Die Besonderheiten des Verletzungsbildes Schütteltrauma sind zum einen, dass höchst selten der Verletzungsmechanismus des Schüttelns eingeräumt wird bzw. wenn Angaben zur Vorgeschichte gemacht werden, diese dann unzureichend und häufig wechselnd sind. Zum andern gibt es seit den Erstbeschreibungen eine heftige, höchst kontrovers geführte Diskussion über natürliche oder krankheitsbedingte und nichttraumatische Ursachen für jedes einzelne Symptom, speziell die kraniellen als auch die retinalen Blutungen.

Seit den Veröffentlichungen von Caffey 1972 [2] werden subdurale und subarachnoidale Blutungen in Kombination mit Retinahämorrhagien und dem Fehlen weiterer äußerer Zeichen eines Schädel-Hirn-Traumas als richtungsweisend für die Verdachtsdiagnose Schütteltrauma angesehen.

Gutachterliche Schwierigkeiten resultieren auch daraus, dass die zeitliche Latenz zwischen dem Schütteln und dem Auftreten neurologischer Symptome ebenfalls kontrovers diskutiert wird. Da nicht selten beide Elternteile während der zur Diskussion stehenden Zeit Kontakt zu dem Kind hatten und zusätzlich jegliche Gewalteinwirkung oder ein Trauma in Abrede gestellt wird, wird eine strafrechtliche Verfolgung häufig bereits im Vorfeld eingestellt. Somit verbleibt dem Sachverständigen eine Restunsicherheit bezüglich der getätigten gutachterlichen Stellungnahme.

Biomechanik

Ursache eines Schütteltraumas ist ein massives heftiges gewaltsames Hin- und Herschütteln eines Säuglings (meist ≤1 Jahr), der dabei zumeist an den Oberarmen oder am Brustkorb umfangen und bisweilen auch gequetscht wird. Der in diesem Alter überproportional große Kopf bei der noch schwachen Nackenmuskulatur mit fehlender Kopfhaltungskontrolle und Koordinationsfähigkeit wird hierdurch ungebremst nach vorne und hinten ausgelenkt und in der Extremposition abrupt abgebremst. Die Verletzungen aufgrund der hervorgerufenen Beschleunigung oder Verzögerung entstehen infolge von Trägheitskräften. Da das Gehirn innerhalb des Schädels im Liquor schwimmt, folgt es einer Bewegung des Kopfes stets mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, wodurch zwischen Schädel und Gehirn, aber auch innerhalb des Gehirns Scherkräfte entstehen.

Gleichgültig ist es, ob hierbei der Schädel eine positive Beschleunigung erfährt oder plötzlich abgebremst wird. Es handelt sich um ein Akzelerations- bzw. Dezelerationstrauma).

Zusätzliche Dreh- oder Rotationsbeschleunigungen in der Horizontalebene führen zu schwerwiegenden Verletzungen an den Grenzflächen (sog. „gliding contusions“) oder im Inneren des Gehirns: diffuser Axonschaden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Pathomechanismus beim Schütteltrauma [13]

Nach Schilderungen geständiger Täter, Untersuchungen am Tiermodell und Berechnung theoretischer Modelle wird im Durchschnitt beim Schütteltrauma für etwa 5–10 s mit einer Frequenz von 10–30 geschüttelt, je nach Gewicht des Kindes maximal 20 s mit 40–50 Schüttelepisoden [6].

Das Schütteln ist hierbei von einer derartigen Schwere, dass auch medizinisch nicht gebildete Personen das Schädigungspotenzial dieses Schüttelns erkennen müssen. Ein spielerisches Hochwerfen und wieder Auffangen, ein sanftes Schütteln zur Beruhigung oder auch ein insgesamt ungeschicktes Umgehen mit einem Säugling kann nicht als Erklärung für die schweren Verletzungen herangezogen werden [6, 8].

