Die Umstände, unter denen ein Kind mit Schütteltrauma auffallen kann, sind vielfältig. In der Notaufnahme werden Kinder nach Krampfanfall, mit unklarer Bewusstseinstrübung oder sogar unter Reanimationsmaßnahmen vorgestellt. „Chronische“ bzw. längere Zeit überlebte Schütteltraumata treten zuweilen eher zufällig im Rahmen der allgemeinen Abklärung einer psychomotorischen Entwicklungsverzögerung in Erscheinung. Bei tödlichen Fällen wird die Diagnose oftmals erst durch die Obduktion gestellt.

Neben der Einzelfallbearbeitung bestehen die Hauptaufgaben der Rechtsmedizin darin, die in der Klinik tätigen Kollegen für diese noch immer zu wenig wahrgenommene Form der Kindesmisshandlung zu sensibilisieren, einheitliche diagnostische Leitlinien zu etablieren und anhand – soweit möglich – gesicherter Fälle sowie retrospektiver Auswertungen einen medizinisch-wissenschaftlichen Erfahrungsschatz aufzubauen. Ein standardisiertes Vorgehen kann dazu beitragen, den Sicherheitsgrad der Diagnose zu erhöhen, Fehldiagnosen zu verhindern und das Schütteltrauma kompetent zu erkennen.

Welche spezielle Diagnostik im Verdachtsfall aus forensischen und medizinischen Erwägungen erforderlich ist, orientiert sich an der Fallkonstellation. Während die Diagnostik bei Obduktionsfällen das gesamte Spektrum der zur Verfügung stehenden Techniken ausschöpfen kann, sind den diagnostischen Möglichkeiten bei lebenden Kindern naturgemäß Grenzen gesetzt. Die nachfolgenden Empfehlungen sind daher in solche, die bei der Begutachtung lebender Kinder beachtet werden sollten, und solche, die in der rechtsmedizinischen Obduktionspraxis Anwendung finden, unterteilt.

Untersuchung lebender Kinder

Die Diagnose Schütteltrauma erfordert eine sorgfältige klinische Untersuchung unter Abwägung differenzialdiagnostischer Aspekte. Der erste Schritt zur Diagnose ist, dass die Möglichkeit einer Kindesmisshandlung von klinischer Seite überhaupt in Erwägung gezogen wird. Frühzeitig sollten dann andere Disziplinen wie Rechtsmedizin, (Neuro-)Radiologie, Augenheilkunde und Neurologie in den Fortgang der Diagnostik einbezogen werden. Die Rechtsmedizin kann hier über die reine Befunderhebung hinaus koordinative und beratende Aufgaben wahrnehmen. Nicht zuletzt wird von der Rechtsmedizin auch eine abschließende Interpretation der erhobenen Befunde erwartet.

Geschüttelte Kinder zeigen häufig keine offensichtlichen Verletzungen. Stattdessen weisen sie vielfach unspezifische bzw. subklinische Symptome auf. Retrospektive Analysen zeigen, dass Erbrechen, Blässe, Zyanose und Apathie die häufigste Symptomkonstellation bei Einlieferung in das Krankenhaus darstellen. Meist fehlen klare Angaben zur Vorgeschichte. Sehr selten wird ein Schütteln als Verletzungsmechanismus an- oder zugegeben; wenn überhaupt, wird manchmal ein Schüttelvorgang in stark bagatellisierender Form eingeräumt (wie z. B. das Schütteln des bereits leblosen Kindes, um es wiederzubeleben).

Geschüttelte Kinder zeigen häufig keine offensichtlichen Verletzungen

Aus rechtsmedizinischer Sicht sind zur gerichtsverwertbaren Diagnosefindung beim lebenden Opfer die im Folgenden aufgeführten Untersuchungen (Infobox 1) durchzuführen.

Anamnese

Eine sorgfältige Erhebung und eine Analyse der Anamnese sollten vor oder nach der körperlichen Untersuchung erfolgen. Manchmal kann es sinnvoll sein, eine gezielte zweite Anamnese einzuholen, wenn das gesamte Verletzungsbild bekannt ist. Im Hinblick auf möglicherweise nachfolgende strafrechtliche Ermittlungen sollte aber abgewogen werden, inwieweit diese durch zu eingehende, nichtpolizeiliche Befragungen im Vorfeld beeinträchtigt werden können. Suggestivfragen („Haben Sie Ihr Kind nicht vielleicht geschüttelt?“) erschweren erfahrungsgemäß die Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Einlassungen. Alle Verletzungen sollten auf ihre Plausibilität hinsichtlich eines vorgegebenen Unfallgeschehens überprüft und Begleitumstände, wie z. B. exakte Fallhöhe, Beschaffenheit des Untergrunds, Art der Bekleidung und Zeitpunkt des Ereignisses, erfragt werden.

