Mit einer zunehmenden Veralltäglichung des Internet kommt diesem Medium auch bei der gesundheitlichen Versorgung eine immer bedeutendere Rolle zu. So bietet das Internet eine Vielzahl an größtenteils kostenfreien Gesundheitsdiensten auch bei psychischen Problemen und Störungen, die von rein textbasierten Informationen bis hin zu spezifischen Interventionsprogrammen reichen. Solche Angebote werden unter dem Begriff „E-Mental-Health“ zusammengefasst und beinhalten beispielsweise informative Websites, psychologische Selbsttests, Selbsthilfeforen und Onlineberatungen über Chat oder E-Mail.

Internet als Informationsmedium

Internationale Studien zeigen, dass immer mehr Menschen sich im Internet auf die Suche nach Informationen über eigene körperliche und psychische Erkrankungen machen. Nach einer US-amerikanischen Erhebung recherchierten bereits vor einigen Jahren 22% der Internetnutzer zu Fragen der psychischen Gesundheit im Netz (Fox 2006). Das Internet bietet dabei einen niedrigschwelligen Zugang zu einem breiten Spektrum an Informationen über verschiedene, teilweise auch sehr spezifische, Krankheitsbilder. Birkmann et al. (2006) untersuchten die allgemeine Nutzung webbasierter Gesundheitsdienste in Bayern. Dabei stellten sie fest, dass 62,3% der Internetnutzer im Web nach gesundheitsbezogenen Informationen und Produkten suchen, während progressivere Technologien wie Chatrooms und elektronische Patientenakten selten genutzt werden. Personen, die das Internet nicht für die Suche nach Gesundheitsinformationen nutzen, hatten häufig entweder kein Interesse oder keinen Bedarf daran. Knapp 20% der Internetnutzer waren sich außerdem der Möglichkeiten gesundheitsbezogener Informationen im Internet gar nicht bewusst. Hinderungsgründe waren ebenso Zweifel an der Qualität solcher Angebote. Diese sind teilweise auch berechtigt. Eichenberg et al. (2012) untersuchten die Qualität von Gesundheitsinformationen auf deutschsprachigen Websites exemplarisch am Störungsbild der posttraumatischen Belastungsstörung. Sie bewerteten die Informationsqualität der untersuchten Angebote als sehr heterogen; hierbei war eine niedrige Qualität häufig auf eine mangelhafte Benutzerfreundlichkeit zurückzuführen. In vergleichbaren internationalen Studien fielen die Bewertungen insgesamt schlechter aus. Entsprechend wurden verschiedene Gütesiegel entwickelt, die seriöse Gesundheitsangebote im Internet kennzeichnen sollen (Eichenberg u. Malberg 2011). Ein weiteres Problem gesundheitsbezogener Informationen im Internet stellt die für die einzelnen Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedliche Erreichbarkeit, Nutzbarkeit und Akzeptanz des Internet dar. Ebenso bedacht werden müssen die Effekte auf das Gesundheitsverhalten und die Gesundheitsängste (Eichenberg 2012) sowie auf die Behandler-Patient-Beziehung (Eichenberg u. Malberg 2012), die mit der gesundheitsbezogenen Nutzung des Internet einhergehen.

Internet als Interventionsmedium

Doch nicht nur zur Recherche über gesundheitsbezogene Fragen, sondern auch zur Intervention bei psychischen Störungen lässt sich das Internet nutzen. So können sich Betroffene online in Selbsthilfegruppen austauschen, psychologische Beratung einholen oder störungsspezifische Interventionsprogramme, teilweise mit Kontakt zu einem Therapeuten, in Anspruch nehmen.

Für die psychosoziale Onlineberatung liegt ebenso wie für störungsspezifische Interventionsprogramme eine Reihe positiver Evaluationsstudien vor. In einem Review fanden Eichenberg u. Ott (2011) 89 Studien mit empirischen Wirksamkeitsnachweisen zu störungsspezifischen Interventionsangeboten im Internet, die zwischen 2003 und 2009 publiziert worden waren. Dabei konnte für den Großteil der betrachteten Studien (91%) die Effektivität der Programme nachgewiesen werden. Die angewandten Methoden ließen sich fast ausschließlich der kognitiv-behavioralen Therapie zuordnen. Des Weiteren beschäftigten sich knapp drei Viertel der Studien mit der Behandlung, die Übrigen mit der Prävention und Rehabilitation psychischer Störungen. Besonders stark vertreten waren Evaluationsstudien zu Interventionsprogrammen bei Angststörungen, Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen, Essstörungen sowie substanzbezogenen und verhaltensmedizinischen Störungen.

Medien in der Psychotherapie

Neben einer Unterstützung durch das Internet, beispielsweise durch ergänzenden Onlinekontakt zum behandelnden Therapeuten (Eichenberg u. Kienzle 2011), lassen sich in der Psychotherapie auch weitere Medien zunutze machen („medienunterstützte oder medienassistierte Psychotherapie“). Während z. B. die Bibliotherapie seit Langem etabliert ist (Grahlmann u. Linden 2005), werden auch moderne Medien auf ihre Anwendungsmöglichkeiten geprüft.

