Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags über Implantate mit Metall-Metall-Gleitpaarung kennen Sie

  • deren grundsätzliche Produktionsprinzipien und Anwendungsphilosophie,

  • die bei ihrer Verwendung möglichen unterschiedlichen klinischen Ergebnisse,

  • die bei ihrem Einsatz allgemein denkbaren Risiken und Nebenwirkungen,

  • die für ihre Anwendung heutzutage gültigen Prinzipien der Indikationsstellung,

  • die derzeit empfohlenen Nachuntersuchungsprotokolle nach stattgehabter Implantation.

Hintergrund

Historie

Gleitpaarungen, die aus metallischen Komponenten bestehen, sog. „metal-on-metal (MoM) implants“ , haben in der Hüftendoprothetik eine lange Tradition. Nach der initial erfolgreichen Anwendung eines MoM-Implantats mit zementiertem Schaft und Monoblockpfanne aus Vitallium in den späten 1950er Jahren [1] schien das dann aufkommende Charnley-Prinzip der „low-friction-arthroplasty“ mit einer Kombination aus kleinem Metallkopf und Polyethylenpfanne (PE-Pfanne) überzeugender. Später wurde die MoM-Technologie wieder aufgegriffen, nachdem Weber 1988 eine zweite Generation von MoM-Gleitpaarungen (Metasul®, Zimmer GmbH, Winterthur) einführen konnte [2]. Seither wurden mehr als 400.000 Metasul®-Gleitpaarungen implantiert, und weitere Hersteller entwickelten in der Folge MoM-Gleitpaarungen, die hinsichtlich Herstellungsprozess und Kohlenstoffgehalt von der Metasul®-Technik abweichen [2].

Gründe für die Entwicklung und den Einsatz von Implantaten mit MoM-Gleitpaarung

Ein wesentlicher Grund für die Wiedereinführung der Metallgleitpaarungen war die angestrebte Vermeidung abriebbedingter Polyethylenpartikel, die in der konventionellen Endoprothetik zu Osteolysen und sonstiger Gewebedestruktion (Partikelkrankheit) führen können [3]. Als sog. Hart-Hart-Paarung produzieren Metallgleitpaarungen weniger volumetrischen Abrieb als herkömmliches Polyethylen. Auch ist das Risiko von Materialbrüchen für Metallgleitpaarungen im Vergleich zu historischen Keramiken geringer.

Nach den initial guten Erfahrungen mit MoM-Kleinkopfprothesen sind auch die Renaissance des Oberflächenersatzes und die darauf erneut aufgegriffene Entwicklung der Großkopfprothesen in den vergangenen Jahren maßgeblich auf eine Weiterentwicklung der Metallurgie zurückzuführen. Man glaubte insbesondere, die mit einem Oberflächenersatz möglicherweise verbundenen Vorteile (u. a. Knochenersparnis und Vermeidung von Stress-Shielding auf der femoralen Seite, niedriges Luxationsrisiko usw.) wieder nutzen zu können. Vor allem McMinn et al. [4] und Amstutz et al. [5] leisteten hier enorme Entwicklungsarbeit, und ihre Implantate fanden seit Mitte der 1990er Jahre weite Verbreitung [6]. Basierend auf den anfangs guten Ergebnissen des Oberflächenersatzes mit neuer MoM-Technologie, gelangten in ebenfalls zunehmender Zahl seit etwa 10 Jahren die MoM-Großkopfprothesen auf den Markt und wurden implantiert. Ursprünglich waren sie als Rückzugsoption bei früher Schenkelhalsfraktur nach Oberflächenersatz konzipiert, erlangten aber über diese Indikationsstellung hinaus in der Primärendoprothetik rasche Verbreitung.

Mögliche Risiken und Indikationsstellung

Aktuell erscheinen vermehrt Berichte zu möglichen metallbedingten Risiken dieser Implantate, und es herrscht Verunsicherung bezüglich der Indikationsstellung von MoM-Implantaten sowie angemessenen postoperativen Verlaufskontrollen . Ziel dieser Arbeit ist deshalb eine Zusammenfassung der aktuellen Datenlage zu klinischen Ergebnissen und möglichen Risiken bzw. Nebenwirkungen sowie der sich daraus aktuell ergebenden Konsequenzen für das Patientenmonitoring und die künftige Indikationsstellung.

Metall-Metall-Gleitpaarungsimplantate

Metall-Metall-Gleitpaarungen unterscheiden sich hinsichtlich

  • ihrer metallurgischen Zusammensetzung,

  • der Fertigungstechnik und

  • der Art der verwendeten Implantate.

Sie enthalten unterschiedliche Legierungen, bei denen in der Regel neben den Hauptkomponenten Kobalt und Chrom noch weitere Bestandteile (Molybdän, Nickel usw.) enthalten sind. Die verwendeten Legierungen weisen einen unterschiedlich hohen Karbongehalt auf, und es sind sowohl geschmiedete als auch gegossene Produkte verfügbar. Das jeweilige Herstellungsverfahren beeinflusst Tribologie (Verschleiß, Reibung) und Korrosion (elektrochemische Veränderungen mit Freisetzung von Legierungsbestandteilen).

Bei Metasul® als einer der am häufigsten verwendeten MoM-Gleitpaarungen handelt es sich um eine geschmiedete Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierung mit einer hohen Konzentration relativ kleiner Karbide (0,20–0,25 % Kohlenstoff). Die daraus resultierende Materialhärte soll zu größerer Verschleißbeständigkeit führen als bei Implantaten mit niedrigem Kohlenstoffgehalt. Grundsätzlich muss bei MoM-Gleitpaarungen der Durchmesser des Kopfs etwas kleiner sein als der des Pfanneneinsatzes, damit ein Polkontakt mit hoher Konformität entsteht.

