Mit steigender Lebenserwartung der Bevölkerung wird die Häufigkeit von Kniegelenkarthrosen zunehmen. Nach Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen ist der endoprothetische Kniegelenkersatz häufig die einzige Möglichkeit, Schmerzfreiheit und Gelenkfunktion wieder herzustellen, sowie vorhandene Deformitäten zu korrigieren. Die Implantation von künstlichen Kniegelenken hat einen hohen Grad an Sicherheit erreicht und zählt zu einem häufig angewandten Behandlungsverfahren in der orthopädischen Chirurgie. Nach Schätzungen von Endoprothesenherstellern wurden im Jahre 1997 weltweit annähernd 500.000 künstliche Kniegelenke implantiert [16], im Jahr 2002 bereits ca. 800.000 mit steigender Tendenz [11].

Im Gegensatz zu Hüftendoprothesen ist die Werkstoffauswahl bei Knieendoprothesen deutlich eingeschränkt [15]. So werden in der Regel Kobalt-Chrom-Legierungen für die femorale Komponente, ultrahochmolekulares Standardpolyethylen (UHMW-PE) für das Inlay sowie Kobalt-Chrom- oder Titanlegierungen für die tibiale Komponente eingesetzt. Die begrenzte Werkstoffauswahl konfrontiert die Entwickler von Knieendoprothesensystemen mit Schwierigkeiten in der Konstruktion, d. h. einen geeigneten Kompromiss zwischen kleinst möglicher Baugröße sowie Funktionalität und Bauteilsicherheit zu finden [15]. Aufgrund der hohen mechanischen Belastungen am Kniegelenk sind Brüche (Abb. 1) der tibialen und femoralen Komponente [29], v. a. bei fehlender knöcherner Abstützung, bis heute keine Seltenheit.

Abb. 1
figure 1

Ermüdungsbruch eines metallischen Tibiaplateaus [1]

Probleme in der Knieendoprothetik

Heutzutage können mit modernen Implantatsystemen bei entsprechender Technik und Erfahrung des Operateurs gute bis sehr gute klinische Langzeitergebnisse (10-Jahres-Überlebensraten von Knieendoprothesen von >90%) erzielt werden [8]. Die häufigste Ursache für Revisionseingriffe stellen die aseptischen Implantatlockerungen infolge von Abrieb und Verschleiß dar. Daneben können u. a. Fehlpositionierung, Fehldimensionierung, ungeeignetes Implantatdesign, Infektionen und allergische Reaktionen gegen die implantierten Materialen zum Versagen des künstlichen Kniegelenks führen [1]. Mit ständigen Verbesserungen des Implantatdesigns sowie umfangreicher Bemühungen zur Reduktion des Polyethylenabriebs und Erhöhung der Biokompatibilität der verwendeten Materialien wird versucht, die Langzeitergebnisse noch zu verbessern.

Moderne Knieendoprothesensysteme sind modular aufgebaut. Dabei besteht die femorale und tibiale Komponente in der Regel aus metallischen Legierungen, welche jedoch allergische Reaktionen im Körper auslösen können. Die Inzidenz allergischer Reaktionen gegenüber Metall wird in bestimmten Bevölkerungspopulationen mit >20% angegeben. Zudem sind allergische Unverträglichkeitsreaktionen auf Knochenzementbestandteile beschrieben [24], sodass allergenarme Implantatmaterialien die Langzeitergebnisse in der Knieendoprothetik verbessern könnten.

Implantatallergie

Das Einbringen von Fremdmaterialien z. B. im Rahmen des künstlichen Gelenkersatzes induziert eine Immunantwort, welche von den Materialeigenschaften und der Reaktionsbereitschaft des Patienten abhängt [23]. Sofern eine spezifische Sensibilisierung gegenüber bestimmten Bestandteilen von endoprothetischen Implantaten vorliegt, können Überempfindlichkeitsreaktionen in Form von lokalisierten und generalisierten Ekzemen (Abb. 2), Urtikaria und Schwellungen bis hin zur aseptischen Implantatlockerung auftreten [23, 26].