Ausführliche körperliche Untersuchung

Eine ausführliche körperliche Untersuchung des vollständig entkleideten Kindes, möglichst seitens der Rechtsmedizin, evtl. auch mehrfach, dient dem Nachweis oder dem Ausschluss von Griffspuren und weiteren Zeichen einer äußeren Gewalteinwirkung, wie z. B. Anschlagverletzungen beim „shaken impact“. Auf Schwellung und/oder Schonhaltung von Extremitäten ist unbedingt zu achten. Die vorsichtige Palpation des Brustkorbs von außen kann erste Hinweise auf in Heilung befindliche Rippenbrüche liefern (Kallus!). Eine Fotodokumentation aller Auffälligkeiten unter Verwendung eines Maßstabs, evtl. auch einer Farbskala, sollte immer erfolgen.

Zerebrale Computertomographie und Magnetresonanztomographie

Zusätzlich zu initialen zerebralen Ultraschalluntersuchungen und/oder einer zerebralen Computertomographie (CCT) evtl. auch in Kombination mit Beurteilung der Halswirbelsäule sollte, sobald möglich, aufgrund der deutlich höheren Sensitivität eine Magnetresonanztomographie (MRT) möglichst auch mit Verlaufsbeobachtung (Abb. 1) durchgeführt werden.

Abb. 1
figure 1

Magnetresonanztomographiebefund nach Kontrastmittelgabe 28 Tage nach Schütteltrauma mit voranschreitender kortikaler Schrumpfung und septiertem Subduralhämatom

Augenärztliche Fundoskopie

Zwingend erforderlich ist eine augenärztliche Fundoskopie, evtl. auch im zeitlichen Verlauf zum Nachweis von retinalen Blutungen und/oder Glaskörperblutungen ([8] in diesem Heft). Dabei liefern die genaue Charakterisierung der Blutungen und die exakte Beschreibung der Ausdehnung sowie der betroffenen Schichten einen wichtigen Baustein auf dem Weg zur Diagnose oder zur Bestätigung einer Differenzialdiagnose. So finden sich im Gegensatz zu einigen Differenzialdiagnosen ausgeprägte, massive, über die Retina ausgedehnte und mehrere Schichten der Retina betreffende Blutungen als starker diagnostischer Hinweis bei einem Schütteltrauma [5].

Radiologisches Skelettscreening

Unter Abwägung der Strahlenbelastung sowie der medizinischen und der forensischen Indikation sollte die Entscheidung für ein radiologisches Skelettscreening relativ niedrigschwellig fallen. Die getrennte Untersuchung einzelner Skelettabschnitte ist der Übersichtsaufnahme („Babygramm“) klar überlegen, da z. B. diskrete metaphysäre Läsionen der Röhrenknochen im Babygramm übersehen werden können.

Liquorpunktion

Eine Liquorpunktion zur Abschätzung des Blutungsalters kann erwogen werden. In jedem Fall sollte bei neurochirurgischer Entlastung um die Asservierung der subduralen Ansammlungen gebeten werden.

Laboruntersuchungen

Laboruntersuchungen zum Ausschluss bzw. Nachweis von Differenzialdiagnosen, wie z. B. Stoffwechselstörungen, pathologische Blutungsneigung und Knochenerkrankungen, sollten immer durchgeführt werden. Eine Differenzialdiagnose ist die Glutaracidurie Typ I. Diese Stoffwechselerkrankung ist derzeit flächendeckend in das erweiterte Neugeborenenscreening einbezogen. Neben dem Screening auf Amino- und Organoacidopathien im Urin bestehen charakteristische neuroradiologische Befunde [9]. Bei weiterhin bestehenden Unklarheiten kann eine Bestimmung der Glutaryl-CoA-Dehydrogenase in kultivierten Fibroblasten durchgeführt werden [2].

Planung des weiteren Vorgehens

Nach kompletter Untersuchung und unter Beachtung sämtlicher Untersuchungsergebnisse sollte das weitere Vorgehen unter Einbeziehung aller Beteiligten geplant werden (Einschaltung der sozialen Dienste, Strafanzeige etc.).