Die für bewährte MoM-Gleitpaarungen nachgewiesenen Abriebparameter sind deutlich günstiger als mit konventionellem Polyethylen gemessene Verschleißraten, denn Erstere produzieren grundsätzlich weniger volumetrischen Abrieb als Gleitpaarungen mit herkömmlichem Polyethylen. Dennoch kommt es zwangsläufig zum reibungsbedingten Abrieb , und aufgrund der kleinen Größe von Abriebpartikeln ist bei MoM-Gleitpaarungen die Gelenkkapsel sogar einer höheren Partikelzahl ausgesetzt als bei Gleitpaarungen mit Polyethylenpfannen. Über Korrosion werden zusätzliche Bestandteile der Metalllegierung freigesetzt. Deshalb können sowohl im Gelenk selbst als auch im umgebenden Gewebe und in Körperflüssigkeiten metallische Produkte (d. h. Partikel, Ionen, metallorganische Verbindungen) nachweisbar sein und dort zu möglichen Schäden führen [7, 8, 9]. Derzeit fokussiert die Diskussion noch auf die Freisetzung metallischer Legierungsbestandteile aus der Gleitpaarung selbst. Dabei handelt es sich in der Regel überwiegend um die Elemente Kobalt und Chrom, wenngleich weitere Substanzen in den Implantaten enthalten sind (z. B. Molybdän und Nickel). Weiterhin können Metallprodukte auch aus Oberflächenmodifikationen auf der Pfannenaußenseite (z. B. Titan) oder vom Prothesenstiel bzw. -konus (implantatabhängig Titan oder andere Elemente) stammen [10].

Hinsichtlich des klinischen Einsatzes, aber auch möglicher Risikoprofile sollten 3 grundsätzlich unterschiedliche Implantattypen mit MoM-Gleitpaarung unterschieden werden (Abb. 1): die Kleinkopfpaarung, die Großkopfprothese und der Oberflächenersatz.

Abb. 1
figure 1

Unterschiedliche Implantate mit Metall-Metall-Gleitpaarung: a 32-mm-Kleinkopfpaarung, b Großkopfprothese, c Oberflächenersatz

MoM-Kleinkopf

Hierunter versteht man im Allgemeinen Gleitpaarungen mit einem Kopfdurchmesser von maximal 32 mm. Üblicherweise handelt es sich um Metallköpfe, die mit Metallinlays bei zementfrei applizierten Pfannen kombiniert werden. Dabei kann das Inlay vollständig aus Metall bestehen oder aber in Sandwichtechnik (Metallgleitfläche eingebettet in Polyethylenblock) ausgeführt sein (Abb. 1 a). Diese Form der MoM-Gleitpaarung ist bereits seit Ende der 1980er Jahre weit verbreitet.

MoM-Großkopf

Zu Implantaten mit dieser Bezeichnung zählt man in der Regel schaftbasierte Metallköpfe , die einen Durchmesser von 36 mm und mehr aufweisen und mit metallischen Monoblockpfannen zu kombinieren sind (Abb. 1 b). Häufig sind die Pfannenkomponenten identisch mit Implantaten, die auch in der Oberflächenersatzendoprothetik zur Anwendung kommen. Als möglicher Vorteil dieser Implantate galten v. a. eine sehr große Kopf-Hals-Relation mit reduziertem Risiko für Implantat-Implantat-Impingement und eine vergleichsweise gute Beweglichkeit. Die relativ große Metalloberfläche – insbesondere bei Köpfen mit sog. offenem Design – führt jedoch zwangsläufig zu einer gegenüber kleineren Implantaten und möglicherweise auch dem Oberflächenersatz vermehrten Korrosion. Dafür sprechen zumindest die vorliegenden Ergebnisse von Untersuchungen zur Freisetzung von Metallionen aus Großkopfprothesen im Vergleich zu MoM-Gleitpaarungen mit kleinen Köpfen [11, 12]. Vermutlich kommt es bei Großköpfen zusätzlich zu einer erhöhten Belastung („fretting corrosion“ ) an der Kopf-Konus-Steckverbindung aufgrund einer vermehrten Friktion zwischen den Gleitpartnern.

Meyer et al. [13] konnten jüngst in elektrochemischen Studien dezidierte Schadensmechanismen für ein Implantat mit auffälliger Versagensrate nachweisen.

Oberflächenersatz

Beim metallbasierten Oberflächenersatz artikuliert eine metallische Monoblockpfanne mit einer korrespondierenden Femurkappe der gleichen Legierung (Abb. 1 c). Die meisten Implantate werden in Hybridtechnik (zementfreie Pfanne, zementierte Femurkappe) angeboten, einige wenige Implantate sind auch in vollständig zementfreier Verankerungstechnik verfügbar.

Auch beim Oberflächenersatz haben Metallurgie und Designmerkmale einen Einfluss auf Abriebverhalten und Korrosion. Theoretisch kann trotz der größeren Kopfdurchmesser ein günstiges Abriebverhalten erwartet werden, wenn Oberflächenrauigkeit und Clearance (Differenz zwischen Innendurchmesser der Pfanne und Außendurchmesser des Kopfs) optimal eingestellt sind sowie eine ausreichende Wandstärke das Implantat vor Deformation beim Einbringen schützt. Besondere Bedeutung hat der sog. „functional articular arc“ (Abb. 2): Dabei handelt es sich um eine designspezifische Größe, die sowohl vom Radius als auch der Tiefe einer Pfanne beeinflusst wird und mit steigender Implantatgröße zunimmt [14]. Zusammen mit der vom Operateur einstellbaren Inklination (und auch Anteversion) ist er ganz entscheidend für die laterale Überdachung und damit die effektive Flächenbelastung als Einflussgröße auf den Abrieb eines Implantats.

Abb. 2
figure 2

Für eine Belastung von Gleitpaarungen wichtige laterale Überdachung des Prothesenkopfes (A), abhängig vom „functional articular arc“ (B; von Pfannenradius und -tiefe abhängige, aber generell mit zunehmender Implantatgröße ansteigende implantatspezifische Größe) und der Pfanneninklination (C; bei jedem Eingriff vom Operateur individuell einstellbar). (Nach [14])

Klinische Ergebnisse (Standzeiten)

Sowohl für Gleitpaarungen mit kleiner Kopfgröße als auch für den Oberflächenersatz sind mittlerweile langfristige Daten aus klinischen Studien und Registerauswertungen verfügbar, die eine Einschätzung hinsichtlich der Standzeiten als wichtigen Endpunkt zulassen. Für Großkopfgleitpaarungen gibt es zwar keine längerfristigen Beobachtungszeiträume, aber hier genügen bereits die vorliegenden kurz- bis mittelfristigen Ergebnisse, um eine Aussage zur (fehlenden) Eignung des Verfahrens zu ermöglichen.