Ob ein heftiges Schütteln mit völlig frei schwingendem Kopf allein die komplexen neurologischen Folgeerscheinungen erklären kann oder ob ein endphasiges Abbremsen, ein Kontakt des Kopfes mit einer Oberfläche (Polster, Kissen) erforderlich ist, wird ebenfalls kontrovers diskutiert [3, 5]. Eine zusätzliche Kontaktverletzung, ein „Impact“ wird von Duhaime [3] als unerlässlich bei der Schwere der Schädigungen angesehen. Im englischen Sprachraum hat dies zu der Bezeichnung „shaken impact syndrome“ geführt, ein deutscher Begriff hierfür existiert nicht.

Pathomorphologie

Intrakranielle Folgen

Die durch das Schütteln hervorgerufenen Beschleunigungen führen unabhängig von einem zusätzlichen Impact zu einem Trauma der Meningen, des Gehirns und der Augen und zu Scherkräften innerhalb dieser Strukturen. Typische Folgeerscheinungen sind die Ruptur von Brückenvenen mit Subdural- und auch Subarachnoidalblutungen und die Durchtrennung von Axonen und Gefäßen (diffuser Axonschaden, okuläre Hämorrhagien). Die subduralen Blutungen sind zumeist dünnschichtig und führen zu keiner Raumforderung.

Entscheidend für die klinische Symptomatik und das sich entwickelnde Hirnödem sind durch das Schütteln entstehende Rotations- und Scherkräfte zwischen grauer und weißer Substanz und zwischen den verschiedenen unterschiedlich dichten Neuronenschichten mit multiplen Abrissen neuronaler Verbindungen und dem hieraus resultierenden diffusen axonalen Trauma („diffuse axonal injury“, DAI), das über eine Fehlregulation der Hirndurchblutung zu einer Ischämie, Hypoxie und letztlich häufig malignem Hirnödem führt.

Retinale Blutungen

Okuläre Blutungen treten in der Optikusscheide, in allen Schichten der Retina und im Glaskörper auf. Das Vorhandensein ausgedehnter unerklärlicher Retinablutungen im Säuglingsalter stellt dann einen sicheren Hinweis auf ein Schütteltrauma dar, wenn sie große Flächen und alle Schichten der Retina einnehmen. Als Ursache werden die auftretenden Beschleunigungskräfte im Auge, die Erhöhung des zentralen Venendruckes durch eine Kompression des Thorax, eine Erhöhung des intrakraniellen Druckes und ggf. eine direkte Schädeltraumatisierung diskutiert, wobei ihre Entstehung nicht restlos geklärt ist und die Blutungen auch einseitig auftreten oder sogar fehlen können [1].

Das Fehlen retinaler Blutungen schließt ein Schütteltrauma nicht aus, nur nachgewiese Blutungen sind von diagnostischem Hinweiswert.

Klinisches Bild

Das klinische Bild nach einem Schütteltrauma ist gekennzeichnet durch Lethargie, Reizbarkeit, epileptische Anfälle, muskuläre Hyper- oder Hypotonie, Bewusstseinstrübung, Erbrechen und Atemunregelmäßigkeiten bis hin zur Apnoe. Die Symptome treten meist unmittelbar nach dem Schütteltrauma auf: „Geschüttelte Säuglinge sind niemals neurologisch völlig asymptomatisch“ [4, 6].

Diese Erkenntnisse beruhen auf den Fällen, bei denen Unbeteiligte Zeugen der Vorfälle waren, bzw. auf Angaben geständiger Täter.

Gemeinsame Ursache der klinischen Symptomatik ist das sich rasch entwickelnde (maligne) Hirnödem, das in dieser Form nahezu ausschließlich im Säuglingsgehirn beobachtet wird. Bei fehlender vaskulärer Autoregulation reagiert dieses mit einer Zunahme des Blutvolumens, was bei gleichzeitiger Schädigung der Bluthirnschranke zu einem massiven Übertritt von Flüssigkeit in das Gewebe führt. Laborchemische Folgeveränderungen können in Anämie und Koagulopathien bestehen.