Bei der Epikutantestung wird eine in der Gesamtbevölkerung ansteigende Sensibilisierungsrate gegen Metalle und Bestandteile des Knochenzements beobachtet. Laut einer aktuellen Statistik beträgt die Rate gegen Nickel 13,1% (bei Frauen >20%), gegen Kobalt etwa 2,4% und gegen Chrom 1,1%. Bei Personen <40 Jahren sind die jeweiligen Sensibilisierungsraten z. T. deutlich erhöht [25]. Gegen Benzoylperoxid, das als Initiator der Polymerisationsreaktion beim Anmischen von Knochenzement fungiert, findet sich bereits eine Sensibilisierungsrate von knapp 10%. Demgegenüber sind bislang nahezu keine Unverträglichkeitsreaktionen gegen Reintitan oder Titanlegierungen beschrieben [19, 26].

Abb. 2
figure 2

Hautekzem nach Knieendoprothesenimplantation [23]

Bei Verdacht auf eine Sensibilisierung gegen einen oder mehrere Implantatmaterialien sollte neben einer allergologischen Anamnese und klinischen Untersuchung eine Epikutantestung erfolgen. Dabei enthält die Standreihe metallische Materialien (Nickel, Kobalt, Chrom, Titan etc.) sowie Knochenzementbestandteile. Diese Untersuchung sollte von den Krankenkassen im Rahmen der präoperativen Diagnostik finanziell getragen werden, um später kostenaufwendige Komplikationen durch Implantatunverträglichkeiten zu vermeiden. Ergänzend kann ein Lymphozytentransformationstest sowie an ggf. vorliegenden Gewebeproben eine histologische und immunhistologische Diagnostik durchgeführt werden [23]. Jedoch ist nicht vollständig geklärt, inwieweit positive Reaktionen in der Epikutantestung mit dem möglichen Auftreten von entzündlichen periprothetischen Infiltraten, bedingt durch T-lymphozytär dominierte Reaktionen, zusammenhängen. Bis heute wird die Korrelation zwischen der periprothetischen Unverträglichkeitsreaktion und der allergischen Hautreaktion gegen Implantatmaterialen kontrovers diskutiert [23].

Lösungen und alternative Werkstoffe bei Metallallergie

Beim Vorliegen einer Sensitivität gegenüber metallischen Implantatmaterialien sind bei der Implantation oder Revision von künstlichen Kniegelenken mehrere Lösungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen bzw. in der präoperativen Planung zu berücksichtigen:

  • Einsatz von Implantatkomponenten ohne metallische Bestandteile (z. B. aus Keramik),

  • Verwendung von nicht-sensitiven metallischen Implantatmaterialien (z. B. Titan- oder ZrNb-Legierungen),

  • Verwendung sensitiver metallischer Werkstoffe nach Maskierung der Implantatoberfläche mittels geeigneter Beschichtung (z. B. mit TiN).

Konsequenzen bei der Werkstoffauswahl für Patienten mit Metallallergie und künstlichem Kniegelenkersatz ergeben sich in der Regel nur für die femorale Komponente, da für das metallische Tibiaplateau keine komplexen tribologischen Randbedingungen vorliegen und somit Titanlegierungen, die hinsichtlich allergischer Unverträglichkeitsreaktionen unkritisch sind [19], als Implantatmaterial standardmäßig zur Verfügung stehen. Im Folgenden werden Lösungsmöglichkeiten und eine Auswahl alternativer Werkstoffe in der Knieendoprothetik bei Patienten mit Metallallergie dargestellt.