MoM-Kleinkopf

Für Metasul®-Gleitpaarungen sind in monozentrischen Untersuchungen 10-Jahres- Überlebensraten zwischen 94 und 98 % [15, 16, 17] dokumentiert. Im Gegensatz zu diesen Implantaten mit hohem Karbongehalt zeigten jedoch Gleitpaarungen mit anderen Metalllegierungen bzw. niedrigem Karbongehalt deutlich schlechtere Ergebnisse [18, 19, 20]. In einzelnen Kasuistiken wurde auch der Nachweis pathologischer Veränderungen im periartikulären Gewebe nach Explantation kleiner MoM-Gleitpaarungen, die ein Potenzial für adverse Reaktionen belegen, beschrieben [21, 22]. Allerdings kann vor dem Hintergrund einer sehr hohen Zahl implantierter MoM-Kleinkopfprothesen vom Metasul®-Typ über einen bereits langen Zeitraum und den sehr spärlichen Berichten über klinisch auffällige Metallosenachweise im Rahmen von Wechseloperationen angenommen werden, dass es sich hierbei nicht um ein relevantes bzw. weiter verbreitetes Problem für diese Implantate handelt.

Auch das auf den ersten Blick schlechtere Abschneiden von MoM-Gleitpaarungen in Endoprothesenregistern muss differenziert für unterschiedliche Implantattypen und v. a. auch -größen betrachtet werden: So zeigt beispielsweise das australische Endoprothesenregister eine Revisionsrate von insgesamt 14,1 % für alle MoM-Gleitpaarungen (Kleinkopf, Großkopf, Oberflächenersatz) nach 11 Jahren gegenüber nur 5,1–9,5 % bei nichtmetallischen Gleitpaarungen [23]. Betrachtet man nur die Kopfgrößen ≤ 32 mm, sind die 11-Jahres-Revisionshäufigkeiten für MoM (6,0 %) gleich gut oder sogar besser als für Gleitpaarungen aus Keramik-Keramik (5,8 %), aus Keramik und konventionellem Polyethylen (9,3 %), aus Keramik und hochvernetztem Polyethylen (5,7 %) sowie aus Metall und konventionellem Polyethylen (8,9 %).

Aus den bislang vorliegenden Daten lässt sich damit insgesamt ableiten, dass qualitativ hochwertige MoM-Gleitpaarungen mit einer Kopfgröße ≤ 32 mm vergleichbar gute Standzeiten über mittel- bis langfristige Zeiträume aufweisen wie andere Gleitpaarungen. Allerdings stehen keine systematischen Untersuchungen zum möglichen Auftreten von Gewebeunverträglichkeiten auch bei kleinen MoM-Köpfen zur Verfügung.

MoM-Großkopf auf konventionellen Stielendoprothesen

Frühe positive Erfahrungsberichte [24, 25, 26] und anfängliche Hinweise auf eine angeblich einfache Revision fehlgeschlagener Oberflächenersatzendoprothesen mittels stielbasierter Großköpfe unter Belassen der primären Pfannenimplantate [27, 28] schienen die zunächst euphorische Einschätzung dieser Implantate noch zu bestätigen. Mit den ersten Untersuchungsergebnissen aus teilweise randomisierten Studien, in welchen eine höhere Metallionenfreisetzung nachgewiesen wurde [11, 12], zeigten sich jedoch die potenziellen Nachteile. Sehr rasch folgten dann weitere Berichte über eine hohe Inzidenz von lokalen Gewebeunverträglichkeiten (Pseudotumoren ) und erhöhte Revisionsraten : So berichteten beispielsweise Bosker et al. [29] über das Auftreten von 42 Pseudotumoren bei insgesamt 107 computertomographisch untersuchten Patienten durchschnittlich 3,5 Jahre nach Implantation einer ReCap®-Großkopfprothese. Bolland et al. [10] beschrieben 31 erfolgte bzw. anstehende Revisionen in einer Serie von 185 Patienten durchschnittlich 5 Jahre nach Versorgung mit einer BHR®- bzw. ADEPT®-Großkopfprothese. Langton et al. [30] publizierten eine Revisionsrate von 6 % für ASR™-Großkopfprothesen nach durchschnittlich 3,5 Jahren mit Auftreten von Pseudotumoren in allen Fällen. Weiterhin stellten Meyer et al. [13] in einer vor kurzem erschienenen Publikation die histologischen Ergebnisse einer Serie von insgesamt 114 explantierten DUROM®-LDH®-Großkopfprothesen vor, die aus der Versorgung von insgesamt 650 Patienten (805 operierte Hüften) stammten. Die durchschnittliche Zeit bis zur Revisionsoperation hatte hier 46 Monate betragen. Die Autoren wiesen darauf hin, dass die histologischen Veränderungen bei diesen Patienten nicht den typischerweise nach MoM-Implantation auftretenden ALVAL-Reaktionen („aseptic lymphocyte vasculitis-associated lesion“) entsprachen [31], auch wenn die klinischen Veränderungen mit Osteolysen und Fremdkörperreaktion charakteristisch für eine abriebinduzierte Reaktion waren. Insgesamt scheint für die außergewöhnlich hohe Versagensrate von MoM-Großkopfprothesen eine Kombination von erhöhter Metallionenfreisetzung und Konusproblematik (Gefahr des „fretting“ am Konus bei vermehrter Reibung zwischen den Gleitpartnern) verantwortlich zu sein.

Die 10-Jahres-Revisionsrate von MoM-Gleitpaarungen mit einem Durchmesser von mehr als 32 mm lag im australischen Endoprothesenregister bei 20,3 % und damit um mehr als das 4-Fache über z. B. Keramik-Keramik-Gleitpaarungen mit vergleichbar großen Köpfen. Damit muss unabhängig vom Produkttyp grundsätzlich eine inakzeptabel hohe Revisionsrate für Großkopfimplantate angenommen werden.

Oberflächenersatz

Diesbezüglich gibt es mittlerweile erste Daten sowohl aus klinischen Studien als auch Registern, die eine Einschätzung der mittel- bis langfristigen Ergebnisse (zumindest 10 bis 12 Jahre) ermöglichen. In Abhängigkeit von verwendetem Implantat, Patientenalter bzw. -geschlecht und weiteren Kofaktoren liegen die in Anwendungsbeobachtungen berichteten 10-Jahres-Überlebensraten zwischen 87,0 und 95,5 % [32, 33, 34]. In einer eigenen Untersuchung der ersten 100 Anwendungen eines BHR®-Oberflächenersatzes an unserer Klinik fanden wir durchschnittlich 10 Jahre postoperativ eine Gesamtüberlebensrate von 88 % [35]. Diese Serie wies mit einem Unterschied von 93 % Gesamtüberleben für männliche Patienten und 84 % für weibliche Patienten auf eine mittlerweile von allen Autoren übereinstimmend berichtete Bedeutung des Geschlechts für die Indikationsstellung zu diesem Verfahren hin. Aufgrund eines nicht durchgeführten systematischen Screening [z. B. mittels Ultraschall oder MRT (Magnetresonanztomographie)] kann jedoch weder aus unserer eigenen Serie noch aus den genannten Langzeituntersuchungen der anderen Autoren eine Aussage zur Inzidenz möglicher Metallunverträglichkeiten bei asymptomatischen Patienten abgeleitet werden.

