Nach wie vor liegt das größte Risiko für die Kinder und Mütter nach assistierter Reproduktion (ART) im Eintritt einer Mehrlingsschwangerschaft. Allerdings finden sich auch bei Einlingsschwangerschaften nach ART häufiger Schwangerschaftskomplikationen und neonatale Probleme. Zudem werden auch die Subfertilität als Hintergrundrisiko sowie ein direkter Einfluss der Kinderwunschbehandlung als Ursachen diskutiert. Einen Überblick bietet Abb. 1.

Abb. 1
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Verschiedene Bereiche, hinsichtlich derer Schwangerschaften bzw. Geburten nach ART (assistierter Reproduktion) Auffälligkeiten aufweisen. Daten auch zu Spontanschwangerschaften bei subfertilen Paaren zeigen ähnliche Auffälligkeiten zeigen wie die Schwangerschaften nach ART (s. Text). Daher gehen wir davon aus, dass es sich bei den Auffälligkeiten weniger um direkte Folgen der ART als vielmehr um Folgen der zugrundeliegenden Subfertilität handelt. Kausalpathogenetisch steht an erster Stelle vermutlich eine gestörte Implantation und Plazentation. Inwieweit auch Imprinting-Fehler zu diesen Problemen beitragen, ist Gegenstand der aktuellen Diskussion. PAPP-A „pregnancy-associated plasma protein A“ (Plazenta-assoziiertes Plasmaprotein A), fHCG freies Beta-HCG, SGA „small for gestational age“. (Aus [27])

Man kann nicht die Gesundheit der Kinder betrachten, ohne vorab auch Daten zur Schwangerschaft aufzuarbeiten. Diese werden daher den Daten zur Kindergesundheit vorangestellt.

Frühaborte

Die verwertbaren Studiendaten zu Frühaborten nach ART sind gering. Die wenigen guten Untersuchungen, die zu dieser Fragestellung durchgeführt wurden, zeigten kein erhöhtes Risiko [42, 57]. Nach wie vor ist davon auszugehen, dass der größte Anteil von Aborten auf chromosomale Fehler der Eizellen zurückzuführen ist.

Relevant für die nach ART erhöhte Abortrate scheinen am ehesten subfertilitätsassoziierte Faktoren

Für die nach Kinderwunschtherapie erhöhte Abortrate scheinen aktuell am ehesten Faktoren verantwortlich zu sein, die mit der Subfertilität einhergehen.

Schwangerschaftskomplikationen und neonatales Outcome

In Tab. 1 sind die 4 vorliegenden Metaanalysen zu den erhöhten Risiken bei Einlingsschwangerschaften nach ART zusammengestellt [16, 20, 35, 39].

Tab. 1 Daten aus Metaanalysen zu Schwangerschaftsrisiken und neonatalen Risiken nach ART (assistierte Reproduktion). (Nach [16, 20, 35, 39])

Die Häufigkeit eines Gestationsdiabetes ist nach ART einer separaten Analyse in einer Metaanalyse zufolge auf das 1,28fache (adjustierte OR [Odds Ratio], 95 %-KI [Konfidenzintervall] 1,20–1,37) erhöht [58].

Die Ursachen für diese Auffälligkeiten können unterschiedlich sein, möglich wären

  • die Subfertilität,

  • die ovarielle Stimulation oder

  • die verwendeten Kulturmedien.

Möglicherweise spielt die Subfertilität per se eine relevante Rolle. So sahen zwar einige Autoren keine Unterschiede bei Schwangerschaften nach Insemination im Vergleich zu fertilen Paaren [38, 53], andere hingegen beschreiben ein erhöhtes Risiko für ein niedrigeres Geburtsgewicht [8]. Die größte bislang untersuchte Kohorte mit 4228 Einlingsschwangerschaften nach Insemination zeigt ein erhöhtes Risiko für Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht und „small for gestational age“ (SGA) verglichen mit spontan konzipierte Kindern [34]. Gegenüber den nach ICSI (intrazytoplasmatische Spermieninjektion) konzipierten Einlingen ergab sich kein Unterschied. Gegenüber den nach IVF (In-vitro-Fertilisation) konzipierten Einlingen war das SGA-Risiko ähnlich, das für Frühgeburtlichkeit und niedriges Geburtsgewicht allerdings war signifikant niedriger. Zu Kindern nach ovarieller Stimulation existiert eine große Studie [24] mit 4467 Kindern, die ein schlechteres peri- und postnatales Outcome als für spontan konzipierte Kinder ergab.

