Das Internet nimmt einen immer größeren Stellenwert bei der Informationssuche ein. Gerade Karzinompatienten haben im Krankheitsverlauf viele Fragen, auf die sie versuchen im Internet Antworten zu finden. Aufgrund der riesigen Anzahl an Suchergebnissen fällt es manchem Internetnutzer schwer, die für ihn geeigneten Informationen zu finden und deren Inhalte zu bewerten. Oft sind Inhalte von Experten für Patienten schwer verständlich. Mittels vorliegender Befragung von Prostatakarzinom(PCa)-Langzeitüberlebenden wurde analysiert, inwieweit das Internet als Informationsquelle geeignet ist.

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung hat das Internet einen festen Stellenwert in unserer Gesellschaft eingenommen. Laut des ersten Quartalsberichts des Statistischen Bundesamtes 2018 nutzen 90 % der deutschen Bevölkerung das Internet, in der Altersgruppe der über 65-Jährigen durchschnittlich 71 % der Männer und 56 % der Frauen [1]. Auch viele Patienten suchen aktiv nach Krebsinformationen im Internet [2], dennoch ist die vertrauenswürdigste Quelle für viele Krebspatienten und Krebsüberlebende der Arzt [3]. Krebspatienten berichten häufig, dass ihre Informationsbedürfnisse nicht erfüllt sind [4]. Dies kann an Informationsmangel, -überfluss, widersprüchlichen Aussagen, einer schweren Lesbarkeit der Texte oder mangelnder Vertrauenswürdigkeit der vermittelten Informationen liegen. Informationsquellen mit medizinischen Inhalten sollten möglichst leitliniengetreu aktuell gehalten werden. Deutsche Informationsseiten zum Thema Prostatakarzinom stimmen in einigen Aspekten nicht mit den Leitlinien der European Association of Urology (EAU) überein [5]. Andererseits werden Leitlinien auch oft aktualisiert, so wurde die 2009 veröffentlichte S3-Leitlinie Prostatakarzinom 2018 bereits in 5. Version publiziert, was es auch schwierig macht, daraus resultierende Informationen immer aktuell zu halten [6]. Unabdingbar für die dem Patienten vermittelte Information ist es, korrekt lesbar und verständlich formuliert zu sein, um richtig rezipiert werden zu können [7]. Hinsichtlich der Lesbarkeit von Patienteninformationen gibt es in den USA Empfehlungen, die ein Bildungsniveau der 7. bis 8. Klasse als geeignet bezeichnen [8]. Für Deutschland existiert derzeit noch kein offizielles Äquivalent [9].

Das Internet nutzen PCa-Patienten und -Langzeitüberlebende zu verschiedenen Zwecken. Eine Anwendung stellen online-basierte Entscheidungstutorials dar, die beispielsweise in Deutschland [10] und der Schweiz [11] verfügbar sind. Das Projekt „Entscheidungshilfe Prostatakrebs“, das 2016 ins Leben gerufen wurde, stellt dem Patienten via interaktiver Elemente und Videosequenzen aktuelle und valide Informationen zur Entscheidungsfindung innerhalb der verschiedenen Therapiemöglichkeiten bereit. Dabei werden die angebotenen Informationen durch Eingabe klinischer Daten seitens des Patienten personalisiert. Vor- und Nachteile sowie potentielle Nebenwirkungen der Therapien können vom Patienten nach persönlicher Wichtigkeit abgewogen werden. Eine gute Akzeptanz zeigte das Projekt mit mittlerweile 6130 Teilnehmern im Zeitraum zwischen Juni 2016 und Oktober 2018. Das generelle Fazit dieser deutschsprachigen Therapieentscheidungshilfe ist bisher positiv ausgefallen [10]. Dies stimmt mit vorliegender Evidenz überein, wonach Entscheidungshilfen die subjektive Informiertheit der Patienten, das Wissen über Therapiearten und Outcome steigern und die Zufriedenheit nach getroffener Entscheidung begünstigen [12]. Mittlerweile wurde das nationale Projekt „Entscheidungshilfe Prostatakrebs“ erweitert und soll 1:1 randomisiert mit der aktuellen Patientenleitlinie zum lokal begrenzten PCa [13] verglichen werden [10].

Für Langzeitüberlebende stellt das Internet eine wichtige Informationsquelle dar. Auch 10 Jahre nach abgeschlossener Therapie berichten PCa-Überlebende über persistierende Nebenwirkungen der Therapie [14, 15]. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der langfristigen individuellen Nachsorge und der Versorgung mit personalisierten, validen Informationen. Insbesondere im Rezidivfall sind die Therapiemöglichkeiten vielfältig und unter ständiger Weiterentwicklung.

Beispielsweise organisieren sich PCa-Betroffene auch innerhalb von Selbsthilfegruppen, in Deutschland unter dem Dach der Patientenorganisation des Bundesverbandes Prostatakrebs Selbsthilfe e. V. (BPS). Dies deutet ebenfalls auf ein langfristig erhöhtes Informations- und Kommunikationsbedürfnis seitens der Überlebenden hin.

