Zusammenfassung
Neuroendokrine Neoplasien (NEN) des distalen Jejunums und Ileums leiten sich von den serotoninproduzierenden enterochromaffinen Zellen (EC-Zellen) ab. Aufgrund ihrer niedrigen proliferativen Aktivität und ihres infiltrativen Wachstums werden sie klinisch häufig in einem fortgeschrittenen metastasierten Tumorstadium diagnostiziert. Die Biologie dieser Tumoren unterscheidet sich grundlegend von NEN anderer Lokalisation. Für eine Vereinheitlichung und Verbesserung der Diagnose und Therapie wurden die Leitlinien für die Diagnostik und das klinische Management von jejunoilealen NEN sowie für das Management von Patienten mit hepatisch und fernmetastasierten NEN durch die European Neuroendocrine Tumor Society (ENETS) im Jahre 2012 überarbeitet. Die folgende Übersicht konzentriert sich auf die für die Pathologie besonders relevanten Sachverhalte und deren Einbettung in das klinische Management.
Abstract
Neuroendocrine neoplasms (NEN) of the distal jejunum and ileum derive from serotonin-producing enterochromaffin (EC) cells. Due to their low proliferation rate and their infiltrative growth, they are often discovered at an advanced disease stage when metastasis has already occurred. The biology of these tumours is different from other NEN of the digestive tract. In order to standardise and improve diagnosis and therapy, the guidelines for the diagnosis and clinical management of jejuno–ileal NEN as well as for the management of patients with liver and other distant metastases from NEN were revised by the European Neuroendocrine Tumour Society (ENETS) in 2012. This review focuses on aspects relevant for surgical pathology.
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Lernziele
Nach der Lektüre dieses Beitrages
– kennen Sie die wichtigste neuroendokrine Tumorentität des distalen Jejunums und des Ileums,
– wissen Sie, welche Basisdiagnostik notwendig ist und welche klinisch orientierte histopathologische Diagnostik nach den aktualisierten Leitlinien empfohlen wird,
– können Sie die Befunde der Pathologie in den Kontext der klinischen Präsentation und des klinischen Managements einordnen,
– können Sie am Leberstanzbiopsiegewebe bei initial klinisch zunächst unklarem Primärtumor die Metastase eines jejunoilealen neuroendokrinen Tumors (NET) sicher diagnostizieren.
Hintergrund
Die Biologie von neuroendokrinen Neoplasien (NEN) des distalen Jejunms und Ileums unterscheidet sich grundlegend von NEN anderer Organlokalisationen sowie von den nichtneuroendokrinen Neoplasien des Verdauungstrakts [1].
Im Jahre 2012 wurden die Leitlinien der European Neuroendocrine Tumor Society (ENETS) für die Diagnostik und Therapie von NEN des Jejunoileums sowie für das Management von Patienten mit NEN, die hepatisch oder in andere Organe metastasierten, überarbeitet [1, 2].
Die vorliegende Übersicht konzentriert sich auf eine Zusammenfassung der für die Pathologie besonders relevanten Sachverhalte sowohl im Kontext der revidierten ENETS-Leitlinien als auch der überarbeiteten Klassifikationen nach World Health Organization (WHO) und TNM [1, 2, 3, 4, 5, 6]. Besonders wird auf die Bedeutung des Pathologiebefunds für das klinische Management von Patienten mit jejunoilealen NEN eingegangen. Weiterführende Informationen sind den in Infobox 1 aufgeführten Webseiten zu entnehmen.
Epidemiologie und hereditärer Background
Klinisch relevante NEN des Jejunoileums sind mit einer Inzidenz von 0,3–1,1/100.000 selten [1]. Im klinischen Alltag, insbesondere aber auch in großen onkologisch orientierten NEN-Registern, repräsentieren sie jedoch nach den pankreatischen NEN die zweitgrößte Gruppe in dieser Kategorie (Abb. 1).
