Wenn die Tatsachen nicht mit der Theorie übereinstimmen, umso schlimmer für die Tatsachen. (Hegel)

In Kenntnis der neurophysiologischen Grundlagen arbeiten die Manualmediziner und Therapeuten der DGMM-Seminare in der Sache gleich. Es gibt Kerntechniken, die alle verwenden. Daneben stellen die vermeintlichen Unterschiede zum einen Spezifika der einzelnen Seminare, zum anderen echte Alternativen für die Vielfalt im klinischen Alltag dar. Diese Erkenntnisse wurden auch in das von der Europäischen Gesellschaft für Manuelle Medizin (ESOMM) empfohlene Curriculum übernommen [12].

Historisch betrachtet ist der Begriff der Blockierung, zumindest im Wirbelsäulenbereich, so alt wie die jahrtausendealte Heilmethode der manuellen Medizin. Damals wie heute ist sie eine Indikation für die Behandlung „von Hand“, wobei in früheren Jahren zum Teil auch Gerätschaften zur „Streckung und Korrektur bzw. Reposition von Wirbeln“ zum Einsatz kamen.

Im Laufe der Zeit entwickelten sich immer wieder neue Theorien über das Korrelat, das einer „Blockierung“ eigentlich zugrunde liegt (Tab. 1)

Tab. 1 Geschichte der Ursachenfindung zur „Blockierung“

In den alten Lehrbüchern finden sich noch Begriffe wie „Wirbelsubluxation“, „Wirbelverrenkung“, „Wirbelfehlstellung“ oder „herausgesprungener Wirbel“. Dies sind mechanistische Vorstellungen, die nach wissenschaftlichem Kenntnisstand nicht mehr zutreffen.

Hier hat uns gerade die Grundlagenforschung in den letzten Jahren neue Erkenntnisse bzw. Arbeitshypothesen erbracht. Durch diese Forschungsergebnisse lassen sich die empirisch unbestrittenen Erfolge der Manualmedizin zu einem großen Teil wissenschaftlich erklären.

Definition der Blockierung

Die Arbeitsgruppe Konsensus des Projektes Manuelle Medizin der Bertelsmann-Stiftung hat die Blockierung als „reversible hypomobile artikuläre Dysfunktion innerhalb des Bewegungsraums mit eingeschränktem oder fehlendem Gelenkspiel“ („joint play“) definiert ([2, 8]; Infobox 1). Die Blockierung kann eine oder mehrere Bewegungsrichtungen betreffen, z. B. Konvergenz oder Divergenz im Bereich der Wirbelsäule.

Als überschneidende Bezeichnungen für die artikuläre Dysfunktion und/oder ihre reflektorischen Auswirkungen werden geführt:

  • somatomotorischer Blockierungseffekt (Brügger),

  • spondylogenes Reflexsyndrom (Sutter),

  • „dérangement intervertébral mineur“ (Maigne) und

  • „somatic dysfunction“.

In Leipzig diskutierte 2007 eine Gruppe aus Lehrern der drei deutschen ärztlichen manualmedizinischen Gesellschaften, die Definition entsprechend dem Korrelat für die nachfolgende Therapie als „reversible, hypomobile, segmentale Funktionsstörung“ an der Wirbelsäule und bzw. ergänzend als „reversible hypomobile arthromuskuläre Gelenkfunktionsstörung“ für die Extremitätengelenke zu formulieren.

Hypomobilität und Muskelspannungsdifferenz deuten auf eine Blockierung hin

Hypomobilität, Muskelspannungsdifferenz und fakultativ Schmerz der Funktionsbewegung aus der orientierenden Untersuchung sind die Kriterien zur gezielten Suche nach Blockierungen. Spezifisch mit den Methoden der manuellen Diagnostik werden Hypomobilität im Segment bzw. im Gelenkspiel mit Richtungsbezug sowie mindestens einem oder zwei fakultativen Zeichen der Nozireaktion im segmentalen Bezug gefordert. Diese umfassen Spannungsphänomene wie abrupte Endspannung oder Irritationspunkte, die der Muskulatur zugeordnet werden und damit eine Wandlung des Begriffs „artikulär“ in „arthromuskulär“ begründen. Daneben sind weitere Zeichen der Nozireaktion zu ergänzen. In die Wertung eines zunächst lokalen Befunds fließen einerseits mögliche Ursachen sowie die Folgen und Auswirkungen über das Segment hinaus ein. Andererseits sind aus der Art des Befunds therapeutische Konsequenzen und im Ergebnis prognostische Einschätzungen zum Behandlungskonzept zu gewinnen.

Durch eine orientierende oder gezielte Nachuntersuchung wird das Kriterium der Reversibilität bestätigt.

Im Falle des Weiterbestehens der hypomobilen segmentalen Funktionsstörung muss sowohl die Diagnose kritisch hinterfragt als auch die Differenzialdiagnostik erweitert werden (Tab. 2).