Oberflächenbeschichtungen

Bei Patienten mit einer Chrom-, Kobalt- oder Nickelunverträglichkeit können zum einen Titanbasislegierungen als alternatives Implantatmaterial für die femorale und die tibiale Komponente verwendet werden. Titanlegierungen bilden elektrisch nicht leitende passivierende Oxidschichten, geben im Gegensatz zu Kobalt-Chrom und Edelstahl bei Korrosion bzw. Zerstörung der Passivierungsschicht keine Ionen an das Gewebe ab, und haben die Fähigkeit zur Repassivierung [28]. Darin sind die sehr gute Biokompatibilität, die fehlende Sensibilisierung des Gewebes und die hohe Korrosionsbeständigkeit von Titan begründet. Aufgrund der Anfälligkeit gegenüber Reibkorrosion und der vergleichsweise geringen Verschleißbeständigkeit können „unbehandelte“ Titanwerkstoffe in tribologisch stark beanspruchten Arealen des künstlichen Kniegelenkersatzes, z. B. der femoralen Gleitfläche, nicht eingesetzt werden [15]. Jedoch stehen unterschiedliche Verfahren [6, 28] zur Oberflächenmodifikation und somit zur Erhöhung der Verschleißbeständigkeit zur Verfügung wie die Ionenimplantation z. B. mit Stickstoff [2, 6], die Sauerstoffdiffusionshärtung [22], die DLC- (Diamond-like-carbon-)Beschichtung [6] und die PVD- (Physical-vapour-deposition-)Beschichtung mit Titan(niob)nitrit [Ti(Nb)N] [7], welche im folgenden Abschnitt näher beschrieben wird.

Zum anderen können bei Metallallergie auch Knieimplantate aus Kobalt-Chrom-Legierungen Verwendung finden. Dabei wird durch eine Oberflächenmodifikation sowohl der Femur- als auch der Tibiakomponente versucht, den direkten Kontakt des Grundmaterials mit dem umgebenden Gewebe sowie die Freisetzung von Partikeln und Ionen in das Gewebe infolge von Abrieb und Korrosion zu verhindern. Beschichtungen an medizinischen Implantaten werden von verschiedenen Herstellerfirmen weltweit durchgeführt.

Keramische Ti(Nb)N-Beschichtung

Die Ti(Nb)N-Beschichtungen, die meist mittels PVD-Verfahren aufgebracht sind, werden seit >10 Jahren zur Prävention der Implantatallergie sowie zur Verschleißminimierung von Knieendoprothesen eingesetzt (Abb. 3). Ti(Nb)N-beschichtete Implantate haben sich erfolgreich am Markt etabliert. Ti(Nb)N-Schichten können sowohl auf Titan- als auch auf Kobalt-Chrom-Werkstoffe aufgebracht werden. Beim PVD-Arc-Verfahren werden Titan- bzw. Niobionen und Atome unter Niederdruckbedingungen durch Zufuhr elektrischer Energie aus einem festen Target gelöst und verbinden sich mit Stickstoffmolekülen auf der Implantatoberfläche zur gewünschten Schicht, zumeist mit einer Dicke von 1–3 μm [6].

Abb. 3
figure 3

Knieendoprothesensystem mit einer TiN-beschichteten Femur- und Tibiakomponente aus TiAl6V4

Die Ti(Nb)N-Beschichtung der Fa. DOT (Rostock) z. B. ist gekennzeichnet durch eine Schichtdicke von 4 μm und eine Vickers-Härte von 2400 HV. Diese Beschichtung ist im Vergleich zum Grundmaterial hart, erhöht die Benetzbarkeit für Flüssigkeiten und schützt Gleitflächen vor abrasivem Verschleiß sowie Kratzer durch Operationsinstrumente. In der Applikation unterscheiden sich die TiN- und TiNbN-Beschichtungen nur geringfügig, wobei die TiNbN-Beschichtung etwas stärker den Ionenaustritt aus dem unterliegenden Kobalt-Chrom-Werkstoff reduziert (Abb. 4). In Biokompatibilitätstests führten TiN-beschichtete Prüfkörper aus Kobalt-Chrom- und Titanlegierungen zu keinen biologisch-toxischen Schädigungen [14].

