Epidemiologie

Häufigkeit der Komplikationen

Die Luxation ist eine der häufigsten Komplikationen nach endoprothetischem Hüftgelenkersatz. Die Inzidenz liegt zwischen 0 und 5 % nach Primärversorgungen und zwischen 5 und 20 % nach Revisionseingriffen [14, 23, 25, 33].

Die Auswertung großer Studienpopulationen und Endoprothesenregister dokumentiert eine höhere Luxationsrate als die Nachuntersuchung kleinerer Studienkollektive. Die Abnahme der Luxationsrate in neueren Arbeiten scheint multifaktoriell zu sein. Erfolgsfaktoren sind die Optimierung der endoprothetischen Versorgung durch die Anwendung minimal-invasiver Zugangstechniken, die Rekonstruktion der Außenrotatoren nach hinterem Zugang und die zunehmende Berücksichtigung der Zusammenhänge zwischen Gelenkgeometrie und der gelenkumgreifenden Muskulatur. Zirka die Hälfte aller Hüfttotalendoprothesen(TEP)-Luxationen tritt als Frühluxation innerhalb der ersten 3 Monate postoperativ auf und mehr als 75 % ereignen sich innerhalb des 1. Jahres. Frühluxationen haben im Vergleich zu Spätluxationen ein geringeres Rezidivrisiko. Rezidivierende Luxationen gehören mit 13–24 % der Revisionen zu den häufigsten Gründen für HTEP-Revisionen [4]. Innerhalb der ersten 2 Jahre postoperativ ist die HTEP-Luxation die häufigste Ursache für eine Revisionsoperation [5].

Die Erfolgsraten der Revisionsoperationen nach HTEP-Luxationen werden in Abhängigkeit von der Ätiologie mit 60–70 % angegeben [2, 8, 17]. Das genaue Verständnis des Krankheitsbildes „HTEP-Luxation“ sowie ein standardisiertes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen sind daher essenziell.

Risikofaktoren für eine Luxation

Man unterscheidet indikations- und patientenspezifische sowie operationsassoziierte Faktoren. Indikations- [25, 33] und patientenspezifische [10, 25, 33] Risikofaktoren sind in Infobox 1 und Infobox 2 aufgelistet.

Operationsspezifische Ursachen

Die Auswahl und die Positionierung der Implantate, die Rekonstruktion der Gelenkgeometrie sowie der Erhalt der periartikulären Muskulatur haben essenzielle Bedeutung für die Gelenkstabilität [3, 10, 12, 21]. Für die Pfannenpositionierung lässt sich anhand der Literaturdaten keine optimale Ausrichtung festlegen. Die Publikation, nach der die sog. „safe zone“ hinsichtlich einer Luxation bis heute überwiegend definiert ist, stützt sich nur auf eine beschränkte Fallzahl. Die Zielbereiche bzgl. Pfanneninklination und Anteversion sind dort mit 30–45° bzw. 10–20° angegeben [13]. Diese Zielbereiche weichen jedoch v. a. hinsichtlich des Pfannenöffnungswinkels deutlich vom nativen Gelenk ab [30], wodurch nach künstlichem Hüftgelenkersatz innerhalb dieses Bereichs vermehrt mit einem Implantatimpingement gerechnet werden muss und der Bereich der individuellen optimalen Positionierung ggf. abweicht [7].

Im Gegensatz dazu muss die Pfannenposition mit dem größtmöglichen, impingementfreien Bewegungsradius nicht die beste hinsichtlich Luxationssicherheit sein, da nicht nur das Impingement eine Luxationsursache darstellt.

Die Individualität der muskuloskelettalen Beckenanatomie erfordert immer die intraoperative Testung.

Die Pfannenpositionierung wird u. a. auch durch die Wahl des Zugangs maßgeblich mit beeinflusst. So wird beispielsweise bei der Verwendung eines hinteren Zugangs – insbesondere in der Revisionssituation – neben der exakten Rekonstruktion der kleinen Außenrotatoren bei der Pfannenpositionierung eine um 10° höhere Anteversion empfohlen, um so den möglichen Luxationsweg „zu verlegen“. Umgekehrt gilt bei der Verwendung vorderer Zugänge eine Anteversion von größer 20° im Einzelfall bereits als luxationswahrscheinlich, insbesondere bei Verwendung anatomischer Schäfte mit integrierter Anteversion. Die Summe der Antetorsion und Anteversion von Schaft und Pfanne sollte nach Widmer < 37° sein [34].