Das tödliche Schütteltrauma

Kasuistik

Nach Angaben des Kindsvaters hält er seinen 4 Monate alten gesunden Sohn im Arm, als dieser plötzlich mit einem lauten Schrei kollabiert. Daraufhin legt er ihn, ohne den Kopf zu unterstützen, aufs Bett, versucht die Herztöne abzuhören, registriert weder solche noch Atembewegungen. Der unmittelbar angeforderte Notarzt trifft 14 min nach Alarmierung ein, das Kind ist tief bewusstlos (GCS 3) mit weiten entrundeten Pupillen. Das im nächstliegenden Krankenhaus durchgeführte Schädel-CT ergibt eine ausgedehnte Subarachnoidalblutung, weshalb der Säugling an eine Kinderintensivstation weiter transferiert wird, wo es nach 8 Tagen an einem malignen Hirnödem (Hirntod) stirbt.

Ein Kontroll-CT 2 Tage nach dem Vorfall zeigt ein massives infratentorielles Hirnödem mit beginnender infratentorieller Herniation und völliger Auslöschung der Parenchymdifferenzierung. Ein am darauf folgenden Tag durchgeführtes EEG ergibt isoelektrische Linien, jedoch bei positivem Midazolamspiegel. Bei negativem Medikamentenspiegel erfolgte 7 Tage nach dem Vorfall die Hirntoddiagnostik.

Bei der augenärztlichen Untersuchung sind am Fundus beidseits fleckige, großflächige retinale Blutungen im gesamten einsehbaren Bereich sichtbar, die rechte Papille ist nicht sicher lokalisierbar (blutbedeckt). Zusätzlich sind leichte, von der Papille ausgehende und in den Glaskörperraum hineinragende Blutungen abgrenzbar.

Die umfangreiche radiologische Diagnostik ergibt den Verdacht auf einen Korbhenkelausriss bzw. einer Korbhenkelfraktur im Bereich der proximalen Humerusmetaphysenplatten beidseits, die sich bei auswärtiger Nachbegutachtung im Gerichtsauftrag nicht verifizieren ließen. Das knöcherne Skelett ist unauffällig (Röntgenaufnahmen, Szintigramm).

Die zum Ausschluss einer Vasopathie durchgeführte histologische Untersuchung einer Hautstanze ergibt keinen Hinweis auf eine Entzündung der Gefäße oder auf strukturelle Anomalien.

Laborchemisch zeigte sich bei Aufnahme eine (blutungsbedingte) Gerinnungsstörung, die sich im Verlauf des stationären Aufenthalts normalisierte; eine Thrombozytopathie konnte ebenso wie eine Glutarazidurie ausgeschlossen werden.

Bei der Obduktion wurde das weitgehend erweichte Gehirn unter größtmöglicher Schonung unter Wasser entnommen, wobei die Entität von Schädeldach, Dura und Gehirn bewahrt wurde und in dieser Weise auch die Formalinfixierung erfolgte. Das Halsmark wurde bis in Höhe des 1. Brustwirbelkörpers entnommen.

Die neuropathologische Zusatzuntersuchung ergab eine Ruptur sämtlicher Brückenvenen in der Mantelkantenregion der rechten Großhirnhemisphäre und der mittleren und hinteren Brückenvenen auf der linken Seite mit Ausbildung ausgedehnter subarachnoidaler und subduraler Blutungen mit stärkster Ausprägung im Mantelkantenbereich beidseits. Darüber hinaus zeigten sich zervikale, epidurale Siderophagenreaktionen und Blutungen im Bereich von Nervenwurzeln und Spinalganglien mit Waller-Degeneration, schwere diffuse Hypoxieschäden mit subtotaler Nervenzellnekrose im Gehirn und Halsmark, ein fortgeschrittenes intravitales Hirntodsyndrom mit Autolyse des Gehirns und nicht ganz frischer Thrombose des Sinus sagittalis superior. Befunde einer vaskulären Malformation waren nicht vorhanden.

Vom neuropathologischen Gutachter wurde ausgeführt, dass die epiduralen zervikalen Blutungen nicht mit den zerebralen subarachnoidalen und subduralen Hämatomen zusammenhängen und ebenfalls als primär traumatisch lokal entstanden aufzufassen sind und dass die Läsionen (Brückenvenenrupturen und zervikale, epidurale Blutungen) als Folge eines Schütteltraumas zu interpretieren sind.

