Einleitung

Mit 90% aller Fälle stellt das primäre Offenwinkelglaukom (POWG) die häufigste Glaukomform dar. Die Erkrankung zählt zu einer der häufigsten Erblindungsursachen [15]. Mit verantwortlich für ihre Pathogenese ist ein erhöhter Abflusswiderstand innerhalb des juxtakanalikulär gelegenen Trabekelmaschenwerks und der inneren Wand des Schlemm-Kanals [9], welcher zu einem erhöhten intraokularen Druck (IOD) führt. Die Senkung des IOD ist derzeit die einzige evidenzbasierte Therapie, durch die die Progression der Erkrankung aufgehalten werden kann [7].

Trotz modernster mikrochirurgischer Techniken sind die Erfolgschancen für Patienten mit primärem Offenwinkelglaukom, ihren Augendruck durch einen operativen Eingriff dauerhaft und in ausreichendem Maße senken zu können, heute noch nicht zufriedenstellend. Etablierte filtrationschirurgische Methoden wie z. B. die Trabekulektomie oder die Goniotrepanation zeigen selbst unter Verwendung von Antimetaboliten nur begrenzt gute Erfolgsquoten [11, 12]. Andere, den Abfluss verbessernde Verfahren wie z. B. die Lasertrabekuloplastik sind zwar weniger invasiv, jedoch auch weniger effektiv und oftmals nur von begrenzter Wirkdauer [10, 17]. Zyklodestruktive Eingiffe wie die Zyklophoto- oder Zyklokryokoagulation wirken häufig nur für einen begrenzten Zeitraum und müssen oft mehrmals wiederholt werden [6, 16]. Bei beiden Methoden können schwerwiegende Komplikationen wie etwa eine Hypotonie oder ein Verlust der Sehschärfe auftreten.

Die Excimer-Laser-Trabekulotomie (ELT) ist eine neue, minimal-invasive Methode zur komplikationsarmen Drucksenkung bei Patienten mit Offenwinkelglaukom oder OHT.

Wie funktioniert dieser Lasereingriff?

Bei der ELT werden mit Hilfe eines photoablativen Lasers „Foramina“ in das Trabekelwerk des Kammerwinkels geschnitten, die eine Verbindung zwischen Vorderkammer und Schlemm-Kanal schaffen. In der Universitäts-Augenklinik Freiburg wird eine kommerziell erhältliche und CE-zertifizierte photoablative Lasersonde (XeCL Excimer Laser, AIDA, Wellenlänge 308 nm, Pulsenergie 1,2 mJ, Pulsdauer 16 ns, Wiederholungsrate 20 Hz, Spotgröße ca. 200 µm) verwendet. Im Handstück ist neben der Lasersonde eine endoskopische Kamera integriert, über die eine genaue Beobachtung des Lasereingriffs möglich ist. Alternativ kann die ELT auch gonioskopisch überwacht werden, hierfür ist eine andere Laserfaser (LAGO-200) notwendig.

Die ELT kann in topischer, retrobulbärer oder allgemeiner Anästhesie erfolgen. Im ersten Schritt wird ein kornealer Tunnel präpariert, die Pupille wird mit Pilocarpin 2% oder Acetylcholin eng gestellt und die Vorderkammer mit Viskoelastikum gefüllt. Dieser Vorgang lässt sich über ein handelsübliches Operationsmikroskop verfolgen. Über den kornealen Tunnel wird die Lasersonde in die Vorderkammer eingeführt (Abb. 1). Mit Hilfe einer neben dem Laserkopf angebrachten endoskopischen Kamera (äußerer Durchmesser des Endoskops 0,95×1,3 mm) erfolgt die exakte Applikation der Laserherde in den Kammerwinkel (Abb. 2). Um den gewünschten Effekt zu erzielen, muss die Sonde während des Laservorgangs direkten Kontakt zum Trabekelmaschenwerk haben. In aller Regel werden in das Trabekelmaschenwerk 10 Löcher innerhalb eines Quadranten gelasert. Die maximale Anzahl von 10 Laserherden pro Sonde ist durch den Hersteller vorgegeben.