Das mittlere Lebensalter bei Erstdiagnose liegt bei 60–65 Jahren. Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen [1, 5]. Die NEN des Jejunoileums zeigen meist lange Krankheitsverläufe, obwohl sie bei der Erstdiagnose häufig bereits metastasiert haben.
Es handelt sich um sporadische (nichthereditäre) Neoplasien, jedoch wurden vereinzelt familiäre Häufungen mitgeteilt [1, 5]. Die genetische Grundlage hierfür ist ungeklärt. Eine Assoziation zu bekannten hereditären neuroendokrinen Tumorsyndromen des Verdauungstrakts, i.e. multiple endokrine Neoplasie Typ 1, von Hippel-Lindau-Syndrom oder Neurofibromatose Typ 1, liegt nicht vor.
Spezifische Tumorentitäten
Die NEN des Jejunoileums repräsentieren etwa 30–50 % der NEN des Dünndarms [5]. Erstaunlicherweise gehören diese Tumoren im Wesentlichen nur einer Tumorentität an, nämlich den serotoninproduzierenden NET [5]. Dies steht ganz im Gegensatz zur Mannigfaltigkeit der neuroendokrinen Tumorentitäten des Duodenums und des oberen Jejunums. Serotoninproduzierende NET leiten sich von den enterochromaffinen Zellen (EC-Zellen) des Dünndarms ab. Diese synthetisieren, speichern und sezernieren das biogene Amin Serotonin [1, 5].
Weitere Tumorentitäten, wie enteroglukagonproduzierende NET oder solche, die Peptid-YY produzieren, sind ebenso wie die schlecht differenzierten NEN, die neuroendokrinen Karzinome, in dieser Lokalisation Raritäten (< 1 % aller NEN des aboralen Jejunums und Ileums; [5]).
Klinische Präsentation und Lokalisation
Bei Erstdiagnose eines NET des distalen Jejunums und Ileums sind im Wesentlichen 4 klinische Szenarien möglich:
-
bioptischer Zufallsbefund im terminalen Ileum anlässlich einer Vorsorgekoloskopie,
-
uncharakteristische Bauchschmerzen bei mesenterialer Ischämie und Subileussymptomatik,
-
Symptome einer funktionellen Aktivität (Karzinoidsyndrom),
-
Zufallsbefund von Lebermetastasen bei klinisch zunächst unklarem Primärtumor [5].
Das häufigste Symptom bei Erstdiagnosestellung ist der unspezifische und initial häufig oft als Reizdarm fehlinterpretierte Bauchschmerz. Zugrunde liegen können Motilitätsstörungen des Darms, eine intestinale Obstruktion oder eine intermittierende mesenteriale Ischämie [1]. Ursächlich hierfür sind meist fortgeschrittene lokoregionäre mesenteriale Metastasen innerhalb des Mesenteriums. Der Primärtumor selbst ist i. d. R. klein (häufig < 1 cm; [1, 5]). Die mesenterialen Metastasen induzieren eine ausgeprägte Stromadesmoplasie, die mit einer Raffung des Mesenteriums bis hin zu einer Abknickung des Dünndarms assoziiert sein kann (Abb. 2).
Der Primärtumor liegt in etwa 70–90 % der Fälle im terminalen Ileum nahe der Ileozökalklappe (Abb. 2, [5]). Eine Lokalisation innerhalb eines Meckel-Divertikels liegt in etwa 2 % der Fälle vor. Ein Wachstum per continuitatem in das angrenzende rechtsseitige Kolon ist möglich und kann dann zu der Fehlannahme eines primären NET des Dickdarms führen [5].
Eine Multifokalität jejunoilealer NET (2 bis > 100 NET) liegt bei 20–30 % der Patienten vor (Abb. 2, [5]). Ob es sich hierbei um syn- und metachron auftretende primäre NET des Dünndarms oder um multiple intramurale Metastasen handelt, ist bislang nicht geklärt. Neuroendokrine Vorläuferläsionen sind bislang nicht bekannt.