So zeigen sich neuere Ansätze wie der Einsatz von Mobilmedien in der Psychotherapie – geführt unter dem Begriff „M-Mental-Health“ – in ersten Evaluationsstudien als vielversprechend (Döring u. Eichenberg 2012). Dabei bietet außer Spielkonsolen insbesondere das Handy Potenzial bei Adoleszenten, da bereits 97% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen über ein solches verfügen (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2010). Es existieren Pilotprojekte, die belegen, dass SMS bei der Adipositasbehandlung im Grundschulalter die Behandlungs-Compliance mehr erhöht als z. B. traditionelles Monitoring via Fragebogen (Shapiro et al. 2008). Auch bei Erwachsenen gibt es fruchtbare Ansätze, wie z. B. die „SMS-Brücke“ nach Klinikaufenthalten von Bulimiepatientinnen zur poststationären Stabilisierung der Behandlungserfolge (Bauer et al. 2008). Dezidiert für die verhaltenstherapeutische Nutzbarmachung des Handys wird z. B. beschrieben, dass ein Patient mit einer Angststörung bei einer eigenständigen In-vivo-Exposition durch ein Handy begleitet werden und bei Bedarf den Kontakt zum Therapeuten aufnehmen kann (Flynn et al. 1992).

Einen Schritt weiter gehen „virtuelle Realitäten“ (VR), die ebenso im Rahmen kognitiv-behavioraler Therapieansätze genutzt werden. Sie ermöglichen realitätsgetreue Darstellungen der Wirklichkeit auf dem Computer, mit der der Patient interagieren kann, und haben sich bei verschiedenen spezifischen Phobien als wirksam erwiesen (Eichenberg 2011). Patienten können so mit geringerem logistischen und finanziellen Aufwand als bei In-vivo-Expositionen mit angstauslösenden Stimuli konfrontiert werden. Die Modellierung einer interaktiv explorierbaren Umgebung, beispielsweise einer Brücke bei Höhenangst, stellt dabei einen Mittelweg zwischen In-vivo- und In-sensu-Expositionen dar.

Fragestellungen

Es besteht insofern ein breites Spektrum an Möglichkeiten, moderne Medien in der Informationsbeschaffung zu gesundheitsbezogenen Fragen und unterstützend bei der Intervention psychischer Störungen einzusetzen. Für eine Vielzahl dieser Angebote liegen inzwischen auch positive Wirksamkeitsnachweise vor. Doch während das Internet im Bereich medizinischer Informationen bereits in größerem Umfang genutzt (Kommunikationsagentur MSL Germany und Marktforschungsinstitut SKOPOS 2010) und sein Potenzial zur Selbsthilfe bei einzelnen Störungsbildern als positiv angesehen wird (z. B. Uden-Kraan et al. 2008), stellt sich das Ausmaß der Inanspruchnahme internetbasierter Informations- und Interventionsangebote bei psychischen Störungen zu großen Teilen unklar dar. Es existieren bislang keine verlässlichen Daten zur Nachfrage moderner Medien bei psychischen Problemen in der Allgemeinbevölkerung. Die vorliegende repräsentative Befragung hat daher zum Ziel, den Nutzungsumfang solcher Angebote abzubilden und die nutzerseitige Akzeptanz von mediengestützten Interventionen im Fall psychischer Belastungen zu erfassen. Die Ergebnisse sollen ermöglichen, potenzielle, evtl. bisher nicht erreichte Zielgruppen zu antizipieren und Indikationen für die Praxis abzuleiten, um bestehende sowie zukünftige Angebote möglichst optimal an die Bedürfnisse interessierter Nutzer anzupassen. Aus dieser Zielsetzung ergeben sich folgende Fragestellungen:

Internet als Informationsmedium:

1. Welche Medien werden von der deutschen Bevölkerung als Informationsquellen für gesundheitsbezogene Fragen genutzt?

2. Wie groß ist der Einfluss der jeweiligen genutzten Medien auf das Gesundheitsverhalten?

3. In welchem Ausmaß würden die Deutschen bei psychischer Belastung im Internet nach Informationen und Hilfe suchen?

Internet als Interventionsmedium:

4. Wie verbreitet ist die Nutzung psychologischer Onlineberatung in Deutschland, und wie zufrieden sind Personen, die sie bereits in Anspruch genommen haben?

5. Wie viele Deutsche wissen bereits von der Möglichkeit, sich psychologisch im Internet beraten zu lassen, und wie hoch ist die allgemeine Nutzungsbereitschaft für solche Angebote?

Medien in der Psychotherapie:

6. Wie hoch ist die Bereitschaft der Deutschen, verschiedene Formen medienassistierter Psychotherapie zu nutzen?

Material und Methoden

Die Daten stammen aus dem Projekt „Repräsentativstudie Frühjahr 2010“ der USUMA GmbH im Auftrag der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig. Ziel der Studie war die Durchführung von Interviews zu verschiedenen psychosozialen und gesellschaftlichen Themen, die repräsentativ für die deutsch sprechende Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland sein sollten.

Stichprobe

In Deutschland wurde eine repräsentative Stichprobe der Wohnbevölkerung zwischen 14 und 90 Jahren gezogen. Dazu wurde die besiedelte Fläche Deutschlands in insgesamt 258 Stichprobenflächen, „sample points“, aufgeteilt. Auf Grundlage dessen wurde ein dreistufiges Ziehungsverfahren zur Bestimmung der Stichprobe durchgeführt, dessen Vorgehensweise sich im Feldbericht zum Projekt „Repräsentativstudie Frühjahr 2010“ der USUMA GmbH nachvollziehen lässt.