Infobox 3 zeigt die operationsspezifischen Risikofaktoren für eine HTEP-Luxation.

Ätiologie

Es existieren 2 prinzipiell unterschiedliche Mechanismen, welche zu einer HTEP-Luxation führen können:

  • Heraushebeln des Hüftkopfs aus der Hüftpfanne durch Impingement zwischen Prothesen- und/oder Knochenstrukturen (Implantatwahl und [Fehl-]Positionierung, selten Impingement durch Weichteile [15]).

  • Exzessive femorale Translationsinstabilität durch mangelnde Spannung der pelvitrochantären Weichteile, v. a. der pelvitrochantären Muskulatur [2].

Diese Mechanismen können alleine oder in Kombination auftreten. Faktoren, welche die Kongruenz der Gelenkpartner herabsetzen (Gelenkerguss, Abrieb der Gelenkpartner), begünstigen die oben genannten Luxationsmechanismen.

Einteilung der Hüftgelenkluxationen

Nach dem Zeitpunkt des Auftretens der HTEP-Luxation werden Frühluxationen innerhalb der ersten postoperativen 3 Monate von Spätluxationen unterschieden. Zur eindeutigen Zuordnung des ursächlich zugrunde liegenden Pathomechanismus und den daraus abzuleitenden Behandlungsalgorithmen modifizierten wir den Einteilung nach Wera et al. [32] und wenden in der klinischen Routine die Charité-Klassifikation an (Tab. 1; [26]).

Tab. 1 Einteilung der Luxationen nach der Charité-Klassifikation

Die meisten HTEP-Luxationen entsprechen dem Typ I; besonders bei Frühluxationen ist meist eine Implantatfehlstellung zu finden. Es gilt eine Lockerung mit konsekutiver Implantatpositionsänderung auszuschließen bevor die Implantatorientierung mittels Röntgen, Bildwandleruntersuchung und (Rotations-)CT beurteilt wird.

Der Typ II spielt in der Revisions- und Tumorendoprothetik eine herausragende Rolle, weil durch erweiterte Zugänge, umfangreiche Resektionen und wiederholte Gelenkexposition die gelenkumgebenden Weichteile meist vermehrt geschädigt sind. Nach primärer Prothesenimplantation kann auch eine inkorrekte Rekonstruktion der Gelenkgeometrie mit stark verschobenen Hebelarmverhältnissen zu einer konsekutiven pelvitrochantären Insuffizienz mit der Möglichkeit zur exzessiven Translation führen.

Einen Sonderfall des Typ II kann die Erstluxation innerhalb von 3 Monaten nach HTEP-Implantation und nach erfolgtem Ausschluss von Typ I und III, vor dem Hintergrund einer (noch reversiblen) postoperativ protrahiert verlaufenden Weichteilregeneration darstellen.

Der Typ III ist bedingt durch moderne Prothesendesigns und der meist großen Kopf-Hals-Ratio inzwischen sehr selten. Ein Impingement infolge einer Implantatfehlstellung wird dem Typ I zugeordnet.

Typ-IV-Luxationen sind meist Spätluxationen infolge eines Infekts oder verstärkten Abriebs.

Typ-V-Luxationen treten oft bei umfangreichen knöchernen wie weichteiligen Defekten nach multiplen Revisionen auf, ggf. kombiniert mit einem Infekt und/oder Prothesenverschleiß.

Diagnostik

Der nachstehend aufgelistete Basisalgorithmus sollte zur Ursachenfindung eingehalten werden:

Basisdiagnostik im Zuge der Erstversorgung:

  • Röntgendiagnostik in 2 Ebenen,

  • Evaluation patienten- und operationsspezifischer Risikofaktoren,

  • Durchführung von Labortests zum Ausschluss einer Infektion (höhere Luxationswahrscheinlichkeit bei periprothetischen Infekten),

  • geschlossene Reposition unter Bildwandler und gleichzeitige Evaluation

    • der Kongruenz zwischen Kopf und Inlay bzw. Pfanne,

    • eines Heraushebelns in bestimmten Gelenkstellungen,

      • ggf. durch ein Prothesen- und/oder Knochenimpingement,

      • ggf. durch Malrotation/Lockerung des Prothesenschafts,

    • der Möglichkeit einer exzessiven femoralen Translation,

  • bei fehlender klarer Luxationsursache gleichzeitige Punktion.