Untersuchung verstorbener Kinder

Die Existenz des äußerlich spurenarmen Schütteltraumas stellt ein gewichtiges Argument dafür dar, bei plötzlich verstorbenen Säuglingen und Kleinkindern grundsätzlich eine gerichtliche Obduktion anzustreben. Für die Beweisführung im strafprozessualen Verfahren ist eine möglichst umfassende Befunderhebung unerlässlich. So können z. B. das subdurale Hämatom oder retinale Blutungen allein u. U. auch anders als durch Schütteln erklärt werden. Erst das Gesamtbild der Verletzungen erlaubt die Diagnose mit Verlässlichkeit. Daraus folgt, dass möglichst alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Diagnostik des Schütteltraumas im Rahmen der Obduktion (Infobox 2) zum Einsatz kommen sollten. Es ist mehr als wünschenswert, dass zumindest ein Obduzent dabei profunde Erfahrungen mit Kindersektionen im Allgemeinen und mit der Untersuchung von Schütteltraumata im Speziellen hat.

Äußere Leichenschau

Die äußere Leichenschau sollte bei guten Lichtverhältnissen erfolgen. Alle äußeren Verletzungen sollten mit Maßstab fotografiert werden. Besonderes Augenmerk gilt dem Brustkorb, den oberen Extremitäten und der Kopfhaut. Die Körpermaße (Gewicht ohne Bekleidung, Körperlänge und Kopfumfang) müssen präzise gemessen und akkurat dokumentiert werden. Gerade bei chronischen Verläufen kann die Entwicklung des Kopfumfangs im Längsschnitt für die Begutachtung sehr aussagekräftig sein.

Radiologische Untersuchung

Eine radiologische Untersuchung des Leichnams vor der Obduktion sollte unbedingt angestrebt werden. Dabei sollten der Schädel in zwei Ebenen, Brustkorb, Abdomen mit Becken, Beine und Arme geröntgt werden. Technisch hochwertige konventionelle Röntgenaufnahmen sind eine sehr sensitive Methode zum Aufspüren diskreter knöcherner Läsionen, wie z. B. den metaphysären Kantenabsprengungen an den langen Röhrenknochen, die dann bei der Obduktion gezielt präparatorisch dargestellt und asserviert werden können. Inwieweit die postmortale CT bei der Detektion derartiger Läsionen gleichwertig oder überlegen ist, wird die zukünftige Praxis erweisen. Eine vor der Obduktion durchgeführte MRT-Untersuchung des Schädels mit Visualisierung einer subduralen Blutung (SDB) kann dazu beitragen, Schütteltraumafälle vom plötzlichen Säuglingstod abzugrenzen und so einen wertvollen Dienst für die „taktische“ Planung der Obduktion zu leisten. In jedem Fall sind CT und MRT als supplementäre Untersuchungen von großem Wert und erlauben, ggf. auch über eine dreidimensionale Rekonstruktion, eine gute Dokumentation.

Obduktion

Die Obduktion sollte sorgfältig geplant und durchgeführt werden. Zum Nachweis äußerlich nichtsichtbarer Unterblutungen ist das Unterhautfettgewebe von Rumpf, Rücken, Nacken und Extremitäten sorgfältig darzustellen. Von den Verletzungen sollten Proben für die histologische Wundaltersbestimmung zurückbehalten werden [1]. Vergleichsproben unverletzter Hautabschnitte aus entsprechenden Körperregionen dienen als „interner Standard“ und helfen bei der Interpretation der Befunde. Die Röhrenknochen von Armen und Beinen sollten weitgehend freigelegt werden; hierbei können nach vorangegangener Röntgenuntersuchung knöcherne Läsionen gezielt aufgesucht und für eine osteopathologische Untersuchung asserviert werden ([3]). Auch der Brustkorb sollte nach Entnahme der Lungen sorgfältig auf das Vorhandensein frischer oder älterer Rippenbrüche untersucht werden. Wie an der Haut ist auch bei der Entnahme von Knochen für die osteopathologische Untersuchung eine Entnahme des entsprechenden Skelettabschnitts auf der Gegenseite zu Vergleichszwecken empfehlenswert [7].

Das Unterhautfettgewebe des Schädels muss sorgfältig inspiziert werden. Hierbei kann der U-förmige Schnitt am Hinterkopf über den Nacken verlängert werden („Fragezeichenschnitt“); dies erlaubt eine kontinuierliche Darstellung der rückwärtigen Halsweichteile und der Wirbelsäule. Das vorsichtige Eröffnen des Atlantookzipitalgelenks von hinten erlaubt eine artefaktfreie Asservierung von Liquor und eine Einschätzung des Herniationsgrades des Kleinhirns im Foramen magnum (Abb. 2 a–c).