Abb. 4
figure 4

Absoluter Kobaltgehalt im Eluat nach Einlagerungstest in SBF- (Simulated-body-fluid-)Puffer über 14 Tage [3]

In der Vergangenheit wurde im klinischen Einsatz von einem partiellen Schichtversagen von TiN-beschichteten Hüftköpfen berichtet [18]. Hierfür wird der sog. Eierschaleneffekt verantwortlich gemacht, d. h. unter Einwirkung von Drittkörpern (Partikeln) soll sich die Beschichtung unter hoher punktueller Belastung (Flächenpressung) vom weichen Grundwerkstoff ablösen. Die Versagensfälle betrafen jedoch Beschichtungen, die vor >10 Jahren hergestellt wurden und sich zudem durch eine ungeeignete Beschichtungstechnologie auszeichneten und dadurch eine ungenügende Haftfestigkeit aufwiesen.

In eigenen Untersuchungen wurde die Haftfestigkeit von TiN-Schichten mittels Dornbiegeversuch nach DIN EN ISO 1519 und Ritzprüfung nach DIN EN ISO 1518 qualitativ bestimmt. Versagenskriterium ist jeweils das flächige Abplatzen von Schichtbestandteilen. Die getesteten TiN-Schichten zeigten dabei kein Abplatzen vom jeweiligen Titangrundkörper (Abb. 5 a). Zudem wurde die Haftfestigkeit dieser TiN-Schichten quantitativ im Stirnabzugversuch nach DIN EN 582 bestimmt. Hierbei wurden 2 Stirnabzugprüfkörper mittels eines Industrieklebers unter Druck fest miteinander verbunden, wobei ein Prüfkörper beschichtet und der andere unbeschichtet war. Mittels einer Universalprüfmaschine wurden die Prüfkörper auseinander gezogen und die Stirnabzugkraft ermittelt bzw. die Stirnabzugfestigkeit errechnet. Dabei zeigten sich für die TiN-Beschichtungen keine Ablösungen vom Grundkörper (Abb. 5 b) und hohe Stirnabzugfestigkeiten.

Abb. 5
figure 5

a Die TiN-Beschichtung auf poliertem TiAl6V4 zeigt bei einer Ritzprüfkraft von 200 N kein Abplatzen. b Kein Abreißen der TiN-Schicht während des Stirnabzugversuchs: links gestrahlte unbeschichtete Fläche mit Kleberesten, rechts TiN-Beschichtung mit Kleberresten

Die Haftfestigkeit dieser Schichten wird technologisch beherrscht. Bislang wurden beispielsweise >100.000 von der Fa. DOT mit Ti(Nb)N beschichtete Implantate klinisch erfolgreich eingesetzt. In Verschleißuntersuchungen am Kniesimulator zeigten sich im Vergleich zu unbeschichteten Proben deutlich geringere Verschleißerscheinungen an der TiN-beschichteten Femur- und Polyethylenkomponente. Bei Inkongruenz der Gelenk- bzw. Gleitflächen muss analog zu unbeschichteten Gleitflächen mit etwas vermehrtem Abrieb gerechnet werden, jedoch ist ein Abplatzen der Ti(Nb)N-Schicht nicht zu erwarten.

Oxinium

Eine Alternative zur Beschichtung der femoralen Komponente auf Basis von Kobalt-Chrom- oder Titanlegierungen stellt bei Metallallergikern die Verwendung von Implantaten auf Oxinium-Basis dar. Von der Fa. Smith & Nephew (Schenefeld) werden für den Kniebereich ein unikondyläres System (Accuris) sowie 3 bikondylären Systeme auf Oxinium-Basis (Abb. 6) für den zementierten Einsatz angeboten. Oxinium ist eine metallische Legierung aus Zirkonium, einem sehr biokompatiblem Metall vergleichbar mit Titan und 2,5% Niob, das zur Festigkeitssteigerung hinzugefügt wird [21]. Beim Herstellungsprozess wird die Femurkomponente, welche aus der ZrNb-Legierung geschmiedet wurde, einer Wärmebehandlung (500°C) unterzogen und die Implantatoberfläche mit Sauerstoff angereichert. Dabei entsteht an definierten Stellen (Gleitfläche) eine keramische Oberfläche mit einer Dicke von ≥5 μm aus reinkeramischem Zirkoniumoxid, welche für die guten tribologischen Eigenschaften (hohe Abriebbeständigkeit, Härte und Benetzbarkeit) verantwortlich ist [21].