Insgesamt nahmen 2411 Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft an der Befragung teil. Um Verzerrungen in wesentlichen soziodemografischen Eigenschaften durch zufällige Ausfälle zu vermeiden, wurde eine bevölkerungsrepräsentative Gewichtung vorgenommen. Diese bezog sich insbesondere auf die Haushaltsgrößen, die Alters- und Geschlechtsverteilung sowie die regionale Verteilung der Stichprobe.

Von den 2411 teilnehmenden Deutschen waren bei einem durchschnittlichen Alter von 51 Jahren [Standardabweichung SD  ± 18,6 Jahre) 53,2% (n = 1298) weiblich und 46,8% (n = 1113) männlich. Rund die Hälfte (53,2%, n = 1283) der Befragten gab an, verheiratet zu sein, während 46,8% (n = 1128) ledig, geschieden oder verwitwet waren. Des Weiteren war knapp die Hälfte der Teilnehmer (47,7%, n = 1150) erwerbstätig in Vollzeit, Teilzeit oder stundenweise; und ähnlich viele (52,9%, n = 1232) verdienten bis zu EUR 2000 im Monat. Einer Kirchengemeinschaft gehörten über drei Viertel (77,1%, n = 1851) der befragten Personen an.

Erhebung

Die Befragung wurde in einer Hauptwelle vom 16.04.2010 bis zum 24.04.2010 und einer Nachfasswelle vom 25.10.2010 bis zum 30.10.2010 mithilfe von insgesamt 232 geschulten Interviewern durchgeführt. Den Zielpersonen wurde dabei neben der Erfassung soziodemografischer Daten jeweils ein strukturierter Fragebogen zum Selbstausfüllen übergeben, der 5 für die vorliegende Untersuchung relevante „items“ beinhaltete. Die Items waren in einer Vorstudie an 67 Personen erprobt (Kienzle 2010) und entsprechend den Ergebnissen in den Formulierungen abschließend z. T. überarbeitet worden.

Soziodemografische Angaben

Die Teilnehmer wurden nach Alter und Geschlecht, Nationalität (deutsch oder nichtdeutsch) und Zugehörigkeit zu Ost- oder Westdeutschland befragt. Des Weiteren sollten Familienstand, Zusammenleben mit einem Partner, Schulabschluss, Beruf, Art der Erwerbstätigkeit und Haushaltseinkommen sowie Kirchenzugehörigkeit berichtet werden.

Allgemeine Mediennutzung

Die Nutzungshäufigkeit der Medien Zeitung, Radio, Fernseher, Telefon, Handy, Computer/Laptop, Internet und Palm/Minicomputer wurde auf einer 5-stufigen Skala von „nie“ bis „täglich“ erfasst.

Gesundheitsbezogene Mediennutzung und Verhaltenseinfluss

Die Befragten wurden gebeten anzugeben, welche der vorgegebenen Quellen sie nutzen, um Informationen und Ratschläge zu allgemeinen Gesundheitsfragen zu erhalten. Außerdem sollten sie den Einfluss der genutzten Quellen auf ihr Verhalten auf einer 5-stufigen Skala von „sehr kleiner Einfluss“ bis „sehr großer Einfluss“ einschätzen. Die erfragten Ansprechpartner und Medienquellen umfassten Ärzte/Psychologen, Apotheker, Familie/Freunde, das Internet, Fachliteratur, verschiedene Arten von Ratgebern wie TV-Sendungen oder Artikel in Zeitschriften, Krankenkassen und telefonische Auskünfte/Beratungs-Hotlines.

Internetnutzung bei psychischer Belastung

In einer weiteren Frage wurden die Teilnehmer gebeten zu berichten, ob das Internet bei psychischer Belastung eine Anlaufstelle für sie darstellen würde, um Informationen und Hilfe einzuholen. Wurde dies bejaht, sollten sie angeben, in welcher Form sie es nutzen würden (z. B. um nach Informationen über das Problem zu recherchieren, Austausch in Foren und/oder Suche nach Kontaktdaten von niedergelassenen Psychotherapeuten).

Inanspruchnahme psychologischer Beratung im Internet

Des Weiteren wurde erfragt, ob die Teilnehmer bereits psychologische Beratung im Internet in Anspruch genommen hätten und wenn nicht, ob sie dennoch von deren Möglichkeit gewusst hätten. Hatten sie bereits Erfahrung mit psychologischer Onlineberatung, sollten sie zudem ihre Zufriedenheit mit der Beratung auf einer Skala von „sehr unzufrieden“ bis „sehr zufrieden“ angeben. Außerdem wurden die Teilnehmer gebeten zu berichten, für wie wahrscheinlich sie die eigene Inanspruchnahme einer solchen psychologischen Beratung im Internet in einer entsprechenden Situation hielten.

Inanspruchnahme medienassistierter Psychotherapie

Hierbei wurden die Teilnehmer nach der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme verschiedener mediengestützter Therapieangebote gefragt. Als Beispiel diente die Behandlung einer Phobie. Die erfragten Therapiemöglichkeiten umfassten eine herkömmliche persönliche Behandlung bei einem Therapeuten, eine handygestützte Behandlung, eine Behandlung mithilfe VR und eine internetgestützte Behandlung. Die potenzielle Inanspruchnahme sollte jeweils auf einer 5-stufigen Skala von „sehr unwahrscheinlich“ bis „sehr wahrscheinlich“ eingestuft werden.

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung erfolgte anhand des Computerprogramms SPSS Statistics 19.0, in das die Daten automatisch eingelesen wurden.