Abb. 2
figure 2

a Fragezeichenschnitt, b Freilegung von Kopf- und Nackenweichteilen, c Freilegung der Kleinhirntonsillen mit Aufsicht durch das Foramen magnum von hinten unten

Inwieweit nach der Eröffnung des Schädels der „Kappungsschnitt“ (nach Flechsig) zur Anwendung kommen sollte, ist diskussionswürdig. Fürsprecher dieser Technik begründen sie mit der Notwendigkeit, die rupturierten Brückenvenen präparatorisch darzustellen. Die Autoren glauben, dass man auf die Darstellung der verletzten Venen verzichten kann. Sie ist präparatorisch schwierig und liefert keine entscheidenden neuen Erkenntnisse, sieht man einmal von der Möglichkeit ab, eine rupturierte Brückenvene histologisch aufzuarbeiten, um Rückschlüsse auf das Alter der Ruptur ziehen zu können. Oftmals wird man aber – gerade bei kurzen Überlebenszeiten – nicht eindeutig entscheiden können, ob eine feine Brückenvene bei der Präparation oder bereits zuvor gerissen war, zumal die Dura der inneren Schädeltafel sehr viel fester anliegt als dem Gehirn und eine Darstellung der Venen ohne Ausübung jeglicher Zugkräfte quasi unmöglich ist. Die Tatsache, dass eine SDB vorliegt, impliziert notwendig die Ruptur einer oder mehrerer Brückenvenen, sieht man einmal von der umstrittenen „unified hypothesis“ von Geddes et al. [4] ab, die postulieren, dass SDB auch atraumatisch durch Sauerstoffmangel jedweder Ursache entstehen können (s. hierzu auch [10] in diesem Heft). Die exakte Rupturstelle ist nach Meinung der Autoren von nachgeordneter Bedeutung. Wenn die genaue Lokalisation der Rupturen dennoch von Interesse ist, kann die Methode von Maxeiner zum Einsatz kommen, die den Austritt von Kontrastmittel, das vor der Sektion per Injektion in den Sinus sagittalis superior verabreicht worden ist, radiologisch nachweist. Auch die Darstellung der Brückenvenen mithilfe des CT nach der Methode von Stein et al. [11] kann je nach technischer Ausstattung zur Anwendung kommen. In jedem Fall sind die schonendste Entnahmetechnik des Gehirns und die Fixierung in der Kalotte anzuraten. Für die im Anschluss nach Möglichkeit immer durchzuführende neuropathologische Untersuchung sollte davon Abstand genommen werden, „orientierende“ Schnitte in das Hirn zu legen. Zum einen wird im Allgemeinen kein relevanter Informationsgewinn von diesen Schnitten ausgehen, und zum anderen wird die neuropathologische Untersuchung durch die unweigerlich auftretenden Fixationsartefakte an den Schnittflächen deutlich erschwert. Eine frühe Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Neuropathologen ist in jedem Fall sinnvoll.

Halsmark, Dura mater und Augäpfel sollten ebenfalls einer neuropathologischen Untersuchung zugeführt werden. Hierbei empfiehlt sich die Entnahme der Bulbi über die vordere Schädelgrube nicht nur aus kosmetischen Gründen, sondern nur diese Vorgehensweise erlaubt auch eine Entnahme der Sehnerven über eine gewisse Strecke. Tutsch-Bauer et al. [12] weisen darauf hin, dass eine Untersuchung der Bulbi unterbleiben kann, wenn zu Lebzeiten eine Fundoskopie stattgefunden hat, da retinale Blutungen zum Obduktionszeitpunkt bereits resorbiert sein könnten. Dennoch erachten die Autoren eine Entnahme der Bulbi für eine zweifelsfreie Dokumentation in jedem Fall als sinnvoll. Einerseits wird der Fundus bei der klinischen Untersuchung selten fotografiert, andererseits kann die Einschätzung des klinischen Untersuchers auch falsch sein. Auch unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ist eine regelhafte histologische Untersuchung der Retina wünschenswert, da bisher zu wenig über die zeitliche Dynamik retinaler Blutungen bekannt ist (Hämosiderin bei länger überlebten Fällen?; [8] in diesem Heft).

Schwierigkeiten auf dem Weg zur Diagnose

Auf dem Weg zur Diagnose gibt es in Abhängigkeit vom Wissensstand der beteiligten Untersucher, den technischen Möglichkeiten und den regionalen Besonderheiten leider noch keinen einheitlichen Standard im deutschsprachigen Raum. Fehleinschätzungen drohen insbesondere, wenn Einzelbefunde von den jeweiligen Fachdisziplinen fachspezifisch isoliert und nicht im Gesamtgefüge des individuellen Falles beurteilt werden.