Funktionelle Aktivität
Etwa 5–10 % der Patienten mit jejunoilealen NET entwickeln aufgrund der autonomen exzessiven Freisetzung von Serotonin und weiteren vasoaktiven Peptidhormonen , wie Bradykininen, Tachykininen und Substanz P, ein Karzinoidsyndrom [1, 5]. Zugrunde liegt eine meist fortgeschrittene hepatische Metastasierung. Von den Patienten mit Lebermetastasen entwickeln 15–20 % ein solches Karzinoidsyndrom [1]. Neben Lebermetastasen können auch ausgedehnte peritoneale und ovarielle Metastasen – unter Umgehung des Pfortaderkreislaufs – ein Karzinoidsyndrom verursachen. Diese Konstellation liegt bei etwa 5 % der Patienten mit metastasierten jejunoilealen NET vor [1].
Die klinischen Symptome des Karzinoidsyndroms sind Flush (90 %), Diarrhoen (80 %) und/oder Bronchospasmen (10 %). Bei etwa 20 % der Patienten kann sich im Krankheitsverlauf eine Rechtsherzinsuffizienz aufgrund einer Trikuspidal- und/oder Pulmonalklappeninsuffizienz entwickeln (sog. Hedinger-Syndrom, [1]).
Basisdiagnostik
Histologie
Histologisch sind die NET des Jejunoileums hochdifferenzierte neuroendokrine NEN mit monomorphen rundlichen bzw. ovalen Tumorzellen. Das Kernchromatin ist feingranuliert. Typischerweise liegt ein organoides nest- und inselartiges Wachstumsmuster vor (Abb. 3). Der muskelinvasive Anteil zeigt meist ein strangförmiges Wachstumsmuster. Vereinzelt können S100-positive Sustentakularzellen auftreten. Die Tumorzellen sind eosinophil und in der Periodic-acid-Schiff(PAS)-Färbung negativ. Mitosen sind nicht oder nur äußerst spärlich nachweisbar. Nekrosen und Apoptosen sind i. d. R. nicht nachweisbar. Lymphgefäßeinbrüche sind dagegen relativ häufig. Zur genauen Abklärung einer Angioinvasion sind dünne qualitativ hochwertige Schnittpräparate und ggf. die immunhistochemische Analyse von Gefäßmarkern, wie „cluster of differentiation“ (CD) 31, CD34 oder Podoplanin, hilfreich [4, 5, 7].
Neben lokoregionären Lymphknotenmetastasen können Perineuralscheideninfiltrate und multifokale kleine Metastasenknötchen im Bereich des Peritoneums auftreten. Die nahe dem Tumor gelegenen mesenterialen Gefäße zeigen gehäuft eine stenosierende Intimafibrose, die für die mesenteriale Ischämie als mit ursächlich angesehen wird [1, 5].
Markerproteine
Für die Diagnose einer NEN wird neben der charakteristischen Morphologie der Nachweis neurosekretorischer und synaptischer Vesikel gefordert. Hierfür wird die kombinierte Anwendung der Markerproteine Chromogranin A (CgA) und Synaptophysin empfohlen [1, 2, 4, 5, 7].
CgA ist ein fester Bestandteil der Membran der „large dense core“ neurosekretorischen (Hormon)granula und dient der Komplexierung von Peptidhormonen und biogenen Aminen. Die NET des Jejunoileums weisen zahlreiche solcher neurosekretorischer Vesikel auf [1, 5]. Das biogene Amin Serotonin und CgA werden äquimolar sezerniert. Da jedoch CgA im Gegensatz zu Serotonin nicht hepatisch metabolisiert wird, korrelieren die CgA-Spiegel im Serum gut mit der Tumorlast und dem Tumorprogress. Daher ist CgA der wichtigste generelle klinische Serumverlaufsmarker für NET des Jejunoileums [1, 2, 9].
