Seit Jahrzehnten werden Metall-Metall(Metal-on-metal[MoM])-Gleitpaarungen in der Hüftendoprothetik verwendet. Sie erzeugen weniger volumetrischen Abrieb als Paarungen mit herkömmlichem Polyethylen (PE) und sind mit einem geringeren Risiko an Materialversagen gegenüber anderen Hart-Hart-Paarungen verbunden. Darüber hinaus ermöglichen moderne MoM-Gleitpaarungen die klinische Umsetzung des Oberflächenersatz(OFE)-Konzepts am Hüftgelenk.

Epidemiologie

Eine Betrachtung der Häufigkeit von MoM-assoziierten Komplikationen müsste sowohl lokale als auch systemische Nebenwirkungen einschließen. Eine Ermittlung valider Daten ist jedoch nur schwer möglich. Die meisten Informationen stammen derzeit noch aus retrospektiven Fallserien bzw. klinischen Studien mit sehr unterschiedlichem Design und die Ergebnisse werden von vielen Faktoren (implantat-, patienten- und operateurbezogen) beeinflusst. Endoprothesenregister liefern zwar zuverlässige Ergebnisse zur Standzeit von Implantaten, doch werden Komplikationen in der Regel nur anhand des Endpunkts „Wechseleingriff“ erfasst. Da lokale und systemische Nebenwirkungen ohne Endoprothesenwechsel nicht in Registerauswertungen enthalten sind, wird die Gesamthäufigkeit möglicherweise unterschätzt. Auch ist derzeit noch unklar, welche klinische Relevanz gerade die systemischen Risiken einer Metallfreisetzung haben und was die geeigneten Untersuchungsinstrumente für einen entsprechenden Nachweis sind.

Rate lokaler Komplikationen

Deshalb soll hier zunächst nur eine Bewertung der Rate lokaler Komplikationen von MoM-Gleitpaarungen anhand von Ergebnissen aus nationalen Endoprothesenregistern und ausgewählten klinischen Studien vorgenommen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mittlerweile eine Unterscheidung von MoM-Paarungen in gestielte Kleinkopf- (≤ 32 mm), Großkopf- (> 32 mm) sowie Oberflächenersatz(OFE)-Endoprothesen vorgenommen wird, denn diese Gruppen zeigen hinsichtlich Freisetzung von Metallpartikeln und Komplikationsprofil grundsätzlich unterschiedliche Charakteristika.

Kleinkopf-MoM-Paarungen

Im australischen Endoprothesenregister unterscheiden sich die 11-Jahres-Gesamtrevisionsraten von MoM- (14,1 %) und nichtmetallischen (5,1–9,5 %) Paarungen zunächst erheblich [1]. Wird jedoch nach einzelnen MoM-Implantatkategorien differenziert, zeigt sich für Kleinkopf-MoM-Paarungen mit 6,0 % eine vergleichbare Revisionshäufigkeit gegenüber Gleitpaarungen mit Keramik-Keramik (5,8 %) und Keramik-konventionellem Polyethylen (PE; 9,3 %). Die Ergebnisse klinischer Studien legen nahe, dass Kleinkopf-MoM-Legierungen mit hohem Karbongehalt solchen mit niedrigem Karbongehalt überlegen sind und 10-Jahres-Standzeiten von bis zu 98 % aufweisen können [2, 3, 4]. Vereinzelte Fallberichte über durch diesen Gleitpaarungstyp ausgelöste Metallunverträglichkeitsreaktionen [4, 5] stehen einer sehr hohen Anzahl erfolgter Implantationen über einen langen Zeitraum gegenüber, sodass nicht davon auszugehen ist, dass metallbedingte Komplikationen ein verbreitetes, relevantes Problem bei Verwendung von Kleinkopf-MoM-Paarungen darstellen. Dennoch reicht die derzeitig verfügbare Evidenz aus entsprechend systematischen Untersuchungen noch nicht aus, um eine sichere Aussage zur Prävalenz von Gewebeunverträglichkeiten bei diesem Gleitpaarungstyp machen zu können.

MoM-Großkopfimplantate

Auch für MoM-Großkopfimplantate ist die Datenlage noch begrenzt, doch weisen hier nahezu alle verfügbaren Untersuchungen in die gleiche negative Richtung: MoM-Gleitpaarungen mit einem Durchmesser > 32 mm zeigen im australischen Endoprothesenregister eine im Vergleich zu Keramik-Keramik-Paarungen vergleichbarer Kopfgröße mehr als 4-fach erhöhte Gesamtrevisionsrate von 20,3 % [1]. Diese Beobachtung deckt sich mit mehreren publizierten Fallserien. So wiesen Bosker et al. [6] bei 42/107 (39,2 %) implantierten Großkopf-MoM-Prothesen durchschnittlich 3,5 Jahre postoperativ Pseudotumoren nach. In einer weiteren Serie wurden nach durchschnittlich 5 Jahren 31/185 (16,8 %) Großkopf-MoM-Prothesen revidiert [7]. Langton et al. [8] berichteten von einer 6%igen Revisionsrate großkopfiger Hüftendoprothesen nach durchschnittlich 3,5 Jahren mit Nachweis von Pseudotumoren in allen betroffenen Fällen. In einer Studie von Meyer et al. [9] mussten 114/805 (14,2 %) Großkopf-MoM-Prothesen nach durchschnittlich 46 Monaten revidiert werden. Ursächlich für das schlechte Abschneiden von Großkopf-MoM-Paarungen scheint eine Überforderung der Konussteckverbindung bei größenbedingt vermehrter Reibkorrosion (engl. „fretting“) der Gleitpartner mit daraus resultierend erhöhter Metallionenfreisetzung bei diesem Prothesentyp zu sein [10]. Aufgrund dieser bereits kurz- bis mittelfristig inakzeptabel hohen Gewebeunverträglichkeits- und Revisionsraten besteht für die Verwendung von Großkopf-MoM-Gleitpaarungen daher gegenwärtig keine Indikation mehr [11]. Verschiedene wissenschaftliche Gesellschaften propagieren, den Einsatz schaftbasierter MoM-Großköpfe (≥ 36 mm) zunächst zeitlich begrenzt („time out“), zu unterbinden [12].