Die Ergebnisse für den Oberflächenersatz sind in Registern mit einer ausreichend hohen Anzahl dokumentierter Implantate durchweg etwas schlechter als für konventionelle Hüftendoprothesen: Im englischen Endoprothesenregister lag die Überlebensrate für den Oberflächenersatz 5 Jahre postoperativ bei 94 % im Vergleich zu 96–99 % für konventionelle Endoprothesen [36]. Die im australischen Endoprothesenregister zuletzt ausgewiesenen Ergebnisse für das Jahr 2012 belegten nach insgesamt 11 Jahren eine Revisionsrate von 9,5 % für den Oberflächenersatz gegenüber 7,2 % bei der konventionellen Hüftendoprothetik in Fällen mit primärer Koxarthrose. Auch hier bestätigte sich wieder der signifikante Unterschied zwischen den Geschlechtern, denn die Revisionsrate bei Frauen (16,9 %) war nahezu 3-mal so hoch wie die bei Männern (6,1 %).

Einen ebenso signifikanten Einfluss auf das Implantatüberleben scheint die Kopfgröße zu haben: Während Implantate mit einem Durchmesser ≥ 50 mm Revisionsraten von unter 5 % aufweisen, liegen diese bei Implantatgrößen ≤ 49 mm über 12 %. Die Ergebnisse im australischen Endoprothesenregister hängen zudem vom Implantattyp ab, denn es fanden sich Revisionsraten in einer Spannbreite zwischen 5,1 % nach 7 Jahren für den BHR®-Oberflächenersatz und 23,4 % für den ASR®-Oberflächenersatz. Die ausgesprochen schlechten Ergebnisse für Letzteren im Vergleich zu anderen Oberflächenersätzen wurden auch in klinischen Studien beschrieben [37], weshalb diese Prothese mittlerweile vom Hersteller zurückgerufen wurde. Hier scheinen Designmerkmale (u. a. ein zu niedriger „functional articular arc“) für das schlechte Abschneiden verantwortlich gewesen zu sein.

Zusammengefasst weisen die Daten aus klinischen Studien und Registern für männliche Patienten nach Versorgung mit bewährten Oberflächenersatzimplantaten vergleichbar gute 10-Jahres-Ergebnisse auf wie nach Implantation konventioneller Endoprothesen. Es muss jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass bei diesen Ergebnissen bislang das mögliche Auftreten metallassoziierter Nebenwirkungen (Pseudotumoren usw.) nur teilweise berücksichtigt ist. Eine abschließende Bewertung des Oberflächenersatzes ist deshalb erst dann möglich, wenn umfangreichere Daten zur Häufigkeit dieser Probleme auch bei nichtsymptomatischen Kollektiven vorliegen.

Mögliche Risiken und Nebenwirkungen

Bei der klinischen Anwendung von MoM-Gleitpaarungen sind neben allgemeinen operationsbedingten Risiken , wie sie auch für andere Implantate gelten, insbesondere die lokalen und systemischen Risiken der Metallexposition zu diskutieren. Wie oben bereits ausgeführt, ist die Implantation von MoM-Prothesen zwangsweise mit einer mehr oder minder starken Freisetzung metallischer Produkte (v. a. Partikel und Ionen sowie metallorganische Produkte) verbunden. Die freigesetzten Metallpartikel sind üblicherweise nur zwischen 20 und 90 nm groß und können deshalb entweder über den Urin ausgeschieden oder auch leicht über Körperflüssigkeiten in Lymphknoten, Knochenmark und innere Organe weiter transportiert werden, wo eine Akkumulation möglich ist. Aufgrund einer verhältnismäßig großen Oberfläche und ihrer großen Zahl (etwa 1000-fach größere Partikelzahl/g Gewebe als bei Polyethylengleitpaarungen) kommt es zu einer regelmäßigen Erhöhung von Metallionenkonzentrationen im Körper. Deshalb erfolgt deren Messung als Surrogatparameter für die Einschätzung einer systemischen Metallbelastung.

Lokale Risiken

Als lokale Gewebeantwort auf die Freisetzung von Metallionen bzw. Abriebpartikeln und metallorganischen Produkten kann es zu sehr unterschiedlichen Reaktionen kommen. Diese wurden in den vergangenen Jahren von mehreren Autoren beschrieben und mit unterschiedlichen Namen belegt: Dazu gehören die Begriffe ALVAL [31], Metallose, Pseudotumor [38] und Metallallergie. Sie beschreiben z. T. ähnliche, z. T. unterschiedliche klinische bzw. histologische Reaktionen und werden mittlerweile unter dem Oberbegriff ARMD („adverse reaction to metal debris“) zusammengefasst [39]. Aufgrund einer häufig beobachteten perivaskulären Lymphozyteninfiltration (Abb. 3) und entsprechender Anreicherung von Plasmazellen wird angenommen, dass die Freisetzung von Ionen bzw. Partikeln aus MoM-Gleitpaarungen zu immunologischen Reaktionen führt, die eine zellvermittelte Hypersensitivität auslösen können.