Oxinium zeichnet sich durch einen mit Titanlegierungen vergleichbaren Elastizitätsmodul und eine hohe Bruchfestigkeit, vergleichbar mit der von Kobalt-Chrom-Legierungen aus. Die guten Abriebeigenschaften konnten Ezzet et al. [5] anhand von Untersuchungen am Kniesimulator belegen. Dabei zeigte sich eine Reduktion des Abriebs am Polyethyleninlay von 42% im Vergleich zu einer Femurkomponente aus Kobalt-Chrom mit identischem Design. Der Nickelgehalt von Oxinium beträgt <0,0035% [21] und ist damit kleiner als bei den Titanlegierungen [19]. Implantate aus Oxinium sind somit eine Alternative v. a. bei nickelsensitiven Patienten.

Der Nachteil von Oxinium-Implantaten sind die bislang hohen Fertigungskosten. Aktuelle Berichte beschreiben Beschädigungen (Cracking und Delamination) der reinkeramischen Zirkoniumoxidoberflächenschicht an Hüftköpfen aus Oxinium bei Hüftendoprothesenluxation und Reposition [4, 9]. Hierfür wurden hohe Kontaktspannungen, die beim Anschlagen des Kopfes am Rand des metallischen Pfannengehäuses im Rahmen des Luxationsvorgangs und des Repositionsmanövers auftreten können und konsekutiv zu Beschädigungen der keramischen Oberflächenschicht führen können, verantwortlich gemacht [4]. Derartige Phänomene wurden nach unserem Kenntnisstand bislang an Kniekomponenten aus Oxinium nicht beobachtet, jedoch sollte im Rahmen möglicher Revisionsoperationen darauf geachtet werden.

Abb. 6
figure 6

Bikondyläres Knieendoprothesensystem mit femoraler Komponente aus Oxinium [21]

Keramik

Eine zusätzliche Alternative für Patienten mit Metallallergie stellen biologisch inaktive Implantatmaterialien, beispielsweise die Oxidkeramiken dar. Oxidkeramiken wie Al2O3 oder ZrO2 werden seit >30 Jahren erfolgreich in der Hüftendoprothetik als Werkstoff für den Endoprothesenkopf und den Pfanneneinsatz verwendet [12].

In der Knieendoprothetik wurde von Langer 1972 [10] erstmals Keramik in Form einer unzementierten Tibiaplateauprothese (VEB Keramische Werke, Hermsdorf) eingesetzt. In den 1980er Jahren wurde in Japan das „KOM-1 (Kokuritsu Osaka Minami Hospital) total knee system“, das aus einer Femur- und Tibiakomponente aus Aluminiumoxid bestand, implantiert. Durch die Entwicklung neuer Mischkeramiken, die eine höhere Bruchfestigkeit und -zähigkeit im Vergleich zu reinen Oxidkeramiken aufweisen, haben sich neue Möglichkeiten der Anwendung von keramischen Werkstoffen in der Knieendoprothetik ergeben.

Seit 2006 steht ein neu entwickeltes keramisches Kniesystem (Delta Ceramic Multigen Plus Knee, Fa. Lima, San Daniele, Italien) zur Verfügung. Das ungekoppelte Oberflächenersatzsystem besteht aus einer keramischen Femurkomponente aus Biolox®delta (Abb. 7), einem fixem Polyethyleninlay und metallischen Tibiaplateau aus TiAl6V4.