Ergebnisse

Der Großteil der Deutschen nutzt nach eigenen Angaben die als konventionell zu bezeichnenden Medien Zeitung (59,5%, n = 1430), Radio (66,4%, n = 1594), Fernseher (81,3%, n = 1953) und Telefon (53,5%, n = 1283) täglich. Von den übrigen Teilnehmern berichteten die meisten, diese Medien mehrmals pro Woche zu nutzen (z. B. Telefon: 28,5%, n = 684). Ein sehr geringer Anteil nutzte einzelne Medien nie; so waren dies beispielsweise beim Fernseher lediglich 1,5% (n = 36). Im Gegensatz dazu fielen bei den modernen Medien Handy, Computer/Laptop und Internet ähnlich große Anteile auf die Kategorien „täglich“ und „nie“. Beispielsweise nutzen 31,7% (n = 7619) der Deutschen täglich einen Computer/Laptop, aber ebenfalls 41% (n = 983) nie. Einen Palm/Minicomputer nutzt hingegen allgemein nur ein geringer Anteil überhaupt („nie“: 92%, n = 2206). Insgesamt zeigte sich, dass Handy und Internet für die überwiegende Mehrheit der Deutschen zu Alltagsmedien geworden sind: Es nutzen 75,8% (n = 1822) ein Handy und 58,8% (n = 1413) das Internet. Die prozentuale Häufigkeit der Inanspruchnahme des Internet in Deutschland zeigt Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Nutzungshäufigkeit des Internet in Deutschland (N = 2411)

1. Welche Medien werden von der deutschen Bevölkerung als Informationsquellen für gesundheitsbezogene Fragen genutzt?

Um Informationen und Ratschläge über allgemeine Gesundheitsfragen einzuholen, nutzt die Mehrheit der Deutschen tradierte Ansprechpartner wie Ärzte und Psychologen, Apotheker, aber auch Familie und Freunde. Das Internet nutzen nach eigenen Angaben 37,3% (n = 897) der deutschen Bevölkerung, und dies nimmt damit einen ähnlich großen Stellenwert zur Beschaffung gesundheitsbezogener Informationen ein wie die Krankenkassen (Abb. 2).

Damit konsultieren bei gesundheitlichen Fragen inzwischen mehr Personen das Internet als Printmedien wie Fachliteratur und Ratgeberbücher. Unter den deutschen Internetnutzern hat das Medium als Gesundheitsratgeber bereits einen festen Stellenwert eingenommen: Bereits fast zwei Drittel (64,5%, n = 895) derjenigen, die das Internet überhaupt nutzen, greifen darauf auch zurück, um gesundheitliche Informationen einzuholen.

Abb. 2
figure 2

Nutzer der Informationsquellen bei Gesundheitsfragen (N = 2411)

2. Wie groß ist der Einfluss der jeweiligen genutzten Medien auf das Gesundheitsverhalten?

Die Teilnehmer wurden daraufhin nach dem Einfluss der jeweils von ihnen genutzten Informationsquellen auf ihr gesundheitsbezogenes Verhalten befragt.

In der Bevölkerung häufiger genutzte Quellen scheinen gleichzeitig auch einen größeren Einfluss auf das Gesundheitsverhalten zu haben als seltener genutzte. So wird aus Tab. 1 ersichtlich, dass der Einfluss der am häufigsten konsultierten Ansprechpartner Ärzte, Psychologen, Familienmitglieder und Freunde auf das gesundheitsbezogene Verhalten von der Mehrheit der Deutschen als vergleichsweise groß eingeschätzt wird.

Das Internet scheint hingegen einen durchschnittlich als „mittelgroß“ bewerteten Einfluss auf das gesundheitsbezogene Verhalten auszuüben und ist damit dem Einfluss der Krankenkassen oder Ratgeberbücher vergleichbar. Allerdings übt das Internet auf immerhin fast 20% der Deutschen, die es bei Gesundheitsfragen konsultieren, einen „großen Einfluss“ (13,2%, n = 117) oder „sehr großen Einfluss“ (5,2%, n = 46) aus.

Tab. 1 Einfluss verschiedener Informationsquellen auf das Gesundheitsverhalten

3. In welchem Ausmaß würden die Deutschen bei psychischer Belastung im Internet nach Informationen und Hilfe suchen?

Über ein Viertel der Deutschen (26,3%, n = 635) kann sich vorstellen, das Internet als Anlaufstelle bei psychischer Belastung zu nutzen. Berücksichtigt man nur die Deutschen, die das Internet bereits nutzen, erhöht sich der Anteil auf 43,7% (n = 1413). Davon gab der Großteil (90,3%, n = 618) an, im Bedarfsfall im Internet Informationen über das entsprechende Problem zu recherchieren. Andere mögliche Nutzungsformen waren dem eindeutig nachgeordnet: Es würden 40,8% der Befragten (n = 618) den Austausch mit anderen Menschen mit ähnlichen Problemen in Foren suchen, und jeweils knapp ein Drittel würde nach psychologischen Onlinetests recherchieren, um das Problem besser einschätzen zu können (28,2%, n = 618), bzw. nach Kontaktdaten von niedergelassenen Therapeuten (30,6%, n = 618). Dabei würden Personen mit einem Studienabschluss signifikant häufiger im Internet zu Informationen über das Problem (χ2[1, n = 635] = 4,88, p<0,05) oder zu Kontaktdaten von Therapeuten recherchieren (χ2[1, n = 635] = 7,14, p<0,01) als solche, die nicht über ein abgeschlossenes Studium verfügen.