Oberflächenersatz

Registerdaten und klinische Studien lassen mittlerweile valide Aussagen zu mittel- bis langfristigen Ergebnissen nach Oberflächenersatz (OFE) zu. Unter Berücksichtigung von Implantatdesign, -größe und -positionierung sowie Geschlecht als wesentliche Einflussfaktoren werden in Anwendungsstudien 10-Jahres-Standzeiten im Bereich von 87,0–95,5 % berichtet [13, 14, 15, 16]. Registerbasierten Daten zufolge weisen OFE-Prothesen etwas schlechtere Ergebnisse als konventionelle schaftverankerte Prothesen auf. Im australischen Endoprothesenregister wird mit 9,5 % für den OFE eine im Vergleich zu konventionellen, stielgeführten Hüftendoprothesen (7,2 %) erhöhte 11-Jahres-Gesamtrevisionsrate für Fälle mit primärer Koxarthrose berichtet [1]. Der Einfluss des Geschlechts auf das Outcome nach OFE ist im australischen Register mit der mit 16,9 % wesentlich erhöhten 11-Jahres-Revisionsrate für Frauen verglichen mit Männern (6,1 %) belegt. Diese Beobachtung spiegelt teilweise den Einfluss der Implantatgröße wider: Kopfgrößen ≥ 50 mm zeigen Revisionsraten unter 5 %, während Größen < 50 mm in Australien mit einer 12 %igen Wechseloperationsrate nach 11 Jahren einhergehen [1].

Die Güte der Implantatpositionierung stellt einen operateurabhängigen Einflussfaktor dar.

So sollten Pfanneninklinationen über 50° zur Prophylaxe einer mit erhöhten Metallionenfreisetzungen assoziierten Randbelastung (engl. „edge load“) vermieden werden [17]. Zusätzlich können bestimmte Designmerkmale (wie z. B. ein niedriger „funktionaler artikulärer Bogen“ [18]) die Implantatstandzeit maßgeblich verkürzen: im australischen Endoprothesenregister sowie in klinischen Studien [19] wurden entsprechend markante produktabhängige Unterschiede für die Revisionsraten beobachtet. Gerade beim Oberflächenersatz ist es wichtig, neben den Standzeiten auch zunehmend verfügbare Berichte über die Häufigkeit lokaler Metallunverträglichkeiten einzubeziehen, die nicht zwangsläufig in Revisionsdaten enthalten sein müssen. Die berichtete Häufigkeit von Gewebeveränderungen weist jedoch eine sehr breite Spanne auf und reicht vom fehlenden Nachweis bis zu einer Pseudotumorrate von 61 % in selektierten Kohorten symptomatischer Patienten [20, 21, 22, 23, 24]. Die großen Differenzen in den berichteten Komplikationsraten liegen an den erheblichen Unterschieden einzelner Studiendesigns. Da es immer noch zu wenig Untersuchungen gibt, die unter Einschluss auch asymptomatischer Patienten die Häufigkeit lokaler und systemischer Metallunverträglichkeitsreaktionen bei gut funktionierenden OFE-Implantaten untersucht haben, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine abschließende Bewertung des Komplikationspotenzials dieser MoM-Versorgungsform erfolgen.

Ätiologie und Einteilung von Metallnebenwirkungen

Die Implantation von MoM-Endoprothesen bedingt durch verschiedene Mechanismen eine Freisetzung metallischer Produkte (v. a. Partikel und Ionen sowie metallorganische Produkte) in den menschlichen Organismus. So werden an der Implantatoberfläche einerseits mittels physikochemischer, aber auch durch osteoklastenvermittelte biologische Korrosion lösliche Metallionen an das periprothetische Gewebe abgegeben [25]. Bei Metallgleitpaarungen kommt es zusätzlich zur Bildung metallischer Abriebpartikel [26]. MoM-Endoprothesen setzen jährlich pro Patient durchschnittlich 1012 bis 1014 Kobalt(Co)- und Chrom(Cr)-Nanopartikel frei, [27] welche mit üblicherweise weniger als 100 nm Durchmesser [26] im Vergleich zu 200–1000 nm messenden PE-Abriebpartikeln verhältnismäßig klein sind und deshalb entweder über den Urin ausgeschieden oder auch leicht über Körperflüssigkeiten in Lymphknoten, Knochenmark und innere Organe weitertransportiert werden können, wo eine in der Regel endozytosevermittelte Akkumulation möglich ist.

Die Freisetzung von Metallionen bzw. -partikeln kann zu unterschiedlichen Gewebereaktionen führen: Die immunologisch vermittelten lokalen periprothetischen Reaktionen umfassen die seltene Form der Metallallergie und die unter dem Begriff „adverse reaction to metall debris“ (ARMD) zusammengefassten Erscheinungsformen der Metallreaktivität. Zu möglichen systemischen Reaktionen gehören Toxizität, Kanzero- und Teratogenität.

Metallallergie

Moderne MoM-Paarungen bestehen üblicherweise aus Co-Cr-Legierungen und enthalten verschieden hohe Anteile weiterer Metalle, u. a. Nickel [28]. Metallische Implantatbestandteile können prinzipiell zellvermittelte allergische Reaktionen hervorrufen [26]. Bemerkenswerterweise ist die Prävalenz von Metallallergien innerhalb der letzten Jahrzehnte insgesamt angestiegen. Epidemiologischen bevölkerungsbasierten Querschnittuntersuchungen zufolge hat jeder zehnte Deutsche eine Kontaktallergie gegenüber Nickel, wobei Frauen wesentlich häufiger als Männer betroffen sind [29]. Neben Geschlechtsunterschieden spielt das Alter eine Rolle: Junge Frauen weisen mit über 20 % die höchste Nickelallergierate auf [30]. Allergien gegenüber Co und Cr bestehen bei 2 bzw. 1 % der Bevölkerung [31, 32].

Die aus Implantaten freigesetzten Metallprodukte können nach Komplexbildung mit Serumproteinen als Haptene wirken und immunologische Reaktionen auslösen [26, 33]. Es handelt sich dabei um sowohl kutane als auch selten periimplantäre Überempfindlichkeitsreaktionen vom verzögerten Typ IV nach Coombs und Gell, charakterisiert durch eine makrophagenvermittelte T-Lympozyten-Sensibilisierung mit Ausschüttung proinflammatorischer und osteokatabolregulierender Zytokine, wie z. B. IL-1 und -2, TNF-α, IFN-γ und RANKL („receptor activator of nuclear factor kappa-B ligand“; [34, 35]). Die genauen zellulären Mechanismen und dazugehörigen parakrinen Zytokinmuster der metallbedingten periimplantären und systemischen Gewebereaktionen sind Gegenstand aktueller Forschung [25, 34].