Nach Gutachtenerstattung vor Gericht änderte der Kindsvater seine bis dahin über ein Jahr durchgehende Einlassung des plötzlichen grundlosen Kollapses des Säuglings ab und gestand, aus Zorn über die wenige Stunden zuvor von der Kindsmutter angekündigte Trennung von ihm den Säugling am Brustkorb erfasst zu haben und wenige Male, jedoch sehr heftig geschüttelt zu haben. Das Kind sei unmittelbar nach dem Schütteln tief bewusstlos gewesen.

Regelhaft wird beim tödlichen Verlauf der Abriss von mehreren oder sogar aller Brückenvenen mit den entsprechenden subduralen und subarachnoidalen Blutungen gesehen, wobei Letztere meist beidseits paramedian und parietookzipital bestehen.

Um Sektionsartefakte zu vermeiden, hat die Hirnentnahme unter größtmöglicher Schonung der Brückenvenen zu erfolgen, beispielsweise nach der Methode von Flechsig oder auch in toto unter Wasser, da durch das „Aufschwimmen“ des Gehirns entnahmebedingte Artefakte deutlich verringert werden können. Auf jeden Fall muss die Verbindung zwischen Kalotte, Dura und Hirnoberfläche erhalten bleiben und auch so die Fixierung erfolgen.

Wichtig bei der Obduktion ist darüber hinaus die genaue Inspektion der Halswirbelsäule und des Zervikalmarks, das ebenfalls für die neuropathologische Untersuchung zu entnehmen ist. Die Schädigungen (epi,-subdurale und intramyeläre Blutungen, axonale Läsionen) liegen meist in den Segmenten C1–C4. Axonale Schädigungen im Halsmark wurden als spezifisch für ein Schütteltrauma bezeichnet [12].

Die neuropathologischen Befunde sind aufgrund der oft mehrtätigen Latenzzeit bis zur endgültigen Hirntoddiagnostik und der zwischenzeitlich erfolgten Nekrose schwierig zu erheben.

Die Nachweishäufigkeit der axonalen Schädigung hängt vom Zeitintervall zwischen Vorfall und Ableben, der Entnahmetechnik und dem -ort (parallel zum Faserverlauf, aus periventrikulärem Marklager, Balken, Hirnstamm, Zervikalmark) und der Nachweismethode (Versilberung, Immunhistochemie) ab [11]. Frühestens nach einer Überlebenszeit von 3 h kann immunhistochemisch der Nachweis einer Axonschädigung (Axonschollen und APP-positive Axone) geführt werden. Diese Axonschäden sind jedoch nicht spezifisch für ein Schütteltrauma, sie werden auch bei anderweitigen Sauerstoffmangelschädigungen des Gehirns gesehen.

Von Saternus [11] wurden zusätzlich schütteltraumatypische Einblutungen am Ansatz der Mm. sternocleidomastoidei, Einblutungen im Weichteilgewebe am zervikothorakalen Übergang der Wirbelsäule, in den thorakalen Muskeln, dem Halteapparat der Skapula, des weiteren auch im Plexus cervicalis und lumbalis beschrieben.

Eine Entnahme der Bulbi zum Nachweis retinaler Blutungen kann bei der Obduktion dann unterbleiben, wenn während eines vorangegangenen Klinikaufenthalts eine augenärztliche Funduskopie stattgefunden hat. Zusätzlich ist der diagnostische Wert einer histologischen Untersuchung der Bulbi bei einem Hirntod von nur eingeschränkten Wert, da retinale Blutungen einerseits als Folge des gestiegenen Hirndruckes interpretiert werden können und andererseits ophthalmologisch nachgewiesene Blutungen bei längerer Überlebenszeit bereits resorbiert sein können.

Zur Abklärung begleitender Skelettverletzungen sind postmortal Röntgen- und CT-Befunde zu erheben, falls diese nicht im Rahmen des vorangegangenen Krankenhausaufenthalts angefertigt wurden.