Tab. 2 Folgen bzw. Begleitsymptome einer Gelenkfunktionsstörung

Zu den Entstehungsmechanismen (Tab. 3) und Folgen einer reversiblen hypomobilen Dysfunktion führen verschiedene Vertreter der manuellen Medizin und der Grundlagenwissenschaften Diskussionen von verschiedenen Standpunkten aus, die aber ursächlich untrennbar zusammenhängen. Die einen betonen bei der Erklärung eine durch Schmerzreize ausgelöste Veränderung im Tonus der Muskulatur (insbesondere auch der tiefen stabilisierenden Wirbelsäulenmuskulatur), die zur Bewegungseinschränkung führt. Die anderen betonen die Spannungsveränderung insbesondere in der tonischen Muskulatur aufgrund veränderter Stereotype der Haltung und Bewegung, die ihrerseits die Schmerzempfindungen auslösen. Diese verschiedenen Herangehensweisen an die Ursache-Wirkung-Beziehungen führen aber nicht zu einem grundsätzlich unterschiedlichen Herangehen an die manuelle Diagnostik und Therapie der Blockierungen (Abb. 1).

Tab. 3 Ursachen einer Blockierung
Abb. 1
figure 1

Folgebereiche einer reversiblen reduzierten Mobilität

Pathogenese der Blockierung an der Wirbelsäule

Entsprechend der klinischen Erfahrung wird angenommen:

  • Bei Bewegung in die schmerzhafte gesperrte Richtung wird die Noziafferenz verstärkt und der Muskeltonus nimmt zu.

  • Bei Bewegung in die freie Richtung zeigt sich eine Abschwächung des Tonus der segmentalen Muskulatur durch Verringerung der Noziafferenz.

Diese Veränderungen der Spannungsphänomene sind in unterschiedlicher Form und Definition diagnostisches Kriterium der einzelnen Seminare.

Die häufigste Form der reversiblen Dysfunktion ist die Blockierung des Bewegungssegments an der Wirbelsäule (reversible, hypomobile, segmentale Funktionsstörung), also die spondylogene Dysfunktion. Da allein schon mechanisch Bandscheibe und Wirbelbogengelenke untrennbar miteinander verbunden sind („Dreifußprinzip“), ist immer das gesamte Wirbelsäulensegment mitbeteiligt. Ursächlich hierfür können Traumen oder auch degenerative Veränderungen sein. Beispielhaft für die traumatische Genese soll hier die HWS-Distorsion erwähnt werden, wo häufig nach Abklingen der akuten traumatischen Phase funktionelle Störungen ursächlich für anhaltende Beschwerden verbleiben.

Die myogene Blockierung

Die Form der myogenen Blockierung resultiert aus der Einwirkung eines pathologischen muskulären Tonus auf das Gelenk. Dieser muskuläre Tonus kann die Folge von (funktionellen) Fehlbelastungen wie Zwangshaltungen, monotonen oder stereotypen Belastungssituationen oder Immobilisation sein.

Eine strukturelle Fehlstatik, z. B. Beinlängendifferenzen, Arthrosen, Paresen oder Skoliosen, kann sich in blockierungsbedingten Problemen an der Wirbelsäule widerspiegeln.

Neurophysiologie der muskeltonusbedingten Blockierung (aus der Sicht von L. Beyer)

Eine pathologische Zunahme des Muskeltonus bei passiv durchgeführten Bewegungen wird meistens subjektiv bei der Diagnostik funktioneller Störungen von Weichteilen und Gelenken festgestellt. Eine Darstellung intramuskulärer Ursachen für eine Muskelspannungserhöhung wurde bereits gegeben [3]. Hier folgen nun quasi als Teil 2 einer Ursachenanalyse einige neurophysiologische Aspekte aus dem „tonischen Teilsystem“ der spinalen Motorik.

In Tierexperimenten konnten auf verändertem Muskeltonus basierende Extremitätenhaltungen nach Kleinhirnläsionen, nach längerer elektrischer Muskel- oder Hautstimulation sowie nach Entzündungen hervorgerufen werden [4].

Das spinale motorische System erhält multiforme konvergierende Informationen von absteigenden Bahnen aus verschiedenen supraspinalen Zentren und eine multisensorische periphere Afferenz. Die Balance zwischen beiden Zuströmen variiert an den verschiedenen Systemen und an den verschiedenen Zellen.

Die verschiedenen motorischen Systeme bestehen nicht aus homogenen Populationen von Interneuronen (IN), aber es gibt unterschiedliche Untergruppen der IN mit unterschiedlicher Konvergenz und mit unterschiedlichen Projektionsmustern zu unterschiedlichen Motoneuronen als Ziel.

Grundlegende Aufgabe dieser Systeme ist die Kontrolle des Einsatzes und Verlaufs der Bewegungen.

Dabei sind drei Komponenten zu betrachten:

  • Übertragung und Koordination deszendenter Information zur Ausführung zentral ausgelöster Bewegungen und ihre Anpassung an die peripheren Bedingungen. Unterschiedliche Untergruppen von IN stehen für unterschiedliche Aufgaben zur Verfügung.

  • Transformierung afferenter sensorischer Information in motorische Muster. Diese spinalen Reflexe stellen keine stereotypen Antworten zu einem bestimmten sensorischen Eingang dar. Ihre Amplitude und Richtung werden von den absteigenden und segmentalen Bedingungen beeinflusst und hängen mit der Nutzung verschiedener Informationsbahnen zusammen.

