Zusammenfassung
Hintergrund
Die Revision einer gelockerten und migrierten Pfannenkomponente mit Knochenverlust im Rahmen der Hüftendoprothetik stellt eine große chirurgische Herausforderung dar. Ziel sollte eine funktionell günstige Rekonstruktion des Rotationszentrums bei suffizienter, mechanischer Belastbarkeit des Acetabulums sein. Die diesbezüglich in Europa am häufigsten eingesetzten Revisionsimplantate sind die Müller-Abstützschale, die Hakendachschale nach Ganz, sowie der Burch-Schneider-Ring.
Patienten und Methoden
Wir berichten über unsere Erfahrungen mit diesen Implantaten bei 298 Patienten (298 Hüften) und einer medianen Nachuntersuchungszeit von 4 (0–17) Jahren im Rahmen einer retrospektiven Studie.
Ergebnisse
Von 224 Patienten (75%) konnten Nachuntersuchungsdaten erhoben werden. Hierbei wurde bei 176 Patienten (59%) eine radiologische Untersuchung durchgeführt. Weiterhin waren 54 Patienten (18%) verstorben, von 3 Patienten (1%) konnten keine Daten erhoben werden. Bei 18 Patienten (6%) wurde im Nachbeobachtungszeitraum eine erneute Revision durchgeführt, davon war in 9 Fällen die Ursache eine aseptische Lockerung, bei den übrigen 9 Fällen eine septische Lockerung. In 7 weiteren Fällen (2%) wurde im Rahmen der Nachuntersuchung ein radiologisches und klinisches Versagen des Implantats diagnostiziert. Die Überlebensrate nach 5 Jahren betrug 94% bzw. 89% nach 8 Jahren.
Schlussfolgerung
Die Revision mit Abstützschalen führt zu akzeptablen, mittelfristigen Ergebnissen. Hauptsorgenpunkte bilden die septischen Komplikationen sowie das lytische Versagen des Spongiosatransplantats mit konsekutiver Lockerung des Abstützrings.
Abstract
Background
Acetabular revision in total hip arthroplasty (THA), especially for loose or migrated cup components with collateral bone loss, remains a great surgical challenge. The aim should always be a functionally favorable reconstruction of the rotation center with sufficient load capacity of the acetabulum. Commonly used implants in Europe are the Mueller ring, the Ganz ring, and the Burch–Schneider cage.
Patients and Methods
We report our results of 298 patients (298 hips) with a median follow-up period of 4 (range 0–17) years in a retrospective series.
Results
Follow-up data were available in 224 cases (75%). A radiographic examination was performed in 176 (59%) patients. Another 54 patients (18%) had died in the follow-up period, while another three patients (1%) were lost to follow-up. Eighteen patients (16%) underwent re-revision, in nine cases for aseptic loosening and in the remaining nine cases for infection. In seven additional cases (2%), radiological and clinical failure was found during follow-up. The overall survival rate was 94% at 5 years and 89% at 8 years.
Conclusion
Revision THA using acetabular reinforcement rings results in acceptable midterm results. However, septic complications and lysis of the bone graft with consecutive failure of the reinforcement ring remain problematic.
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Hintergrund und Fragestellung
Jährlich werden in Deutschland ca. 180 000 primäre Hüftendoprothesen implantiert. Entsprechend bedeutsam wird daher in zunehmendem Maße die Revisionsendoprothetik des Hüftgelenks. Insbesondere die Revision einer gelockerten und migrierten Pfannenkomponente mit zusätzlichem Verlust von Knochensubstanz stellt hohe Ansprüche an Können und Erfahrung des jeweiligen Operateurs. Neben Durchführung einer Spongiosaplastik zur Deckung des azetabulären Defekts dient ein adäquates Implantat der Rekonstruktion des Rotationszentrums bei belastungsstabilen Verhältnissen [44]. Hierzu ist eine Vielzahl von Implantaten beschrieben. Im europäischen Raum werden hier traditionell Abstützschalen verwendet, die eine stabile Schraubenfixation im Eigenknochen und die Protektion eines eingebrachten Spongiosatransplantats ermöglichen. Ob hierbei strukturellen oder gemahlenen Allografts der Vorzug gegeben werden soll, ist umstritten [7].