Synaptophysin ist ein Peptid der kleinen synaptischen Vesikel, die in allen NE-Zellen vorkommen und daher auch in den serotoninproduzierenden Zellen der NET des Jejunoileums nachweisbar sind. Synaptophysin ist somit ein hochsensitiver und spezifischer Marker der morphologischen Diagnostik von NEN. Für die klinische Diagnostik spielt Synpatophysin hingegen als Serummarker bislang keine Rolle [1, 2, 4, 7, 9].
Weitere Marker, wie die neuronenspezifische Enolase (NSE) oder das CD-56-Antigen, werden aufgrund ihrer mangelnden Spezifität für die Routinediagnostik in der Pathologie nicht mehr empfohlen. Auch für die klinisch-laborchemische Diagnostik von (hochdifferenzierten) NET spielen NSE und CD56 als Serummarker keine Rolle [1, 2, 4, 7, 9].
Proliferative Aktivität
Die Bestimmung der proliferativen Aktivität als Grundlage des Gradings von NEN hat für die Diagnose, Risikostratifizierung und Therapie der NEN eine große Bedeutung erlangt und wurde in zahlreichen Studien validiert (Tab. 1, [1, 5, 10, 11, 13, 14]).
Die NET des Jejunoileums weisen eine äußerst niedrige proliferative Aktivität auf. Häufig liegt diese auch bei metastasierten Tumoren unter 2 % (MIB-1-/Ki-67-Antigen, Abb. 4; [1, 5]). Die unterschiedliche proliferative Aktivität drückt sich in den tumorspezifischen Gesamtüberlebensraten aus. Die Studie von Jann et al. [12] dokumentiert tumorspezifische 5-Jahres-Überlebensraten bei NET mit geringer Proliferationsaktivität (G1) von 93,8 %, bei G2 von 83,0 % und bei den sehr seltenen G3-Stadien von 50 % [1, 5].
Die niedrige proliferative Aktivität ist die Grundlage für:
-
ein langsames Tumorwachstum und häufig hohe tumorspezifische Überlebensraten,
-
eine Erstdiagnose in einem häufig bereits fortgeschrittenen Tumorstadium,
-
einen hohen Stellenwert chirurgisch-ablativer Verfahren und das fehlende Ansprechen auf Chemotherapeutika,
-
die Positivität in der nuklearmedizinischen rezeptorbasierten Bildgebung und damit verbunden
-
ein gutes Ansprechen auf Somatostatinanaloga und die Peptidradiorezeptortherapie [1, 2, 15, 16, 17].
TNM-Klassifikation
Die Prognoseeinschätzung jejunoilealer NET ist vom Tumorstadium entscheidend abhängig (Tab. 2).
Die Studie von Jann et al. dokumentiert für jejunoileale NET eine tumorspezifische 5-Jahres-Überlebensrate von 100 % für die Stadien I und II, 97,1 % für das Stadium III und 84,4 % für das Stadium IV. Diese Raten sind im Vergleich zu den publizierten Surveilance-Epidemiology-and-End-Results(SEER)-Daten höher, was auf eine Verbesserung der Diagnostik und Therapie in den letzten 10 Jahren zurückzuführen sein dürfte [1, 18]. Zusammengefasst ist die Prognose von jejunoilealen NET deutlich besser als die von anderen Neoplasien des Dünndarms, wie Lymphome, Sarkome oder Karzinome.
Hinweise für einen malignes Verlauf sind eine Tumorgröße von > 2 cm, Infiltration der Muscularis propria und/oder Metastasen. Etwa 70–90 % der jejunoilealen NET zeigen ein malignes Verhalten [5, 17]. Diese hohe Rate maligner NET dürfte jedoch angesichts der steigenden Anzahl inzidentell im Rahmen der Vorsorgekoloskopie erkannter NET des terminalen Ileums deutlich sinken.
Klinisch orientierte Diagnostik
Grundlagen und Zielsetzungen
Durch die von der ENETS als optional vorgeschlagene morphologische Diagnostik wird das klinische Profil einer organspezifischen NET-Entität herausgearbeitet [7].