Erweiterte Diagnostik:

  • Beurteilung der Implantatpositionierung mittels (Rotations-)CT,

  • Beurteilung der muskulären Situation durch die MRT,

  • dynamische Bildwandleruntersuchung.

Röntgen und CT (Typ I, III, IV)

Röntgenbilder in 2 Ebenen (Becken a.p., Hüfte im lateralen Strahlengang) sind initial zum Ausschluss von Frakturen und Lockerungen anzufertigen. Das Rotations-CT inkl. des Kniegelenks ermöglicht die dreidimensionale Beurteilung der Komponenten. Folgende Parameter werden erhoben:

  • Pfannenposition (Inklination und Anteversion, Abb. 1),

  • Schaftposition (Ante- bzw. Retrotorsion, Sagittalverkippung),

  • Vorliegen einer Lockerung,

  • Frakturen (des Trochanter major, des Femurschafts),

  • Centrum-Collum-Diaphysen(CCD)-Winkel, Kopf-Hals-Ratio, Verwendung eines überhöhten Inlays,

  • Abrieb,

  • Weichteilimbalance (Adduktion und Außenrotation des Femurs).

Abb. 1
figure 1

Typ-I-Luxation. a Rezidivierende Luxation des rechten Hüftgelenks im Zustand nach zementfreier HTEP-Implantation und Pfannenrevision unter Verwendung eines posterior überhöhten Inlays und eines abgewinkelten Kopfs. b Im CT nachgewiesene verminderte Anteversion (ca. 10°) der Pfannenkomponente. c Revision und Reorientierung der Pfanne mit adaptierter Anteversion. HTEP Hüfttotalendoprothese

Eine sagittale Verkippung des Schafts („sagittal tilt“) um 2° nach vorn erhöht die reelle Antetorsion gegenüber der intraoperativ gemessenen von 15 auf 20° [18]. Nach erfolgter Reposition und Remobilisation wird der Abrieb in der Beckenübersichtsaufnahme im Stand bestimmt.

Weiterhin muss die unterschiedliche Beckenkippung in stehender und liegender Position berücksichtigt werden; besonders Patienten mit versteiftem lumbosakralem Übergang weisen eine geringere Beckeninklination im Stehen auf, während Patienten mit initial dysplastischer Hüftgelenkanatomie häufig eine begleitende Horizontalisierung des Kreuzbeins mit stärkerer Kippung des Beckens im Stehen aufweisen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

a Typ-I-Luxation bei steil stehender Pfanne. Die Revision zeigte eine knöchern integrierte Pfanne ohne wesentliches muskuläres Defizit. b Revision durch Pfannenwechsel und Implantation mit flacherem Inklinationswinkel. Beachte die unterschiedliche Beckenkippung in der Liegend- (a, links) bzw. Stehendaufnahme (b, rechts), erkennbar an der unterschiedlichen Projektion der Foramina obturatoria. (Adaptiert aus [26], mit freundl. Genehmigung des Thieme-Verlags)

MRT (Typ II, IV)

In der MRT kann die pelvitrochantäre Muskulatur hinsichtlich Volumen und pathologischen Strukturveränderungen (Verfettung, Desinsertion, Weichteilimpingement) beurteilt werden [19].

Eine komplette fettige Degeneration der Muskulatur ist Hinweis auf eine (partielle) Schädigung des N. glutaeus superior. Eine partielle fettige Degeneration findet sich oft bei biomechanisch inadäquat beanspruchter Muskulatur. Die Desinsertion am Trochanter ist meist iatrogen bedingt und zeigt im Frühstadium einen strukturell weitestgehend unauffälligen Muskelbauch.

Bildwandler

In der dynamischen Bildwandleruntersuchung können Implantatfehlstellungen und v. a. auch Impingementsituationen mit entsprechendem Hebelmechanismus provoziert werden (Abb. 3 a, b, c).