Es finden sich Hinweise auf initial gute Integration von strukturellen Grafts [23, 30], jedoch im weiteren Verlauf hohe Versagerraten [21, 25, 31]. Daher werden bei guten, mittelfristigen Ergebnissen derzeit von vielen Autoren gemahlene und impaktierte Allografts favorisiert [20, 54]. Weitere wichtige Erfolgsfaktoren sind hierbei eine anatomisch korrekte Implantationstechnik mit einem der Defektgröße entsprechenden Implantat mit ausreichender Auflage am verbliebenen Eigenknochen [18, 33], da eine insuffiziente Kontaktfläche mit einer erhöhten Versagerrate einhergeht [49].
Ziel dieser Studie war es, in einem hinreichend großen Kollektiv verlässliche Daten zur Standzeit und den klinischen wie radiologischen Ergebnissen zu akquirieren und zu analysieren. Im Rahmen dieser Studie fokussierten wir auf 3 gängige Implantate (Abb. 1), die im Zeitraum von 1984–2001 an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg Verwendung fanden:
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1.
Müller-Schale: Hierbei handelt es sich um ein von M.E. Mueller entwickeltes Ringimplantat, das seit 1976 Verwendung findet. Es ist in 12 Größen (36–58 mm) erhältlich. Im kranialen Anteil finden sich multiple Möglichkeiten zur Schraubenfixation im Eigenknochen. Aufgrund der gegebenen Konfiguration ist bei einem segmentalen, kranialen Defekt des Acetabulums eine Kranialisierung der Schale möglich. Somit sollte der Einsatz auf vielmehr rein kavitäre Pfannendefekte begrenzt bleiben. Über die Ergebnisse der Müller-Schalen dieser Serie haben wir bereits berichtet [40].
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2.
Hakendachschale nach Ganz: Diese von Ganz 1986 vorgestellte Abstützschale ist in 15 Größen (36–64 mm) verfügbar. Das Implantat verfügt zusätzlich im kaudalen Anteil über einen Haken, der der Fixation in der Incisura acetabuli dient. Dieser ermöglicht eine Implantation in einem definierten Abstand zur kaudalen Pfanne und eine teilweise Absorption der Krafteinleitung nach kranial, was insbesondere zur Protektion eines Spongiosatransplantats wünschenswert ist [47]. Entsprechend sollte die Implantation des Ganz-Rings bei azetabulären Defekten erfolgen, die den kaudalen Anteil nicht einschließen.
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3.
Burch-Schneider-Schale: Erstmals wurde diese Abstützschale von R. Schneider 1978 implantiert. Erhältlich sind 4 Größen (44–56 mm). Neben einem kranialen, mit Schrauben zu besetzenden Anteil verfügt dieses Implantat über eine zusätzliche kaudale Lasche, die idealerweise in das Sitzbein einzuschlagen ist. Diese Abstützschale ist somit in der Lage, große Defekte zu überbrücken, die mit den beiden anderen Implantaten nicht mehr zu versorgen sind. Vorauszusetzen ist jedoch eine gegebene, pelvine Kontinuität. Der radiologische Abstand zwischen Sitzbein und Pfannenerker sollte allerdings 7 cm nicht überschreiten [47].
Patienten und Methoden
In diese Studie wurden 298 Patienten (298 Hüften) eingeschlossen, die zwischen 1984 und 2001 an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg im Rahmen einer Pfannenrevision eine Abstützschale erhielten. Hierunter fanden sich 94 Männer und 204 Frauen. Unter den 298 eingeschlossenen Implantaten waren 163 Müller-Ringe, 113 Ganz-Ringe und 22 Burch-Schneider-Schalen. Ausgeschlossen wurden 32 Patienten, die eine Abstützschale als Primärimplantat (z. B. Dysplasie, Tumor) erhielten. Bei bilateral versorgten Patienten (11 Patienten) wurde nur die zuerst operierte Seite in die Untersuchung einbezogen. Das mediane Alter der Patienten zum Operationszeitpunkt betrug 69 (28–92) Jahre. Der Body-Mass-Index (BMI) des Kollektivs betrug im Median 26 (16–42). Über die Diagnosen bei Primärimplantation der Hüft-TEP informiert Tab. 1.
