei den sog. „Non-respondern“ zeigte die Supplementation keine Wirkung [15]. Eine andere Feststellung war, dass die Aufnahme von Lutein in die Netzhaut durch einen hohen Prozentsatz von Körperfett beeinträchtigt wird, da die Karotinoide bevorzugt in Fettgewebe aufgenommen werden und somit anderen Geweben nicht mehr zur Verfügung stehen [16,19]. Aber nicht nur der Ernährungsstatus, auch die Anwesenheit von Fetten und Ballaststoffen in der Nahrung sowie die Matrix des Lebensmittels beeinflussen die Bioverfügbarkeit der Karotinoide [8]. Darüber hinaus existieren Wechselwirkungen der Karotinoide mit anderen bioaktiven Substanzen untereinander. Eine Studie von Tucker 1999 konnte zeigen, dass auch das Lebensalter die Bioverfügbarkeit von L und Z beeinflusst [30].

Im Hinblick auf eine mögliche protektive Wirkung des makulären Pigments in der Entwicklung und Progression retinaler Erkrankungen wie der AMD wird deutlich, wie wichtig das Verständnis der Zusammenhänge von L- und Z-Konzentrationen in Nahrung, Serum, Netzhaut und anderen Geweben ist.

Die hohe interindividuelle Variabilität der MPD, die in dieser und anderen Studien bei Gesunden und Patienten mit altersabhängiger Makulopathie festgestellt wurde, untermauert eine Studie von Beatty et al., die zeigt, dass kein Schwellenwert existiert, bei dem es zu einer wahrscheinlichen Entwicklung einer AMD kommt. Vielmehr scheint es zu einem Verlust von existierendem MP durch altersbedingte Prozesse zu kommen [2]. Möglicherweise trägt oxidativer Stress und eine gestörte Bioverfügbarkeit der Karotinoide im Alter zu einem Verlust des MP und damit zu einem erhöhten Risiko, an einer AMD zu erkranken, bei. In unserer Studie wurden ausschließlich junge gesunde Probanden untersucht. Es ist vorstellbar, dass die MPD durch eine gute Bioverfügbarkeit von Lutein und Zeaxanthin und geringen oxidativen Stress bei diesen Probanden konstant gehalten wird. In Langzeitstudien muss gezeigt werden, ob eine hochdosierte Nahrungsergänzung die MPD bei jungen Probanden signifikant beeinflussen kann und ob ein Verlust der MPD bei älteren Probanden dadurch verhindert werden kann.