In den operativen Fachgebieten hat die minimalinvasive Chirurgie im letzten Jahrzehnt eine enorme Weiterentwicklung erlebt. So findet auch in der Hüftgelenktotalendoprothetik eine kontinuierliche Weiter- und Neuentwicklung minimal- bzw. „less“-invasiver (MIS) Operationstechniken statt [30, 32, 37]. Der Operateur kann mittlerweile aus einer Fülle minimalinvasiver Zugangswege in verschiedenen Lagerungsstellungen auswählen (Abb. 1 a–d; [3, 10, 20, 33, 43, 44]). Als Vorteile minimalinvasiver Operationstechniken werden kosmetische Aspekte (Abb. 2), ein geringeres Weichteil-/Muskeltrauma [19, 25, 26, 44], niedrigerer Blutverlust [6, 18, 33, 41, 44] und eine verringerte postoperative Schmerzsymptomatik [6, 34, 39] diskutiert. Damit rücken zunehmend auch sozioökonomische Aspekte in den Vordergrund: Eine schnellere Mobilität mit kürzerer Krankenhausverweildauer und zügigerer Anschlussheilbehandlung bedeutet letztendlich eine Kostenreduktion im stationären Sektor [5] bzw. geringere Ausfallzeiten bei berufstätigen Patienten. Kritiker minimalinvasiver Operationsverfahren bringen vor, dass durch eine verminderte Einsehbarkeit ins Operationsfeld das Risiko einer Implantatfehllage erhöht ist [1, 23].

Abb. 1
figure 1

Beispiel für einen anterolateralen minimalinvasiven Hüftgelenkzugang. a Der Patient befindet sich in Seitenlage, der Operateur steht ventral des Patienten. Das dorsale Fußteil des Operationstischs wird entfernt, damit das Bein zur intraoperativen Darstellung des Femurs nach dorsal in Hyperextension gebracht werden kann. b Der Hautschnitt erfolgt auf einer Linie, welche die Spina iliaca anterior superior und die vordere Kante der Mitte des Trochantermassivs verbindet. c Nach Inzision der Traktusfaszie am vorderen Rand wird die Muskellücke zwischen den Mm. tensor fasciae latae und rectus bzw. sartorius aufgesucht und ohne Ablösung der Muskelgruppen stumpf präpariert. d Die dargestellte Gelenkkapsel wird inzidiert und der darunter liegende Schenkelhals mit einem Stufenschnitt osteotomiert. (Mit frdl. Genehmigung der Firma DePuy Orthopaedics, Kirkel, Germany)

Abb. 2
figure 2

Postoperative Wundverhältnisse nach minimalinvasiver Hüftgelenkendoprothetik

Einige der in den letzten Jahren zu dieser Thematik erhobenen Metaanalysen konnten bisher eine eindeutige Überlegenheit der minimalinvasiven Hüftendoprothetik nicht belegen [3, 40]. Die Vergleiche mit den konventionellen Operationsmethoden fielen eher neutral aus. Die vorliegende Arbeit bietet eine umfassende Literaturanalyse mit Fokus auf die jüngste Datenlage klinisch kontrollierter Studien zu dieser Thematik.

Material und Methode

Wir führten eine selektive Medline-Literaturrecherche durch. Die Suchkriterien waren „minimally invasive hip replacement/arthroplasty“ sowie ein weiterer Suchlauf mit „randomized controlled“. Insgesamt wurden 164 Studien der Jahre 2009 bis 2011 gefunden, die die klinischen und/oder radiologischen Ergebnisse der Hüftgelenktotalendoprothetik eines minimalinvasiven mit einem Standardzugang verglichen haben. Den definierten Qualitätskriterien entsprechend wurden davon 11 klinisch kontrollierte Studien zur weiteren Analyse ausgewählt. Ausgeschlossen wurden Kadaver- und Oberflächenersatzstudien, Studien mit Hemiprothesen oder Versorgungen nach einer Fraktur. Ausgeschlossen wurden ebenfalls Studien, die Zugänge mit multiplen Inzisionen verwendeten oder unter Anwendung eines Navigationsverfahrens durchgeführt wurden [14, 31]. Publikationsstatus, Patientenzahl und -alter sowie Dauer des Follow-ups spielten keine Rolle.

Besonderes Augenmerk wurde auf die erhobenen Daten bzgl. Operationsdauer, Blutverlust, klinischen Scores, Ganganalysen, Laborparameter in Verbindung mit muskulärem Trauma, Implantatpositionierung und perioperativen Komplikationen gelegt.