  • Endogene Generierung oder Beteiligung von komplexen Bewegungsmustern (Gang, Kratzen, Atmung [17]).

Berücksichtigen wir die bekannten neuromodulativen Mechanismen aus der Schmerzafferenz und die enorme Fähigkeit der Neurone zur „Plastizität“, ergeben sich hier Ansatzpunkte für verschiedene hypothetische Aspekte der Beeinflussung von Dysfunktionen in der Motorik von Haltung und Bewegung über diese supraspinalen deszendierenden Bahnen.

Die schmerzbedingte Blockierung

Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Nozizeptor („der Schadensmelder“), eine morphologisch vielfältige Struktur, die im Gegensatz zu anderen Rezeptoren multimodal ist, also auf Reize unterschiedlicher Qualität (thermisch, mechanisch, chemisch) reagiert und vor Ort zu einer Freisetzung von Gewebshormonen führt. Wird ein gewisser Sollwert überschritten, werden nozizeptive Afferenzen als Aktionspotenziale aus dem Gelenk in Richtung Hinterhorn durch C- und Aδ-Fasern weitergeleitet.

Kommt es zu einer solchen Weiterleitung zu den motorischen Vorderhornzellen, können über α- und γ-Motoneurone die kurzen Rotatoren und Extensoren des entsprechenden Wirbelsäulensegments, aber auch die dem Segment in der Peripherie zugeordneten Muskeln aktiviert und gleichzeitig über die IN die entsprechenden Antagonisten gehemmt werden.

Daraus resultiert eine Bewegungseinschränkung („Blockierung“) eines Wirbelsäulensegments und/oder eines peripheren Gelenks.

Diese Tatsache spielt für die Überlegungen von naturheilkundlich arbeitenden Therapeuten eine wichtige Rolle, da sie das Konzept der manuellen Medizin, der Osteopathie und der überwiegend neuroreflektorisch denkenden und argumentierenden Manualisten in Richtung Biochemie und Stoffwechsel maßgeblich erweitert.

Neurophysiologie der schmerzbedingten Blockierung (aus der Sicht von W.F. Beyer)

Wie bereits erwähnt, steht an erster Stelle in der Wirkungskette der Nozizeptor, der auf Reize unterschiedlicher Qualität reagiert und vor Ort zu einer Freisetzung von Gewebshormonen führt. Diese wiederum verändern lokal die Gefäßpermeabilität, das Einsprossen von Zellen des Immunsystems, den pH-Wert etc. (sog. neurogene Entzündung). Der Grenzwert des Nozizeptors, ab dem solch eine lokale Gewebereaktion resultiert, hängt nicht nur von zentralen, sondern auch wesentlich von lokalen, überwiegend biochemischen Parametern wie dem pH-Wert ab und ist somit nicht nur reflektorisch oder zentral gesteuert. Wird dieser Grenzwert überschritten, werden nozizeptive Afferenzen als Aktionspotenziale aus dem Gelenk in Richtung Hinterhorn durch C- und Aδ-Fasern weitergeleitet und führen über die Freisetzung der Neurotransmitter Glutamat und Substanz P zur Erregung des WDR-Neurons („wide dynamic range neuron“). Entscheidend und für die Praxis wichtig ist, dass bedingt durch eine sog. Konvergenz des Hinterhorns der Input aus unterschiedlichen Strukturen quasi trichterförmig am WDR aufläuft und somit nicht nur Afferenzen aus dem Gelenk, sondern auch aus dem gleichnamigen Dermatom, Viszerotom und Myotom auflaufen. Infolgedessen können die nachfolgend geschilderten Auswirkungen ihren Ursprung in unterschiedlichen Strukturen nehmen.

Die Auswirkungen beginnen in unterschiedlichen Strukturen

Meist ist es die Summe, die letztendlich das „Fass zum Überlaufen“ bringt. Die Reizschwelle des WDR-Neurons, ab der es zu einer Weiterleitung der eingehenden Aktionspotenziale in Richtung Vorderhornzelle und auch Richtung Thalamus kommt, wird maßgeblich durch inhibitorische IN beeinflusst. Diese wiederum unterliegen modulierenden Einflüssen aus der Peripherie, aber auch zentralen Modulationen. Werden Aktionspotenziale über Axonkollateralen zu den motorischen Vorderhornzellen weitergeleitet, können über α- und γ-Motoneurone die kurzen Rotatoren und Extensoren des entsprechenden Wirbelsäulensegments, aber auch die dem Segment in der Peripherie zugeordneten Muskeln aktiviert und gleichzeitig über die Interneurone die entsprechenden Antagonisten gehemmt werden.

Komplexes Blockierungsgeschehen

Ein komplexes Blockierungsgeschehen wechselnder Lokalisation kann im Rahmen der Mehrebenendiagnostik auftreten. Zum einen sollte hier differenzialdiagnostisch die konstitutionelle Hypermobilität abgegrenzt werden. Diese ist oft mit einer schlechten bzw. „verzögerten“ propriozeptiven Kontrolle verbunden. Zum anderen kann das Blockierungsgeschehen als Symptomatik bei bestimmten psychischen Erkrankungen angesehen werden. Es wird jedoch davor gewarnt, Patienten mit rezidivierenden Funktionsstörungen als psychogen zu stigmatisieren. Die Erfahrung hat häufig genug gezeigt, dass Störungen und Erkrankungen anderer Organsysteme, Haltungsschwäche und Bandlaxität zu einem rezidivierenden, teilweise auch komplexen Blockierungsgeschehen führen können.

