Hüftendoprothesenschäfte unterscheiden sich in erster Linie hinsichtlich der verwendeten Implantatmaterialien, der Länge, des Design und der Art der Verankerung im Knochen. Hinsichtlich der Verankerungsorte der Endoprothesenschäfte erscheint folgende Einteilung sinnvoll:

  • Kappenendoprothesen (epiphysäre Verankerung),

  • Schenkelhalsendoprothesen (metaphysäre Verankerung),

  • Kurzschäfte (metaphysäre und kurze diaphysäre Verankerung),

  • Standardschäfte (metaphysäre und längere diaphysäre Verankerung).

Kurzschäfte sind somit im heutigen Sprachgebrauch Hüftendoprothesenschäfte, die in der Metaphyse und im proximalen Bereich der Diaphyse verankert werden und kürzer als die klassischen Standardschäfte sind. Trotz individueller Unterschiede besteht der gemeinsame Nenner in der Philosophie der ausschließlich proximalen Kraftübertragung, sodass sich alle Kurzschäfte durch eine geringere Längendimensionierung auszeichnen. Ihre Vorzüge werden u. a. in der Erleichterung später erforderlicher Wechseloperationen gesehen, weshalb sie v. a. für die Versorgung jüngerer Patienten favorisiert werden.

Im Folgenden sollen die bekanntesten und bereits in klinischer Anwendung befindlichen Kurzschäfte charakterisiert und – soweit vorhanden – deren publizierte Ergebnisse beschrieben werden.

Pipino-Schaft

Der erste Kurzschaft wurde im Jahre 1977 durch Pipino konzipiert und 1979 erstmalig implantiert (Abb. 1). Der Pipino-Schaft ist bislang der einzige Kurzschaft, der sowohl zementiert als auch zementfrei eingesetzt werden kann.

Abb. 1
figure 1

Pipino-Endoprothese

Pipino et al. [6] berichteten 1987 erstmals über günstige Frühergebnisse:

  • 280 Implantationen, 1979–1986

    • 233 zementiert

    • 47 zementfrei

  • Follow-up 1–7 Jahre

  • 87,5% sehr gute und gute Ergebnisse

  • 3 Stieldislokationen

Im Jahre 2000 konnten Pipino et al. [7] 44 Langzeitverläufe (>10 Jahre) mit 82% sehr guten und guten Ergebnissen vorstellen, wobei allerdings 6 Patienten einen anhaltenden Oberschenkelschmerz beklagten.

Mayo-Kurzschaft

Anfang der 1980er Jahre wurde von Morrey an der Mayo-Klinik (USA) ein zementfreies Kurzschaftsystem (Fa. Zimmer) entwickelt und im Jahre 1985 erstmals implantiert (Abb. 2). Die Ergebnisse bei den ersten 146 Patienten (162 Hüften, Nachuntersuchung durchschnittlich 6,2 Jahre postoperativ) wurden im Jahre 2000 publiziert [5]. Die Implantationen erfolgten bei jüngeren Patienten mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren. Der Harris-Hip-Score verbesserte sich von 66,3 auf 90,4 Punkte. Revisionsoperationen – v. a. aufgrund einer abriebinduzierten Lockerung – wurden bei 6% der Patienten erforderlich. Mechanisches Versagen der Schaftverankerung führte bei 3 Patienten zur Revision. In 10 Fällen kam es intraoperativ zu Femurfrakturen. Ein Oberschenkelschmerz wurde bei stabil integrierten Kurzschäften nicht registriert.

Abb. 2
figure 2

Mayo-Endoprothese, Fa. Zimmer

Hube u. Hein [3] kamen nach Auswertung der ersten 192 Operationen (1999–2001) insgesamt zwar zu einer günstigen Beurteilung, die Autoren verwiesen aber auch auf eine bestehende Lernkurve, was sich in 7 intraoperativen Femurfrakturen widerspiegelte.

Im Jahre 2004 berichteten Hube et al. [4] über eine prospektive randomisierte vergleichende Untersuchung zwischen dem Mayo-Kurzschaft und einem Standardschaft, hier zeigten sich v. a. in der frühen postoperativen Phase (3 Monate) signifikant bessere Ergebnisse beim Kurzschaft.

C.F.P.®-Schaft

Der C.F.P.®-Schaft (Fa. Link) stellt eine Weiterentwicklung des Pipino-Schaftes dar. Er ist seit 1996 im klinischen Einsatz und wird ausschließlich zementfrei implantiert (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

C.F.P.-Endoprothese, Fa. LINK

Röhrl et al. [9] publizierten im Jahre 2006 eine 2 Jahre postoperativ bei 26 Patienten durchgeführte klinische, radiologische und röntgenstereometrische Analyse. Dabei zeigten sich eine nur geringe Migration sowie ein leichter Varus- oder Valgusdrift, aber kein Knochenverlust im Kalkarbereich.