Von den Titeln, die für die vorliegende Analyse in Frage kamen, wurden die Volltextartikel beschafft und die Einschlusskriterien erneut verifiziert. Vier randomisierte Studien wurden einbezogen, um bei einer hohen Fallzahl an minimalinvasiv operierten Hüften insbesondere eine Bewertung der Lernkurve [33], der Implantatpositionierung [23] und klinischer Scores [6, 19] vornehmen zu können. Zwei dieser Studien weisen darüber hinaus ein Follow-up von einem Jahr auf [19, 33].

Ergebnisse

Eingeschlossene Studien

Wir fanden mit Hilfe der Onlinerecherche 11 Studien, die 2-mal auf die Einschlusskriterien untersucht wurden. Sie wurden in den Jahren 2008 bis 2011 in deutsch- und englischsprachigen Zeitschriften publiziert. Es wurden 387 minimalinvasiv operierte Hüften mit 264 Standardoperationen verglichen. Die verwendeten Zugänge waren anterolateral (n=168), direkt anterior (n=50), minimalinvasiv posterior (n=55), ein modifizierter Watson-Jones (n=112), ein modifizierter Hardinge (n=26), und der „Micro-Hip©-Zugang“ von anterior (n=86, Tab. 1).

Tab. 1 Studiendesign mit Fallzahl, Zugangsweg und follow up der eingeschlossenen Studien

Endpunkte

Eingeschlossen waren klinisch kontrollierte Studien. Insgesamt waren davon 8 randomisiert und 3 nicht randomisiert, eine Studie war einfach verblindet. Minimalinvasive Zugangswege wurden von posterior (n=6), anterior (n=3), modifiziert nach Watson-Jones (n=1) und modifiziert nach Hardinge (n=1) beschrieben. Die Studien wurden zwischen April 2009 und April 2011 durchgeführt. Die Standardzugänge waren posterior (n=4), transgluteal nach Bauer (n=4), transglutäal nach Hardinge (n=1) und anterolateral (n=2). Die Fallzahl bewegte sich zwischen 37 und 141 Patienten. Einen Überblick der in die vorliegende Arbeit einbezogenen Studien der letzten 3 Jahre gibt Tab. 1, Abb. 3 einen Überblick über die dabei postoperativ erhobenen Daten.

Abb. 3
figure 3

Vergleich minimalinvasive (MIS) vs. Standardzugänge der in die vorliegende Arbeit einbezogenen Studien der letzten 3 Jahre. Die aufgeführten Unterschiede waren in den zitierten Arbeiten von statistischer Signifikanz. Rot sind diejenigen Felder eingefärbt, die Vorteile für die Standardgruppe aufweisen, grün die Felder, die Vorteile für die MIS-Gruppe aufzeigen. k.U. kein Unterschied, MIS minimalinvasiv, VAS visuelle Analogskala Schmerz, HHS Harris Hip Score, SF-36 „short form“ Messinstrument zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Patienten

Bezüglich der Laborparameter, die als Indikatoren für den Grad des Muskeltraumas gelten, wurden in den vorliegenden Studien Kreatinkinase und Myoglobin im frühen postoperativen Verlauf nach 6–48 h gemessen. Hier ergeben sich in der minimalinvasiven Gruppe nach 6, 24 und 48 h signifikant niedrigere Werte [23, 25, 43]. Fünf Studien berichten unter Verwendung der minimalinvasiven Hüftendoprothetik über einen im Vergleich signifikant geringeren, perioperativen Blutverlust [6, 18, 20, 33, 44]. Die klinische Bewertung der Hüftfunktion wurde in den dargestellten Arbeiten mit Hilfe des weit verbreiteten Harris Hip Scores vorgenommen. Ein signifikant besserer Harris Hip Score liegt in 6 Studien nach 6 Wochen vor, in 4 Studien noch nach 12 Wochen sowie in einer Studie noch nach einem Jahr [10, 20, 23, 25, 43, 44].