Das Auftreten allergiebedingter Komplikationen gegenüber metallischen Knochen- und Gelenkimplantaten wird durch patienten- (u. a. Immunkompetenz, bekannte Metallunverträglichkeit) und implantatspezifische (z. B. Korrosionspotenzial) Faktoren beeinflusst [36, 37]. Erste Berichte über Hypersensitivitätsreaktionen gegenüber orthopädischen Implantaten stammen aus den 60er Jahren [38]. Bei MoM-Endoprothesenträgern wurden im Vergleich zur Normalbevölkerung durchschnittlich 5-fach häufiger Kontaktallergien gegen eine oder mehrere der Legierungsmetalle beobachtet [26]. Moderne MoM-Paarungen scheinen dabei verglichen mit in den 60er und 70er Jahren verwendeten Metallpaarungen der ersten Generation mit wesentlich niedrigeren Allergieraten assoziiert zu sein [32, 39]. Interessanterweise belegten verschiedene Untersuchungen ein signifikant erhöhtes Vorkommen kutaner Metallallergien bei Prothesenversagern im Vergleich zu Patienten mit asymptomatischen Hüftendoprothesen, wobei nicht erwiesen ist, ob die in diesem Zusammenhang beobachteten implantatfernen Allergien Ursache oder möglicherweise Folge des Implantatversagens sind [26, 40].

Eine Allergie gegenüber metallischen Implantatbestandteilen kann vorbestehen oder sich als Folge einer postoperativen Sensibilisierung manifestieren. Man unterscheidet in diesem Zusammenhang kutane (Ekzem, Urtikaria, Schwellung) von periimplantären (aseptische Implantatlockerung) Komplikationen, wobei letztere unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur eine sehr niedrige Prävalenz haben, aber ein ernst zu nehmendes Ereignis mit erforderlicher Revision darstellen [41].

„Adverse reaction to metal debris“ (ARMD)

Im Gegensatz zur selten vorkommenden periimplantären Metallallergie sind unter dem Begriff ARMD verschiedene histopathologische Erscheinungsformen primär nichtallergischer, immunologisch bedingter periprothetischer Gewebereaktionen auf die Freisetzung von Metallionen, Abriebpartikeln sowie metallorganischen Produkten zusammengefasst [42]. ARMD umfasst das von Willert et al. [33] geprägte Konzept der aseptischen lymphozytisch vaskulitisassoziierten Läsion (ALVAL), das histologische Bild der Metallose, charakterisiert durch Metalldebris phagozytierende Makrophagen ohne ALVAL-typische Lymphozytenreaktion [43] sowie granulomatös-nekrotisierende Entzündungsreaktionen mit Zerstörung der Gewebearchitektur. Klinisch können Neokapselfärbungen, intra- und periartikuläre Flüssigkeitsansammlungen (vermutlich begünstigt durch gestörten Lymphabfluss) sowie Gewebedestruktion mit periprothetischen Osteolysen und großen zystischen oder soliden Raumforderungen („Pseudotumoren“) imponieren. In einer kürzlich erschienenen Metaanalyse haben Wiley et al. [44] eine Gesamtrate von 0–6,5 % an Pseudotumoren bzw. ALVAL in insgesamt 14 Patientenkohorten mit unterschiedlichen MoM-Implantaten nach einem durchschnittlichen Beobachtungszeitraum von 1,7–12,3 Jahren berichtet. Eingangs wurde jedoch bereits darauf hingewiesen, wie groß die Heterogenität der methodischen Ansätze in den einzelnen Untersuchungen ist, weshalb diese Angaben sehr zurückhaltend zu interpretieren sind.

Toxizität

Eine chronische Exposition gegenüber Co und Cr kann organspezifische und systemische toxische Wirkungen hervorrufen. Für Nebenwirkungen von MoM-Prothesen können indirekt Informationen aus arbeitsmedizinischen Untersuchungen abgeleitet werden. So wurden dosis- und expositionszeitabhängig Veränderungen der Lungenfunktion bei chronischer, jedoch in der Regel inhalativer Exposition gegenüber Co nachgewiesen [45, 46, 47, 48]. Weiterhin wurden zentralneurologische Symptome bei langfristig Koexponierten beobachtet [49]. Sechswertiges Cr (Cr(VI)) besitzt eine hepatotoxische Wirkung [50], und es wurden negative Auswirkungen erhöhter systemischer Chromkonzentrationen auf das reproduktive System, u. a. eine spermizide Wirkung, berichtet [51, 52]. Sowohl Co [53, 54] als auch Cr [55] können als Haptene fungieren und immunologische, Typ-IV-vermittelte Sensitivierungsreaktionen mit kutanen und extrakutanen Symptomen hervorrufen. In diesem Zusammenhang werden außerdem Kreuzreaktivitäten gegenüber Nickel diskutiert [56, 57]. Während Zeichen der Kardiomyopathie bei langfristiger Koexposition beschrieben wurden, [58, 59, 60] gibt es keine Evidenz für Cr-vermittelte kardiovaskuläre Erkrankungen [61, 62]. Von Bedeutung für die Beurteilung des nephrotoxischen Potenzials systemisch freigesetzter Cr-Verbindungen können Beobachtungen sein, bei denen bei chronisch Cr(VI)-exponierten Stahlarbeitern keine Hinweise auf metallbedingte Nierenfunktionsstörungen gefunden wurden [63, 64].

Sowohl Co als auch Cr werden vorwiegend renal eliminiert, sodass prinzipiell eine Metallakkumulation bei Nierenfunktionsstörungen und renale Metallablagerungen mit konsekutiver Nephrotoxizität als Folge von MoM-Paarungen möglich sind. Hur et al. [65] beobachteten 4 Jahre nach Implantation von Kleinkopf-MoM-Prothesen in einer Serie von 5 Patienten (33–62 Jahre alt) mit bereits präoperativ bestehender fortgeschrittener Niereninsuffizienz im Vergleich zu 6 nierengesunden, altersgematchten Patienten nur mäßig erhöhte systemische Co- und vergleichbare Cr-Werte ohne Hinweise auf metallbedingte Nebenwirkungen. Eine kanadische Gruppe berichtete kürzlich von einem 46-jährigen Patienten mit letaler Co-induzierter Kardiomyopathie 6 Monate nach Wechsel eines frakturierten Keramikeinsatzes auf eine Metall-PE-Gleitpaarung [66]. Rizzetti et al. [67] beschreiben einen Fall von metallinduzierter, schwerwiegender Neurotoxizität mit Seh- und Hörverlust einer 58-jährigen Patientin ein Jahr nach Wechsel einer Hüftendoprothese auf eine Metall-PE-Gleitpaarung bei frakturiertem Keramikkopf. Obwohl die Metallionenfreisetzungen in beiden Fallberichten durch Keramikdrittkörperverschleiß begünstigt wurden und das ohnehin geringe Frakturrisiko bei Keramikkomponenten der letzten Generation weiter reduziert werden konnte, unterstreichen solche Fallberichte die Notwendigkeit, die systemische Metalltoxizität bei hüftendoprothetisch versorgten Patienten als mögliche Differenzialdiagnose zu berücksichtigen.