Trotz offensichtlich hoher Operationszahlen liegen bislang noch keine weiteren wissenschaftlichen Publikationen über kurz- und mittelfristige Ergebnisse vor.

Metha-Kurzschaft

Der Metha-Kurzschaft (Fa. Aeskulap) zeichnet sich durch eine mikroporöse Titanbeschichtung sowie eine zusätzlich proximal aufgebrachte Dikalziumphosphatdihydratschicht aus, er verfügt über einen modularen Konusadapter (Abb. 4). Die erste Publikation von Bücking et al. [2] berichtet über gute klinische und radiologische Ergebnisse bei 29 Patienten 1 Jahr postoperativ. Eine Lockerung trat in diesem Zeitraum nicht auf.

Abb. 4
figure 4

Metha-Endoprothese, Fa. Aeskulap

PROXIMA

Der PROXIMATM-Kurzschaft (Fa. DePuy) stellt eine Weiterentwicklung aus einem Individualschaft dar und besteht aus einem Titankomposit mit mikroporöser Hydroxylapatitbeschichtung (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

PROXIMATM-Endoprothese, Fa. DePuy

In einer Multicenterstudie konnten bislang 28 Patienten maximal 13 Monate postoperativ nachuntersucht werden, wobei sich Hinweise für eine frühe Osseointegration ergaben [8].

Santori et al. [11] berichteten im Jahre 2006 über die Verläufe bei 111 Patienten (131 Operationen), die zwischen 1995 und 2004 mit einem Vorläufermodell der PROXIMA™-Endoprothese versorgt worden waren. Durchschnittlich 5,3 Jahre nach der Operation ergaben sich sehr gute klinische Ergebnisse, kein Oberschenkelschmerz, keine Revision und keine radiologischen Lockerungszeichen. Die Autoren empfehlen, das Implantat nicht zu groß zu dimensionieren, und erachten eine zirkuläre Verankerung in der Spongiosa für optimal.

Westphal et al. [14, 15] führten eine In-vitro-Vergleichsstudie zwischen dem PROXIMATM-Schaft und einem Standardschaft mit einer zyklischen Belastung bis 3515 Zyklen durch. Dabei zeigte sich beim Kurzschaft unabhängig von der Implantatgröße eine stärkere Migration (v. a. in Varusrichtung) als beim Standardschaft, hinsichtlich zyklischer Bewegung und Funktionslast ergaben sich hingegen keine Unterschiede. Die Autoren unterstreichen die Wichtigkeit einer guten proximalen Knochenqualität und bewerten kleinere Implantatgrößen mit „spongiöser“ Fixation im Hinblick auf der zyklische Bewegung günstiger als größere Implantate mit „kortikaler“ Fixation.

ESKA-Kurzschaft

Im Jahre 2002 wurde durch von Salis-Soglio und Grundei ein zementfreier Kurzschaft (Fa. Eska Implants) entwickelt (Abb. 6), der über eine makroporöse metallspongiöse Oberflächenstruktur verfügt, die seit vielen Jahren in der zementfreien Endoprothetik fest etabliert ist.

Abb. 6
figure 6

ESKA-Kurzschaft-Endoprothese, Fa. Eska Implants

Das Implantat ist kragenlos, vollstrukturiert und weist zwei Drittel der Länge eines herkömmlichen Standardschaftes auf. Es existieren 7 Größen, wobei sowohl die Resektionshöhe als auch die Markraumpräparation der Operationstechnik beim Standardschaft entsprechen. Die Markraumraspeln sind der Länge der Kurzschäfte angepasst.

Der Eska-Kurzschaft wird bislang ausschließlich in der Klinik des Entwicklers eingesetzt. Die Ergebnisse der ersten 55 Implantationen (11/2002 bis 12/2004) wurden im Jahre 2006 publiziert und zeigten in 53 Fällen unkomplizierte Verläufe, in einem Fall eine intraoperative Schaftfissur (Ausheilung unter Tippbelastung nach 6 Wochen) und in einem weiteren Fall die Notwendigkeit einer Wechseloperation wegen Frühinfektion [13].