Daten zu spontan konzipierten Schwangerschaften bei bekannter Subfertilität, wenn also die Zeitdauer bis zum Eintritt der Schwangerschaft mehr als 12 Monate betrug, deuten ebenfalls auf den Risikofaktor „Subfertilität“ hin [1, 17, 36, 40, 48, 61]. Allerdings gibt es offenbar weitere Faktoren, die nur bei einer aktiven Kinderwunschbehandlung und insbesondere bei einer IVF oder ICSI zu erwarten sind [45].

Schwangerschaften, die aus dem Transfer zuvor kryokonservierter Embryonen hervorgegangen sind, zeigen weniger Risiken als die aus Frischzyklen. Auch gering oder gar nicht stimulierte IVF-Zyklen zeigen in den konsekutiven Schwangerschaften weniger Risiken als konventionell stimulierte Zyklen [21, 31, 32]. Dies stützt eine These, dass endometriale Veränderungen unter den supraphysiologisch hohen Steroidhormonkonzentrationen als Folge einer ovariellen Stimulation den Schwangerschaftsverlauf negativ beeinflussen. So hatte in einer Studie eine Arbeitsgruppe über den direkten Zusammenhang zwischen hohem Östradiol und niedrigem Geburtsgewicht bei Frischtransfers berichtet [41].

Der Einfluss der Kulturmedien wird nach wie vor kontrovers diskutiert [63].

Zusammengefasst deuten die Daten zur Subfertilität (definiert als Konzeptionszeit >12 Monate) und zur Insemination sowie Stimulation darauf hin, dass nicht die invasiven Techniken wie IVF und ICSI für die beschriebenen Schwangerschaftsprobleme verantwortlich sind, sondern eher die Subfertilität. Zumindest wird sie in erheblichem Maß dazu beitragen. Weitere Faktoren scheinen die ovarielle Stimulation, die konsekutiv erhöhten Steroidhormonkonzentrationen und das dadurch unphysiologisch beeinflusste Endometrium zu sein.

Fehlbildungen

Das Fehlbildungsrisiko ist nach IVF und ICSI erhöht. Zwei Metaanalysen haben für das Fehlbildungsrisiko sehr ähnliche OR ergeben: 1,37 (95 %-KI 1,26–1,48; [59]) und 1,32 (95 %-KI 1,24–1,42; [14]).

Die Fehlbildungsraten nach IVF und nach ICSI unterscheiden sich nicht [13, 22, 26, 47, 59].

„Vanishing twin“ – ein Phänomen der gestörten Implantation?

Definiert ist diese Entität als eine Einlingsschwangerschaft, die aus einer ursprünglich als Zwillingsschwangerschaft angelegten Gravidität hervorgegangen ist. Anhand von Registerdaten wurde die Rate an Schwangerschaften mit „vanishing twin“ nach ART auf 10 % geschätzt [43]. Zahlreiche Schwangerschaftskomplikationen treten assoziiert mit einem „vanishing twin“ häufiger aus [7, 29, 30, 44], doch dies kann nicht die einzige Erklärung für das insgesamt schlechtere Outcome sein [50].

Implantationsprobleme beeinflussen das Phänomen „vanishing twin“ und das Outcome des „surviving twin“

Zu diskutieren ist daher, ob die gestörte Implantation und Plazentation beides kausal erklären (Abb. 2).