Abb. 3
figure 3

Typ-III-Luxation. a Bei einer Patientin kommt es 3 Monate nach Primärimplantation zur Luxation infolge eines Knochen-Knochen-Impingements bei b ungünstiger Kopf-Hals-Ratio sowie Offsetverlust. c Revision und Lateralisierung der Pfannenkomponente mit Wechsel auf einen 36er Kopf

Darüber hinaus erlaubt die Bildwandleruntersuchung eine Einschätzung der funktionellen (In-)Suffizienz der pelvitrochantären Weichteilsituation. Die Möglichkeit, den Hüftkopf während der Bildwandleruntersuchung um mehr als 1 cm aus der Pfanne herausziehen zu können, weist auf eine pelvitrochantäre Insuffizienz hin. Frakturen des Trochanter major sind dabei auszuschließen (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Typ-II-Luxation. a Rezidivierende Luxation im Zustand nach Trochanterfraktur. b Wiederherstellung der Kontinuität der Abduktoren durch Zuggurtungsosteosynthese

Punktion

Die Hüftgelenkpunktion sollte bei Spätluxationen nach HTEP-Implantation zum Ausschluss eines periprothetischen Infekts und zur Abgrenzung gegenüber abriebbedingten Gelenkergüssen erfolgen. Das Punktat wird mikrobiologisch und zytopathologisch (Zellzahl, Anteil neutrophiler Granulozyten) untersucht.

Besonderheiten

Spätluxation

Es gilt der diagnostische Algorithmus wie bei Frühluxationen. Drei Punkte sind besonders hervorzuheben:

  • Spätluxationen sind in einem Drittel der Fälle mit Infektionen assoziiert. Eine komplette Infektdiagnostik ist obligat (C-reaktives Protein [CRP], Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit [BSG] und Leukozytenzahl, Punktion);

  • Spätluxationen treten bei Gelenkverschleiß (Abrieb) auf. Die radiologische Bewertung des Abriebs ist erforderlich;

  • Spätluxationen kann eine Implantatlockerung zugrunde liegen. Die Beurteilung der Verlaufsbilder sowie entsprechend weiterführende Untersuchungen (CT) sind unerlässlich.

Therapie

Reposition

Die initiale Therapie der HTEP-Luxation ist die Reposition. Diese erfolgt unter Bildwandlerkontrolle und ausreichender Analgesie des Patienten durch axialen Zug am Bein und der dem Luxationsmechanismus gegensätzlichen Bewegung. In den meisten Fällen muss die Reposition unter Narkose und Relaxation des Patienten vorgenommen werden.

Ein offenes Vorgehen ist indiziert, wenn das geschlossen Manöver nicht gelingt oder eine Implantatdislokation vorliegt (Kopf-Konus-Dislokation).

Konservative Strategien

Die konservative Therapie einer HTEP-Luxation nach Reposition erfolgt mittels Ruhigstellung durch eine Hüftgelenkorthese oder eines Becken-Bein-Gipses. Zur Dauer der Ruhigstellung gibt es keine Evidenz; die Empfehlungen lauten 6 Wochen für 24 h am Tag, eine durchgehende Ruhigstellung und danach Tragen der Orthese für weitere 6 Wochen während des Tags [20].

Bei schwierig einzuschätzender oder nicht ausreichender Compliance des Patienten ist aus unserer Sicht die Anlage eines Gips(Cast-)Verbands zu bevorzugen.

Prinzipiell ist die konservative Therapie nur dann indiziert, wenn ein auslösender, in Zukunft vermeidbarer Faktor gefunden werden kann (Sturz, sehr tiefe Hocke), oder individuelle, nicht abänderliche Risikofaktoren (neurologische und psychische Erkrankungen) ein operatives Vorgehen als nicht erfolgreich erscheinen lassen.

Bei einer Frühluxation und nach erfolgtem Ausschluss einer Typ-I- und -III-Luxation ist die konservative Therapie zur Unterstützung der Weichteilregeneration indiziert.

Operative Strategien

Die operativen Therapiestrategien ergeben sich aus der Einteilung der Luxationen entsprechend der zugrunde liegenden Ursache. Ab der 2. Luxation muss eine operative Revision unbedingt in Erwägung gezogen werden.

Typ-I-Luxationen

Therapie ist die Pfannen- und/oder Schaftrepositionierung entsprechend dem Luxationsmechanismus und der Luxationsrichtung. Pfannenseitig kann oft durch den Einsatz überhöhter Inlays und Inlays mit schräg verlaufender Pfanneneingangsebene die Gelenkstabilität bei geringer Eingriffsmorbidität verbessert werden (ältere Patienten, knöchern fest integrierte Pfannen, Abb. 1, Abb. 2).