Obwohl verschiedene Autoren auch langfristig keine nephrotoxischen Effekte durch MoM-Prothesen nachweisen konnten [3, 68, 69, 70, 71], können aufgrund der diesbezüglich insgesamt begrenzten Literatur aktuell keine allgemeingültigen Aussagen hinsichtlich der Relevanz metall-bedingter toxischer Effekte durch MoM-Prothesen abgeleitet werden. Gemäß aktuellen Empfehlungen sollten Patienten mit Nierenfunktionsstörungen nicht mit MoM-Paarungen versorgt werden [72].

Allgemeingültige Aussagen bzgl. der Relevanz metallbedingter toxischer Effekte sind nicht möglich

Es muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Verfügbarkeit systematisch erhobener Daten zur Toxizität von MoM-Gleitpaarungen aus Untersuchungen mit angemessenem Design sehr begrenzt ist. Erst in einer vor kurzem publizierten Fall-Kontroll-Studie [73] wurden umfangreiche Untersuchungen zu den möglichen Nebenwirkungen in verschiedenen Organsystemen berichtet, die in die richtige Richtung gehen. Dabei zeigten sich 8 Jahre postoperativ nach Oberflächenersatz eine tendenziell höhere Knochendichte mit geringerem „turnover“ von Knochenmarkern und eine geringe Erhöhung des linksventrikulären enddiastolischen Durchmessers bzw. eine erniedrigte Auswurffraktion. Umfangreiche Serummarkeranalysen von Nieren-, Leber- und endokriner Funktion sowie neurologische bzw. neuropsychologische Tests ergaben keinerlei Hinweise auf klinisch relevante Beeinträchtigungen. Erst wenn mehrere solcher Untersuchungen verfügbar sind, kann eine objektive Einschätzung der tatsächlichen Toxizität von MoM erfolgen.

Karzinogenität

Auch das karzinogene Potenzial metallischer Implantate wird aktuell kontrovers diskutiert. Es gibt Hinweise darauf, dass die chronisch-inhalative Cr(VI)-Exposition möglicherweise mit einem erhöhten Risiko für Atemwegskarzinome assoziiert ist [74, 75]. Parry et al. [76] beschrieben DNA-Doppelstrangbrüche und zusätzlich chromosomale Abberationen in humaner Fibroblastenkultur nach Exposition mit Cr(VI)-Ionen bzw. mit CoCr-Nanopartikeln. Dunstan et al. [77] sowie Landon et al. [78] wiesen bei MoM-Hüftendoprothesenträgern leukozytäre chromosomale Veränderungen nach. Die Bedeutung dieser Beobachtungen ist jedoch unklar, und es wird momentan kontrovers diskutiert, ob MoM-Paarungen zu einer erhöhten Krebsrate führen.

Daten des finnischen Endoprothesenregisters mit allerdings nur durchschnittlich 4-jähriger Nachuntersuchungsperiode zufolge ergeben sich keine Hinweise auf eine Erhöhung der Inzidenz von Karzinomen bei MoM-Endoprothesenträgern im Vergleich zu Patienten mit nicht metallhaltigen Endoprothesen bzw. zur Normalbevölkerung [79]. Die gleiche finnische Arbeitsgruppe beschrieb nach einem für kanzerogenes Screening verlässlicheren Zeitraum von 18 Jahren an über 2000 Patienten mit MoM- und Metall-PE-Paarungen eine dezent erhöhte krebsbedingte Sterblichkeitsrate für MoM- gegenüber Metall-PE-Endoprothesenträgern [80]. Einschränkungen dieser Studie beinhalten jedoch die für die Fragestellungen und den Beobachtungszeitraum relative kleinen Stichprobenumfang sowie mögliche Unterschiede in der Metallionenfreisetzung der untersuchten Metallpaarungen der ersten Generation im Gegensatz zu aktuell verfügbaren metallischen Paarungen.

Eine Metaanalyse derselben Gruppe um Visuri et al. [81] mit über 73.000 knie- und hüftendoprothetisch versorgten Patienten zeigt wiederum keine krebsbedingte erhöhte Sterblichkeit durch metallhaltige Gleitpaarungen. Einer Analyse des schwedischen Knieendoprothesenregisters aus dem Jahre 2011 zufolge beobachteten die Autoren interessanterweise eine im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöhte Rate verschiedener Krebsarten 30 Jahre nach Knieendoprothesenimplantation [82]. Da diese Untersuchung nicht zwischen den im erfassten Zeitraum 1975–2006 implantierten Gleitpaarungen differenziert, kann jedoch keine Aussage zu metallspezifischen karzinogen Effekten gemacht werden. Zusammengefasst lässt die aktuelle Datenlage keine zuverlässigen Aussagen hinsichtlich der Frage zu, ob MoM-Hüftendoprothesen ein erhöhtes Auftreten von Tumorerkrankungen bewirken können.

Teratogenität

Obwohl modulierende Mechanismen der maternofetalen Passage von potenziell fruchtschädigenden Metallen beschrieben sind, können aus MoM-Paarungen freigesetzte Co- und Cr-Ionen die Plazentaschranke überwinden [83, 84]. Dennoch gibt es bis dato keine Berichte über teratogene Effekte von MoM-Gleitpaarungen, und diesbezügliche Schlussfolgerungen sind nur spekulativ [85]. In einem aktuellen Fallbericht beschreiben Fritzsche et al. [85] keine morphologisch-funktionellen Veränderungen bei einem regelrecht geborenen Kind einer beidseitigen MoM-Endoprothesenträgerin unter während der gesamten Schwangerschaft bestehenden wesentlich erhöhten systemischen maternalen und fetalen Metallionenwerten. Evidenzbasierte, sichere Aussagen über mögliche, erst längerfristig zum Tragen kommende teratogene Schäden können jedoch aufgrund entsprechend fehlender Patientenkohorten auch in Zukunft nicht gemacht werden. MoM-Endoprothesen sind daher bei Frauen im gebärfähigen Alter gemäß aktueller Empfehlungen nicht indiziert [72].

Diagnostik

Grundsätzlich muss zwischen regulärer Routinediagnostik im Rahmen der Implantatnachsorge (wie nach allen endoprothetischen Eingriffen erforderlich) und spezifischen Untersuchungen beim Auftreten von Beschwerden unterschieden werden. Die Diagnostik mittels Metall-Metall-Hüftendoprothesen versorgter Patienten beinhaltet ein standardisiertes, stufenförmiges Vorgehen unter Würdigung möglicher Differenzialdiagnosen und Nutzung aktueller laborchemischer und radiologischer Methoden. Beim Auftreten von Beschwerden sollten metallosebedingte Beschwerden vorrangig von mechanischen Problemen (z. B. Prothesenlockerung, Impingement etc.) und Symptomen im Rahmen eines periprothetischen Infekts abgegrenzt werden.