Vertebroviszerale Wechselbeziehungen

Blockierungen aufgrund vertebroviszeraler Wechselbeziehungen müssen zwingend differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden bei Störungen, die rezidivierend am selben Wirbelsäulenabschnitt klinisch manifest werden. Die eigentliche „innere“ Organerkrankung verläuft nicht selten auch über längere Zeit klinisch stumm, sodass wir als einzigen Hinweis eine immer wiederkehrende Störung in derselben Segmenthöhe vorfinden, die nach Behandlung rezidiviert. (Beispielhaft sei hier die Erkrankung einer Patientin genannt, die im Zeitraum von 6 bis 8 Tagen 2- bis 3-mal manualmedizinisch an der BWS behandelt wurde, immer in derselben Segmenthöhe, bevor die eigentliche Ursache der Störung, die Pleuritis, klinisch augenscheinlich wurde.)

Bei kraniomandibulären Dysfunktionen bestehen enge Beziehungen zwischen Störungen des Kiefergelenks bzw. des stomatognathen Systems mit dem gesamten Bewegungssystem, insbesondere der oberen und mittleren HWS. Dies fordert – genau wie bei den anderen vertebroviszeralen Erkrankungen – eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen.

Der segmentale Bezug innerer Organe zu entsprechenden Wirbelsäulenabschnitten ist den empirischen Segmenttabellen in gängigen Lehrbüchern zu entnehmen.

Denkmodell: Viskosität der Synovialflüssigkeit

Ein völlig anderes Denkmodell zum pathomorphologischen Korrelat orientiert sich an der Viskosität der Synovialflüssigkeit. Durch tierexperimentelle Untersuchungen belegt ist hier das Phänomen der Thixotropie. Dies bedeutet etwas vereinfacht dargestellt, dass sich die Viskosität einer Flüssigkeit überwiegend durch mechanische Einflüsse sehr schnell und nachhaltig verändern kann. Durch die endgradige Einstellung eines Gelenks kommt es zu einer Abnahme der Viskosität („das Öl wird dünnflüssiger“) und die Beweglichkeit dieses Gelenks nimmt zu.

Reizausbreitung und Chronifizierung

Besteht die Gelenkfunktionsstörung länger oder ist stärker ausgeprägt, werden sowohl elektrophysiologisch als auch biochemisch Nachbarsegmente mitbeteiligt. Klinisch ist dieses Phänomen hinreichend bekannt. Ebenfalls kann die Reizausbreitung auch die Seitenhörner miterfassen, was immer mehr zu vegetativen Veränderungen führt.

Neben einer Tonusveränderung resultiert auch eine zunehmende Veränderung der Trophik.

All diese Phänomene an Haut, Bindegewebe, Muskel und Gelenk werden als Nozizeption, in der Diktion einiger manuellen Schulen auch als reflektorisch-algetische Krankheitszeichen bzw. -veränderungen bezeichnet und müssen nicht mit einer Schmerzwahrnehmung einhergehen. Erst durch die Weiterleitung über den Tractus spinothalamicus zum Thalamus und von hier zum Kortex, den Amygdala und dem limbischen System resultiert das Phänomen der zentralen Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung, die wiederum zahlreichen fördernden und hemmenden zentralen Einflüssen unterliegen, was jedoch den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde („there is no pain without brain“).

Neurophysiologie der Wirkung des Sympathikus (aus der Sicht von L. Beyer)

Der Sympathikus ist Teil des autonomen Nervensystems (ANS), dessen komplexe Funktionen die Homöostase unseres Körpers – das innere Milieu und das Verhalten – absichern.

Hierbei wirken verschiedene zentralnervale Regionen zusammen. Sie kontrollieren über den Hypothalamus die verschiedenen Anpassungsreaktionen und koordinieren das ANS, das endokrine System und die Regulation der Motivation.

Die zugehörigen Reflexe verlaufen in lokalen Reflexbögen über den Hirnstamm oder das Rückenmark.

Alle vom Sympathikus regulierten unentbehrlichen physiologischen Grundfunktionen greifen entweder auf molekularer Ebene, auf Zellebene oder über die nervale Kontrolle auch in motorische Funktionen und Schmerzwahrnehmung begründende Funktionen ein [10]:

  • Blutdruck, Elektrolythaushalt, Flüssigkeits- und Salzzufuhr,

  • Körpertemperatur, metabolische Thermogenese, wärmeregulierendes Verhalten,

  • Energiemetabolismus, Verdauung, metabolische Rate sowie

  • Notfallregulation bei Stress, allgemeine Aktivierung, Immunantwort und Durchblutung.

Neuere Ergebnisse zeigen einen direkten Einfluss auf die Somatomotorik, der letztlich über positive Feedbackkreise zu erhöhter Steifigkeit im Gelenk (Hypomobilität) und chronischen Myalgien führen kann.