Eine im September 2006 vorgenommene Bestandsaufnahme ergab u. a. folgendes Bild:

  • 131 Operationen bei 125 Patienten

  • Durchschnittsalter 65 Jahre (35 –85 Jahre)

  • Indikationen:

    • 111-mal Koxarthrose

    • 8-mal Hüftkopfnekrose

    • 12-mal Endoprothesenlockerung

  • 126-mal unkomplizierte Verläufe mit guten klinischen und radiologischen Ergebnissen

  • 5-mal Komplikationen:

    • 1 intraoperative Schaftfissur (Ausheilung unter Tippbelastung nach 6 Wochen)

    • 2 tiefe Infektionen (1-mal Implantatausbau, 1-mal Wechsel auf Standardschaft)

    • 1 Luxation (nach Wechseloperation)

    • 1 aseptische Lockerung (Wechsel auf Standardschaft)

Diskussion

Die in der Literatur bislang mitgeteilten Erfahrungen mit Kurzschäften in der Hüftendoprothetik können als durchaus ermutigend angesehen werden, wobei einschränkend festzuhalten ist, dass bislang nur beim Pipino-Schaft und beim Mayo-Schaft mittel- bis längerfristige Erfahrungen vorliegen. Entsprechend den in der Anfangsphase von mehreren Autoren beobachteten intraoperativen Frakturen ist auch bei diesen Implantaten von einer deutlichen Lernkurve auszugehen. Dies ist wohl nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass gerade bei kurzstreckiger Verankerung des Schaftes eine ganz exakte Passgenauigkeit für eine stabile ossäre Integration realisiert werden muss.

Insbesondere nach den Untersuchungen von Westphal et al. [14, 15] scheint möglicherweise die Verankerung im rein spongiösen Bereich günstiger zu sein als die kortikale Verklemmung. Dies wiederum setzt eine möglichst gute Qualität der Spongiosa im proximalen Femur voraus, sodass die Indikationsstellung im höheren Lebensalter sicherlich streng vorgenommen werden sollte.

Ermutigend sind die Ergebnisse vergleichender Analysen der periprothetischen Knochendichte mittels DEXA-Methode, die von mehreren Arbeitsgruppen vorgenommen und publiziert wurden [1, 10, 11]. Dabei zeigte sich die stärkste Abnahme der Knochendichte zwar bei allen Schafttypen im Kalkarbereich, bei den Kurzschäften fiel die Knochendichteabnahme jedoch deutlich geringer aus.

Das vielfach vorgebrachte Argument einer knochensparenden Operationstechnik bei Kurzschäften besitzt sicherlich nicht für alle vorgestellten Implantate Gültigkeit, und auch der Wechsel von Kurzschäften ist – außer bei fortgeschrittenen Lockerungen – keineswegs immer völlig unproblematisch. Ein besonderer Vorzug ist aber darin zu sehen, dass auch bei nach distal eng zulaufenden Markräumen eine ausreichende Größendimensionierung des Implantats möglich ist, sodass eine proximale Unterdimensionierung und somit ggf. ein Schwingen der Endoprothese mit nachfolgendem „stress-shielding“ verhindert werden kann.

Sollte sich das vor dem Hintergrund der proximalen Krafteinleitung nachvollziehbare Konzept der Kurzschäfte bewähren, würde dies allerdings keineswegs eine Verdrängung der anderen Implantate bedeuten, sondern es käme vielmehr zu einer lückenlosen Vervollständigung eines differenzierten Versorgungsangebotes in der Hüftendoprothetik, das vom Oberflächenersatz bis hin zu modularen Revisionssystemen reicht. Je nach individuellen Gegebenheiten ist dann die Entscheidung für eine Implantatform zu treffen, wobei wir in dem von uns vorgestellten Implantatsystem einen besonderen Vorzug darin sehen, dass durch die aufeinander abgestimmten Instrumente und Implantate intraoperativ problemlos ein ggf. erforderlicher Strategiewechsel vorgenommen werden kann (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Metallspongiöse Hüftendoprothesen, Fa. Eska Implants

Die von den Autoren und Operateuren zu fordernde seriöse wissenschaftliche Begleitung der Kurzschäfte wird letztlich aber erst nach Vorliegen weiterer Langzeitergebnisse zeigen können, ob die zweifellos ermutigende Zwischenbilanz gerechtfertigt ist.

Fazit für die Praxis

Die bislang publizierten Erfahrungen mit den im klinischen Einsatz befindlichen Kurzschäften sind durchaus positiv. Die Verwendung von Kurzschäften stellt somit bei der endoprothetischen Versorgung jüngerer Patienten eine erwägenswerte Alternative dar. Die Implantation ist jedoch keinesfalls einfacher als bei den klassischen Standardschäften. Langfristige Ergebnisse sowie Erfahrungen bei Wechseloperationen sind mit Spannung zu erwarten.