Abb. 7
figure 7

„Delta Ceramic Multigen Plus Knee“ mit keramischer Femurkomponente aus Biolox®delta

Biolox®delta (CeramTec, Plochingen) ist eine biokompatible Mischkeramik, bestehend aus ca. 75% Aluminiumoxid, das als Basis für die Verschleißbeständigkeit dient und ca. 24% Zirkonoxid, das in Verbindung mit weiteren Zusätzen die mechanischen Eigenschaften des Werkstoffs verbessert [17]. Die guten tribologischen Eigenschaften von Biolox®delta sollten die Abriebentstehung auch beim totalen Kniegelenkersatz senken und die potentiellen Gefahren einer Partikelerkrankung mit lokalen Osteolysen und resultierender aseptischer Implantatlockerung verringern können.

Die keramische Femurkomponente des „Delta Ceramic Multigen Plus Knee“ steht derzeit nur für die zementierte Verankerung zur Verfügung, sodass sich die Implantation von Knieendoprothesen aus Keramik bei Patienten mit Metallallergie anbietet, jedoch muss bei einer Knochenzementallergie auf metallische zementfrei zu verankernde Knieimplantate mit beschichteten Oberflächen zurückgegriffen werden. Die Entwicklung unzementierter Keramikkomponenten sowohl für das Femur als auch für die Tibia ist Gegenstand gegenwärtiger und zukünftiger Forschung.

Grundsätzlich erfordert der Einsatz von Keramiken sowohl in der Hüft- als auch in der Knieendoprothetik eine exakte und sorgfältige Operationstechnik, um das Bruchrisiko zu minimieren. In eigenen Finite-Elemente- (FE-)Untersuchungen, bei denen 3D-Modelle der keramischen Femurkomponente, des Zementmantels und des umgebenden femoralen Knochenlagers benutzt wurden, konnten unter Berücksichtigung der Knochenmorphologie Aussagen zu resultierenden Belastungen und Spannungen in der keramischen Femurkomponente bei verschiedenen Zementschichtdicken abgeleitet werden [20]. In einer internationalen Multicenterstudie werden derzeit das klinische, radiologische und funktionelle Outcome des „Delta Ceramic Multigen Plus Knee“ im Vergleich zum Standardsystem aus Kobalt-Chrom mit identischem Design evaluiert [13].

Fazit für die Praxis

Mit einer zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung gegen eine oder mehrere Implantatmaterialien ist zu rechnen. In der Endoprothetik sind derzeit v. a. allergische Reaktionen auf Metalle, d. h. insbesondere auf Nickel, Kobalt und Chrom, sowie gegen Knochenzementbestandteile von klinischer Relevanz. Obgleich die Korrelation zwischen periprothetischer Unverträglichkeitsreaktion und kutaner Kontaktallergie kontrovers diskutiert wird, sollte bei jedem Verdacht auf eine Metallallergie vor der Implantation einer Knieendoprothese neben einer allergologischen Anamnese und klinischen Untersuchung eine Epikutantestung erfolgen. Bei nachgewiesener Allergie auf metallische Implantatmaterialien sind derzeit unterschiedliche Konzepte in der Auswahl des jeweiligen Kniesystems etabliert, da eindeutige Richtlinien für die klinische Praxis bislang fehlen.

Infolge der oben genannten unklaren Korrelation zwischen positiven Hautreaktionen und periprothetischen Unverträglichkeitsreaktionen entscheiden sich viele Operateure bei Allergie auf Nickel, Kobalt oder Chrom nach einer sorgfältigen präoperativen Aufklärung des Patienten im Rahmen der Primärimplantation für eine zementierte Standardprothese, d. h. mit einer Femurkomponente aus Kobalt-Chrom. In unserer Klinik kommen bei der Primär- und auch Revisionsoperation zumeist Ti(Nb)N-beschichtete Knieimplantate aus einer Kobalt-Chrom- oder Titanlegierung zum Einsatz. Mögliche Alternativen zu den Oberflächenbeschichtungen stellen Kniesysteme aus Oxinium, einer ZrNb-Legierung mit keramischer Oberfläche sowie Kniesysteme aus Oxidkeramiken (z. B. das „Delta Ceramic Knee“) dar.