Die Implantation der Abstützschale bei der Revision erfolgte in 259 Fällen aufgrund einer aseptischen Lockerung, bei 27 Hüften erfolgte der Eingriff bei bestehender, septischer Lockerung. Weiterhin wurden 5 Hüften bei rezidivierender Luxation und 7 Hüften bei traumatischer Lockerung infolge einer periprothetischen Fraktur operiert (Tab. 2). Im Rahmen dieser Revisionen wurde in 167 Hüften lediglich die Pfanne revidiert (2 Fälle hiervon septisch, einzeitiger Wechsel), in 131 weiteren allerdings ein vollständiger TEP-Wechsel durchgeführt, hiervon waren 25 Fälle septisch (zweizeitiges Vorgehen).
Der operative Zugang erfolgte modifiziert nach Watson-Jones oder transgluteal nach Bauer. Insgesamt waren 35 Operateure an der Durchführung der 298 Eingriffe beteiligt. Hiervon entfielen 173 Operationen (58%) auf 4 in der Revisionsendoprothetik äußerst erfahrene Operateure. Die Nachuntersuchung erfolgte im Median nach 4 (0–17) Jahren. Bei 15 Hüften wurde seit Primärimplantation bereits mindestens eine Pfannenrevision vor der nachuntersuchten Revision durchgeführt. In 14 weiteren Fällen war vor der Indexoperation bereits eine Abstützschale implantiert. Ein isolierter Schaftwechsel wurde im Vorfeld 6-mal, ein kompletter Wechsel 25-mal durchgeführt. Eine septische Vorgeschichte bestand in 5 Fällen.
Bezüglich der azetabulären Defekte erfolgte eine Klassifikation entsprechend dem Vorschlag der AAOS [9] auf präoperativen Röntgenaufnahmen (a.-p. und lateral). Dies erfolgte unabhängig voneinander durch zwei in der Revisionsendoprothetik erfahrene Oberärzte. Hierbei fanden sich in 55% der Fälle kombinierte Defekte vom Typ 3. Bei 9% der eingeschlossenen Patienten war auf der präoperativen Röntgenaufnahme kein Defekt erkennbar. Aufgrund des intraoperativen Befundes wurde dennoch eine Abstützschale implantiert. Dieser Zusammenhang wird im Folgenden als Defekt Typ 0 bezeichnet. Die weitere Aufteilung findet sich in Tab. 3.
Die Versorgung (abhängig vom Defekttyp) ist in der Abb. 2 ausführlich dargestellt. Zur Defektfüllung wurden heterologe Fremdhüftköpfe aus der hauseigenen Knochenbank eingesetzt. Diese wurden entsprechend der damals gültigen Richtlinien zum Führen einer Knochenbank blutgruppenkompatibel aufbereitet. In 30% der Fälle wurde diese in Form gemahlener Spongiosa eingebracht, in 35% hingegen strukturellen Allografts (Bulk-Allografts) der Vorzug gegeben (Tab. 4).
Bei der klinischen Untersuchung wurde nach den Vorgaben des Heidelberger TEP-Registers dokumentiert, zusätzlich wurden Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen angefertigt. Mit Hilfe der dokumentierten Daten konnten die klinischen Scores nach Harris (Harris-Hip-Score, HHS [22]) und Merle d’Aubigné (MAS) [10] berechnet werden. Schmerzen wurden mit Hilfe der visuellen Analogskala (VAS) erfasst und die Patienten entsprechend der Klassifikation nach Charnley [8] eingeteilt. Bei der radiologischen Untersuchung wurden Saumbildung und Osteolysen entsprechend dem Vorschlag von DeLee u. Charnley [12] erfasst, die Integration des Grafts überprüft, sowie die Inklination der Pfanne beurteilt. Zusätzlich wurden heterotope Ossifikationen nach Brooker klassifiziert [4]. Als definitive Lockerung wurde das Vorhandensein eines zirkumskripten Lysesaums, die Migration der Abstützschale >5 mm und der Bruch mindestens einer Schraube definiert [3].