Das überlebte Schütteltrauma

Kasuistik

Ein 5 Monate alter weiblicher Säugling wurde unter der Verdachtsdiagnose Fieberkrampf mit dem Rettungsdienst in die Kinderklinik eingeliefert. Anamnestisch war zunächst zu erfragen, dass der Säugling die 3 letzten Tage erbrochen, kaum getrunken sowie viel geschrien hatte. Die Eltern hätten den Rettungsdienst gerufen, weil der Säugling die Hände zu Fäusten geballt und nicht mehr losgelassen habe.

Im Schädel-CT zeigten sich kräftige subarachnoidale Blutauflagerungen entlang der Falx beidseits und des Tentoriums. Bei Kontrollen fand sich ein Hygrom rechts frontoparietal im Bereich des vorbestehenden, wenigen Millimeter großen subduralen Hämatoms. Sonographisch fiel eine zunehmende Erweiterung beider Seitenventrikel als möglicher Hinweis für eine diffuse Parenchymschädigung auf.

Die Ganzkörperskelettszintigraphie ergab eine fragliche fokale pathologische Mehrspeicherung im Becken nahe dem Acetabulum links. Röntgenologisch zeigte sich der proximalen linken Femurmetaphyse lateral anliegend ein 4 mm messendes Knochenfragment als möglicher Hinweis für einen kleinen ossären Ausriss. Das restliche Skelettsystem war unauffällig.

Die Konsiliaruntersuchung der Augenklinik ergab beidseits massive prä- und intraretinale Blutungen.

Das EEG wurde mit Zeichen einer leichtgradigen diffusen Hirnfunktionsstörung sowie einem rechts temporoparietalen Herdbefund mit Zeichen einer fokal erhöhten zerebralen Erregungsbereitschaft als abnorm befundet.

Im Verlauf des stationären Aufenthalts wurden die intrazerebralen Blutungen resorbiert, an ihrer Stelle zeigten sich typischerweise Hygrome. Zum geplanten Entlassungszeitpunkt, ca. 2 Monate nach Klinikaufnahme, hatte sich die anfangs vorliegende linksseitige Halbseitenlähmung bis auf eine Schwäche der linken Hand zurückgebildet. Im Schädel-CT zeigte sich eine Hirnatrophie, deren Auswirkungen auf die intellektuelle Entwicklung aktuell nicht beurteilbar waren.

Nach Konfrontation mit dem gerichtsmedizinischen Gutachten und der hierin enthaltenen Diagnose „Schütteltrauma“ gab der Kindsvater an, er sei mit dem unruhigen Kind überfordert gewesen und habe das Kind geschüttelt, „damit es schläft“. Er habe es dabei am Bauch gehalten und 2-mal mehrere Male heftig geschüttelt. Das Kind habe sich danach nicht beruhigt, weiter geweint und sei dann eingeschlafen. In den darauf folgenden 2 oder 3 Tagen sei das Kind sehr unruhig gewesen, habe regelmäßig die Nahrung erbrochen und habe gekrampft, was letztendlich Anlass für die Verständigung des Rettungsdienstes gewesen sei.

Der Kindsvater wurde wegen § 84 Österreichisches Strafgesetzbuch (schwere Körperverletzung) zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingt (mit Bewährung) verurteilt.

Diagnostik

Bei Vorhandensein der typischen Symptomkonstellation von intrakraniellen und retinalen Blutungen bei einem Säugling ohne anamnestisch erhebbaren Unfallmechanismus oder interne Erkrankung ist die erste Differenzialdiagnose das Schütteltrauma. Nach der klinischen Akutbeurteilung durch das CCT ist aufgrund der höheren Sensitivität immer ein MRT nach 4–5 Tagen und zur Einschätzung der Folgeschäden eine Kontrolle nach 2–3 Monaten anzustreben. Die retinalen Blutungen sollen ophtalmologisch in Mydriasis dokumentiert werden.

Bei sehr jungen (<4 Wochen alten) Säuglingen kann über eine Liquorzytologie die Blutungsalterbestimmung im Liquor erfolgen [14], und damit eine Abgrenzung gegen eine geburtstraumatische Restblutung.

Eine Skelettröntgenuntersuchung bzw. eine Szintigraphie sowie eine sorgfältige Dokumentation eventueller Weichteilverletzungen (z. B. Griffspuren am Rumpf oder den Armen) stellen eine weitere, unerlässliche Gutachtensgrundlage dar.