Modulation der Kontraktilität quergestreifter Muskel

Unter dem Einfluss des Sympathikus verringern langsam kontrahierende Skelettmuskelfasern die Kraft und Dauer ihrer Kontraktionen, was durch Mechanismen an der Zellmembran bewirkt wird [16]. Um trotzdem eine korrekte Haltung oder eine gleiche Kraft aufrechtzuerhalten, müssen die kleinen α-Motoneurone (Innervation der langsam kontrahierenden – antigravitatorischen – motorischen Einheiten) ihre Aktivität erhöhen, d. h. während erhöhter sympathischer Aktivität benötigt die Antigravitationsmuskulatur ein differentes Aktivierungsmuster.

Modulation der propriozeptiven Aktivität

Unter dem Einfluss des Sympathikus verändert sich die Aktivität verschiedener Mechano- und Chemorezeptoren, was durch Mechanismen direkt am Rezeptor oder am ersten afferenten Neuron bewirkt wird [16]. So wird auch die Entladung der Muskelspindeln beeinflusst, die sich in einer verringerten Sensitivität gegenüber der Muskellänge äußert – die Qualität der propriozeptiven Information ist verschlechtert. Dies beeinträchtigt die Feedbackkontrolle der Bewegung. Da die Grundaktivität der Muskelspindel beeinflusst ist und diese wiederum die Aktivität der Motoneurone beeinflusst, besteht ein Einfluss auf den Muskeltonus und auf das Reflexgeschehen (s. auch [17]). Die Reorganisation der Motoneuronenaktivität führt u. a. zu einer vermehrten Kokontraktion akzessorischer Muskeln und zu einer Versteifung in Gelenken, die die Beweglichkeit einschränkt. Prinzipiell könnten diese sympathischen Wirkungen über die Durchblutungsänderung zustande kommen, die Ergebnisse relevanter Experimente zeigen aber eine direkte sympathische Einflussnahme.

Die veränderte Muskelspindelaktivität wird auch als eine Ursache der Triggerpunkte postuliert.

Diese muskuloskeletalen Probleme, von einigen Autoren als „sympathetically maintained pain“ bezeichnet [16], können eine Ursache für die Entstehung oder Aufrechterhaltung von Schmerzsyndromen sein.

Die vom Sympathikus ausgelösten Mechanismen und deren Folgen können einen Circulus vitiosus auslösen, der sich selbst, auch ohne sympathische Beteiligung, aufrechterhalten kann. Dabei spielen dann eine Rolle:

  • verringerter Abtransport von Stoffwechselendprodukten,

  • geringere Durchblutung,

  • erhöhter Muskelmetabolismus durch erhöhte tonische Muskelaktivität

  • erhöhte Aktivität akzessorischer Muskel und

  • beeinträchtigte Propriozeption.

Über eine Aktivierung chemosensitiver Muskelafferenzen wird wiederum das sympathische System aktiviert: somatosympathischer Reflex (Sato zit. bei [16])

Diagnostik

Nach der Anamnese und klinischen Basisdiagnostik ist ggf. die Entscheidung über eine weitere Bildgebung zur Verifizierung oder zum Ausschluss struktureller Veränderungen zu fällen. Unter Umständen muss die Diagnostik durch entsprechende Laboruntersuchungen erweitert werden.

Diagnostik MWE – Ärzteseminar Isny-Neutrauchburg

Mit noch wenig Aussagekraft hinsichtlich einer Blockierung wird das Bewegungsausmaß aktiv und passiv mit Beurteilung des Endgefühls und der Weichteilspannung im jeweiligen Wirbelsäulenabschnitt untersucht. Erst die Dreischrittdiagnostik (nach Bischoff [5]) führt zur Indikation einer manualmedizinischen mobilisierenden oder manipulativen Therapie.

Im ersten Schritt wird an der Wirbelsäule bzw. dem Sakroiliakalgelenk (SIG) das segmentale Bewegungsausmaß (Hypo-/Hypermobilität) festgestellt. Dabei wird nicht geprüft, welche Struktur (Bandscheibe, Wirbelgelenk) für die Hypomobilität verantwortlich zeichnet. Die Prüfung des segmentalen Bewegungsausmaßes beinhaltet auch wie bei den Extremitätengelenken die Beurteilung des Gelenkspiels.

Der zweite Schritt orientiert sich an der Lokalisation eines möglicherweise vorhandenen Irritationspunkts. Wie bereits erwähnt, wird damit eine nozireaktive Verspannung der tiefen autochthonen Muskulatur im Sinne der motorischen Systemaktivierung bezeichnet. An der Wirbelsäule sind dies die monosegmentalen Anteile der Mm. multifidi und Mm. rotatores breves, am SIG liegt der Irritationspunkt für S1 am Hinterrand des M. glutaeus medius – dieser stimmt auch mit dem Triggerpunkt des M. glutaeus medius überein – für S3 im M. glutaeus maximus. Über dem Atlasquerfortsatz ist der Umlenkpunkt vom M. obliquus capitis superior zum M. obliquus capitis inferior für den Irritationspunkt verantwortlich. Durch den Anatomen Christ (Freiburg) wissenschaftlich fundiert sind auch die Insertionspunkte an der Linea nuchae im Ansatzbereich des M. semispinalis und M. splenius capitis als nozireaktiv veränderte, segmental zugeordnete Muskelinsertionen zu sehen.