Die Verteilung verschiedener metrischer und ordinaler Größen wurden durch Median und Range dargestellt. Die statistische Überlebenszeitanalyse wurde nach Kaplan-Meier mit folgenden Endpunkten durchgeführt: Ausbau oder Revision der Abstützschale bei aseptischer Lockerung und Ausbau oder Revision aus jeglichem Grund. Durchschnittswerte wurden unter Angabe des Medians dargestellt. Zu den Zeitpunkten nach 5 und 8 Jahren wurden die 95%-Konfidenzintervalle (95%-KI) nach Dorey u. Korn berechnet [13].
Ergebnisse
Follow-up
In 224 von 298 Fällen (75%) konnten klinische und/oder radiologische Nachuntersuchungsdaten erhoben werden. Im Nachuntersuchungszeitraum waren 54 Patienten verstorben, von 3 Patienten konnten keinerlei Informationen ermittelt werden. Bei 53 verstorbenen Patienten konnte durch Nachfrage bei Angehörigen, Krankenkassen und Hausärzten eine erneute Revision bis zum Todeszeitpunkt ausgeschlossen werden. In einem weiteren Fall erfolgte noch vor dem Todeszeitpunkt ein septischer Ausbau des Implantats (in Abb. 3: als +1 dargestellt).
In 224 von 298 Fällen konnten Nachuntersuchungsdaten erhoben werden. Eine radiologische Nachuntersuchung erfolgte bei 176 Patienten (59%). Von 48 Patienten konnte lediglich der klinische Befund mittels eines Fragebogens dokumentiert werden. Weiterhin mussten 18 Patienten im angegebenen Zeitraum einer erneuten Pfannenrevision unterzogen werden. Dies geschah in 9 Fällen aufgrund einer aseptischen Lockerung, in 9 Fällen im Rahmen einer septischen Lockerung. Zusätzlich fand sich im Rahmen der Nachuntersuchung ein Implantatversagen gemäß obiger Definition in 7 Fällen (2%) mit entsprechender Migration der Schale und Bruch mehrerer Schrauben. Eine Übersicht über den Status der Nachuntersuchung ist in Abb. 3 dargestellt.
Überleben des Implantats
Die mediane Nachuntersuchungszeit betrug 4 (0–17) Jahre. Die Kaplan-Meier-Analyse zeigt bezüglich aller Revisionen eine Überlebensrate von 94% (95%-KI=88–97) nach 5 Jahren und von 89% (95%-KI=77–94) nach 8 Jahren. Bezüglich der aseptischen Revisionen findet sich eine Überlebensrate von 97% (95%-KI=92–99) nach 5 Jahren und von 95% (95%-KI=84–98) nach 8 Jahren (Abb. 4, Tab. 5). Eine Darstellung des Implantatversagens abhängig vom Defekttyp zeigt Tab. 6.
Klinische Ergebnisse
Bezüglich der klinischen Scores ergab sich ein medianer HHS-Wert von 74 (17–100). Ein Wert <70 Punkte und somit ein schlechtes, klinisches Ergebnis war bei 44% der Patienten nachzuweisen (Tab. 7). Der MAS betrug im Median 7 (0–12) Punkte. Ein schlechtes Ergebnis (<8 Punkte) fand sich hier bei 52% der Patienten (Tab. 8). Die VAS zeigte, dass 92 Patienten (43%) keinerlei Schmerzen empfinden, hingegen weitere 10 Patienten (5%) unter stärksten Schmerzen leiden (Tab. 9).
Die Eingruppierung der Patienten nach dem Vorschlag von Charnley führte zu folgender Verteilung: Gruppe A 97 Patienten (51%), Gruppe B 39 Patienten (22%) und Gruppe C 45 Patienten (25%). Ein deutlich hinkendes Gangbild war bei 71 Patienten (39%), ein positives Trendelenburg-Zeichen hingegen nur bei 44 Patienten (24%) nachzuweisen. Beinlängendifferenzen >30 mm fanden sich in 9 Fällen (5% des Patientenguts). Ganz überwiegend (51%) wurden hier keine Diskrepanzen bezüglich der Beinlängen gefunden. An Komplikationen fanden sich u. a. 14 Fälle rezidivierender Luxationen sowie in weiteren 18 Fällen tiefe Infekte (Tab. 10). Bei 2 der septischen Fälle handelte es sich bei der nachuntersuchten Operation bereits um einen TEP-Wechsel bei septischer Vorgeschichte.