Zur einer klinisch orientierten Diagnostik von NET gehören insbesondere:
-
der Nachweis der Produktionen von Hormonen oder biogenen Aminen zur klinischen und laborchemischen Verlaufskontrolle,
-
die immunhistochemische Analyse des Somatostatinrezeptors
(SSTR) 2A als Grundlage für die nuklearmedizinische Bildgebung und Therapie,
-
Untersuchungen zur Identifizierung des Primärtumors bei Metastasen unklarer Herkunft.
Die sich hieraus ergebende histopathologische Diagnose einer spezifischen NET-Entität und deren SSTR-Status kann klinisch-bildgebend und laborchemisch unmittelbar überprüft und zeitnah in das klinische Management umgesetzt werden [5, 7, 20, 21].
Peptidhormone und biogene Amine
Bei Vorliegen eines jejunoilealen NET wird die immunhistochemische Analyse von Serotonin empfohlen [1, 2, 7]. Die exzessive stimulusunabhängige Sekretion und Zirkulation von hepatisch nichtmetabolisiertem Serotonin durch einen jejunoilealen NET ist die Ursache für das Karzinoidsyndrom (Abb. 5). Der immunhistochemische Nachweis kann der endokrinologischen Symptomatik mehrere Jahre vorausgehen. Der klinische Nachweis eines Karzinoidsyndroms ist die Indikation für eine antisekretorische Therapie mit Somatostatinanaloga [1, 17].
Die laborchemische Verlaufskontrolle des Serotoninabbauprodukts 5-Hydroxyindolacetat (5-HIAA) im 24-Stunden-Sammelurin ist ein essenzieller klinischer Parameter für die Diagnostik und Verlaufskontrolle eines jejunoilealen NET (Abb. 5, [1, 9]).
Somatostatinrezeptoren
Die Expression von SSTR auf der Oberfläche von neoplastischen NE-Zellen hat für die Diagnostik und Therapie von NEN erhebliche Relevanz. Es wurden 5 SSTR-Subtypen identifiziert (SSTR 1–5). Von diesen weist SSTR2A die höchste Bindungsaffinität für Somatostatinanaloga auf. Durch die intensiven Forschungsarbeiten der letzten Jahre ist der Einsatz von Antikörper gegen SSTR2A mittlerweile fester Bestandteil einer klinisch orientierten Routinediagnostik an größeren gastroenterologischen und endokrinologischen Zentren (Abb. 6, [21, 22, 23]).
Die immunhistochemische membranäre Expression des SSTR2A korreliert in über 90 % mit der nuklearmedizinischen SSTR-basierten Bildgebung und einem Ansprechen auf eine Behandlung mit Somatostatinanaloga bzw. eine nuklearmedizinische peptidrezeptorvermittelte Radionuklidtherapie (Abb. 6, [22, 24]).
Die Analyse von SSTR2A bei Erstdiagnose eines NET liefert eine Grundaussage über den Rezeptorbesatz, die als Ausgangsbasis für die Interpretation der nuklearmedizinischen SSTR-gestützten Bildgebung mit einfließen kann (Abb. 6). Der immunhistochemische Nachweis der SSTR2A-Expression ist insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn vor der Entfernung des Primärtumors keine rezeptorbasierte Bildgebung durchgeführt wurde. Durch den positiven immunhistochemischen SSTR2A-Nachweis kann gesichert werden, dass eine Metastasensuche bzw. Verlaufskontrolle mit einer rezeptorbasierten Bildgebung zuverlässig durchführbar ist (Abb. 6).
Neuroendokriner Tumor bei klinisch unklarem Primärtumor
Bei klinisch zunächst unklarem Primärtumor sind Aussagen zur Tumorlokalisation klinisch von erheblicher Relevanz für die Wahl der Bildgebung, die laborchemische Verlaufskontrolle, die Therapie sowie die Prognoseeinschätzung [1, 2, 3, 8, 11].