Während die Schritte eins und zwei lediglich die topographische Lokalisation und das Vorhandensein eines Irritationspunkts anzeigen, fällt erst beim dritten Schritt die Entscheidung für eine Indikation zur Manipulationsbehandlung der entsprechenden Blockierung.

Voraussetzung für die Indikation zur Therapie ist zumindest eine freie Richtung bei der Bewegungsprüfung.

Das heißt, im dritten Schritt ist bei der Überprüfung von Rotation, Lordosierung und Kyphosierung an der Wirbelsäule zumindest in einer Richtung ein nachlassender Tonus des Irritationspunkts zu tasten. Am SIG werden die Kranialisierungs- und Kaudalisierungsempfindlichkeit sowie die Ventralisierung und Dorsalisierung hinsichtlich einer zunehmenden oder abnehmenden Irritation getestet.

Funktionsstörungen der Rippengelenke sind gekennzeichnet durch einen zugehörigen Irritationspunkt am Rippenoberrand durch den nahe dem Kostotransversalgelenk inserierenden M. levator costae. Eine In- oder Exspirationsempfindlichkeit entscheidet hierbei über die Behandlungsrichtung.

Diagnostik ÄMM – Ärzteseminar für Manuelle Medizin Berlin

Die Diagnostik der ÄMM orientiert sich an der Definition der reversiblen hypomobilen artikulären Dysfunktion und schließt die reflektorischen Begleitphänomene ein.

Der Untersuchungsgang umfasst die orientierende globale und regionale sowie die gezielte Untersuchung. In der orientierenden Untersuchung werden überblicksmäßig aktive und passive Bewegungen geprüft, Schmerzprovokation durch isometrische Spannungsuntersuchung bzw. spezielle Provokationsteste durchgeführt, myofasziale Spannungsstörungen in Ruheaktivität (Rückenlage) und Abweichungen wesentlicher Teilbewegungen in der dynamischen motorischen Steuerung (z. B. Stehen und Gehen) erfasst. Erst die gezielte Untersuchung diagnostiziert die eigentliche „Blockierung“. Seitendifferenzen in den verschiedenen Dimensionen des Gelenkspiels werden auf der härteren Seite als artikuläre Dysfunktion und damit als behandelbarer Befund angesehen. Neben dem eingeschränkten Gelenkspiel kommt der Spannungsstörung der zum Gelenk gehörenden Muskulatur eine wesentliche Bedeutung zu. Das wechselseitige Verhältnis zueinander kann sehr unterschiedlich manifest sein. Das harte Endgefühl beruht aus Sicht der ÄMM häufiger auf der muskulären Komponente als Teil der propriozeptiven, nozifensiven Segmentreaktion und wirkt an der Entstehung des Schmerzes mit.

Wesentlich, aber ungleich schwerer ist die palpatorische Diagnostik lokaler pathologischer Hypermobilitäten.

Sie wird durch Schmerzabwehr und Bewegungseinschränkung manifest. Der Befund muss aus diesem Grund durch passive Untersuchungsbewegung während der Ruheaktivität des Patienten erhoben werden und darf keinen Schmerz provozieren.

In der Wertung wird die reversible hypomobile arthromuskuläre Dysfunktion zur klinischen Diagnose, wenn sie der untersuchende Arzt als entscheidende Ursache des klinischen Beschwerdebilds ansieht [15]. Unter den therapeutischen Techniken stellt die Mobilisation nach postisometrischer Relaxation eine von der Berliner Schule gemeinsam mit Prof. Lewit geprägte, universelle und auf die artikuläre und muskuläre Komponente gleichzeitig wirkende Behandlung dar. Anderen Techniken, wie z. B. myofasziale und viszerofasziale Weichteiltechniken, Mobilisationen und Manipulationen, ergänzen das technische Repertoire nach klinischem Erfordernis und nach Wertigkeit. Die Nachuntersuchung dient der Therapiebewertung sowie der prognostischen Einschätzung und Therapieplanung.

Diagnostik DGMSM (ehem. FAC) – Ärzteseminar Boppard

Im Verständnis der DGMSM kommt dem Gelenkspiel die zentrale Rolle zu. Zwar kann man sich analog zu anderen Seminaren primär an reflektorischen Veränderungen der Muskulatur und anderer Strukturen wie Bindegewebe, Faszien etc. orientieren, dies reicht jedoch nicht aus. Da solche Irritationspunkte auch bei Hypermobilitäten auftreten können und nicht zwangsläufig mit einer Gelenkstörung assoziiert sein müssen, ist die Prüfung des „joint play“ obligat. Aufgrund der o. g. pathophysiologischen Überlegungen (arthromuskulärer Komplex) hat in den letzten Jahren die Bedeutung von sog. Weichteiltechniken zugenommen; im Selbstverständnis der DGMSM haben sich die Grenzen zu anderen Seminaren und Techniken (nicht aber immer der Philosophie) auch der Osteopathie – so sie je existierten – angenähert.

Die praktische Vorgehensweise ist einfach und logisch strukturiert. Zunächst erfolgen Global- oder Screeningtests, wie beispielsweise das Vorlaufphänomen am SIG oder der „Hip-drop-Test“ für die gesamte LBH-Region. Im Weiteren wird die aktive Bewegungsprüfung eines Gelenks durchgeführt, dann die passive Bewegungsprüfung.