Radiologische Ergebnisse
Die Inklination der Abstützschalen lag auf den angefertigten Röntgenbildern in 124 Fällen im Bereich zwischen 40–45°, in 29 Hüften war das Implantat zu steil, in 21 weiteren Hüften zu flach eingebracht. Heterotope Ossifikationen waren bei 92 Hüften (52%) nicht nachweisbar, bezüglich der übrigen Verteilung nach Brooker informiert Tab. 11. Saumbildung nach dem Vorschlag von DeLee u. Charnley fand sich 6-mal in der Zone I, 17-mal in der Zone II und 35-mal in Zone III. Radiologisches/klinisches Versagen des Implantats (ohne bislang erfolgte Revision) gemäß der angegebenen Definition war bei lediglich 7 Hüften (2%) nachzuweisen.
Ingesamt fanden sich 9 Fälle aseptischer Lockerung, die bereits revidiert wurden. Hierbei zeigte sich ein Kollaps des Spongiosatransplantats mit Implantatversagen in 4 Fällen. In den 9 septischen Fällen war dies nur bei 2 Hüften erkennbar. Eine Fehlpositionierung durch zu steile Ausrichtung der Abstützschale war in 2 Fällen der aseptischen Lockerungen der mögliche Versagensmechanismus. Eine direkte Auflage des Rings der Abstützschale am Allograft konnte in der aseptischen Versagergruppe in 5 Hüften nachgewiesen werden. Weiterhin fand sich eine Migration einer Schale (allerdings ohne begleitenden Schraubenbruch). In einem weiteren Fall fand sich ein isolierter Schraubenbruch, jedoch ohne weitere Dislokation des Implantats. Ein Zusammenhang zwischen der Art der Spongiosaplastik und einem vermehrten Implantatversagen konnte nicht nachgewiesen werden.
Diskussion
Beim komplexen Pfannenwechsel mit Abstützschalen bleiben selbst bei anatomischer Rekonstruktion des Drehzentrums und einer gegebenen, mechanischen Stabilität und Belastbarkeit des eingebrachten Implantats die Standzeiten und klinischen Ergebnisse oftmals hinter den Erwartungen zurück [2, 3, 15, 16, 19, 37, 40]. Die mittel- bis langfristigen Ergebnisse dieser Versorgung insbesondere im Rahmen der Revisionsendoprothetik zeigen im Vergleich zur Primärimplantation schlechtere Ergebnisse [3, 15, 34, 38]. Hier finden sich in Metaanalysen für Müller- und Burch-Schneider-Schalen nach einer Nachbeobachtungszeit von 5–6 Jahren Lockerungsraten von 7–11% [47]. Noch immer besteht Uneinigkeit über die Technik der Wiederherstellung der knöchernen Kontinuität bei großen, azetabulären Defekten. Eine Auffüllung mit Knochenzement führt zu inakzeptabel hohen Versagensraten bereits nach 2 Jahren postoperativ und sollte somit als obsolet angesehen werden [1]. Die alleinige Verwendung großer, struktureller Allografts sollte aufgrund des hohen Lockerungsrisikos nur ausgewählten Fällen vorbehalten bleiben [24, 29, 43]. Hingegen hat sich die Verwendung kryokonservierter Spenderhüftköpfe bewährt. Insbesondere die Zerkleinerung (Mahlen, Knochenchips) und die Impaktierung der transplantierten Spongiosa im Defekt vor Implantation der Abstützschale zeigt die derzeit günstigsten Ergebnisse [36, 39, 41, 45, 51].
Die vorgestellte Studie ist unter Einschluss von 298 Patienten die bislang größte, publizierte Serie von Pfannenrevisionen unter Verwendung von Abstützschalen. Von lediglich 3 Patienten konnten keinerlei Nachuntersuchungsdaten akquiriert werden. Murray et al. [32] wiesen 1997 auf die Notwendigkeit der Berechnung eines „Lost-to-follow-up-Quotienten“ (Anzahl der Patienten ohne Nachuntersuchungsdaten dividiert durch die Implantatversager) hin. Hierbei stellen Werte >1 die Aussagekraft der Studie in Frage. Im vorliegenden Fall ergibt sich ein Quotient von 0,17. Entsprechend hoch ist die Validität der präsentierten Daten hinsichtlich des Implantatüberlebens zu werten. Bezüglich der radiologischen Nachuntersuchung findet sich hingegen ein Quotient von 2,7. Dies reflektiert die Schwierigkeit, unter den vorgegebenen Rahmenbedingungen suffiziente Nachuntersuchungsdaten zu erhalten.