Abb. 2
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Möglicher Zusammenhang zwischen dem Phänomen „vanishing twin“ und den vermehrt zu beobachtenden Komplikationen in der daraus resultierenden fortlaufenden Einlingsgravidität. Nach unserer Hypothese ist die Subfertilität das Hauptproblem. Dies führt zu Komplikationen bei Implantation und Plazentation, damit zu einer potenziellen Mangelversorgung und zum Absterben des Embryos bzw. Feten („vanishing twin“). Der andere Embryo bzw. Fetus überlebt und entwickelt sich weiter, die suboptimale Versorgung bleibt jedoch bestehen und trägt zu den beschriebenen gehäuft auftretenden Komplikationen bei (a). Ein einfacheres Denkmodell, dem wir uns nicht anschließen, geht davon aus, dass der verstorbene Zwilling selbst den Schwangerschaftsverlauf ungünstig beeinflusst (b). Mechanismen, über welche diese Störung vermittelt werden soll, sind unbekannt. SGA „small for gestational age“

Ursache für die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines „vanishing twin“ sind Implantationsprobleme, und eben diese führen auch zu dem schlechteren Outcome des überlebenden Zwillings.

Gesundheit und Entwicklung im ersten Lebensjahrzehnt

Wenn ein nach ART konzipiertes Kind als Einling zeitgerecht und mit einem normalen Geburtsgewicht geboren wurde, dann unterscheidet sich seine eher nicht von der spontan konzipierter Kinder. Allerdings berichtet eine Metaanalyse [23] unter dem Hinweis auf nach wie vor große Widersprüchlichkeit in den Daten von einigen Auffälligkeiten (Tab. 2).

Tab. 2 Ergebnisse eines systematischen Reviews zur somatischen Gesundheit von nach ART (assistierter Reproduktion) geborenen Kindern. Dargestellt sind erhöhte Risiken (↑), widersprüchliche Ergebnisse (→←) und kein unterschiedliches Risiko (→). (Nach Kettner et al. [23])

Eine große, 2006 publizierte Metaanalyse [18] kam zu dem Schluss, dass eine erhöhte neurologische Morbidität der ART-Kinder auf die erhöhte Rate an Mehrlingen und die erhöhte Rate an Frühgeburten zurückzuführen ist. Ein aktueller Review [49] sieht die Situation auf dem Boden von mehr Studien einerseits eindeutiger (IVF), andererseits immer noch ungeklärt (ICSI). Viele Studien werden als qualitativ schlechter beurteilt, weil ein Selektionsbias bestand oder Einflussfaktoren nicht erfasst bzw. bei der Adjustierung nicht berücksichtigt worden waren.

Spezielle neurologische Entwicklungen wie Hören und Sehen sind nicht beeinträchtigt [28].

Krebserkrankungen treten einer Metaanalyse [15] zufolge mit einer höheren Wahrscheinlichkeit bei Kindern nach ART auf (RR [relatives Risiko] 1,33, 95 %-KI 1,08–1,63;). Dazu gehören hämatologische Erkrankungen, Erkrankungen des zentralen Nervensystems, Leukämien, Neuroblastome und Retinoblastome. Sehr vorsichtig formulieren die Autoren, dass möglicherweise eher Hintergrundrisiken der Eltern als die Behandlung selbst eine Rolle spielen. Nach dieser Metaanalyse sind die Daten zu 4 weiteren großen Kohorten publiziert worden, die auf ein insgesamt erhöhtes Risiko [56] bzw. eher auf spezifische Risiken (Hepatoblastome und Rhabdomyosarkome [60] bzw. Leukämien und M. Hodgkin [46]) als auf ein insgesamt erhöhtes Risiko hindeuten [52].

Ein systematischer Review [37] zur psychologischen und sozialen Entwicklung der Kinder nach ART zeigte, dass sich Grundschulkinder nach ART ähnlich wie spontan konzipierte Kinder entwickelten. Auch die kognitive Entwicklung der ART-Kinder war mit der von spontan konzipierten Kindern vergleichbar.