Spätfolgen

Etwa ein Viertel der Kinder sterben innerhalb von Tagen bis Wochen nach einem Schütteltrauma. Von den Überlebenden tragen nach Angaben aus den USA 75% Langzeitschäden davon, wie körperliche Behinderung (Zerebralparese), Beeinträchtigung des Visus bis zur Blindheit, Epilepsie und geistige Retardierung (zit. nach [8]).

Im konkreten Fall sind jedoch prognostische Ausführungen gutachterlich kaum möglich und sollten unterbleiben.

Differenzialdiagnosen bei ZNS-Verletzungen und retinalen Blutungen

Subdurale Hämatome entstehen überwiegend traumatisch und werden auch bei akzidentellen Traumata gefunden, dann jedoch bis auf wenige Ausnahmen ohne begleitende retinale Blutungen.

Banale Stürze aus geringen Höhen führen nicht zu gravierenden Verletzungen, d. h. geringe Kräfte führen nicht zu schweren Traumata („minor forces do not produce major trauma“). Aus einer Sturzhöhe bis etwa 120–150 cm kommt es zwar gelegentlich zu unkomplizierten linearen parietalen Schädelfrakturen, aber nur sehr selten zu intrazerebralen Läsionen. Diese verlaufen dann meist blande und werden nicht von retinalen Blutungen und diffusen Hirnparenchymschäden begleitet.

Eine Metaanalyse von 25 Studien mit 4671 beobachteten „echten Unfallstürzen“ wies nur in einem geringen Prozentsatz unkomplizierte Schädelfrakturen und selten (<1%) leichtere intrakranielle Blutungen ohne Netzhautblutungen und ohne neurologische Folgeschäden auf [6].

Nach einer neuen Studie von Whitby [15] gehen subdurale Hämatome bei Säuglingen, die älter als einen Monat sind, nicht auf eine traumatische Geburt zurück. Bei Neugeborenen mit Subduralblutungen infolge einer Saugglocken- oder Zangengeburt zeigte die Magnetresonanztomographie nach 4 Wochen eine vollständige Rückbildung der Hämatome, sodass bei älteren Säuglingen eine behauptete geburtstraumatische Genese widerlegt werden kann.

Hirngefäßaneurysmen finden sich im Gegensatz zu Erwachsenen bei Kindern selten und sind nicht mit retinalen Blutungen assoziiert. Lediglich epidurale Hämatome sind in der Regel als Unfallsturzfolge aufzufassen [6, 10].

Gerinnungsstörungen als Ursache einer Hirnblutung sind laborchemisch unproblematisch zu erfassen bzw. auszuschließen. Initial werden nach einem Schütteltrauma zwar PTT-Verlängerungen gesehen, deren Ausmaß mit der Schwere der Kopfverletzung korreliert, die sich aber bei längerer Überlebenszeit rasch normalisieren.

Eine Glutarazidurie vom Typ 1 kann akut oder schleichend zu einem Subduralhämatom und retinalen Blutungen bei Säuglingen führen, ist jedoch zusätzlich charakterisiert durch typische CCT-Befunde (kortikale Atrophie), psychomotorische Störungen und Dyskinesien. Das Screening auf Amino- und Organoazidopathien im Urin gehört mittlerweile zur klinischen Routinediagnostik beim Verdacht auf ein Schütteltrauma.

Weitere internistische Erkrankungen wie Infektionen, systemische metabolische Erkrankungen und hämorrhagische Diathesen als Ursache sog. spontaner subduraler Hämatome sind aufgrund des klinischen Bildes differenzialdiagnostisch eindeutig abgrenzbar.

Differenzialdiagnostisch sind als Ursache retinaler Blutungen bei anamnestischem Fehlen eines Schädel-Hirn-Traumas und sonst unklarer Genese verschiedenste Gerinnungsstörungen, eine subakute bakterielle Endokarditis, kraniale Blutungen (Terson-Syndrom), Wiederbelebungsmaßnahmen oder andere Formen der Brustkorbkompression (Purtscher-Retinopathie) zu diskutieren [1].