Die klinischen Befunde können von einer milden Verfärbung der Gelenkkapsel über lokale Flüssigkeitsansammlungen bis zu mehr oder weniger ausgeprägter Gewebedestruktion mit periprothetischen Osteolysen und großen Bursen oder tumorähnlichen Weichteilbefunden (Pseudotumoren) reichen (Abb. 4, Abb. 5, Abb. 6). Mittlerweile wurde im Rahmen systematischer Untersuchungen mit verschiedenen bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Computertomographie, artefaktreduzierte MRT) versucht, eine Aussage zur Häufigkeit dieser Gewebereaktionen zu machen. Da die methodischen Ansätze aber sehr unterschiedlich sind (z. B. Untersuchung symptomatischer Patienten vs. Screening bei asymptomatischen Patienten nach MoM-Gelenkersatz, verschiedene Implantate und Implantatgrößen, weite Spanne der Nachuntersuchungszeiträume), sind auch die Ergebnisse – wie zu erwarten – heterogen. Die beschriebene Häufigkeit beobachteter Gewebeveränderungen reicht für Großkopfprothesen und den Oberflächenersatz vom fehlendem Nachweis bis zu einer Pseudotumorinzidenz von 61 % [40, 41, 42, 43]. Für Kleinkopfprothesen existieren Berichte über lokale Gewebeveränderungen allenfalls im Rahmen von Kasuistiken. Es liegt jedoch keine Evidenz aus systematischen Beobachtungsstudien vor, die auf eine erhöhte Rate an Pseudotumoren bei diesen Implantaten schließen lässt. Im Hinblick auf die deutlich längere Nutzungszeit dieser Prothesen verglichen mit Großkopfprothesen bzw. Oberflächenersatz scheinen für Kleinkopfprothesen keine klinisch relevanten Probleme in dieser Hinsicht zu bestehen. Letztlich ist deshalb bis heute das tatsächliche Risiko des Auftretens einer ARMD bei bewährten Implantaten, die in korrekter Stellung eingebracht waren, unklar.

Abb. 3
figure 3

Histologisches Bild [Hämatoxylin-Eosin-Färbung (HE-Färbung)] einer perivaskulär lokalisierten Lymphozytenakkumulation im periartikulären Gewebe nach Explantation eines MoM-Oberflächenersatzes

Abb. 4
figure 4

Unterschiedliche Formen einer möglichen Gewebeantwort auf Metallprodukte nach Implantation von MoM-Endoprothesen: a Verfärbung der Gelenkkapsel ohne weitergehende Destruktion, b Flüssigkeitsansammlung, c,d unterschiedlich stark ausgeprägte Ausbildung von sog. Pseudotumoren mit Gewebezerstörung

Abb. 5
figure 5

Computertomographischer Nachweis eines sog. Pseudotumors ventral des rechten Schenkelhalses ohne knöcherne Beteiligung

Abb. 6
figure 6

Röntgenaufnahme (a) und computertomographische Darstellung (b) einer Osteolyse im Pfannendach 10 Jahre nach Oberflächenersatz bei einer Patientin

Von besonderer Bedeutung ist die Korrelation zwischen der Höhe gemessener Metallionenkonzentrationen und dem Auftreten von lokalen Gewebeveränderungen bzw. schlecht funktionierenden MoM-Endoprothesen. Dazu gibt es mittlerweile mehrere Erhebungen [30, 37, 41, 42, 44, 45, 46]. Abb. 7 zeigt die Streubreite der gemessenen Metallionenspiegel und die Schwierigkeit, daraus entsprechende Cut-off-Level (Grenz- bzw. Schwellenwerte ) für ein gutes oder schlechtes postoperatives Ergebnis abzuleiten. Die Differenzierung zwischen gutem und schlechtem Ergebnis erfolgte in den jeweiligen Studien unterschiedlich und basierte z. T. auf klinischen Daten (Algofunktion bzw. Zufriedenheit) bzw. bildgebenden Verfahren. In ersten Untersuchungen wurde versucht, einen Cut-off-Level für das Auftreten lokaler Unverträglichkeiten zu definieren: Van der Straeten et al. [46] gaben diesen mit 4,0 µg/l Kobalt im Serum und Hart et al. [44] mit 4,97 ppb Kobalt an. Sensitivität und Spezifität dieser Angaben sind jedoch sehr unterschiedlich und belegen die Schwierigkeit, einen konkreten Messwert als Surrogatparameter für das Prothesenversagen zu benennen.

Abb. 7
figure 7

Verteilung der in verschiedenen Untersuchungen gemessenen Kobaltspiegel bei Patienten mit gut bzw. schlecht funktionierenden Metallgleitpaarungen, Malek (2012) Malek et al. [47], Straeten (2012) Van der Straeten et al. [46], Hart (2011) Hart et al. [44], Matthies (2011) Matthies et al. [42], Langton (2011) Langton et al. [37], Kwon (2011) Kwon et al. [45], Langton (2010) Langton et al. [30], Kwon (2010) Kwon et al. [41], MRT Magnetresonanztomographie, US Ultraschall

Systemische Risiken

Zu den potenziellen systemischen Risiken einer chronischen Chrom- und Kobaltexposition nach Implantation metallhaltiger Endoprothesen und Gleitpaarungen gehören Toxizität, Kanzerogenität und Teratogenität. Insgesamt ist die Datenlage hierzu leider noch relativ spärlich, sodass eine Einschätzung des tatsächlichen Gefährdungspotenzials extrem schwierig ist.

Toxizität

Kobalt und Chrom können bei Überdosierung toxische Wirkungen aufweisen, wobei für Chrom nur die 3- (Cr-III) und 6-wertigen (Cr-VI) Verbindungen bedeutsam sind. Beide Spurenelemente werden überwiegend über die Niere ausgeschieden (weshalb eine Niereninsuffizienz eine grundsätzliche Kontraindikation für MoM-Gleitpaarungen darstellt). Aus dem arbeitsmedizinischen Bereich gibt es Berichte zur toxischen Wirkung nach Inhalation [48, 49, 50]. Darüber hinaus werden bei chronischer Exposition mögliche Ablagerungen bzw. Schäden in Herz, Leber, Nieren und Gehirn diskutiert.

Die Datenlage zu entsprechenden Problemen bei MoM-Prothesen ist noch überschaubar. In einigen Querschnittuntersuchungen stellten unterschiedliche Arbeitsgruppen auch nach längeren Standzeiten keine Einschränkung der Nierenfunktion fest [16, 51, 52, 53]. Selbst im Rahmen der kasuistischen Beschreibung von 5 Patienten mit chronischem Nierenversagen und MoM-Endoprothesen konnten nur leicht erhöhte Kobaltkonzentrationen bei normalen Chromwerten gefunden werden, ohne dass die Patienten weitere Schäden aufgewiesen hätten [54]. Zu anderen möglichen systemischen Folgewirkungen fehlen noch notwendige Studien mit adäquater Methodik. Deshalb lässt sich die tatsächliche Relevanz der Toxizität von Metallprodukten bei MoM-Gleitpaarungen derzeit nicht überblicken.