Routinekontrollen

Gemäß den mittlerweile vorliegenden Empfehlungen [72] sollte sich die Häufigkeit der Nachuntersuchungen nach dem verwendeten Typ der Metallpaarung richten. Für asymptomatische Patienten mit Kleinkopf-MoM-Paarungen gelten die für konventionelle Endoprothesen lokal jeweils empfohlenen Kontrollfrequenzen. Die Nachuntersuchung asymptomatischer Großkopf-MoM-Endoprothesenträger sollte lebenslänglich in jährlichen Abständen durchgeführt werden. Patienten mit Hüft-OFE ohne Beschwerden werden jährliche Kontrollen mit Anpassung des Intervalls gemäß den lokalen Empfehlungen für konventionelle Totalendoprothesen ab dem 5. postoperativen Jahr empfohlen. Grundsätzlich ist im Rahmen der Routinediagnostik – ohne Vorliegen von Beschwerden – nur eine klinische und röntgenologische Untersuchung erforderlich. Zusätzliche Maßnahmen wie Schnittbildverfahren oder eine Bestimmung von Metallionenspiegeln bleiben besonderen Umständen vorbehalten. So wird z. B. empfohlen, eine Metallionenbestimmung in den ersten 5 Jahren nach allen MoM-Implantationen vorzunehmen und zusätzlich lebenslang bei Hochrisikoimplantaten (wie Großkopfprothesen, zurückgerufenen und suboptimal platzierten Oberflächenersätzen sowie beim Vorliegen bekannter Risikofaktoren, wie z. B. weibliches Geschlecht und Kappendurchmesser < 50 mm). Bei Auftreten von Symptomen muss ohnehin unabhängig vom Endoprothesentyp eine engmaschigere Nachuntersuchung (ggf. mit Kontrolle entsprechender Parameter) erfolgen [86].

Bei der langfristigen Nachsorgeplanung von Patienten mit MoM-Hüftendoprothesen muss jedoch berücksichtigt werden, dass die genannten Metallionenkontrollen nicht flächendeckend zur Verfügung stehen und mit entsprechend infrastrukturellem Aufwand verbunden sind, dessen Finanzierung derzeit noch ungeklärt ist. Deshalb haben die genannten Empfehlungen noch keine forensische Verbindlichkeit.

Diagnostik bei Beschwerden

Anamnestisch sind Art und Dauer der Beschwerden samt Belastungsabhängigkeit, Lokalisation, Schmerzcharakter, bekannte Metallunverträglichkeit (Modeschmuck, Armbanduhr) und ein Ansprechen auf bisherige Therapien zu eruieren. Die klinische Untersuchung umfasst Inspektion (Weichteil-/Narbenverhältnisse), Palpation, Beurteilung von Beckenstand, Beinachsen, Körperlot, Gelenkbeweglichkeit (inklusive Erfassung von Implantat-Implantat- oder Implantat-Knochen-Impingement), Ausschluss funktioneller und struktureller Störungen der gelenkumfassenden Muskulatur sowie eine neurologische Diagnostik. Sowohl metallose- als auch infektbedingte Beschwerden können einerseits diagnoseweisend (z. B. lokalisiertes Ekzem, Fistelung), aber auch unspezifisch (z. B. Schmerz, Schwellung, Bewegungseinschränkung) und eventuell sogar nicht vorhanden sein [87]. Es ist ferner zu beachten, dass das Ausmaß des klinischen Beschwerdebildes nicht zwingend mit dem Umfang der periprothetischen Gewebeschädigung korreliert.

Bildgebung

Als erster Schritt in der Bildgebung ist immer ein konventionelles Röntgenbild in 2 Ebenen erforderlich. Die nativradiologische Diagnostik dient der Erfassung struktureller Veränderungen des implantatnahen Knochenlagers (z. B. Osteolysen), der Implantatpositionierung sowie der möglichen Prothesenlockerung im postoperativen Verlauf. Bei Unsicherheit oder Hinweis auf relevante Gewebeschäden sollte als nächster Schritt ein Schnittbildverfahren erfolgen. Das Ausmaß einer Knochendestruktion lässt sich am besten in einer Computertomographie mit Metallartefaktreduktion beurteilen und oft ergibt sich darin auch ein Hinweis auf weichteilige Destruktionen (z. B. große flüssigkeitsgefüllte Bursa oder Pseudotumor, Abb. 1; [88]). Weichteilschäden lassen sich jedoch am besten in der Magnetresonanztomographie differenzieren, wobei hier zwingend metallartefaktreduzierende Sequenzen (MARS-MRT) erforderlich sind (Abb. 2; [89]). Alternativ ist auch eine sonographische Diagnostik möglich, wobei die vergleichende Wertigkeit bzw. Spezifität und Sensitivität aller 3 genannten Verfahren noch nicht abschließend bewertet werden können.

Abb. 1
figure 1

ARMD-assoziierte Osteolysen bei Metall-Metall-Gleitpaarungen. a Oberflächenersatz mit in der konventionellen Lauenstein-Aufnahme sichtbarer ventraler Schenkelhalsausdünnung (Pfeil). b Ausgedehnte, stabilitätsgefährdende periazetabuläre Osteolyse (Stern). ARMD „adverse reaction to metal debris“

Abb. 2
figure 2

ARMD-bedingte Weichteilveränderungen bei Metall-Metall-Gleitpaarungen. Magnetresonanztomographische Darstellung (metallartefaktreduzierte Sequenzen, T1- [a] und T2-Turbo-inversion-recovery-magnitude[TIRM]-Wichtung [b]) einer metallosebedingten, als Pseudotumor imponierenden, periprothetischen zystischen Raumforderung (Pfeile/Stern) im Bereich des M. glutaeus maximus (GM) bei einer 54-jährigen Patientin 7 Jahre nach Hüftoberflächenersatz. Intraoperativer Situs nach Eröffnung der Pseudotumorkapsel (c). ARMD „adverse reaction to metal debris“

Entzündungsparameter

Im Falle einer Erhöhung der routinemäßig zu bestimmenden Entzündungsparameter (C-reaktives Protein [CRP], Leukozytenanzahl) mit unklarem Infektfokus sollte das Vorliegen einer periprothetischen Infektion mittels Gelenkpunktion und mikrobiologischer Untersuchung geprüft werden.

Allergie gegenüber Legierungsmetallen

Besteht der Verdacht auf eine Allergie gegenüber Legierungsmetallen, ist die fachdermatologische Epikutantestung angezeigt [41]. Dabei werden entsprechende Testsubstrate (Nickel, Co, Cr, ggf. ergänzend Titan, Molybdän, Vanadium, Mangan) über 24 h auf dem Rücken des Patienten aufgebracht und Hautreaktionen nach 72 h beurteilt [87]. Wichtig ist jedoch der Hinweis, dass die Ergebnisse von Epikutantestungen nur sehr eingeschränkt auf das periimplantäre Gewebe übertragen werden dürfen. Will man eine mögliche Implantatallergie nachweisen, sollten zusätzlich ein Lymphozytentransformationstest (LTT) (ebenfalls nicht beweisend, aber zumindest für Nickel recht zuverlässig) sowie eine histologische Untersuchung von implantatnahem Gewebe (Nachweis lymphozytärer Infiltrate bei MoM-Paarungen) erfolgen [41].