Abb. 1
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Position des Handstücks mit Lasersonde und endoskopischer Kamera in Aufsicht

Abb. 2
figure 2

Endoskopische Sicht während des ELT-Eingriffs

Der besondere Vorteil des hier verwendeten photoablativen Lasers im Vergleich zu einem thermischen Laser wie z. B. dem Argonlaser zeigt sich darin, dass er nahezu keine thermischen Nebeneffekte hat und sich so das Risiko einer Vernarbung der „Löcher“ verringert [20]. Histologische Studien konnten zeigen, dass aufgrund der speziellen Wellenlänge des AIDA-Lasers von 308 nm das Trabekelmaschenwerk tatsächlich ohne wesentliche Wärmeinduktion perforiert wird [8, 19]. Häufig füllt sich der Schlemm-Kanal während des Eingriffs retrograd mit Blut, was die Identifizierung der einzelnen Kammerwinkelstrukturen und damit die korrekte Applikation der Laserherde erleichtert. Sieht man direkt nach der Applikation eines Laserherds eine retrograde Blutung aus dem Schlemm-Kanal, ist dies ein Zeichen dafür, dass das Trabekelmaschenwerk tatsächlich vollständig perforiert wurde. Die Blutung kann leicht zum Sistieren gebracht werden, indem die Vorderkammer nach der ELT wieder tonisiert wird.

Die ELT kann auch in Kombination mit einer Kataraktoperation durchgeführt werden. Beim kombinierten Eingriff beginnt der Operateur mit der Kataraktoperation und führt die ELT-Sonde anschließend über den bereits vorhandenen Zugang ein. Der zeitliche Aufwand für eine ELT liegt bei etwa 5 min. Wird die ELT mit einer Kataraktoperation kombiniert, ist der zeitliche Aufwand entsprechend geringer, da ja bereits ein kornealer Tunnelschnitt vorhanden ist.

Da die Applikation der Laserherde über einen Radius von ca. 90° erfolgt, sind Wiederholungen der ELT bei unzureichendem Effekt des Primäreingriffs möglich. Da die Bindehaut bei dem Eingriff vollkommen unberührt bleibt, kann bei unzureichender Drucksenkung ein fistulierender Eingriff angeschlossen werden, ohne dass die Erfolgaussichten durch eine vorangegangene Bindehautmanipulation reduziert wären.

Schwerwiegende Komplikationen wurden bei der ELT bisher nicht beobachtet. Stärkere Entzündungsreaktionen können postoperativ v. a. beim kombinierten Eingriff auftreten, da die Möglichkeit einer durch den Lasereingriff bedingten, leichten Vorderkammerblutung gegeben ist. Eine daraus resultierende erhöhte Inzidenz des zystoiden Makulaödems konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

Studien zum Therapieerfolg

Es existieren bereits einige Studien über die Wirksamkeit der ELT, jedoch wäre eine noch größere Datenmenge wünschenswert, um zuverlässige Analysen bezüglich des Langzeiteffekts dieses Lasereingriffs machen zu können. In klinischen Pilotstudien konnte bereits mit unterschiedlichen photoablativen Laserprototypen gezeigt werden, dass die Behandlung zu einer deutlichen Drucksenkung führt [2, 18]. Babighian et al. untersuchten 21 Patienten mit Offenwinkelglaukom, die eine ELT erhalten hatten, über 2 Jahre und beobachteten eine Augendrucksenkung von 31,8% nach 24 Monaten. Die Quote an Therapieversagern lag bei 9,5%. Unsere Arbeitsgruppe untersuchte 69 Patienten, die eine ELT als Monoeingriff erhalten hatten, und 57 Patienten mit kombiniertem Eingriff (Kataraktoperation + ELT) [21]. Der IOD und die Anzahl der Antiglaukomatosa wurden präoperativ und 3, 6, und 12 Monate nach der Operation bestimmt. Erfolgsquoten wurden mit Hilfe einer Kaplan-Meier-Statistik ermittelt. Ein Eingriff galt als erfolgreich, wenn der Augendruck bei <22 mmHg lag und um ≥20% im Vergleich zum Ausgangsdruck gesenkt werden konnte. Bei Patienten, bei denen ausschließlich eine ELT durchgeführt wurde, ließ sich der Augendruck signifikant von 24,1 mmHg präoperativ auf 18,8 mmHg nach 1 Jahr senken. Allerdings lag die Anzahl an Reoperationen aufgrund insuffizienter Augendrucksenkung innerhalb dieses Zeitraums bei 28%. Nach 12 Monaten erfüllten 46% der Patienten die oben genannten Erfolgskriterien (Augendruck <22 mmHg und Augendrucksenkung im Vergleich zum Ausgangsdruck ≥20%). Die Anzahl an Antiglaukomatosa änderte sich nicht signifikant. In der Gruppe der Patienten mit kombiniertem Eingriff, Kataraktoperation + ELT, konnte der mittlere Augendruck von 22,4 mmHg auf 16,4 mmHg nach 12 Monaten gesenkt werden, und nur 7% der Patienten benötigten einen erneuten Augendruck senkenden Eingriff. Die Anzahl der verwendeten Antiglaukomatosa änderte sich statistisch nicht signifikant. 66% dieser Patienten erfüllten die Erfolgskriterien nach 1 Jahr. In einer Subanalyse dieser zwei Patientengruppen zeigte sich, dass v. a. Patienten mit höheren präoperativen Augendruckwerten von einer ELT profitieren [13]. So erfüllten in der ELT-Gruppe 57% der Patienten mit einem Ausgangsdruck von >22 mmHg die Erfolgskriterien, Patienten mit einem Ausgangsdruck von ≤22 mmHg zeigten mit 41% eine geringere Erfolgsquote. In der Gruppe, die einen kombinierten Eingriff erhalten hatte, schnitten 91% der Patienten mit einem Augendruck von >22 mmHg erfolgreich ab, in der Untergruppe mit niedrigeren Ausgangsdruckwerten waren es 52%.