Finden sich hier Auffälligkeiten, ist die Prüfung des „joint play“ obligat.

Die Erfassung der reflektorisch-algetischen Krankheitszeichen (zu denen auch die Sell-Irritationspunkte subsumiert werden) runden die Diagnostik ab.

Anders formuliert lassen sich alle Testverfahren in vier Kategorien unterteilen:

Stellungsdiagnostik: Hier wird beurteilt, wie ein Wirbelsäulenabschnitt bzw. Gelenkpartner zum anderen „steht“. Diese Art der Diagnostik ist zwar schnell, aber in ihrer Interpretation ungenau, was auch durch zahlreiche Studien belegt wurde. Beispiel: Ein in Beugestellung befindliches Knie kann arthrogen (z. B. Arthrose), neurogen (Parese des M. quadriceps), myogen, psychogen, durch eine anatomische Beinlängendifferenz, einen Spitzfuß, eine Hüftbeugekontraktur o. Ä. bedingt sein. Die Stellungsdiagnostik allein reicht deshalb für eine exakte manualmedizinische Diagnostik nicht aus. Sie wird auch in den anderen Seminaren teilweise angewandt (z. B. Begriff des Ilium anterior), wenngleich hier der Begriff „Stellung“ vermieden bzw. anders interpretiert wird.

Reflektorisch-algetische Krankheitszeichen: Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich um eine schnelle, einfache und gut reproduzierbare Untersuchung. Die Veränderungen sind jedoch auch bei Hypermobilität und bei primär nicht arthrogenen Störungen nachzuweisen.

Provokationstests: Hier werden irritierte Strukturen zusätzlich belastet, in der Regel Gelenke auf Druck, Sehnen und Bänder auf Zug und Muskeln auf Spannung, ggf. wird noch eine lokale Kompression bzw. Irritation ausgeübt. Rein wissenschaftlich betrachtet besitzen diese Testverfahren, obwohl sie sich an der Schmerzantwort des Patienten orientieren, die höchste Reliabilität. Sie werden wegen ihrer Schmerzauslösung meist am Ende der Untersuchung eingesetzt.

Funktionsuntersuchung: Bei den Gelenken ist die Prüfung des Gelenkspiels obligat. Die Muskulatur wird je nach Ausbildungs- und Kenntnisstand in Bezug auf die Isometrie, die Konzentrik, die Exzentrik oder aber von Fortgeschrittenen auch auf die Adaptation, die Ermüdbarkeit und die Rekrutierung überprüft.

Klinische Formen der Blockierung und Differenzialdiagnose

Das klinische Erscheinungsbild einer Blockierung zeichnet sich durch eine große Bandbreite an Beschwerdebildern aus.

Eine klinisch stumme (d. h vom Patienten nicht bemerkte) Blockierung, die letztendlich schmerzfrei und für den Patienten zu einer kaum spürbaren Funktionseinschränkung führt, wird wohl selten einer Therapie zugeführt werden; sie kann jedoch klinisch relevante Sekundärblockierungen auslösen. Die Veränderung der motorischen Steuerung oder der dynamisch motorischen Stereotype über die Muskulatur kann jedoch auf lange Sicht sowohl lokal als auch in der Verkettung in eine andere Region zu einem Beschwerdebild führen, das dann ein sehr komplexes Therapiekonzept erfordert.

Deshalb wäre eine regelhafte manualmedizinische Diagnostik nach Trauma oder Ruhigstellung wünschenswert.

In der Regel führt die Kombination von Schmerz und Funktionseinschränkung in einem Wirbelsäulenabschnitt den Patienten zum Arzt. Sind die Beschwerden relativ neu oder akut und handelt es sich um einen lokalen Blockierungsbefund, genügt nicht selten eine einzige Behandlung.

Bei länger anhaltenden Beschwerden findet sich zumeist bereits im HWS- oder LWS-Bereich ein „referred pain“ (sog. pseudoradikuläre Ausstrahlung). Hypästhesien, Reflexabschwächungen oder motorische Ausfälle treten dabei generell nicht auf, Dysästhesien – nicht einem Dermatom unbedingt zuzuordnen – werden hingegen nicht selten vom Patienten beschrieben und sind meist als Hyperästhesien diagnostizierbar. Eine muskuläre Abschwächung durch schmerzbedingte Hemmung kann vorliegen.

Ungleich höhere Anforderungen an das diagnostische Geschick eines Therapeuten stellen Mischbilder zwischen radikulären und pseudoradikulären Ausstrahlungen, die insbesondere im HWS-Bereich nicht immer eine eindeutige Zuordnung ermöglichen. Die Behandlung der pseudoradikulären Komponente des Beschwerdebilds stellt bei Anwendung der entsprechenden Technik eine lohnende Aufgabe dar.