Insgesamt zeigten sich signifikante Zusammenhänge zwischen der potenziellen Inanspruchnahme des Internet als Informationsquelle bei psychischer Belastung und den in Tab. 2 dargestellten soziodemografischen Variablen der befragten Personen.

So besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen einzelnen Altersgruppen und der Nutzung des Internet insofern, dass dessen Inanspruchnahme bei psychischen Problemen mit steigendem Alter zunehmend seltener in Betracht gezogen zu werden scheint. Beispielsweise würde noch die Hälfte (50,2%, n = 114) der unter 25-Jährigen das Internet bei psychischen Problemen zurate ziehen, während es unter den Befragten zwischen 35 und 44 Jahren noch 38,5% (n = 151) und unter denjenigen zwischen 65 und 74 Jahren noch lediglich 6,5% (n = 27) sind. Auch der Familienstand scheint im Zusammenhang zur Konsultation des Internet im Fall von psychischer Belastung zu stehen. Unter den ledigen Teilnehmern gaben deutlich mehr (42,3%, n = 238) an, sich das Netz als Ratgeber bei psychischen Problemen vorstellen zu können als beispielsweise unter den verheiratet zusammen Lebenden (25%, n = 316). Ebenso scheint das Haushaltseinkommen eine Rolle zu spielen, wobei z. B. ein monatlich zur Verfügung stehendes Einkommen von über EUR 2500 mit einem höheren Interesse, das Internet bei zukünftiger psychischer Belastung zu nutzen, einherging (37,9%, n = 259) als ein Einkommen zwischen EUR 1250 und 2500 (24,8%, n = 292) oder darunter (13,9%, n = 65).

Neben den aufgeführten soziodemografischen Variablen steht auch die Häufigkeit der Internetnutzung im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des Internet bei psychischer Belastung (χ2[4, n = 2404] = 5,92, p<0,001). So würde beispielsweise unter denjenigen, die das Internet täglich nutzen, fast die Hälfte (49,2%, n = 357) das Internet bei psychischen Problemen als Quelle der Unterstützung heranziehen, während es unter jenen, die sich nur ein paar Mal im Monat des Internet bedienen, lediglich 27,8% (n = 44) sind.

Tab. 2 Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme des Internet im Fall psychischer Belastung und soziodemografischen Faktoren

4. Wie verbreitet ist die Nutzung psychologischer Onlineberatung in Deutschland, und wie zufrieden sind Personen, die sie bereits in Anspruch genommen haben?

Von denjenigen, die sich vorstellen konnten, das Internet im Bedarfsfall bei psychischen Problemen zu nutzen, hatten lediglich 14 Personen (2,2%) bereits die Möglichkeit der psychologischen Onlineberatung genutzt. Die Erfahrungen schienen gut gewesen zu sein, da die Zufriedenheit mit der Beratung auf einer Skala von 1: sehr unzufrieden bis 5: sehr zufrieden im Mittel mit 3,9 (SD ± 0,7) angegeben wurde.

5. Wie viele Deutsche wissen bereits von der Möglichkeit, sich psychologisch im Internet beraten zu lassen, und wie hoch ist die allgemeine Nutzungsbereitschaft für solche Angebote?

Knapp die Hälfte der Personen (43,7%, n = 274), die bei psychischer Belastung das Internet nutzen würden, wusste von der Option psychologischer Onlineberatung, hatte sie bisher aber noch nicht in Anspruch genommen. Über die Hälfte (54,1%, n = 339), die offen für die psychosozialen Unterstützungsmöglichkeiten des Netzes sind, erfuhren somit erst im Rahmen der Befragung von der Existenz solcher Angebote. Gefragt nach der Wahrscheinlichkeit, diese zukünftig bei Bedarf in Anspruch zu nehmen, antworteten die meisten (42%, n = 264) mit „vielleicht“ (M = 2,8, SD ±1,0 auf einer Skala von 1: sehr unwahrscheinlich; 5: sehr wahrscheinlich).

Personen, die von dem Angebot psychologischer Onlineberatung wissen, unterscheiden sich nur in wenigen soziodemografischen Faktoren von denjenigen ohne Kenntnis von dieser Beratungsoption (Tab. 3).

So berichteten 54,7% (n = 82) der Personen mit einem abgeschlossenen Studium häufiger, von dem Angebot psychologischer Onlineberatung zu wissen (54,7%, n = 82). Des Weiteren gaben auf dem Land wohnende Teilnehmer eher an, über dieses Angebot informiert zu sein (56,8%, n = 46) als in der Stadt Lebende (44,3%, n =242). Auch die Zugehörigkeit zu einer Kirchengemeinde stand in signifikantem Zusammenhang zu dem Wissen über das Vorhandensein dieses Angebots (57,6%, n = 83 vs. 42,3%, n = 204 ohne Kirchenzugehörigkeit).