Metallionenbestimmungen

Relativ große Verunsicherung besteht gegenwärtig hinsichtlich des Stellenwerts von Metallionenbestimmungen im Rahmen der Diagnostik. Aufgrund der verhältnismäßig großen Oberfläche und großen Zahl freigesetzter Metallpartikel (etwa 1000-fach größere Partikelzahl/g Gewebe als bei PE-Gleitpaarungen) kommt es bei Patienten mit implantierter MoM-Hüftendoprothese zu einer regelmäßigen Erhöhung von Metallionenkonzentrationen im Körper. Deshalb wird deren Messung als Surrogatparameter für die Einschätzung einer systemischen Metallbelastung immer wieder empfohlen.

Hinsichtlich der angemessenen Untersuchungsintervalle, analytischen Verfahren und zu analysisierenden Medien bzw. Ionen gibt es sehr unterschiedliche Angaben.

Nach den Empfehlungen einer Konsensuskonferenz [72] empfiehlt sich aktuell die Kontrolle der systemischen Metallionenkonzentration auch bei asymptomatischen MoM-Endoprothesenträgern im Rahmen der empfohlenen Nachuntersuchungszeitpunkte, wenn besondere Bedingungen vorliegen (s. oben). Bei symptomatischen Patienten sollte die Kontrolle u. U. entsprechend engmaschiger erfolgen. Obwohl die Ermittlung verschiedener Markermetalle (z. B. Co, Cr, Molybdän) prinzipiell im Blut, Serum und Urin erfolgen kann, ist derzeit die Bestimmung von Co im Vollblut, angegeben als Mikrogramm/Liter (μg/l) und mittels validierter Testverfahren (z. B. Atomabsorptionsspektrometrie mit elektrothermischer Aufheizung [GF-AAS] und Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma [ICP-MS]), am zweckmäßigsten.

Während Co-Werte ≤ 2 μg/l bei fehlenden Beschwerden nach aktuellem Literaturstand als unbedenklich anzusehen sind, [72] ist die klinische Relevanz von Werten zwischen 2 und 7 μg/l bei asymptomatischen Patienten derzeit noch ungeklärt. Deshalb empfiehlt es sich, bei Co-Werten zwischen 2 und 7 μg/l mit entsprechendem klinischem Beschwerdebild sowie unabhängig von der Klinik bei Werten > 7 μg/l immer eine Komplettierung der Diagnostik mittels Schnittbildverfahren (MARS-MRT, alternativ Sonographie oder CT) vorzunehmen. Verschiedene Algorithmen existieren, in denen genaue Schwellenwerte von Serumionen für eine „gute“ oder „schlechte“ Implantatfunktion angegeben werden.

Van der Straeten et al. [86] und Hart et al. [90] propagieren Co-Grenzwerte von 4,0 μg/l im Serum bzw. 5,0 μg/l im Vollblut. Die Sensitivität und Spezifität dieser Angaben variieren jedoch und belegen die Schwierigkeit, Entscheidungshilfen in Form eines konkreten Grenzwerts zur Beurteilung von MoM-Prothesenversagen zu definieren. Gemäß der europäischen Konsensusempfehlung ist davon auszugehen, einen entsprechenden kritischen Schwellenwert als diagnostische Entscheidungshilfe bei symptomatischen MoM-Patienten für Co im Bereich zwischen 2 und 7 μg/l Co im Vollblut als Medium zu definieren. Grundsätzlich ist anzumerken, dass Schwellenwerte nicht nur für lokale, sondern insbesondere auch für systemische Wirkungen von Metallprodukten bei MoM-Endoprothesenträgern in Zukunft noch zu definieren sind. Einige Autoren gehen davon aus, dass zum Beispiel Co-Werte > 20 μg/l mit einem erhöhten Risiko für toxisch-systemische Wirkungen einhergehen [86, 91].

Therapie metallassoziierter Komplikationen

Für periprothetische Infektionen, Frakturen und sonstige allgemeine Komplikationen gelten die üblichen Standards in der Hüftendoprothetik. Spezifische Maßnahmen ergeben sich jedoch bei den Komplikationen, die auf metallspezifische Risiken zurückgeführt werden können.

Implantatallergie

In seltenen Fällen kann aufgrund therapieresistenter Beschwerden bei fachdermatologisch getesteter Metallallergie und histologisch nachgewiesenen charakteristischen Veränderungen ein Wechsel auf metallfreie Gleitpaarungskomponenten (z. B. Keramik/Keramik, Keramik/PE) und ggf. ein hypoallergenes (in der Regel titanbasiertes) Implantat erfolgen. Ein Sistieren der Klinik sichert in diesem Fall zudem retrospektiv die Diagnose [87]. Beim Kopfwechsel unter Belassen des Schafts ist prinzipiell die Verwendung entsprechender Metalladapter für Keramikköpfe obligat, um Kompatibilität an der Konus-Kopf-Verbindung zu gewährleisten. Bei tolerablen Beschwerden und nachgewiesener Metallallergie ist auch eine klinisch-radiologische Beobachtung ausreichend, wenn eine normwertige systemische Metallionenkonzentration und eine unauffällige Schnittbilddiagnostik vorliegen.

ARMD

Zur Indikationsstellung sowohl bei asymptomatischen Patienten mit nachgewiesener ARMD (z. B. große Flüssigkeitsansammlungen oder Pseudotumoren und Osteolysen) als auch bei Beschwerden gibt es unterschiedliche Empfehlungen. Nach der aktuellen Einschätzung einer Konsensuskonferenz [72]. können sie folgendermaßen zusammengefasst werden:

Bei asymptomatischen Patienten müssen kleine Flüssigkeitsansammlungen, die ein Hinweis auf ARMD sein können, mit wiederholter Bildgebung entsprechend überwacht werden. Ein ggf. erstmals erhobener Nachweis erhöhter Metallionenwerte ist durch eine Wiederholungsmessung zu bestätigen, bevor dem Patienten operative Konsequenzen angeboten werden. Oberhalb eines Schwellenwerts von 2–7 μg/l werden zusätzliche Bildgebungen und engmaschigere Nachuntersuchungen empfohlen. Im Falle pathologischer Befunde der zusätzlichen Bildgebung und/oder einer weiteren signifikanten Steigerung des Co-Werts sollte eine Wechseloperation mit dem Patienten besprochen werden. Pathologische Befunde in der Bildgebung können auch ohne Erhöhung von Metallionen ein Revisionsgrund sein. Dies gilt insbesondere für ausgedehnte Osteolysen bzw. Pseudotumoren, die erheblich destruierend sein können und deren Umfang nicht immer mit der Höhe von Metallionen korrelieren muss. Wenn allerdings eine übermäßige Erhöhung der Metallionenwerte (Co-Werte etwa 20 μg/l oder höher) vorliegt, kann nach bisherigen Erkenntnissen ein wahrscheinlicher Zusammenhang mit der Entstehung von Osteolysen, Gewebenekrosen und auch möglicher langfristiger Auswirkungen auf die systemische Gesundheit angenommen werden. Deshalb sollte in diesen Fällen auch ohne Beschwerden mit dem Patienten über eine Revision gesprochen werden.