Bezüglich der Laborparameter, die den Grad des Muskeltraumas charakterisieren, wurden in der minimalinvasiven Gruppe nach 6, 24 und 48 h signifikant niedrigere Werte gemessen

In 2 Studien mit Ganganalysen zeigen sich v. a. in der frührehabilitativen Phase signifikant bessere Werte für die minimalinvasiv operierte Patientengruppe [25, 44]. In Studien mit längerem Follow-up über ein Jahr nivellieren sich diese Unterschiede. Die Vorteile bzgl. der Rehabilitationsphase werden v. a. in den ersten 3 Monaten postoperativ deutlich. Ab der 12. postoperativen Woche gibt es keine Überlegenheit der minimalinvasiv operierten Patientengruppe im Gangbild. Nach einem Jahr und 3 Jahren sind keine signifikanten Unterschiede mehr zu erkennen [18, 25, 33, 44].

In der Auswertung der Komponentenpositionierung werden in der Arbeit von Mouilhade et al. [23] eine signifikant erhöhte kombinierte Anteversion und eine größere Variationsbreite der Pfanneninklination festgestellt, ohne jedoch die Lewinnek „safe zone“ zu verlassen. In den übrigen Arbeiten wird im Gruppenvergleich bei der Implantatpositionierung kein signifikanter Unterschied gesehen [18, 20, 33, 43]. In der Studie von Sendtner et al. [33] wird bei 3 Patienten in der MIS-Gruppe über eine reversible Parästhesie im Versorgungsbereich des N. cutaneus femoris lateralis berichtet. Bezüglich der Komplikationsraten, einschließlich oberflächliche und tiefe Infektionen, Frakturen, tiefe Beinvenenthrombose, Dislokationen, Hämatombildung, Revisionen, Komponentenlockerung und Wundkomplikationen, ergeben sich in den eingeschlossenen Studien keine statistisch signifikanten Unterschiede. Die Operationszeit war in einer Studie [20] in der MIS-Gruppe signifikant kürzer, in 4 Studien [10, 18, 23, 33] in der konventionellen Gruppe signifikant kürzer.

Diskussion

Die letzten 3 vorliegenden Metaanalysen zum Vergleich minimalinvasiver Hüftendoprothetik gegenüber der Standardtechnik in den Jahren 2007 bis 2009 [3, 17, 36] ergeben eine Ebenbürtigkeit beider Operationstechniken.

Die durchgeführte Literaturrecherche prospektiv kontrollierter Studien der letzten 3 Jahre zeigt den Trend, dass minimalinvasive Verfahren in der Hüftendoprothetik zunehmend vorteilhafter bewertet werden.

Es existiert nach der zugrunde liegenden Literaturanalyse seit 2009 keine Studie, die signifikant erhöhte Komplikationsraten in der minimalinvasiven Hüftendoprothetik nachweist.

Einige Untersuchungen, die wir während unserer Literaturrecherche betrachteten, konnten nicht klar herausstellen, wie sich der Operationsverlauf nach dem kürzeren „minimalinvasiven“ Hautschnitt weiter gestaltete, ob nicht sogar die Operationstechnik der konventionellen ähnlich war [11]. So wurde in manchen Studien ausdrücklich darauf hingewiesen, dass kein Spezialinstrumentarium erforderlich war [15]. Dabei ist das Wesen der minimalinvasiven Hüftgelenkschirurgie nach Meinung der Autoren aber gerade nicht nur auf den kleineren Hautschnitt begrenzt, sondern fokussiert auf eine maximale Weichteilschonung ohne unnötige Ablösung von Muskel- und Sehnenanätzen am Trochanter major. Die eigene Erfahrung mit über 2000 minimalinvasiv implantierten primären Hüftendoprothesen über einen modifizierten Smith-Peterson-(Micro-Hip©)-Zugang in Seitlage zeigt, das bei der Pfannenpräparation gewinkelte Fräsen und Einschlaginstrumente unabdingbar sind [33, 44], um Weichteilschäden und kosmetisch unbefriedigende Narbenbildungen [9] zu vermeiden (Abb. 2). Die geringen Unterschiede zwischen minimalinvasiver und konventioneller Operationstechnik, die in den bisherigen Metaanalysen zu finden waren, mögen vielleicht auch darauf zurückzuführen sein, dass die Operationstechnik nach der Hautinzision den herkömmlichen Methoden gleicht, die nicht muskelschonend arbeiten.

Ebenso kann man vermuten, dass wie bei jeder neu eingeführten Operationsmethode in den ersten Jahren die Thematik der Lernkurve eine große Rolle spielt [15]. In diese Phase fielen wohl viele Metaanalysen der letzten Jahre. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Operateure nun das Ende ihrer Lernkurve erreicht haben dürften, bietet die vorliegende Analyse der Studien der jüngeren Vergangenheit – wir beschränkten uns auf die letzten 3 Jahre – die Möglichkeit einer Neubewertung.