Tab. 3 Zusammenhang zwischen der Kenntnis psychologischer Onlineberatungsangebote und soziodemografischen Faktoren

6. Wie hoch ist die Bereitschaft der Deutschen, verschiedene Formen medienassistierter Psychotherapie zu nutzen?

Die Nutzungswahrscheinlichkeit verschiedener mediengestützter Behandlungsmöglichkeiten wurde mit einem fiktiven Beispiel erfragt:

Stellen Sie sich bitte vor, Sie würden unter einer Angst (Phobie), wie etwa Höhen-, Spinnen- oder Flugangst, leiden und wollen sich behandeln lassen, um diese Angst loszuwerden. Als Ergänzung zu einer persönlichen Behandlung werden Übungen manchmal ohne direkten Kontakt zum Therapeuten durchgeführt. Dabei kommen z. B. Medien wie Handys oder Computer zum Einsatz. Im Folgenden werden vier Behandlungsmöglichkeiten vorgestellt. Bitte geben Sie bei jeder Möglichkeit an, ob Sie sich vorstellen könnten, sich auf diese Weise behandeln zu lassen, um Ihre Angst loszuwerden.

Dabei sollten die Befragten die Behandlungsbereitschaft für das jeweilige Szenario auf einer Skala von 1: sehr unwahrscheinlich bis 5: sehr wahrscheinlich einstufen.

In der deutschen Bevölkerung stellte sich insgesamt eine deutliche Präferenz der herkömmlichen persönlichen Behandlung bei einem Therapeuten dar (Tab. 4). Über die Hälfte der Deutschen (53,3%, n = 677) halten deren Inanspruchnahme im Bedarfsfall für „sehr“ oder „eher wahrscheinlich“.

Die Inanspruchnahme einer handygestützten Behandlung hielten hingegen lediglich 7,6% (n = 183) für „eher“ oder „sehr wahrscheinlich“. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bezüglich der Behandlung mithilfe einer VR oder des Internet. Allerdings ist die Bereitschaft zur Inanspruchnahme der jeweiligen Behandlungsform signifikant höher, wenn das entsprechende Medium bereits genutzt wird (Tab. 4). Zudem finden sich signifikante Korrelationen zwischen der Bereitschaft zur Nutzung einer handy-, VR- sowie internetgestützten Behandlung und der Nutzungshäufigkeit der entsprechenden Medien Handy (τb = 0,21, p<0,001, n = 2389), Computer (τb = 0,26, p<0,001, n = 2382) und Internet (τb = 0,32, p<0,001, n = 2387). Ähnlich hohe Korrelationen bestanden darüber hinaus auch zwischen der Nutzungshäufigkeit dieser Medien und den übrigen mediengestützten Behandlungsformen (zwischen τb = 0,20 und 0,30).

Personen mit hoher (operationalisiert über die Antworten „eher“ und „sehr wahrscheinlich“) und niedriger Bereitschaft („sehr“ oder „eher unwahrscheinlich“) zur Nutzung der traditionellen Psychotherapie sowie der verschiedenen mediengestützten Behandlungsformen unterschieden sich außerdem in den im Folgenden beschriebenen soziodemografischen Faktoren (Tab. 5).

Während beispielsweise signifikant mehr Frauen (56,3%, n = 731) als Männer (47,9%, n = 553) hohe Bereitschaft zur Inanspruchnahme einer herkömmlichen Psychotherapie aufweisen, finden sich bezüglich der mediengestützten Behandlungsformen keine Geschlechtsunterschiede. Im Hinblick auf das Alter der Befragten ergaben sich Zusammenhänge zu allen Therapieformen. Dabei gaben Personen zwischen 25 und 34 Jahren am häufigsten an, im Bedarfsfall eine traditionelle Therapie „eher“ oder „sehr wahrscheinlich“ nutzen zu wollen (59,1%, n = 175). Mit steigendem Alter nimmt diese Bereitschaft ab und beträgt bei den 65- bis 74-Jährigen noch 48,2% (n = 201). Bei den Teilnehmern unter 25 Jahren liegt die Nutzungsbereitschaft etwa ebenso hoch (46,3%, n = 105). Dahingegen scheint es mit steigendem Alter zunehmend unwahrscheinlicher, mediengestützte Behandlungsformen zu nutzen. Während es beispielsweise noch 11,5% (n = 26) der unter 25-Jährigen für „eher“ oder „sehr wahrscheinlich“ hielten, eine handygestützte Angsttherapie in Anspruch zu nehmen, waren es unter den 45- bis 54-Jährigen noch lediglich 7,9% (n = 34). Dasselbe Muster einer graduell abnehmenden Bereitschaft zeigte sich bezüglich der VR- und einer internetgestützten Behandlung. Auch der Familienstand hängt mit der Inanspruchnahmebereitschaft der einzelnen Behandlungsformen zusammen. Dabei berichteten geschiedene (55%, n = 127) und verheiratet zusammen lebende Personen (54,7%, n = 691) häufiger eine hohe Bereitschaft zum Aufsuchen einer herkömmlichen Psychotherapie als ledige (51,5%, n = 290). Diese scheinen hingegen eine höhere Bereitschaft zur Inanspruchnahme mediengestützter Therapieformen aufzuweisen. So gaben 12,3% (n = 69) der Ledigen an, eine Psychotherapie mithilfe einer VR „eher“ oder „sehr wahrscheinlich“ zu nutzen, während es unter den verheiratet zusammen Lebenden lediglich 6,5% (n = 81) waren. Unterschiede im Bildungsniveau der Befragten zeigten sich insbesondere bezüglich der Nutzungsbereitschaft einer internetgestützten Behandlung mit höherer Bereitschaft bei Personen mit abgeschlossenem Studium. Auch bezüglich des Haushaltseinkommens ließen sich Zusammenhänge zur Bereitschaft der Nutzung einer herkömmlichen, ebenso wie einer handygestützten, internetgestützten und Behandlung mithilfe einer VR feststellen. Die Nutzungswahrscheinlichkeit schien dabei den Deutschen, denen ein monatliches Einkommen von über EUR 2500 zur Verfügung steht, jeweils am höchsten zu sein. Des Weiteren betrachteten es in einer Stadt lebende Deutsche signifikant häufiger als „eher“ oder „sehr unwahrscheinlich“, beispielsweise eine handygestützte Behandlung in Anspruch zu nehmen (76,3%, n = 1587), als auf dem Land Lebende (68,6%, n = 216). Außerdem berichteten Personen, die einer Kirchengemeinschaft angehören, häufiger von einer hohen Bereitschaft zum Aufsuchen einer herkömmlichen Behandlung (54,4%, n = 1007).