In jedem Fall sind die erzielte Repostion und der Stabilitätsgewinn radiologisch und im Operationsbericht zu dokumentieren (Abb. 5; [34]).

Abb. 5
figure 5

a Periprothetische Infektion und azetabulärer Defekt links nach Primärimplantation. b Girdlestone-Anlage über einen transfemoralen Zugang. c Luxation nach Wiederaufbau mit Rekoring und zementierter PE-Pfanne, SLR-Schaft und 28er Kopf. d Wechsel der PE- auf eine tripolare Pfanne (PolarCup, S & N)

Typ-II-Luxationen

Das einfachste Vorgehen zur Erhöhung der Weichteilspannung ist die Vergrößerung des (kombinierten) Offsets. Dies kann durch Lateralschäfte, Kopfverlängerungen sowie lateralisierte Inlays erreicht werden. Weiter kann die „jumping distance“, der unmittelbare Luxationsweg des Kopfs aus der Pfanne, entweder durch einen großen Kopf (s. Typ-III-Luxation) oder am sichersten mit einer tripolaren Pfanne erhöht werden. Diese Strategien sind jedoch durch die physiologischen, muskuloskelettalen biomechanischen Zusammenhänge limitiert und können so nicht unbegrenzt angewendet werden (Abb. 4; [27]).

Zur Verbesserung der Weichteilspannung mittels Rekonstruktion der pelvitrochantären Strukturen stehen zur Verfügung:

  • die Kapselnaht,

  • die Reinsertion der abgelösten Muskulatur,

  • die Verwendung der sog. „Anbindungsschläuche“, die nach knöcherner Fixierung in die umgebenden Weichteile eingenäht werden können,

  • eine Faszienraffung bzw. -fixation am Trochanter major sowie

  • die Kombination dieser Verfahren.

    Die oben genannten Verfahren können zur Vergrößerung des Offsets mit den Techniken der Weichteilrekonstruktion kombiniert werden.

Das aus unserer Sicht bei diesem Luxationstyp derzeit effektivste Verfahren ist die Verwendung tripolarer Pfannen (Maximierung der Kopfgröße, „double mobility concept“, Abb. 5; [29]). Von 18 Patienten, bei denen diese Strategie gewählt wurde, beobachteten wir in einem Fall eine Reluxation. Die Verwendung dieser tripolaren Pfannen wird regional sehr unterschiedlich gehandhabt und stellt außer in Frankreich mangels größerer Literaturdaten fast überall eine „salvage procedure“ dar.

Ein ähnliches Konzept, die Vergrößerung des Kopf-Hals-Verhältnisses und damit des Bewegungsumfangs sowie der „jumping distance“ stellt die Verwendung von Duokopfprothesen (femoral bipolar) dar. Literaturdaten bestätigen hier gute Ergebnisse hinsichtlich Reluxation (19 % nach 2 Jahren bei komplexen Fällen [24]), dokumentieren jedoch auch häufig Schmerzzustände und funktionelle Einschränkungen. Auch dieses Verfahren stellt somit ein Reserveverfahren für Patienten mit reduziertem osteointegrativem Potenzial bzw. knöchernen Defekten am Becken dar.

Anzumerken ist hier eine deutlich über 25 % liegende Rate an Rerevisionen von „constrained“ Inlays, welche fast immer initial eine offene Reposition erforderlich machen.

Typ-III-Luxationen

Sind Osteophyten ein Hypomochlion (Impingement), werden diese reseziert.

Bei Impingementsymptomen erfolgt die Korrektur der Gelenkgeometrie und/oder des Designs und der Positionierung der Gelenkpartner. Folgende Möglichkeiten stehen zur Verfügung:

  • Vergrößerung der Ratio Kopf- zu Halsdurchmesser mit der Rationalen. den Bewegungsumfang bis zum Kontakt des Halses am Rande des Azetabulums und gleichzeitig die „jumping distance“ (s. oben) zu erhöhen (Abb. 3, Abb. 6).

  • Revision, Repositionierung und Beseitigung des Hypomochlions (Abb. 7); ggf. Austausch eines überhöhten Inlays durch ein Standardinlay (überhöhte Schulter als Luxationshypomochlion.