Das Internet ermöglicht zwar eine schnelle Suche mittels Schlagwörtern, jedoch beklagen PCa-Überlebende oft negative Erfahrungen bei der Informationssuche [16]. Studien zur Qualität der Information zum PCa erbrachten unterschiedliche Ergebnisse [5, 17,18,19].

Das Ziel unserer Studie war es, die generelle Internetnutzung eines großen Kollektivs von PCa-Langzeitüberlebenden zu evaluieren, deren Vertrauen in die selbstgewonnene Information zu analysieren, Gründe der Nutzung zu erfahren und potentielle Einflussfaktoren zu identifizieren.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Design und Prozedere

Bei der vorliegenden Querschnittstudie handelt es sich um ein Begleitprojekt des nationalen Forschungsprojekts „Familiäres Prostatakarzinom“ [15, 20]. Mit Hilfe von Akut- und Rehabilitationskliniken und niedergelassenen Urologen aus ganz Deutschland werden seit 1994 Patienten und deren Familien unabhängig von einer PCa-Familienanamnese für das Projekt rekrutiert. Ursprüngliches Ziel war die Identifikation molekulargenetischer Veränderungen bei PCa-Patienten. Darüber hinaus wurden in den vergangenen Jahren Fragestellungen u. a. zur Epidemiologie, Psychoonkologie und Vorsorge ergänzt. Soziodemographische und klinische Daten werden unter Mithilfe des behandelnden Urologen erhoben. Mittels jährlicher Nachsorgebögen werden die Daten zur Therapie, Familienanamnese und Soziodemographie aktualisiert.

Stichprobe

Im Rahmen der jährlichen Nachsorge wurden 2017 6398 PCa-Patienten, von denen mindestens eine Nachsorge sowie klinische Daten zur Primärtherapie vorhanden waren, kontaktiert. Der Nachsorgebogen wurde postalisch übermittelt. In 1461 Fällen erhielten wir bis zum Auswertungszeitpunkt keine Rückantwort und 139 Patienten waren verstorben. Insgesamt wurden 4798 Nachsorgebögen zurückgesandt (Rücklaufquote: 75,0 %). 162 wurden ausgeschlossen, weil die Patienten keine Angabe dazu machten, wie häufig sie das Internet nutzten. In die Analyse eingeschlossen wurden alle Antwortenden, welche die Frage zur Häufigkeit der Internetnutzung beantworteten oder „Kein Internet“ bzw. gleichwertige Aussagen auf dem Bogen vermerkten.

Instrumente

Soziodemographische und klinische Daten wurden per Selbstauskunft auf dem Standarderhebungsbogen erfasst und für die Analyse teilweise in Kategorien rekodiert. Als Variablen wurden erhoben: Befragungsalter (≤70, >70 ≤ 80, >80 Jahre), Diagnosealter (≤55, >55 ≤ 65, >65 Jahre), PCa-Familienanamnese (positiv/negativ), Schulbildung (niedrig/mittel/hoch), Vorhandensein von Kindern (ja/nein) sowie eine bestehende Partnerschaft (ja/nein). Die Analyse der klinischen Daten beinhaltete: Zeit seit Diagnose des PCa (≤10, >10 ≤ 15, >15 Jahre), PSA bei Diagnose (≤4, >4 ≤ 10, >10 ng/ml), einen Progress (ja/nein) und ein Vorliegen eines organbegrenzten Tumors bei Primärtherapie (ja/nein). Die Therapieformen wurden in radikale Prostatektomie, perkutane Bestrahlung/Brachytherapie, Hormonentzug und Sonstiges unterteilt. Als organbegrenzt wurde ein Tumorstadium von ≤pT2c pN0 M0 nach der TNM-Klassifikation gewertet.

Internetnutzung

Es wurden 7 Fragen zur Internetnutzung gestellt. Die Antworten umfassten verschiedene Antwortformate und wurden für die Analyse teilweise rekodiert. Erhoben wurden: (Häufigkeit der) Internetnutzung (nein = nie; ja = monatlich/wöchentlich/täglich), Bedenken bei der Nutzung (nein = keine/eher keine; ja = leichte/starke Bedenken) und (Häufigkeit der) PCa-Informationssuche (nein = nie; ja = weniger als einmal pro Monat [einmal in ein paar Monaten]/mindestens einmal pro Monat [einmal pro Monat/einmal pro Woche/einmal pro Tag]). Darüber hinaus wurden die Patienten gefragt, ob sie Schwierigkeiten hatten PCa-Informationen zu finden (nein = [fast] nie; gelegentlich; ja = [fast] immer), ob sie denken, dass die Informationen über das PCa zu ihrer persönlichen Situation passend sind (nein = [fast] nie; gelegentlich; ja = [fast] immer) und ob sie den Informationen, die sie im Internet über das PCa gefunden haben, vertrauen (nein = [fast] nie; gelegentlich; ja = [fast] immer). Auf die Frage nach dem Grund der Internetnutzung konnten Mehrfachantworten gegeben werden. Vorgegeben waren 6 Antwortmöglichkeiten:

  • um mehr über den Fortschritt bei der Behandlung der Erkrankung zu erfahren,

  • um andere Erfahrungsberichte von Betroffenen mit Prostatakrebs zu lesen,

  • um Ärzte/Krankenhäuser zu suchen,

  • um Informationen zu Medikamenten zu suchen,

  • um mich über Selbsthilfegruppen zu informieren,

  • um Grundlegendes über Prostatakrebs zu erfahren (Ursachen/Risikofaktoren/Behandlungsmöglichkeiten).