Kanzerogenität

Ein intensiv diskutiertes Risiko ist die potenzielle Kanzerogenität von metallischen Implantaten. Vor allem für Cr-VI-Verbindungen ist ein entsprechendes Potenzial bekannt, allerdings bezieht sich dies v. a. auf die Atemwege nach Inhalation.

Bei Hüftendoprothesenträgern sowohl mit als auch ohne MoM-Gleitpaarung sind chromosomale Aberrationen im peripheren Blut nachgewiesen [55]. Die wichtige Frage ist jedoch, ob sich diese Veränderungen auch in einer erhöhten Krebsrate manifestieren. Dazu gibt es mittlerweile erste Untersuchungen mit teilweise unterschiedlichen Ergebnissen: Nach einer Beobachtungszeit von 3,6 Jahren ergaben sich im finnischen Endoprothesenregister keine Hinweise auf eine erhöhte Krebsrate bei Patienten mit MoM-Gleitpaarung im Vergleich zu nicht metallhaltigen Endoprothesen bzw. der Normalbevölkerung [56]. Dieser relativ kurze Untersuchungszeitraum dürfte jedoch kaum geeignet sein, ein entsprechendes Risiko auszuschließen. In einer deutlich kleineren Kohorte von 579 Patienten mit MoM-Gleitpaarungen und 1585 Patienten mit Metall-PE-Gleitpaarungen, aber einem dafür aussagekräftigen Beobachtungszeitraum von 18 Jahren postoperativ konnten Visuri et al. [57] eine leicht erhöhte standardisierte Mortalitätsrate für MoM zeigen. Die Autoren wiesen aber bereits selbst auf die limitierte Aussagekraft ihrer Ergebnisse bei relativ kleiner Probandenzahl hin. Außerdem diskutierten sie einen möglichen Unterschied in der Freisetzungsrate metallischer Produkte zwischen historischen und modernen MoM-Gleitpaarungen. In einer weiteren Untersuchung [58] wertete diese Arbeitsgruppe große skandinavische Patientenkohorten mit insgesamt 73.000 Knie- und Hüftendoprothesenpatienten aus. Dort fanden sich keine erhöhten krebsbedingten Sterblichkeitsraten für metallhaltige Implantate. Eine interessante Beobachtung machen dagegen Wagner et al. [59], die bei einer Analyse des schwedischen Knieendoprothesenregisters über einen Zeitraum von 30 Jahren nachweisen konnten, dass die Träger von Knieendoprothesen eine erhöhte Krebsrate im Vergleich zur Normalbevölkerung aufweisen. Diese Ergebnisse lassen zumindest darüber nachdenken, ob nicht die Metallgleitpaarung per se, sondern bereits die alleinige Korrosion bei metallischen Implantaten, die häufig bei orthopädisch-unfallchirurgischen Eingriffen eingebracht werden, grundsätzlich ein gewisses Risiko für die Entstehung von Tumorerkrankungen bergen kann. Ob eine Gleitpaarung aus metallischen Partnern und der damit verbundene Abrieb dieses Gefahrenpotenzial noch erhöhen, ist bislang unbekannt. Insgesamt reichen also die vorliegenden Ergebnisse noch nicht aus, um eine fundierte Aussage zum besonders für MoM-Gleitpaarungen befürchteten Kanzerogenitätspotenzial zu treffen.

Teratogenität

Wenngleich eine potenziell fruchtschädigende Wirkung von Chrom und Kobalt bekannt ist, ergaben sich bislang keine Hinweise für tatsächlich aufgetretene Probleme im Zusammenhang mit MoM-Endoprothesen. Eine wesentliche Frage, ob metallische Produkte bei endoprothetisch versorgten Frauen im Rahmen einer Schwangerschaft die Plazentaschranke passieren können, wird kontrovers beantwortet. In 2 dazu bisher durchgeführten Untersuchungen [60, 61] wurde bei Neugeborenen zwar eine Metallpassage beobachtet, doch lagen die im Nabelschnurblut gemessenen Werte deutlich unter den mütterlichen Metallkonzentrationen. In einer weiteren Studie [62] konnte kein Nachweis von Metallionen bei Neugeborenen geführt werden. Einschränkend muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass in sämtlichen Untersuchungen an schwangeren Frauen bislang keine Fälle mit exzessiv hohen Metallspiegeln analysiert wurden und damit die Frage offen bleibt, ob es in einer solchen Situation zu einer Fruchtschädigung kommen könnte. Unabhängig davon wird heute grundsätzlich die Empfehlung ausgesprochen, bei Frauen im gebärfähigen Alter keine Endoprothesen mit MoM-Gleitpaarung zu implantieren.

Empfehlungen zu Nachuntersuchungen und zur Indikationsstellung

Aufgrund der beschriebenen Nebenwirkungen von MoM-Gleitpaarungen wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche und teils divergierende Empfehlungen zur Indikationsstellung und postoperativen Nachuntersuchung von Patienten publiziert [63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71]. Deshalb wurde im April 2012 durch eine internationale Expertengruppe unter Schirmherrschaft von EFORT („European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology“), Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik (AE) und Deutscher Arthrose-Hilfe e. V. versucht, die z. T. recht unterschiedlichen Empfehlungen unter Berücksichtigung der publizierten Datenbasis zu kondensieren. Das Ergebnis ist mittlerweile publiziert (Infobox 1).

Nachuntersuchungen

Neben einer Einschätzung über die gegenwärtige Evidenz zum Nutzen, zu den Risiken und Unsicherheiten von MoM-Gleitpaarungen sowie einer Empfehlung über eine angemessene Kommunikation mit Patienten, Ärzten und Interessenvertretern sowie noch notwendigem Forschungsbedarf ist in den oben angeführten Empfehlungen konkret angegeben, wie die Nachuntersuchung von Patienten nach einer stattgehabten Implantation von MoM-Gleitpaarungen erfolgen sollte. Zusammengefasst werden systematische Nachuntersuchungen für sämtliche Implantate empfohlen, wobei sich deren Intensität und Dauer am Implantattyp orientieren:

  • Kleine MoM-Kopfprothesen können aufgrund der annehmbar geringen metallassoziierten Risiken wie konventionelle Totalendoprothesen kontrolliert werden (regelmäßige klinisch-radiologische Nachuntersuchung), ohne dass zusätzliche Maßnahmen notwendig sind.

  • Für MoM-Großkopfprothesen sollte in Anbetracht der beschriebenen Problemhäufigkeit eine jährliche Nachuntersuchung selbst bei asymptomatischen Patienten erfolgen.