Sonderformen

Das subdurale Hygrom

Subdurale Hygrome als Residualzustände subduraler Hämatome sind häufige intrakranielle Traumafolgen, deren Entstehungsmechanismus kontrovers diskutiert wird [7].

Eine gesicherte Korrelation zwischen Hygrom und vorangegangenem Schütteltrauma im Sinne einer Kausalität ist Gegenstand häufiger gutachterlicher Fragestellungen, jedoch letztendlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit begründbar.

Tin-ear-Syndrom

Eine seltene Variante des Schütteltraumas stellt das sog. Tin-ear-Syndrom dar, bei dem der Kopf des Kindes durch eine heftige Ohrfeige rotierend beschleunigt wird.

Zu den klinischen Befunden gehören ein Hämatom des Ohres bzw. nach eigener Erfahrung typische streifige Einblutungen (Abdruck der einwirkenden Hand) über der seitlichen Gesichtsregion, ein ipsilaterales subdurales Hämatom, retinale Blutungen und ein Hirnödem bzw. eine diffuse axonale Schädigung analog dem klassischen Schütteltrauma [6].

Die hierbei nachgewiesenen Blutungen im Bereich der Mantelkante sind auf Brückenvenenrupturen infolge von Rotations- oder Scherkräften zurückzuführen.

Fragen zur Zertifizierung

Welche der folgenden Antworten zur Ursache des Schütteltraumas trifft nicht zu?

  • Scherkräfte zwischen Schädel und Gehirn sind für die Verletzungsentstehung im Rahmen eines Schütteltraumas relevant.

  • Meistens sind Säuglinge unter einem Jahr betroffen.

  • Sowohl Akzeleration als auch Dezeleration spielen eine Rolle.

  • Dreh- oder Rotationsbewegungen sind für die Entstehung intrakranieller Verletzungen unerheblich.

  • Es können Begleitverletzungen, beispielsweise am Brustkorb, vorhanden sein.

Welche Aussagen hinsichtlich okulärer Blutungen treffen zu?

  1. I.

    Großflächige retinale Blutungen sprechen gegen ein Schütteltrauma.

  2. II.

    Neben retinalen Blutungen können beim Schütteltrauma auch Glaskörperblutungen vorhanden sein.

  3. III.

    Das Fehlen retinaler Blutungen schließt ein Schütteltrauma aus.

  4. IV.

    Typisch für das Vorliegen eines Schütteltraumas sind Blutungen in den äußeren Netzhautschichten.

  • Nur Aussagen I. und II. sind richtig.

  • Nur Aussage III. ist richtig.

  • Aussagen II. und III. sind richtig.

  • Nur Aussage II. ist richtig.

  • Keine Aussage ist richtig.

Welche Antwort zur Sektionstechnik bei Verdacht auf Schütteltrauma ist falsch ?

  • Die Verbindung zwischen Kalotte, Dura und Hirnoberfläche ist nach Möglichkeit zu erhalten.

  • Es sollte eine eingehende Untersuchung auch des Halsmarks erfolgen.

  • Eine Hirnentnahme unter Wasser trägt zur Schonung der Befunde bei.

  • Eine Entnahme der Bulbi ist für die Diagnose Schütteltrauma unverzichtbar.

  • Die Hirnentnahme nach der Methode nach Flechsig kann für die Beurteilung der Befunde Vorteile bieten.

Welche Antwort zum überlebten Schütteltrauma trifft nicht zu?

  • Langzeitschäden sind häufig zu erwarten.

  • Säuglinge nach Schütteltrauma sind in vielen Fällen asymptomatisch.

  • Typische Symptome sind Lethargie, Erbrechen und Blutdruckveränderungen.

  • Während des klinischen Verlaufes können Gerinnungsstörungen auftreten.

  • Epileptische Anfälle können als Symptom auftreten.

Welche Aussagen zur Diagnostik beim überlebten Schütteltrauma treffen zu?

  1. I.

    Eine Funduskopie hat in Mydriasis zu erfolgen.

  2. II.

    Eine Koagulopathie ist als Ursache einer intrakraniellen Blutung in Betracht zu ziehen und schließt das Vorliegen eines Schütteltraumas aus.