Die ELT scheint also insbesondere bei hohen Ausgangsdruckwerten besonders wirksam zu sein. Das insgesamt vorteilhaftere Abschneiden bei der kombinierten Operation lässt sich natürlich auch durch den „Mitnahmeeffekt“ der per se schon Druck senkenden Kataraktoperation erklären.

ELT-Langzeitwirkung

Bereits seit 1996 wird mit einem ebenfalls endoskopisch kontrollierbaren, photoablativ arbeitenden Erbium-YAG-Laser eine Trabekelwerksablation durchgeführt. Über die Erfahrungen mit diesem nicht zertifizierten Prototyp sind zahlreiche Veröffentlichungen erschienen [1, 2, 3, 4, 5, 14]. Es konnte eine effektive Augendrucksenkung über 5 Jahre gezeigt werden. Da es sich beim Erbium-YAG-Laser um einen dem bei der ELT verwendeten XeCL-Excimer-Laser verwandten Lasertyp handelt, liegt die Vermutung nahe, dass die ELT ebenfalls einen mindestens 5 Jahre anhaltenden Augendruck senkenden Effekt induzieren könnte. Bisherige Daten unserer Arbeitsgruppe belegen bereits einen positiven Effekt der ELT über einen Nachbeobachtungszeitraum von 2 Jahren. So konnte nach 2 Jahren in der ELT-Gruppe eine Augendrucksenkung von 19,5% und in der Gruppe mit kombiniertem Eingriff von 28% im Vergleich zum Ausgangsdruck beobachtet werden. Weitere Langzeitstudien müssen allerdings folgen.

Fazit für die Praxis

Die ELT stellt, insbesondere bei Patienten mit moderater Augendruckerhöhung, eine sinnvolle und risikoärmere Alternative zur fistulierenden Operation dar. In den Fällen, bei denen sich durch die ELT keine ausreichende Drucksenkung erzielen lässt, kann ohne Beeinträchtigung der Erfolgschancen ein fistulierender Eingriff angeschlossen werden, da bei einer ELT nicht an der Bindehaut manipuliert wird. Eine Wiederholung des Lasereingriffs ist problemlos möglich. Als besonders effektiv in der Drucksenkung hat sich die eine Kombination aus Kataraktoperation und ELT erwiesen. Die ELT ist innerhalb weniger Minuten auch unter ambulanten Bedingungen durchführbar, komplikationsarm und benötigt, anders als z. B. die Trabekulektomie, keine intensive postoperative Nachbetreuung. Da die Effektivität und Langzeitwirkung des Verfahrens derzeit nur mit wenigen Studien belegt ist, sind weitere Untersuchungen essenziell, um die ELT in der Glaukomchirurgie als Standardverfahren zu etablieren.