  • Beim Oberflächenersatz ist eine Untersuchung im jährlichen Rhythmus über die ersten 5 Jahre zu empfehlen, dann kann – bei Normalwerten für Metallionen und fehlenden Risikofaktoren – auf einen Untersuchungsrhythmus wie bei konventionellen Totalendoprothesen übergegangen werden.

Hinsichtlich der Metallionenkonzentrationen wird ein Bereich zwischen 2 und 7 µg/l Kobalt als derzeitiger Schwellenwert für zusätzliche Maßnahmen angesehen. Diese Einschätzung resultiert daraus, dass Kobalt als Surrogatparameter für eine systemische Belastung vermutlich ausreichend ist und Werte unter 2 µg/l ohne klinische Relevanz zu sein scheinen. Oberhalb eines Kobaltspiegels von 7 µg/l besteht jedoch nach derzeitigem Kenntnisstand eine relativ große Wahrscheinlichkeit für das Risiko einer Entwicklung lokaler bzw. systemischer Nebenwirkungen, die zu weitergehenden Maßnahmen Anlass geben können. Wo genau ein künftiger Schwellenwert im Bereich von 2–7 µg/l liegen wird, muss noch mittels geeigneter Untersuchungen ermittelt werden. Auch wenn eine Metallionenbestimmung zur Analytik in sämtlichen Geweben und Körperflüssigkeiten vorgenommen werden kann, empfiehlt sich derzeit die Messung von Kobalt als Referenzsubstanz im Vollblut. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass Metallionenmessungen in einem geeigneten Labor nach den entsprechenden Regeln einer internen bzw. externen Qualitätskontrolle durchgeführt werden.

Der Volltext für die Empfehlungen zur Handhabung von Metall-Metall-Gleitpaarungen ist im Internet abrufbar (Infobox 1).

Indikation für MoM-Gleitpaarungen

Mehrere internationale wissenschaftliche Gesellschaften und Institutionen raten mittlerweile von der Indikationsstellung zum Einsatz von MoM-Großkopfprothesen aufgrund der hohen Nebenwirkungsrate ab (Tab. 1). Eine generelle Ablehnung der Indikationsstellung für die Implantation von MoM-Kleinkopfprothesen bzw. Oberflächenersatz wird dagegen bislang nur sehr vereinzelt ausgesprochen, und die allermeisten Institutionen raten zur Sammlung weiterer Daten vor einer endgültigen Stellungnahme.

Tab. 1 Aktuelle Stellungnahmen zur Indikation für Gelenkersatz mit metallischen Gleitpaarungen

Aufgrund der bislang vorliegenden Daten sollte jedoch die Indikation für eine Versorgung mit Oberflächenersatzimplantaten auf Patienten ohne Risikofaktoren (u. a. männliches Geschlecht, adäquate Kopfgröße und Knochenqualität, mittleres Lebensalter) begrenzt bleiben und diese durch erfahrene Operateure vorgenommen werden. In Anbetracht der beschriebenen potenziellen Nebenwirkungen ist es zudem unabdingbar, dass vor der geplanten Implantation von MoM-Gleitpaarungen jeder Patient umfassend mündlich und schriftlich über Nutzen, Risiken, Unsicherheiten sowie die postoperativ empfohlenen Untersuchungen informiert wird.

Forschungsbedarf

Da viele Fragen im Zusammenhang mit den klinischen Ergebnissen und möglichen Nachteilen von MoM-Gleitpaarungen noch ungeklärt sind, besteht weiterhin enormer Forschungsbedarf. Dieser betrifft ganz unterschiedliche Fragestellungen und reicht von der Klärung der tatsächlichen Art bzw. Häufigkeit möglicher Nebenwirkungen bis hin zu den sich daraus für Patienten ergebenden Konsequenzen für eine entsprechende Nachsorge (eine Auflistung findet sich im Rahmen der genannten Konsensempfehlungen, Infobox 1).

Der Klärungsbedarf ergibt sich auch aus der Tatsache, dass nicht nur mit MoM-Gleitpaarungen, sondern einer Anwendung der allermeisten derzeit verfügbaren Implantate in Orthopädie und Unfallchirurgie (also auch Osteosynthesematerialien, Wirbelsäulenfixateure, sonstige Endoprothesen usw.) metallische Produkte freigesetzt werden, deren Schädigungspotenzial ebenfalls noch weithin unbekannt ist.

Fazit für die Praxis

  • Grundsätzlich bergen die aus allen MoM-Implantaten freigesetzten Metallprodukte das Risiko lokaler und systemischer Nebenwirkungen.

  • Die tatsächliche Häufigkeit und klinische Relevanz dieser Probleme sind insgesamt noch umstritten, doch beeinflussen implantat- bzw. operationsbedingte Risikofaktoren das Ausmaß der Freisetzung.

  • Kleinkopfprothesen (maximaler Durchmesser bis 32 mm) und Subgruppen beim Oberflächenersatz (männliche Patienten mit geeigneter Knochenform im mittleren Lebensalter) können gute Langzeitresultate aufweisen.

  • Wegen allgemein schlechter Ergebnisse wird inzwischen vom Einsatz gestielter Großkopfprothesen (Durchmesser ab 36 mm) abgeraten.

  • Bei Frauen im gebärfähigen Alter und bei Niereninsuffizienz sind MoM-Gleitpaarungen grundsätzlich kontraindiziert.

CME-Fragebogen

Welcher Faktor hat einen Einfluss auf die Überlebensrate bei Oberflächenersatzendoprothetik?

Es gibt keinen geschlechterspezifischen Unterschied.

Prothesen mit einer Kopfgröße über 50 mm haben eine signifikant höhere Überlebensrate.

Prothesendesign und Herstellungsverfahren haben keinen Einfluss auf die Überlebensrate.

Eine Pfanneninklination unter 50 ° sollte vermieden werden.

Besonders Prothesen mit einem geringen „functional articular arc“ haben gute Langzeitergebnisse.

Welchen Vorteil hat die Oberflächenersatzendoprothetik möglicherweise im Vergleich zur Versorgung mit konventionellen Endoprothesen?

Geringere Luxationsrate

Besserer Bewegungsumfang

Einfacher Wechsel bei Schenkelhalsfraktur auf einen Schaft mit Großkopf-MoM-Gleitpaarung unter Erhalt der alten Pfanne

Knochensparend auf azetabulärer Seite

Bessere Standzeit

Welche Empfehlung zur Nachsorge von MoM-Gleitpaarungen trifft zu?