Bei symptomatischen Patienten ist die Entscheidung zur Art und Durchführung einer Revision neben den genannten Faktoren (Metallionenbestimmung, Ergebnisse bildgebender Untersuchungen) auch von der wahrscheinlichen Ursache der Beschwerden abhängig zu machen. Fortschreitende Osteolysen können über eine Implantatinstabilität zu Beschwerden führen. Eine Sonderform ist die zunehmende Schenkelhalsausdünnung, die die Gefahr einer akuten Fraktur birgt. Große bzw. expandierende Pseudotumoren verursachen häufig mechanische Probleme durch Druck auf benachbarte Strukturen und können sogar Gefäße bzw. Nerven komprimieren. Bei Nachweis von Osteolysen und/oder einem Pseudotumor und/oder zunehmender Schenkelhalsverdünnung und/oder Co-Ionen oberhalb des Schwellenwerts sollte eine Revision in Betracht gezogen werden. Liegt eine gesicherte und revisionsbedürftige ARMD vor, ist eine kausale Behandlung nur durch Wechsel auf metallfreie Gleitpaarungskomponenten möglich. Auch beim Versagen von OFE-Prothesen ohne lokale Metallnebenwirkungen sollte in der Regel auf metallfreie Gleitpaarungen gewechselt werden. Insbesondere von einer Verwendung der MoM-Großkopfprothesen als früher propagierter Rückzugsoption (z. B. bei Schenkelhalsfrakturen nach OFE) wird dezidiert abgeraten, um nicht das Risiko sekundärer ARMD-Entstehung mit bereits erwähnten ungünstigen klinischen Ergebnissen einzugehen.

Operationstechnische Hinweise für Revisionen bei Metallunverträglichkeit

Hinsichtlich der Operationstechnik und Implantatwahl gelten für die Revision von MoM-Implantaten zunächst die allgemeinen Prinzipien der Wechselendoprothetik, doch sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Liegen keine ausgeprägten knöchernen Destruktionen vor, kann bei revisionsbedürftigen MoM-Kleinköpfen der isolierte Austausch von Kopf und Inlay erfolgen, wogegen bei OFE- und Großkopfprothesen immer auch ein Ausbau der Monoblockpfanne geboten ist. In der Regel sind die entsprechenden Pfannenkomponenten mit geeigneten Instrumentarien – z. B. kurvierte Meißel – gut entfernbar. Ein übermäßiger Knochenverlust bei der Explantation ist dringend zu vermeiden, da zumindest beim OFE im Rahmen der Primärimplantation ohnehin eine Tendenz zur Einbringung relativ großer Pfannenimplantate besteht. Die Entfernung auch fest sitzender Femurkappen beim OFE gelingt ebenfalls in der Regel relativ leicht, da sich nach partieller Schenkelhalsosteotomie rund um den Zentrierstift die Kappe meist problemlos abziehen lässt. Die Knochenqualität im Schenkelhals ist abhängig davon, ob eine aseptische Lockerung vorliegt oder metallbedingte Osteolysen zu einer Zerstörung geführt haben. Bei festem Implantatsitz und fehlender Osteolyse kann der Markraum um den ehemaligen Stift sehr sklerosiert sein und die spätere Raspelung bzw. das Einbringen eines Implantatschafts beeinträchtigen.

Ein übermäßiger Knochenverlust bei der Explantation ist unbedingt zu vermeiden

Metallosebedingte Weichteilveränderungen um das Gelenk und Knochendestruktionen, sowohl pfannen- als auch schaftseitig sollten vollständig entfernt bzw. kürettiert werden, um einer Entstehung von Rezidiven vorzubeugen. Dies kann ausgedehnte Weichteileingriffe und ggf. auch sekundäre Inzisionen erforderlich machen (wenn z. B. auf der Beckeninnenseite oder im Verlauf des Gefäß-Nerven-Bündels relevante Pseudotumoren entstanden sind).

Erfolgt die Revision aufgrund einer Metallunverträglichkeit, sollte grundsätzlich auf metallfreie Gleitpaarungen gewechselt werden (z. B. Keramik-PE oder Keramik-Keramik). Verbleibt die Schaftkomponente nach initialer Kleinkopf- oder Großkopfimplantation, ist immer ein relevanter Konusschaden auszuschließen und ein Keramikkopf nur mit Adapter zu verwenden. Dabei muss jedoch bedacht werden, dass mit Adaptern erneut metallische Komponenten eingebracht werden und damit das neuerliche Risiko einer Freisetzung von Metallpartikeln aus der Konusverbindung besteht. Die Art der Reimplantation erfolgt in Abhängigkeit von der Defektsituation. Wenn auf der Pfannenseite ein geschlossener (engl. „constrained“) Defekt ohne höhergradigen Knochenverlust vorliegt, kann oft erneut auf ein zementfreies sphärisches Implantat gewechselt werden. Bei problemloser Explantation der vorherigen Pfanne ist häufig ein Implantat gleichen oder nur wenig höheren Durchmessers stabil zu verankern (Abb. 3). Auch femurseitig ist nach OFE-Explantation ohne größere Osteolysen meist die Implantation eines Standardschafts möglich, wenngleich eine gelegentlich vermehrte Sklerosierung die Einbringung etwas erschweren kann (Abb. 4). Bei höhergradigen Pfannendefekten infolge von Osteolysen oder/und bei übergroßen Monoblockprimärpfannen sollte anstelle von überdimensionierten Revisionsimplantaten nach Möglichkeit ein knöcherner Defektaufbau (ggf. in Kombination mit Pfannendach- oder Stützschalen) angestrebt werden, da es sich meist um jüngere Patienten mit hoher Lebenserwartung handelt (Abb. 5).