Abb. 6
figure 6

Bewegungsumfang in Abhängigkeit von der Kopfgröße am Beispiel eines Geradschafts mit einer spezifischen Pfanne. (Adaptiert aus [26], mit freundl. Genehmigung des Thieme-Verlags)

Abb. 7
figure 7

Ungewöhnlicher Versuch der Stabilisierung des Gelenks durch Zementaugmentation des Pfannenhinterrandes. Infolge des jetzt entstandenen posterioren Hypomochlions kam es nicht mehr zur hinteren, sondern zur vorderen Luxation (a, b). Zusätzlich entstand massiver Abrieb infolge der im Gelenk befindlichen Partikel des Zements. (Adaptiert aus [26], mit freundl. Genehmigung des Thieme-Verlags)

Als Orientierungshilfe auf Basis der Hüftkopfgröße gilt:

  • Bei einer Kopfgröße bis 28 mm ist häufig ein Kontakt der femoralen Komponente am Azetabulum der Luxationsmechanismus (Implantat-Implantat-Impingement).

  • Bei Kopfgrößen ab 32 mm kommt es aufgrund o. g. zuvor auftretender knöcherner Impingement-Phänome zwischen Femur und Becken meist zu keinem Hebelmechanismus an den Implantaten, sondern zwischen Trochanter (meist ventrale Position) und dem knöchernen Becken.

    Ein größerer Kopf löst somit niemals allein alle Impingementprobleme!

Bei guter Pfannenposition reduziert sich zwar das Luxationsrisiko mit zunehmender Größe des Hüftkopfs (bis etwa 36 mm) [6, 11]. Die mit der Kopfgröße proportional steigenden Anlaufmomente zwischen dem Kopf und der Pfanne führen jedoch zu vermehrten Relativbewegungen zwischen Kopf und Konus (Kopf kann auf dem Konus rotieren) und so zu sekundären Abriebphänomenen. Folglich sollten Prothesenköpfe > 36 mm nur sehr selektiv zur Luxationsprävention eingesetzt werden. Beispiele sind:

  • posttraumatische Arthrosen (mit ausgeprägtem Muskeldefizit),

  • Reimplantation nach Ankylosen,

  • Wechseloperationen bei fehlendem Trochanter major/fehlender Muskulatur,

  • Versorgung von Girdlestone-Situationen.

Typ-IV-Luxationen

Die Therapie einer HTEP-Luxation bei gleichzeitig bestehender HTEP-Infektion folgt den Prinzipien des ein- oder zweizeitigen septischen Prothesenwechsels in Abhängigkeit von der mikrobiologischen Besiedelung und vom Zeitpunkt des Infektnachweises [9].

Die Therapie der abriebinduzierten HTEP-Luxation beinhaltet zumindest den Gleitpaarungswechsel. Die Bestimmung oft älterer oder auswärts implantierter Prothesen kann schwierig sein. Abriebinduzierte Granulationsgewebe und/oder Osteolysen können zudem einen Komplettwechsel sowie aufwendige Knochenrekonstruktionen nötig machen; ein solcher muss immer als „Plan B“ präoperativ vorbereitet sein. Eine Option zur Vermeidung eines solchen Komplettwechsels kann es sein, in fest sitzende Metallpfannenschalen PE-Inlays einzuzementieren [22].

Typ-V-Luxationen

Oftmals führen mehrere der oben genannten Faktoren zur HTEP-Luxation. Es gilt die Hauptursache zu identifizieren und die entsprechende Therapie einzuleiten. Die kombinierte CT und Bildwandleruntersuchung ist aus unserer Sicht essenziell. Eine Kombination der oben genannten Therapieverfahren ist dann zielführend (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Typ-V-Luxation. Kombinierte Verursachung der rezidivierenden Luxation durch Steilstellung der Pfanne, Insuffizienz der pelvitrochantären Muskulatur infolge der Trochanterfraktur und muskulärer Imbalance (deutliche Adduktionsstellung)

Eine Ausnahme stellt die HTEP-Luxation bei HTEP-Infektion dar (s. oben).

Postoperatives Management

Das postoperative Nachbehandlungskonzept orientiert sich nach der Ursache der HTEP-Luxation, des Luxationswegs und der intraoperativ erreichten Stabilität. In der Literatur finden sich keine verallgemeinbaren Nachbehandlungsschemata.