Auch zur Nutzung verschiedener Quellen zur Einholung von gesundheitsbezogenen Ratschlägen zeigten sich einige signifikante Zusammenhänge zur Inanspruchnahmebereitschaft mediengestützter Therapie. Insbesondere die Nutzer der Quellen Fachliteratur, Ratgeber in Buchform, telefonische Auskunft/Beratungs-Hotlines sowie Internet hielten es für wahrscheinlicher, sich einer mediengestützten Psychotherapie zu unterziehen. So besteht z. B. ein Zusammenhang zwischen der Nutzung des Internet bei gesundheitlichen Fragen und der Nutzungsbereitschaft der drei mediengestützten Behandlungsformen. Personen, die das Internet zur Recherche nach gesundheitsbezogenen Informationen nutzen, gaben häufiger an, eine handygestützte Behandlung „eher“ oder „sehr wahrscheinlich“ (11,9%, n = 106) in Anspruch zu nehmen als solche, die das Internet nicht zu diesem Zweck nutzen (5%, n = 75; χ2[4, n = 2387] = 130,42, p<0,001). Eine ähnliche Verteilung findet sich eben für die Behandlung via VR und internetgestützt.

Der wahrgenommene Einfluss der verschiedenen möglichen Informationsquellen auf das Gesundheitsverhalten scheint ebenfalls eine Rolle bei der Nutzungsbereitschaft mediengestützter Psychotherapie zu spielen. Dabei hingen insbesondere ein höherer Verhaltenseinfluss von Fachliteratur und Internet mit einer höheren Bereitschaft zur Inanspruchnahme mediengestützter Psychotherapie zusammen. So hielten es diejenigen Personen, die dem Internet einen „großen Einfluss“ auf ihr Gesundheitsverhalten zuschreiben, für signifikant wahrscheinlicher, sich mithilfe einer VR behandeln zu lassen (24,8%, n = 29), als diejenigen, die den Verhaltenseinfluss des Internet als „sehr klein“ einschätzen (8,6%, n = 24; χ2[8, n = 889] = 55,40, p<0,001).

Tab. 4 Bereitschaft zur Nutzung mediengestützter Psychotherapie
Tab. 5 Zusammenhang zwischen der Bereitschaft zur Inanspruchnahme einer handygestützten Behandlung, Behandlung mithilfe einer virtuellen Realität sowie internetgestützten Behandlung und soziodemografischen Faktoren

Diskussion

Moderne Kommunikations- und Informationstechnologien haben im psychotherapeutischen Kontext im letzten Jahrzehnt an Bedeutung gewonnen. In zahlreichen Pilotprojekten wird das therapeutische Potenzial von v. a. dem Internet, aber auch anderen neueren Technologien wie z. B. VR, Smartphones und Spielkonsolen geprüft. Für einzelne Anwendungsbereiche existieren bereits umfassendere Evaluationsstudien (z. B. für internetgestützte Anwendungen, Eichenberg u. Ott 2011, sowie Projekte im Bereich des E-Mental-Health der Forschungsstelle Psychotherapie am Universitätsklinikum Heidelberg, http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/E-Health.7355.0.html?&FS = 0&L =). Bislang lagen jedoch noch keine Erkenntnisse zur Akzeptanz entsprechender Angebote in der Gesellschaft vor. Ziel der vorliegenden bevölkerungsrepräsentativen Studie war, dieses Desiderat zu schließen.

Für den Gesundheitsbereich insgesamt hat das Internet inzwischen einen festen Stellenwert. Bereits fast zwei Drittel derjenigen, die das Internet überhaupt nutzen, greifen bei gesundheitlichen Fragen darauf zurück. Dabei haben laut Selbstangaben traditionelle Ansprechpartner wie Ärzte, Psychologen, aber auch Angehörige nach wie vor den größten Einfluss auf das konkrete Gesundheitsverhalten.

Die generelle Nutzungsbereitschaft für das Internet bei speziell psychischen Problemen ist ähnlich ausgeprägt. Fast die Hälfte der deutschen Internetnutzer würden E-Mental-Health-Angebote im Bedarfsfall nutzen, insbesondere Onlineinformationsangebote und internetbasierte Selbsthilfegruppen. Um potenzielle Zielgruppen für entsprechende Angebote erschließen zu können, sind differenzielle Ergebnisse wichtig. So scheinen insbesondere jüngere und ledige Menschen mit höherem Bildungsniveau eine ausgeprägtere Inanspruchnahmebereitschaft zu haben. Dies deckt sich mit den allgemeinen Befunden zum Zusammenhang der genannten soziodemografischen Variablen und der Inanspruchnahme psychologischer Unterstützung insgesamt (für Psychotherapie s. die US-amerikanische Studie von Briffault et al. 2008 sowie für Deutschland Albani et al. 2010; Gallas et al. 2008; für psychosoziale Beratungsangebote z. B. Huber et al. 2005). Während sich jedoch im Großteil der Studien zur Versorgungslage von Psychotherapie und psychosozialer Beratung eine höhere Inanspruchnahme durch weibliche Personen erkennen lässt, fand sich in dieser Studie erfreulicherweise ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei dem Rückgriff auf das Internet als Ratgeber bei potenziellen psychischen Problemen.