Kleine MoM-Kopfprothesen sollten jährlich durch Blutabnahmen mit Bestimmung der Kobaltkonzentration im Vollblut nachuntersucht werden.

Bei Großkopfprothesen kann nach 5 Jahren auf einen Untersuchungsrhythmus wie bei konventionellen Totalendoprothesen übergegangen werden.

Eine Konzentration unter 10 µg/l Kobalt gilt als unauffällig und muss nicht weiterverfolgt werden.

Beim Nachweis einer erhöhten Metallionenkonzentration ist die Röntgenkontrolle zum Ausschluss von Osteolysen, einer Prothesenlockerung oder einer Verschmälerung des Schenkelhalses als weitere Diagnostik ausreichend.

Bei deutlich erhöhten Metallionenwerten sollte eine Schnittbilddiagnostik durchgeführt werden.

Ein Patient stellt sich zur Nachkontrolle bei bestehenden Beschwerden mit einer MoM-Großkopfendoprothese in Ihrer Praxis vor. Bei der Bestimmung der Metallionenkonzentration zeigt sich ein Wert von 15 µg/l Kobalt im Blut. Wie sollte sich das weitere diagnostische Vorgehen gestalten?

Sofortige Bestimmung des Kreatininwerts zum Ausschluss einer Niereninsuffizienz, da bei dieser die Metallionenwerte regelmäßig erhöht sind

Durchführung einer Skelettszintigraphie, um mögliche Lockerungszeichen festzustellen

Durchführung eines Schnittbildverfahrens mittels MRT oder CT zum Ausschluss von ARMD

Die Metallionenwerte haben in den ersten Jahren nach Implantation einer MoM-Gleitpaarung wegen der „running in phase“ keine Aussagekraft, eine weitere Kontrolle ist aus diesem Grund nicht nötig.

Halbjährliche Nachuntersuchung mit Röntgen und Bestimmung der Metallionenkonzentration, um einen steigenden Trend zu bemerken

Welche Aussage zu Metallpartikeln bei MoM-Paarungen trifft zu?

Der volumetrische Abrieb entspricht dem Abrieb einer Metall-Polyethylen-Gleitpaarung.

Metallpartikel befinden sich nur periartikulär und werden nicht systemisch transportiert.

Sie können eine zellvermittelte Hypersensitivität auslösen.

Es gibt eindeutig definierte Grenzwerte, die immer auf ein Prothesenversagen hinweisen.

Aufgrund der hohen Kongruenz bei MoM-Gleitpaarungen sind die Reibung und deswegen auch die Anzahl der freigesetzten Partikel im Verhältnis zu anderen Gleitpaarungen geringer.

Welches Kriterium gilt nicht als Ausschlusskriterium für eine MoM-Gleitpaarung (insbesondere für die Oberflächenersatzendoprothese)?

Frau im gebärfähigen Alter

Patient mit Niereninsuffizienz

Junger männlicher Patient

Patient mit bereits vorhandener MoM auf der kontralateralen Seite und bereits leicht erhöhten Metallionenwerten

Patient mit schlechter Knochenqualität

Welche Schlussfolgerung kann nach Analyse der Prothesenregister und bisherigen Studien getroffen werden?

Das australische Prothesenregister zeigte eine deutlich erhöhte Revisionsrate für alle MoM-Gleitpaarungen unabhängig vom Durchmesser.

MoM-Kleinkopfgleitpaarungen zeigen bessere Ergebnisse als MoM-Großkopfgleitpaarungen.

Frauen und Männer zeigen gleich hohe Revisionsraten beim Oberflächenersatz.

Die Revisionsrate bei MoM-Gleitpaarungen mit Großkopf ist im Vergleich zu einer Keramik-Keramik-Gleitpaarung nur gering erhöht und kann aufgrund des verringerten Luxationsrisikos vernachlässigt werden.

Bei MoM-Kleinkopfgleitpaarungen existiert grundsätzlich kein Risiko für die Entwicklung einer Metallunverträglichkeit.

Welche Aussage zu ARMD („adverse reaction to metal debris“) trifft nicht zu?

Die Freisetzung von Ionen bzw. Partikeln aus MoM-Gleitpaarungen kann zu immunologischen Reaktionen führen, die eine zellvermittelte Hypersensitivität auslösen können.

Begriffe wie ALVAL, Metallose, Pseudotumor und Metallallergie werden inzwischen unter dem Oberbegriff ARMD zusammengefasst.

Klinisch können sich z. B. Verfärbungen der Gelenkkapsel, lokale Flüssigkeitsansammlungen, Gewebedestruktion, periprothetische Osteolysen, große Bursen oder tumorähnliche Weichteilbefunde zeigen.

Die bis jetzt durchgeführten Nachuntersuchungen zeigen eine starke Heterogenität bei der Inzidenz von Pseudotumoren.

Der magnetresonanztomographische Nachweis einer ARMD kann auch mittels Routinetechniken ohne Artefaktreduktion geführt werden.

Welche Aussage zu den systemischen Risiken bei MoM-Gleitpaarungen trifft zu?

MoM-Gleitpaarungen können auch bei Patienten mit chronischem Nierenversagen implantiert werden, da mehrere Arbeitsgruppen auch nach längeren Standzeiten keine Einschränkung der Nierenfunktion fanden.

Bei MoM-Endoprothesenträgerinnen im gebärfähigen Alter besteht grundsätzlich kein Risiko einer Teratogenität.

Bereits in kurzzeitigen Nachuntersuchungen konnte eine eindeutig erhöhte Krebsrate bei Patienten mit MoM-Gleitpaarungen festgestellt werden.

Im schwedischen Endoprothesenregister konnte im Zeitraum von 30 Jahren bei Trägern von Knieendoprothesen eine leicht erhöhte Krebsrate im Vergleich zur Normalbevölkerung festgestellt werden.

Für MoM-Gleitpaarungen konnte in prospektiven Studien ein höheres Kanzerogenitätspotenzial als bei anderen metallischen Implantaten nachgewiesen werden.

Welcher Surrogatparameter zur Einschätzung der Metallionenbelastung wird durch die Expertengruppe, die sich im April 2012 unter der Schirmherrschaft von EFORT, AE und Deutscher Arthrose Hilfe e. V. traf, empfohlen?

Molybdän im Serumblut

Kobalt im Vollblut

Chrom im Serumblut

Nickel im Vollblut

Kobalt im Serumblut