Alle Studien, die sich in unserer Auswahl mit der Lernkurve beschäftigen, kommen zu dem Ergebnis, dass die minimalinvasive Operationstechnik für erfahrene Chirurgen auch in der Lernkurve ein sicheres Verfahren ist [8, 33, 38]. Dabei benötigt auch ein erfahrener Operateur naturgemäß anfangs eine vergleichsweise verlängerte Operationszeit [18, 33]. Übereinstimmung herrscht, dass in der Lernphase der minimalinvasiven Hüftendoprothetik ein intensives Mentoring durch einen erfahrenen orthopädischen Chirurgen unerlässlich sind. Kadaverstudien werden empfohlen. Die Lernkurve benötigt dabei nach Meinung der meisten Autoren 40 Operationen unter Anleitung bzw. einen Zeitraum von 6 Monaten [35].

Mit Ausnahme der Studie von Sendtner et al. [33] erfassen die analysierten Studien aus den letzten 3 Jahren zum allergrößten Teil Daten, die gerade nicht aus der Lernkurve stammen. Insgesamt sind die dargestellten Ergebnisse deshalb deutlich positiver als in den Metaanalysen, die in den Jahren davor durchgeführt wurden. So bringt eine Studie zum Ausdruck, dass die intraoperativen Hauptkomplikationen wie Trochanterfrakturen oder Perforationen hauptsächlich zu Beginn der Serie gehäuft auftraten. Postoperative Wundheilungskomplikationen dagegen waren während der gesamten Zeitspanne zu beobachten und wurden nach Beobachtung mehrerer Autoren hauptsächlich durch übermäßigen Retraktorenzug verursacht. [13]. Um dies zu vermeiden, ist eine anatomisch präzise Platzierung des Schnitts notwendig. Eine der immer wieder genannten Komplikationen, die Verletzung des N. cutaneus femoris lateralis [12], ist abhängig von der Erfahrung des Chirurgen; 84% dieser Läsionen sind innerhalb von 2 Jahren reversibel [2].

Einige Studien gehen über diese Lernkurve hinaus zudem sehr offensiv mit den minimalinvasiven Zugängen um – sie werden mehr und mehr auch für die Revisionschirurgie empfohlen [32].

Schwächen nahezu aller untersuchten Studien sind die vergleichsweise kurzen Follow-up-Perioden, wobei die längste 3 Jahre beträgt. Daher ist es unklar, ob Unterschiede in der frührehabilitativen Phase, der muskelschonendere Zugangsweg oder auch die nicht signifikanten Unterschiede in der Implantatpositionierung Langzeiteffekte bzgl. der Prothesenstandzeiten nach sich ziehen [7]. Zukünftige Studien mit längerer Nachbeobachtungsphase werden uns darüber noch weiter Auskunft geben.

Die insgesamt zu kurzen Follow-up-Perioden sind Schwächen fast aller untersuchten Studien

Welche eindeutig messbaren Vorteile der minimalinvasiven Hüftendoprothetik sind nun zu konstatieren? Neben dem kleineren Hautschnitt und dem geringeren Blutverlust zeigen die Studien der letzten Jahre eine schnellere Rehabilitationsfähigkeit. Die Vorteile bzgl. der Rehabilitationsphase konzentrieren sich dabei auf die ersten postoperativen Monate. Ab der 12. postoperativen Woche gibt es nach der aktuellen Datenlage keine Überlegenheit im Gangbild der minimalinvasiv operierten Patientengruppe mehr. Der Krankenhausaufenthalt bzw. die Dauer der Rekonvaleszenz und damit verbundene sozioökonomische Kosten für das Gesundheitssystem lassen sich durch minimalinvasive Verfahren in der Hüftendoprothetik damit vorwiegend auf die ersten postoperativen Monate reduzieren [5, 17, 39].

Fazit

Durch technisch-operative und instrumentelle Fortschritte in der minimalinvasiven Hüftendoprothetik zeigt die aktuelle Studienlage der letzten 3 Jahre einen deutlich positiven Trend dieses Operationsverfahrens. Die minimalinvasive Technik wird immer weniger als nur kosmetisch attraktiv, sondern eher als echte Verbesserung für das klinische Outcome angesehen. Verblindete, randomisiert kontrollierte Studien müssen in den nächsten Jahren die Datenlage weiter ergänzen.