Gleichzeitig ist sich der größte Teil der Deutschen des Spektrums der Möglichkeiten, die das Internet im psychosozialen Bereich heutzutage bietet, nicht bewusst, was sich z. B. in der mangelnden Kenntnis von psychologischen Onlineberatungsangeboten widerspiegelt. Obwohl über die Hälfte der Deutschen das Internet nutzen, haben neue Medien noch nicht so weitgehend ihren Weg in die Psychotherapie und Beratung gefunden wie in das tägliche Leben. Allerdings herrscht in der Bevölkerung eine generelle Bereitschaft zur Nutzung psychologischer Onlineberatung in potenziellen zukünftigen Fällen. Anders gestaltet sich die Situation bei der Einbindung moderner Medien im Rahmen ambulanter Psychotherapien. Hier zeigte sich deutlich, dass die Mehrheit der Deutschen bei einem behandlungsbedürftigen Problem das klassische therapeutische Setting bevorzugen würde. Auch wenn so beispielsweise in der Fachliteratur von den grundsätzlichen Vorteilen z. B. der Expositionsbehandlung durch Zuhilfenahme von VR-Technologien für Patienten berichtet wird (Eichenberg 2011; Mühlberger et al. 2008) oder internetgestützte Behandlungsprogramme für eine Reihe von Störungsbildern positiv evaluiert sind (Eichenberg u. Ott 2011), scheinen die Deutschen im Bedarfsfall das Gespräch mit dem Therapeuten zu wünschen und dies ohne technische Vermittlung, Ergänzung oder auch Unterbrechung des „Face-to-face“-Kontakts. Aus der Psychotherapieforschung ist hinlänglich bekannt, dass der zentrale Wirkfaktor in der Beziehung liegt – vielleicht scheinen auch potenzielle Nutzer das intuitiv zu wissen. Allerdings steigt das Interesse an medienunterstützten Behandlungsformen, wenn das entsprechende Medium bereits genutzt wird. Und: Bei Personen, die das jeweilige Medium intensiv(er) nutzen, ist die Nutzungsbereitschaft eher vorhanden.

Somit wird durch die weitere Mediatisierung der Gesellschaft auch E-Mental-Health in der nahen Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen. Insgesamt wird wichtig sein, diese Entwicklung zu antizipieren und sowohl vonseiten der Gesundheitspolitik als auch von Wissenschaft und Praxis aus entsprechend mitzuwirken. Konkret bedeutet dies, in der Bevölkerung über E-Mental-Health mit seinen Möglichkeiten und Vorteilen und auch seinen Risiken und Nachteilen zu informieren. Dazu gehört, unter Berücksichtigung der dargestellten soziodemografischen Merkmale potenzielle Nutzer zu identifizieren und ihnen allgemeine Informationen über verschiedene Anbietergruppen bereitzustellen, um Interessierten Orientierungshilfe zu geben. Mit den mediengestützten Versorgungsangeboten steigt die Vielfalt der verschiedenen Zugänge bei psychischen Problemen, zumal die bisherige Versorgungslandschaft für Laien schon schwer durchschaubar ist. Damit geht die Notwendigkeit einher, Qualitätssiegel für entsprechende Angebote zu entwickeln und zu etablieren. Für gesundheitsbezogene Websites existieren bereits seit Jahren entsprechende Bemühungen und Modelle; Gleiches gilt für elaborierte und verlässliche Technologien sowie Strategien zu Datenschutz und -sicherheit.

Fazit für die Praxis

Durch die Zunahme heterogener medialer Versorgungsangebote bei psychischen Problemen wird sich auch die Behandler-Patient-Beziehung verändern. Patienten werden z. B. durch die Rezeption gesundheitsbezogener Websites informierter sein, vielleicht neben einer laufenden Therapie noch einen Onlineberater konsultieren oder Wünsche nach der Einbindung neuer Technologien im Rahmen der Behandlung äußern. Ärzte und Therapeuten haben hier die wichtige Funktion, für die Veränderung des Hilfesystems offen zu sein. Dies impliziert, dass sie über die entsprechenden Entwicklungen informiert sind und so auch auf gute sowie im Einzelfall indizierte Angebote hinweisen können. Gleichzeitig sind insbesondere Fachleute in der Primärversorgung gefordert, mit ihren Patienten über die Inanspruchnahme psychosozialer Unterstützungsangebote im Dialog zu sein, um unseriöse Offerten und/oder dysfunktionale Inanspruchnahmen zu identifizieren. Günstigenfalls binden Psychotherapeuten Medien reflektiert in die Behandlung ein – hier wurden von den Autoren bereits Konzepte für die Integration v. a. in psychodynamische Behandlungen beschrieben. Dabei gilt als Leitsatz „Die Beziehungsgestaltung hat Vorrang vor der Technik“, wobei „Technik“ im hier beschriebenen Kontext im doppelten Sinne verstanden werden kann.