Metabolisches Risiko nach ART geborener Kinder

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der letzten Jahre war mit dem Älterwerden der nach ART geborenen Kinder auch deren metabolische Situation.

Eine kürzlich dazu publizierte Metaanalyse [12] ergibt einen diskret, aber signifikant erhöhten Blutdruck. LDL(„low density lipoprotein“)-Cholesterin war −0,10 mM (95 %-KI −0,19–−0,01) niedriger und Nüchterninsulin 0,38 mIE/l (95 %-KI 0,08–0,68) höher als bei den Kontrollkohorten, HOMA-IR (Homeostatic Model Assessment of Insulin Resistance) und BMI (Body-Mass-Index) vergleichbar mit denen der Kontrollen. Insofern trat die Blutdruckerhöhung isoliert auf, ohne weitere relevante kardiovaskuläre Risikofaktoren. Bestätigung finden diese Daten in einer darauf folgenden Einzelpublikation [25].

Insbesondere wird es dann spannender werden, wenn nicht nur Surrogatparameter erfasst, sondern auch klinische Endpunkte bewertet werden können. Bis dahin werden naturgemäß noch einige Jahrzehnte vergehen.

Gesundheit und Entwicklung im zweiten Lebensjahrzehnt

Hinsichtlich der kognitiven, psychologischen und sozialen Entwicklung zeigten Studien [33, 51, 55, 62], dass sich die Jugendlichen nach ART insgesamt betrachtet ganz ähnlich wie spontan konzipierte Jugendlichen entwickelten.

Kindern nach ART im Alter von 11–12 [9, 10] im Alter von 15–16 [6] und im Alter von 18 Jahren [11] schienen sich auch psychologisch ähnlich wie spontan konzipierte Kinder zu entwickeln. Allerdings hatten ART-Kinder häufiger einmal physische Aggressionen gezeigt oder waren der Schule verwiesen worden. Dies bestätigt auch eine Metaanalyse [19], in der die Autorinnen aber auch darauf hinweisen, dass mit zunehmendem Alter und aufgrund der Tatsache, dass nur wenige Kinder über ihren Ursprung aufgeklärt sind, die Evaluierung zunehmend schwieriger wird. Darüber hinaus diskutieren andere, dass allein die Tatsache der Verschwiegenheit gegenüber den Kindern bereits einen Einfluss auf deren Entwicklungspotenzial haben kann [54].

Hinsichtlich der Pubertätsentwicklung zeichneten sich endokrine Auffälligkeiten ab, in einer ersten Publikation auch Auffälligkeiten in Spermiogrammen bei 18- bis 22-Jährigen [2,4,, 4, 5].

Bei Mädchen fand diese Arbeitsgruppe keine relevanten Unterschiede [3].

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass der relevante klinische Endpunkt die bewiesene Fertilität dieser Kinder sein wird. Dennoch sind diese Daten zu den nach ICSI geborenen männlichen Nachkommen bemerkenswert und nicht überraschend.

Fazit für die Praxis

  • Schwangerschaften nach einer ART verlaufen komplizierter als solche fertiler Paare, die spontan konzipieren. Schwangerschaften, die bei subfertilen Paaren spontan eintreten, zeigen ähnliche Komplikationen wie solche nach ART. Insofern spielt die Subfertilität eine relevante Rolle als Risikofaktor.

  • Die meisten Kinder, die aus einer Kinderwunschbehandlung hervorgehen, werden genauso gesund geboren wie diejenigen, die spontan konzipiert wurden. Das Fehlbildungsrisiko ist auf das 1,3fache erhöht. Kinder nach ART entwickeln sich ganz ähnlich wie spontan konzipierte Kinder, vorausgesetzt, sie werden zeitgerecht und mit normalem Geburtsgewicht geboren.

  • Unklar ist bis heute die spätere Fertilität dieser Kinder, v. a. der Jungen, die nach einer ICSI aufgrund einer männlichen Subfertilität geboren worden sind.