  3. III.

    Zur Abgrenzung gegenüber geburtstraumatischen Schädigungen kann eine Blutungsalterbestimmung im Liquor hilfreich sein.

  4. IV.

    Hygrome sprechen gegen ein überlebtes Schütteltrauma.

  • Nur Aussage I. ist richtig.

  • Nur Aussagen I. und II. sind richtig.

  • Nur Aussagen I., II. und III. sind richtig.

  • Nur Aussagen I. und III. sind richtig.

  • Alle Aussagen sind richtig.

Welche Aussagen zum Schütteltrauma treffen nicht zu?

  1. I.

    Häufigste Todesursache beim Schütteltrauma ist die subdurale Blutung.

  2. II.

    Die sog. „gliding contusions“ werden durch Scherkräfte hervorgerufen und liegen ausschließlich im Inneren des Gehirns.

  3. III.

    Subarachnoidale Blutungen kommen sehr selten vor.

  4. IV.

    Eine häufige Komplikation ist das malige Hirnödem.

  • Nur Aussage I. trifft nicht zu.

  • Die Aussagen I. und II. treffen nicht zu.

  • Die Aussagen I.–III. treffen nicht zu.

  • Die Aussagen I, II und IV treffen nicht zu.

  • Keine Aussage trifft zu.

Welche Aussage zum diffusen Axonschaden trifft zu?

  • Typische Lokalisation ist die Hirnrinde.

  • Der diffuse Axonschaden ist als Folge des malignen Hirnödems zu interpretieren.

  • Es kommt zur Durchtrennung neuronaler Verbindungen.

  • Der diffuse Axonschaden ist in der Mehrzahl der Fälle die unmittelbare Todesursache.

  • Der diffuse Axonschaden betrifft vornehmlich den N. opticus.

Welche Aussagen zur Begutachtung des Schütteltraumas treffen zu?

  1. I.

    Epidurale Blutungen in Kombination mit retinalen Hämorrhagien sind für die Verdachtsdiagnose Schütteltrauma richtungsweisend.

  2. II.

    Häufig sind Schutzbehauptungen der Eltern Gegenstand der Begutachtung.

  3. III.

    Die Befunderhebung kann aufgrund der zeitlichen Latenz zwischen Beginn der Symptomatik und Hirntodfeststellung zusätzlich erschwert werden.

  4. IV.

    Hirngefäßaneurysmen bei Kindern sind häufig mit retinalen Blutungen assoziiert und müssen bei der Begutachtung berücksichtigt werden.

  • Nur Aussagen I. und II. sind richtig.

  • Nur Aussagen II. und III. sind richtig.

  • Nur Aussagen III. und IV. sind richtig.

  • Nur Aussagen I.–III. sind richtig.

  • Alle Aussagen sind richtig.

Welche Antwort zum sog. Tin-ear-Syndrom trifft nicht zu?

  • Das Tin-ear-Syndrom ist eine Sonderform des Schütteltraumas.

  • Das begleitende subdurale Hämatom ist ipsilateral lokalisiert.

  • Häufig kann ein Ohrhämatom festgestellt werden.

  • Beim Tin-ear-Syndrom kommt es nicht zu retinalen Blutungen.

  • Der Kopf des Säuglings erfährt ein Rotationstrauma.

Welche Aussagen zur Differenzialdiagnostik bei Schütteltrauma treffen zu?

  1. I.

    Bereits banale Stürze aus Höhen von 120 cm können parietale Schädeldachfrakturen bei Säuglingen hervorrufen.

  2. II.

    Subdurale Hämatome können geburtstraumatisch bedingt sein.

  3. III.

    Das Vorliegen retinaler Blutungen schließt ein akzidentelles Trauma aus.

  4. IV.

    Eine Glutarazidurie Typ 1 kann zu retinalen Blutungen führen.

  • Nur Aussage I. ist richtig.

  • Nur Aussagen I., II. und IV. sind richtig.

  • Nur Aussagen I., III. und IV. sind richtig.

  • Alle Aussagen sind richtig.

  • Keine Aussage trifft zu.