Das retrospektive Studiendesign lässt durch die Verwendung absoluter, klinischer Scores keine Rückschlüsse auf die präoperativen Verhältnisse zu. Dies muss bei der Bewertung der vorliegenden Daten ebenso einschränkend berücksichtigt werden, wie die Tatsache, dass in 60 Fällen bereits Wechseloperationen vor der hier nachuntersuchten Revision durchgeführt wurden. Die so erzielten klinischen Ergebnisse sollten unter jenen von Vergleichspopulationen liegen. Tatsächlich zeigen die klinischen Scores dieser Studie bei 44% (HHS) bzw. 52% (MAS) der Patienten schlechte Ergebnisse und liegen somit deutlich unter den bislang publizierten Daten [14, 44, 52]. Der große Anteil von Patienten, die in die Charnley-Gruppe C (25%) eingeteilt wurden, sowie der hohe Altersdurchschnitt von 69 Jahren können dieses Phänomen jedoch sicherlich nur teilweise erklären. Immerhin leiden 43% der Patienten unter keinerlei Schmerzen, was durch die klinischen Scores jedoch nur ungenügend wiedergegeben wird. Eine unbestreitbar hohe Komplikationsrate von 16% (48 Hüften) in dieser Serie deckt sich allerdings mit den Erfahrungen anderer Autoren und reflektiert die große Schwierigkeit, eine suffiziente Defektüberbrückung bei ausreichender Stabilität des Implantats zu schaffen [3, 16].
Die häufigste Komplikation in dieser Serie stellt die Infektion des Implantats dar. Hier finden sich mit 18 Fällen (6%) leider Raten, die mit den Ergebnissen anderer Autoren übereinstimmen [7, 16, 19]. Dies ist aufgrund der vorbestehenden Infekte bei 27 Patienten (hiervon 5 mit septischer Vorgeschichte) nachvollziehbar. Hier zeigt sich jedoch erneut die Notwendigkeit auf, dass gerade in diesen Fällen ein gründliches chirurgisches Débridement und eine konsequente Antibiotikaprophylaxe zu fordern ist. Über der Hälfte (55 %) der knöchernen Defekte in dieser Serie wurden als Typ 3 (kombiniert), 5% der Defekte als Typ 4 (pelvine Diskontinuität) klassifiziert, was die operative Versorgung entsprechend komplizierte. Die alleinige Versorgung von Typ-4-Defekten mit Abstützschalen ist umstritten, da diese Technik zu inakzeptabel hohen Versagensraten führen kann.
Paprosky et al. [33] beschrieben 2006 Versagensraten von 31% in einem Kollektiv von 15 Patienten nach 46 Monaten. Die Versorgung mittels Rekonstruktionsplatten, strukturellen Allografts und zementierten wie zementfreien Pfannen führte in einer weiteren Studie bei 17 Patienten zwar zu einer Konsolidierung der Diskontinuität, zeigte jedoch nach 83 Monaten eine Lockerungsrate von 47% sowie eine hohe Komplikationsrate [48]. Einige Autoren propagieren daher die Verwendung von individuell hergestellten („Custom-made-“) Implantaten und erzielen hiermit gute Resultate nach 10 Jahren [11].
Die klinischen Ergebnisse dieser Patientengruppe mit Typ-4-Defekten sind im Vergleich zu anderen Populationen nachweislich schlechter [48]. Udomkiat et al. [49] konnten außerdem nachweisen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Implantatversagens mit zunehmender Defektgröße steigt. Einschränkend muss hier erwähnt werden, dass die verwendete AAOS-Klassifikation zwar eine Beurteilung des Defektmusters ermöglicht, eine dezidierte Aussage über die vorliegende Defektgröße jedoch nicht zulässt. Generell ist jedoch davon auszugehen, dass eine Klassifikation der Defektgröße auf präoperativen Röntgenbildern mit den gängigen Einteilungen eine geringe Übereinstimmung mit dem intraoperativen Befund zeigt [6, 27]. Auch in dieser Serie findet sich bei 9% aller Fälle ein insuffizientes Knochenlager, das der Versorgung mittels Abstützschale bedurfte. Eine entsprechender Defekt konnte jedoch präoperativ radiologisch nicht detektiert werden.