Girdlestone-Resektion – „salvage procedure“

Selten, wenn keine Stabilität im Hüftgelenk erreicht werden kann, ist die Anlage einer Girdlestone-Situation zu diskutieren. Bei hohem Operationsrisiko und geringer Erfolgswahrscheinlichkeit sowie reduziertem Funktionsanspruch infolge Beinverkürzung und Hinken stellt die Girdlestone-Resektion eine Therapieoption dar.

Tipps und Tricks zur Vermeidung von HTEP-Luxationen

Bei der Primärversorgung:

  • exakte Planung der Implantatpositionierung präoperativ,

  • Rekonstruktion der Gelenkgeometrie zur Vermeidung verminderter Weichteilspannung und nachfolgender pelvitrochantärer Insuffizienz:

    • Medialisierung der Pfanne beim Fräsen vermeiden (korrektes azetabuläres Offset),

    • korrekte Widerherstellung des femoralen Offsets,

    • Weichteilbalancing bei Kontrakturen,

    • Weichteilrekonstruktion bei iatrogener Weichteilschädigung (ggf. Doppelungsnähte o. ä.,

    • Berücksichtigung der Beweglichkeit der angrenzenden Gelenke.

Bei Revisionseingriffen:

  • genaue Analyse und Dokumentation des Luxationsereignisses und der sich nachfolgend ergebenden Arbeitsdiagnose,

  • intraoperative, BV-kontrollierte Reevaluation des Luxationswegs,

  • Auswahl und Positionierung der Implantate entsprechend der wahrscheinlichen Luxationsursache und der Knochen- und Weichteilsituation,

  • günstiges Kopf-Hals-Verhältnis beachten,

  • Berücksichtigung der Muskel- und Weichteilsituation speziell beim Hüftgelenkwiederaufbau (Außenrotationskontraktur),

  • bei Rerevisionen und defizitären Weichteilen Constraint-Inlays bzw. tripolare Pfannen verwenden,

  • intraoperative, BV-kontrollierte Implantatpositionierung und Stabilitätskontrolle,

  • postoperative Patientenschulung.

Gutachterliche Aspekte der HTEP-Luxation

Die HTEP-Luxation tritt in 1–5 % nach Primärimplantationen und in 5–20 % nach Revisionsoperationen auf. Die Bemessung etwaiger Einschränkungen geschieht nach der Hüftgelenkfunktion innerhalb des stabilen, nicht luxationsgefährdeten Bewegungsintervalls und unter Hinzuziehung des Zuschlags für Minderbelastbarkeit/Lockerungsgefahr bei Endoprothesen. Hinsichtlich der Beurteilung der Korrektheit des operativen Vorgehens erscheinen nachfolgende Punkte wesentlich.

Bei Primärimplantationen:

  • es existiert kein absoluter Standard der Implantatpositionierung, Lewinek’s „safe zone“ ist nur als Hinweis gebend zu verstehen, aber nicht zwingend einzuhalten,

  • die intraoperative Stabilitätstestung ist zu dokumentieren,

  • Abweichungen von der sog. idealen Pfannenposition sollten begründet werden (z. B. Impingement bei großem Bewegungsumfang macht etwas steilere Position erforderlich),

  • Risikofaktoren auch bereits präoperativ evaluieren und die Patienten spezifisch aufklären.

Bei Revisionseingriffen:

  • Dokumentation des diagnostischen Algorithmus,

  • intraoperative Stabilitätstestung vor und nach Komponentenwechsel,

  • möglicherweise notwendige Prothesenkomponenten sollten nachweislich vorrätig sein.

Fazit für die Praxis

  • Bei HTEP-Luxationen kommt der exakten Bestimmung der Ursache höchste Bedeutung zu.

  • Der Luxationshergang, die Implantatposition sowie die Knochen- und Weichteilsituation ebenso wie die Bildwandleruntersuchung und das Repositionsmanöver müssen genau dokumentiert werden.

  • Aus den erhobenen Informationen sowie aus den patienten- und implantatspezifischen Details ergeben sich die Einteilung und das therapeutische Vorgehen.

  • Im Falle einer Revisionsoperation muss die intraoperative Funktionsdiagnostik ebenso exakt dokumentiert werden.

  • Bei Spätluxationen ist nach Protheseninfekten, -abrieb und -lockerungen als Ursache zu fahnden.