Abb. 3
figure 3

ARMD-bedingte periprothetische azetabuläre Osteolyse (Stern) bei einem 44-jährigen Patienten 3 Jahre nach Hüftoberflächenersatz mit systemisch erhöhten Metallionenwerten und progredienten klinischen Beschwerden (a). Ein Jahr postoperativ nach Wechsel auf ein zementfreies, konventionelles Primärimplantat ohne relevanten azetabulären Knochenverlust unter Verwendung desselben Pfannenaußendurchmessers (b). ARMD „adverse reaction to metal debris“

Abb. 4
figure 4

Ausgeprägte ARMD (Kobalt-Serum-Wert 165 μg/l) mit periprothetischer femoraler (Stern) und azetabulärer Osteolyse vermutlich infolge vermehrter Randbelastung aufgrund erhöhter Pfanneninklination bei einer 50-jährigen Patientin 7 Jahre nach Hüftoberflächenersatz (a). Ein Jahr postoperativ nach Wechsel auf ein zementfreies Revisionsimplantat und allogener Spongiosaplastik azetabulär und femoral mit erschwerter Einbringung des diaphysär verankerten Prothesenschafts bei umschriebener Schenkelhalssklerosierung (b). ARMD „adverse reaction to metal debris“

Abb. 5
figure 5

Nativradiologische (a, b) und computertomographische (c, d) Darstellung eines ARMD-bedingten, höhergradigen periprothetischen Pfannendefekts (Sterne) 11 Jahre nach Hüftoberflächenersatz. Acht Monate postoperativ nach Wechsel auf eine Burch-Schneider-Stützschale mit allogener Spongiosplastik und konventionellem zementfreiem Primärschaft (e). ARMD „adverse reaction to metal debris“

Bei ausgedehnten Weichteilveränderungen etwa durch Pseudotumoren kann die postoperative Stabilität beeinträchtigt sein, weshalb intraoperativ sehr sorgfältig auf eine Luxationstendenz bzw. -prophylaxe mit entsprechenden Maßnahmen (u. a. Offsetrekonstruktion und geeignete Pfannen- und Schaftpositionierung) geachtet werden muss.

Outcome nach Revision von MoM-Implantaten

Entgegen ursprünglichen Berichten [92, 93, 94] zum annehmbar einfachen Wechseleingriff nach fehlgeschlagenem Oberflächenersatz scheint die Revision von MoM-Gleitpaarungen insgesamt eher risikoträchtig zu sein. Grammatopoulos et al. [95] berichten eine Komplikationsrate von 50 % bei der Revision von OFE-Implantaten, bei denen der Wechseleingriff aufgrund eines Pseudotumors erfolgt war. Für die Revision fehlgeschlagener MoM-Großkopfprothesen geben Munro et al. [96] ebenfalls eine relativ hohe Komplikationsrate an, denn in ihrem Kollektiv machten ca. 30 % postoperative Dislokationen und gut 10 % gelockerte Revisionspfannen erneute Wiederholungseingriffe erforderlich. Auch beschreiben sie eine Rezidivrate lokaler Gewebedestruktion von 16 %.

Während bei der Revision von OFE-Prothesen nach früher Schenkelhalsfraktur oder mechanisch bedingter Implantatlockerung tatsächlich mit relativ guten postoperativen Ergebnissen gerechnet werden kann, bergen ARMD-bedingte Wechseleingriffe ein größeres Risiko postoperativer Komplikationen. Auch nach unseren eigenen Erfahrungen betrifft dies v. a. die relativ große Gefahr postoperativer Instabilitäten. Deshalb sollte sorgfältig auf eine bestmögliche Pfannenpositionierung mit korrekter Anteversion, Rekonstruktion von Drehzentrum und ausreichendem Offset geachtet werden. Wenn immer möglich, empfiehlt sich außerdem die Nutzung von 36-mm-Köpfen, und in der postoperativen Nachsorge ist eine entsprechende Limitierung des Bewegungsumfangs sinnvoll.

Tipps und Tricks zur Komplikationsvermeidung

  • Der Einsatz von MoM-Gleitpaarungen in der Hüftendoprothetik sollte generell einer kritischen und individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung unterzogen werden.

  • Der Einsatz des Hüft-OFE sollte auf männliche Patienten im mittleren Lebensalter mit adäquater Knochenqualität, günstigem Schenkelhals-Kopf-Verhältnis und ausreichender Kopfgröße begrenzt sein.

  • Es sollte eine optimale Platzierung von MoM-Gleitpaarungen hinsichtlich Pfanneninklination und -anteversion sowie Vermeidung von Impingement angestrebt werden.

  • Bei der OFE-Revision sollte grundsätzlich, auch bei regelrechter Pfannenposition ohne Lockerung, ein kompletter Komponentenwechsel erfolgen.

  • Verschiedene wissenschaftliche Gesellschaften haben ein „time out“ für schaftbasierte MoM-Großköpfe (≥ 36 mm) angeregt.

  • Sämtliche MoM-Gleitpaarungen sind kontraindiziert bei eingeschränkter Nierenfunktion, Frauen im gebärfähigen Alter und bekannter Metallallergie.

  • Hinsichtlich Nachkontrollen und Revisionskriterien für MoM-Gleitpaarungen sollten aktuelle nationale und länderübergreifende Empfehlungen beachtet werden.

  • Grundsätzlich hat eine kritische Patientenaufklärung über potenzielle Risiken der Unverträglichkeit bei MoM-Gleitpaarungen zu erfolgen.

Fazit für die Praxis

  • Es existieren lange und gute Erfahrungen mit Kleinkopf-MoM-Hüftendoprothesen, jedoch weisen Großkopf-MoM-Paarungen und der OFE erhebliche Komplikationsraten auf.

  • Nationale und länderübergreifende Konsensusempfehlungen können dem evidenzbasierten Einsatz von MoM-Paarungen in der Primärendoprothetik dienen, die Nachsorge von Patienten vereinheitlichen und Entscheidungshilfen für Art und Zeitpunkt der Revision geben.

  • Für das langfristige Monitoring von Patienten mit Großkopf-MoM-Paarungen und Hüft-OFE ist eine erweiterte Infrastruktur, u. a. mit Verfügbarkeit systemischer Metallionenmessung und artefaktreduzierter Schnittbilddiagnostik, erforderlich.

  • Beschwerden aufgrund von Implantatallergie sind möglich, aber selten. Ein Wechsel auf metallfreie Gleitpaarungskomponenten und ggf. ein niederallergenes Implantat sollten nur bei histologischem Nachweis periprothetischer Veränderungen, nachgewiesener Metallallergie und therapieresistenten Beschwerden durchgeführt werden.

  • Die häufigste und wesentlichste Komplikation sind lokale ARMD. Zur genauen Risikoeinschätzung infolge systemischer Toxizität, Karzinog- und Teratogenität bei MoM-Paarungen sind weitere Daten erforderlich.

  • Bei der Revision von MoM-Gleitpaarungen infolge ARMD sollten „metallfreie“ Gleitpaarungen verwendet werden.