Im deutschen NET-Register beträgt – korrespondierend zu vielen weiteren nationalen und internationalen Registern – die Anzahl der Patienten mit einem metastasierten NET bei klinisch unklarem Primärtumor 14 % (Abb. 1, [25]). Häufig handelt es sich um eine Erstdiagnose bei hepatisch metastasiertem Tumorleiden.
Bei Lebermetastasen von NET des distalen Jejunums und Ileums liegt eine charakteristische Befundkonstellation vor, die sich grundlegend von NET anderer Organlokalisationen unterscheidet:
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kleiner sporadischer der konventionellen Bildgebung meist nicht zugänglicher Primärtumor,
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größere mesenteriale/peritoneale Metastasen und/oder meist multifokal vorliegende Lebermetastasen,
-
inselartiges Wachstumsmuster der hochdifferenzierten NE-Zellverbände,
-
Positivität für Synaptophysin und CgA,
-
sehr niedrige proliferative Aktivität (häufig G1),
-
Positivität für Serotonin und Negativität für duodenopankreatische Peptidhormone (i.e. Gastrin, Somatostatin, Glukagon, pankreatisches Polypeptid),
-
Positivität für das kaudale Homöoboxprotein 2 (CDX-2) und Negativität für die Transkriptionsfaktoren „islet-1“ und den TTF-1 (thyroidaler Transkriptionsfaktor 1; [26]),
-
kräftige Expression des SSTR2A.
Ausgedehnte peritoneale und ovarielle Formationen eines immunhistochemisch serotoninproduzierenden NET mit Koexpression von CDX-2 sollten stets zu der dringenden Verdachtsdiagnose eines primären NET des distalen Jejunums und Ileums führen. Serotoninbildende NET können zwar auch im Bereich von Magen, Duodenum, Pankreas, Ovar, Mamma und Prostata auftreten, jedoch handelt es sich hierbei um Raritäten.
Differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden müssen serotoninproduzierende atypische bronchopulmonale Karzinoidtumoren, die in etwa 5 % der Fälle ebenfalls mit einem Karzinoidsyndrom assoziiert sein können. Jedoch ist die Serotoninpositivität bei diesen Tumoren meist schwächer und fleckförmig nachweisbar. Sie zeigen meist ein ballenförmiges Wachstumsmuster, eine spindelzellig-epitheloide Zytologie und eine deutlich höhere proliferative Aktivität. Darüber hinaus sind sie negativ für CDX-2 und in 50–80 % der Fälle positiv für TTF-1.
Fazit für die Praxis
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Bei den NET des distalen Jejunums und des Ileums handelt sich um sporadische Neoplasien, die häufig anlässlich einer uncharakteristischen Oberbauchsymptomatik oder einer bereits fortgeschrittenen Metastasierung klinisch in Erscheinung treten.
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Eine funktionelle Aktivität kann sich in Form eines Karzinoidsyndroms manifestieren und wird durch die exzessive autonome Freisetzung von Serotonin bei fortgeschrittener Metastasierung im Bereich von Leber und/oder des Peritoneums verursacht. Die niedrige proliferative Aktivität und die hohe Differenzierung sind Grundlagen für:
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ein langsames Tumorwachstum und häufig hohe tumorspezifische Überlebensraten,
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die Erstdiagnose in einem häufig bereits fortgeschrittenen Tumorstadium,
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einen hohen Stellenwert chirurgisch-ablativer Verfahren,
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ein fehlendes Ansprechen auf Chemotherapeutika,
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die Positivität in der nuklearmedizinischen rezeptorbasierten Bildgebung und – damit verbunden – einem gutes Ansprechen auf Somatostatinanaloga und die Peptidradiorezeptortherapie [1, 2, 15, 16, 17].
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Die histopathologische Basisdiagnostik umfasst die konventionelle Histologie, die Immunhistochemie gegen CgA und Synaptophysin, die Bestimmung der proliferativen Aktivitität (MIB-1) und die Klassifikation nach TNM (Abb. 7). Die von der ENETS empfohlene klinisch orientierte Diagnostik umfasst die immunhistochemische Analyse von Serotonin und des Somatostatin-Rezeptors 2A (Abb. 7).