Wertvolle diagnostische Hinweise liefern die neuroradiologischen Befunde und die retrospektive Zusammenstellung von Langzeitverläufen der gesicherten Fälle. Die Schwere der Schädigung der durch das Schütteln verursachten Hirnverletzungen ist in den Langzeitverläufen eindrucksvoll darstellbar und kann dazu beitragen, letzte Zweifel an der Diagnose eines Schütteltraumas zu beseitigen. Die Befunde eines bei Aufnahme etwa einen Monat alten Säuglings, der in der Nacht vor Einlieferung und laut Geständnis des Vaters am Tag zuvor und bereits drei Wochen vorher geschüttelt wurde, werden exemplarisch in Abb. 3 gezeigt. Bei Einlieferung war das Kind bewusstseinsgetrübt, litt an Erbrechen und war auffallend blass. Die Erstaufnahmen (Abb. 3 a) zeigten kontusionelle Blutungen und subdurale Hygrome beidseits frontal sowie ein vorwiegend rechtsseitig okzipital lokalisiertes subdurales Hämatom. Dreizehn Tage später (Abb. 3 b) sind als charakteristische Folgen der schweren Schädigung die kortikale Schrumpfung und ein ausgedehntes linksbetontes Hygrom zu erkennen. Im Langzeitverlauf acht Monate später (Abb. 3 c) zeigen sich eine eindrucksvolle Zunahme der narbigen Schrumpfung und eine zystische Umwandlung des Hirns am Ende mit Ausbildung einer sog. multizystischen Enzephalopathie (Abb. 3 a–c).

Abb. 3
figure 3

Bilder der zerebralen Computertomographie eines Schütteltraumaopfers im Langzeitverlauf über 8 Monate. a Erstaufnahme, b Aufnahme 13 Tage später, c Aufnahme nach 8 Monaten

Bei der Bewertung der Hygrome bestehen oft Schwierigkeiten festzulegen, inwieweit es sich hier um den Zustand nach alter Blutung oder um ein akutes Hygrom handelt. Dabei kommt gerade diesem Befund im Hinblick auf die Beurteilung einer einzeitigen oder evtl. mehrzeitigen Entstehung eine große strafrechtliche Relevanz zu. Insbesondere das in der Bildgebung als „liquorisodens“ beschriebene Hygrom ist aus rechtsmedizinischer Sicht auch als akuter Befund infolge des durch das Schütteln verursachten Einrisses der weichen Hirnhaut mit nachfolgendem Ventilmechanismus und Eintritt von Liquor in den Subduralraum vernünftig zu erklären [6]. Die häufig seitens der Kliniker angegebene Entstehung von Hygromen als Residuen alter Blutungen stellt insofern nur eine der möglichen Erklärungen dar. In jedem Fall sollte vor geplanten neurochirurgischen Entlastungen um Asservierung der gewonnenen Flüssigkeit gebeten werden.

Bei den von den Autoren untersuchten Fällen zeigte sich eine große Zahl von älteren oder akuten begleitenden Knochenbrüchen, die erst im Verlauf der Diagnostik entdeckt worden waren. Neben den durch das Schütteln verursachten akuten Brüchen ergaben eigene Untersuchungen (Debertin) zusätzlich auch bei etwa der Hälfte der untersuchten Opfer ältere Misshandlungsverletzungen, wie z. B. ältere Frakturen der Rippen, Extremitäten und der Kalotte. Diese Verletzungen waren zuvor jedoch lediglich als akzidentelle Verletzungen gedeutet wurden. Somit unterstreichen auch diese Ergebnisse die Bedeutung einer Schulung und Sensibilisierung von Klinikern im Umgang mit Misshandlungen, insbesondere mit dem Ziel eines frühen Erkennens und der sicheren Diagnose.

Fazit für die Praxis

Die vorgestellten Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einheitlicher diagnostischer Leitlinien zur sicheren Beurteilung eines Schütteltraumas. Bei der Interpretation der Befunde und zur Abklärung differenzialdiagnostischer Entstehungsursachen zum Schütteltrauma kommt der rechtsmedizinischen Beurteilung eine wesentliche Rolle zu. Eine optimierte interdisziplinäre Zusammenarbeit führt zwangsläufig zu einer höheren Detektionsquote und zu einer Verbesserung der diagnostischen Sicherheit. Neben den Schwierigkeiten bei der Diagnosestellung bestehen im internationalen Vergleich in Deutschland auch erhebliche Defizite an Informationen zu Inzidenz, Aufklärung und Prävention des Schütteltraumas. Aufgrund der häufig schwerwiegenden Folgeschäden des Schüttelns wären Aufklärungskampagnen in Deutschland, die bisher nur auf regionaler Ebene stattfinden, sehr wünschenswert.