Bezüglich der Versagensmechanismen zeigte sich bei den aseptischen Lockerungen in 5 Fällen eine Auflage des Rings am Spongiosatransplantat. Diese Erkenntnis stützt die Vermutung anderer Autoren, dass die genannten Verhältnisse durch Kompression der Spongiosaplastik zum Kollaps des Grafts und mithin zum Implantatversagen führen können, da dieses nicht in der Lage ist, die einwirkenden Kräfte aufzunehmen [5, 55] (Abb. 5).
Der Reifungsprozess des Spongiosatransplantats bis zur vollständigen Integration kann bis zu 7 Jahre dauern [42]. In diesem Zeitraum ist eine primäre Belastbarkeit des Transplantats nicht gegeben, sodass im Umkehrschluss kompromisslos die primäre Stabilität dieser Implantate zu fordern ist. Entsprechend sollten Abstützringe vielmehr als Schutz von Spongiosatransplantaten implantiert und verstanden werden [18]. Dies scheint von zentraler Bedeutung zu sein, da Migrationen in signifikantem Ausmaß bei diesen Implantaten generell zu beobachten sind [26]. Eine konsekutive Störung des Inkorporationsprozesses des Allografts mit folgendem Kollaps ist somit bei ungenügender Fixation am Eigenknochen zu befürchten. Ist mit dem eingebrachten Implantat keine suffiziente Auflage am Eigenknochen zu erreichen, sollte das nächst größere Implantat ausgewählt werden.
Die in dieser Studie dargestellten Überlebensraten von 89% nach 8 Jahren zeigen, dass die Pfannenrevision mit Abstützschalen durchaus zu akzeptablen, mittelfristigen Ergebnissen führt. Allerdings sollten die mäßigen, klinischen Resultate sowie die vergleichsweise hohe Komplikationsrate stets in die präoperativen Überlegungen einbezogen und dem Patienten entsprechend erläutert werden. Eine alternative Option bei geeigneten, azetabulären Defekten ist die Implantation einer hemisphärischen oder längsovalen Revisionspfanne. Diese zementfreien Implantate ermöglichen ebenfalls eine Interposition von Fremdknochen und zeigen gute mittel- bis langfristige Ergebnisse [17, 28, 35, 53]. Ob neue Implantate aus dem Werkstoff Tantal (trabecular metal) mit entsprechenden Augmentationsblöcken dem Problem der Osteointegration adäquat begegnen können und eine mögliche Alternative darstellen, wird sich in Zukunft erweisen. Die bislang erzielten kurzfristigen Ergebnisse sind ermutigend [46, 50]. Dennoch ist weitere Forschung zwingend erforderlich, um insbesondere das Problem der Defektüberbrückung im Acetabulum lösen zu können.
Fazit für die Praxis
Die Pfannenrevision mit Abstützschalen führt zu befriedigenden mittelfristigen Ergebnissen. Eine exakte, präoperative Planung und die Wahl des entsprechenden Implantats für den individuellen Fall sind von zentraler Bedeutung. Auf die Notwendigkeit einer Impaktion der gemahlenen Spongiosa im Defekt sowie eine suffiziente Auflage des Implantats am Eigenknochen sei ausdrücklich hingewiesen. Dennoch sollte die hohe Komplikationsrate bei der Therapieplanung berücksichtigt werden. Die Aufklärung des Patienten bezüglich des klinischen Ergebnisses sollte in realistischer Form erfolgen. Der Einsatz neuer Techniken und Implantate erscheint viel versprechend, dennoch bleibt hier die langfristige Entwicklung noch abzuwarten.
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Dr. U.J. Schlegel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik und Poliklinik für Orthopädie.
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Schlegel, U., Bitsch, R., Pritsch, M. et al. Abstützschalen in der Revisionsendoprothetik der Hüfte. Orthopäde 37, 904–913 (2008). https://doi.org/10.1007/s00132-008-1314-5
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00132-008-1314-5