Kenntnisse von Verkettungssyndromen sind von Bedeutung bei Beschwerdebildern, die in der Peripherie lokalisiert sind und deren Ursache bzw. Erhaltung bei Blockierungen der Wirbelsäule zu finden sind. Beispielhaft seien hier das peripatellare Schmerzsyndrom erwähnt, ausgelöst durch Blockierungen im Segment L3/L4, oder auch eine radiale oder ulnare Epikondylopathie, die vergesellschaftet sein kann mit Dysfunktionen der unteren HWS und/oder der mittleren BWS.

Die Entstehung eigenständiger Krankheitsbilder muss verhindert werden

Bei länger anhaltenden Beschwerden entkoppeln sich zumeist die funktionellen Zusammenhänge, sodass sich eigenständige Krankheitsbilder entwickeln, die unabhängig voneinander fortbestehen können (Mehrebenendiagnostik). Dies gilt es durch gezielte frühzeitige komplexe Behandlungsmaßnahmen zu verhindern.

Störungen der Kopfgelenkregion sind durch ihre Verbindungen zu den Vestibular-, Cochlea- und Trigeminuskernen sowie zum limbischen System relevant und ursächlich verantwortlich für ein breites Spektrum an Beschwerden wie Gleichgewichtsstörungen (unspezifisch und ungerichtet), Sehstörungen und Kopfschmerzen.

Über die Bedeutung der viszerovertebralen und vertebroviszeralen Wechselbeziehungen wurde bereits berichtet. Hierbei müssen für den Patienten ernste bzw. bedrohliche Erkrankungen, die sich primär in funktionellen Störungen im Wirbelsäulenbereich äußern können, differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden. Vor allem zu erwähnen ist der linksthorakale Schmerz, der nicht selten lediglich durch eine BWS- bzw. Rippengelenkblockierung verursacht sein kann. Auch die Kopfgelenkregion und die sakroiliakale Störung spielen im Zusammenhang mit viszeralen Störungen eine wichtige Rolle.

Als Rezidivpotenzial sind klinisch stumme Blockierungen in teilweise vom Beschwerdekomplex weit entfernt gelegenen Wirbelsäulenabschnitten verantwortlich. Die Kenntnis dieser komplexen Zusammenhänge (myofasziale Verkettungssyndrome) sowie wichtiger Schlüsselregionen (zervikozephal, zervikodorsal, dorsolumbal, lumbosakral) verlangt die immer wieder von bestimmten Fachrichtungen eingeforderte „ganzheitliche Untersuchung und Behandlung“ des Patienten, die schon seit Jahrzehnten Eingang in die Kurssysteme der DGMM-Seminare gefunden hat.

Erforderlich ist die ganzheitliche Untersuchung und Behandlung

Die Therapie der Blockierung richtet sich nach dem klinischen Befund mit seiner Akuität und Beschwerdedauer sowie den Begleiterkrankungen. Die Blockierung selbst ist manipulativ oder mobilisierend bzw. mittels Weichteiltechniken zu therapieren. Weitere Behandlungen, wie Infiltrationen, Medikation oder krankengymnastisch-physikalische Maßnahmen, kommen in Abhängigkeit vom Befund sowie von der Erfahrung des Therapeuten zum Einsatz.

Diskussion

An dieser Stelle seien noch einige kritische Anmerkungen erlaubt.

Zunächst ist anzumerken, dass die hier beschriebenen physiologischen Mechanismen überwiegend in Tierexperimenten nachgewiesen werden konnten; die Übertragung auf den Menschen erscheint zwar logisch, ist aber grundsätzlich zu hinterfragen. Ebenfalls – wenngleich logisch und klinisch nachvollziehbar – bleibt der Transfer der unter physiologischen Bedingungen gewonnenen Erkenntnisse auf das Modell der Blockierung rein hypothetisch und ist lediglich als Arbeitshypothese zu verstehen.

Die Trennung in „strukturell“ und „funktionell“ ist medizinhistorisch bedingt, pädagogisch einprägsam und leicht vermittelbar und hat sich im klinischen Alltag bewährt. Im Zeitalter der makroskopischen Anatomie war diese Unterscheidung auch klar und verständlich. Mit Einführung der Histologie wurde die Grenze unschärfer. Im Zeitalter der Biochemie und Elektrophysiologie wird deutlich, dass es eigentlich kein selbstständiges „funktionell“ gibt. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, jedes Denken, aber auch jedweder Schmerz ist mit biochemischen Veränderung an molekularen Strukturen, Neurotransmittern, Ionenkanälen etc. – im Grunde mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten – verbunden und mit entsprechend aufwendigen Untersuchungsverfahren zumindest in den Anfängen bzw. „Kinderschuhen“ nachzuweisen. Diese Überlegung mag zunächst manch erfahrenen Manualtherapeuten schrecken, ist aber bei genauer Betrachtungsweise sogar hilfreich und erweitert das System der manuellen (und osteopathischen) Denkweise, die primär mechanistisch und neuroreflektorisch funktionell ausgerichtet ist. Wenn wir dies auf die Funktion der Schmerzwahrnehmung oder auf die reflektorische Wirkung der Therapie beziehen, können wir einem bekannten Schmerzforscher folgen, der es einmal trefflich sinngemäß so formulierte, dass es der Zelle egal sei, ob ein elektrischer und/oder biochemischer Impuls über einen Handgriff, ein Wort oder ein Medikament vermittelt würde, die Wirkung am Neuron sei immer die gleiche.