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Die Diagnose eines Serotonin-produzierenden NET des distalen Jejunums und Ileums an Metastasengewebe – bei klinisch zunächst unklarem Primärtumor – ist unter Einsatz von immunhistochemischen Markern und in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit hoher Zuverlässigkeit möglich.
CME-Fragen
Welches Peptidhormon oder Amin wird durch NEN des distalen Jejunums und Ileums meist produziert?
Insulin
Somatostatin
Serotonin
Kalzitonin
Gastrin
Welcher klinische Befund ist bei Erstdiagnose eines NET des distalen Jejunums und Ileums nicht typisch?
Inzidenteller Befund anlässlich einer Vorsorgekoloskopie
Mesenteriale Ischämie
Diarrhoe
Subileus
Hypoglykämie
Wie äußerst sich die funktionelle (endokrinologische) Aktivität eines NEN des distalen Jejunums und Ileums?
Zollinger-Ellison-Syndrom
Verner-Morrison-Syndrom
Hypoglykämiesyndrom
Karzinoidsyndrom
Somatostatinomsyndrom
Welcher histologische Befund ist für NET des distalen Jejunums und Ileums nicht typisch?
Komedonekrosen
Inselartige Architektur
Monomorphe Tumorzellen
Wenige Mitosen
PAS-Negativität
Welche Kombination genereller neuroendokriner Marker wird nach WHO und ENETS für die histologische Basisdiagnostik von NEN des Verdauungstrakts empfohlen?
CD56 und NSE
CD56 und CgA
CgA und Synaptophysin
Synaptophysin und NSE
Synaptophysin und CD56
Wie hoch ist i. d. R. die proliferative Aktivität (MIB-1/Ki-67) eines NET des distalen Jejunums und Ileums?
< 5 %
10–20 %
> 20–40 %
> 40–60 %
> 60 %
Wie hoch ist die tumorspezifische 5-Jahres-Überlebensrate bei fernmetastasierten NET (Stadium IV) des distalen Jejunums und Ileums?
< 10 %
10–20 %
> 20–30 %
> 30–50 %
> 50 %
Welcher immunhistochemisch nachweisbare Subtyp der Somatostatinrezeptoren (SSTR) korreliert bei NET in > 90 % der Fälle mit einer entsprechend positiven nuklearmedizinischen SSTR-gestützten Bildgebung?
SSTR1
STR2A
SSTR3
SSTR4
SSTR5
Bei welchem Tumor – neben NET des distalen Jejunums und Ileums – tritt eine immunhistochemische Positivität für Serotonin mit einem klinisch assoziierten Karzinoidsyndrom auf?
Bronchopulmonaler Karzinoidtumor
Duodenaler Karzinoidtumor
Karzinoidtumor der Mamma
Karzinoidtumor der Prostata
Karzinoidtumor des Rektums
Was ist kein typischer Befund bei Lebermetastasen eines NET des distalen Jejunums und Ileums?
Positivität für CDX-2
Hohe proliferative Aktivität
Negativität für TTF-1
Positivität für SSTR2A
Positivität für CgA
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. M. Anlauf, B. Sipos, I. Boeck, S. E. Baldus, S. Heikaus, M. Krausch, W. T. Knoefel, N. Begum, P. Goretzki, M. Schott, C. J. Auernhammer, B. Cremer, A. Rinke, S. Ezziddin, C. Fottner, G. Pöpperl, H. Lahner, D. Hörsch, H. E. Gabbert, P. Komminoth, A. Perren, G. Klöppel, B. Wiedenmann, M. Pavel und U. Pape geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Anlauf, M., Sipos, B., Boeck, I. et al. Neuroendokrine Neoplasien des distalen Jejunums und Ileums. Pathologe 35, 283–294 (2014). https://doi.org/10.1007/s00292-013-1888-5
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