Statistische Analyse

Soziodemographische und krankheitsbezogene Parameter wurden deskriptiv ausgewertet, mittels Häufigkeit und Prozentzahl für kategorisierte Parameter und mittels Mittelwert ± Standardabweichung für stetige Parameter. Um mit der PCa-Informationssuche bzw. dem Vertrauen in diese Informationen assoziierte Parameter zu identifizieren, wurde jeweils eine multiple logistische Regression durchgeführt. Dafür wurden die Variablen Häufigkeit der PCa-Informationssuche und das Vertrauen in Informationen (nein = [fast] nie, gelegentlich; ja = [fast] immer) dichotomisiert. Odds Ratios (OR) mit 95 %-Konfidenzintervall (95 %-KI) und p-Werte wurden berechnet. Die Ergebnisse wurden jeweils in einem Forest-Plot dargestellt. Alle Tests wurden zweiseitig durchgeführt und ein p-Wert <0,05 als signifikant betrachtet.

Ergebnisse

In die Analyse wurden 4636 Langzeitüberlebende nach PCa-Diagnose eingeschlossen. Deren soziodemographische und klinische Daten sind in Tab. 1 dargestellt. Das Durchschnittsalter bei Diagnose betrug 62,9 ± 6,3 Jahre und bei Befragung 76,9 ± 6,6 Jahre, was einem durchschnittlichen Follow-up von 14,0 ± 3,8 Jahren entspricht. 62,1 % der Langzeitüberlebenden nutzten das Internet mindestens monatlich, 37,9 % nie (Abb. 1a). Unter den Nichtnutzern gab knapp jeder Vierte (23,5 %) starke Bedenken hinsichtlich der Internetnutzung an, unter den Nutzern deutlich weniger (2,8 %; Abb. 1b). Die Mehrheit der Nutzer suchte nie (52,8 %) oder nur sehr selten (36,8 %) nach Informationen über das PCa im Internet, 9,6 % suchten einmal pro Monat, 0,7 % einmal pro Woche und 0,1 % einmal pro Tag. 18,0 % der Informationssuchenden hatten (fast) immer Schwierigkeiten Informationen zu finden, 21,0 % gelegentlich (Abb. 2). 36,7 % empfanden die gefundenen Informationen nur gelegentlich passend, 18,4 % als nicht passend (Abb. 2). Ein Drittel vertraute den gefundenen Informationen (33,6 %; Abb. 2). Der Anteil der Langzeitüberlebenden, die den Informationen vertrauten, war in der Gruppe derer, die mindestens einmal monatlich nach PCa-Informationen suchten höher, als unter jenen, die sehr selten suchten (40,8 % vs. 31,5 %; Abb. 3). Die Hauptthemen für die Informationssuche im Internet waren folgende:

  • Fortschritt in der Behandlung des PCa: 64,6 %,

  • Grundlegendes zum PCa: 52,4 %,

  • Erfahrungsberichte PCa-Betroffener: 34,1 %,

  • Informationen zu Medikamenten: 17,2 %,

  • Suche nach Ärzten/Krankenhäusern: 9,6 %,

  • Informationen über Selbsthilfegruppen: 3,4 %.

Tab. 1 Soziodemographische und klinische Daten der Gesamtstichprobe (N = 4636)
Abb. 1
figure 1

a Häufigkeit der Internetnutzung von PCa-Langzeitüberlebenden, b Vergleich von Nichtnutzern und Nutzern hinsichtlich Bedenken gegenüber der Internetnutzung. PCa Prostatakarzinom

Abb. 2
figure 2

Schwierigkeiten bei der PCa-Informationssuche, Auffinden passender Informationen und Vertrauen in die gefundenen Informationen. PCa Prostatakarzinom

Abb. 3
figure 3

Vertrauen in die gefundenen Informationen in Abhängigkeit von der Häufigkeit der PCa-Informationssuche. PCa Prostatakarzinom

In einer multiplen logistischen Regression war eine seltenere PCa-Informationssuche mit einem höheren Befragungsalter (> 70– ≤ 80 Jahre: OR = 0,77 [0,63–0,96]/> 80 Jahre: OR = 0,52 [0,40–0,68]) und einer längeren Zeit seit Diagnose (10–15 Jahre: OR = 0,64 [0,49–0,82]/>15 Jahre: OR = 0,68 [0,52–0,89]) assoziiert. Ein Progress (OR = 1,61 [1,36–1,91]) sowie eine häufigere Internetnutzung (wöchentlich: OR = 1,68 [1,19–2,39]/täglich: OR = 2,33 [1,67–3,25]) war mit der PCa-Informationssuche assoziiert (Abb. 4). Das Vertrauen in die gefundenen Informationen war mit einem hohen Befragungsalter (> 80 Jahre: OR = 1,74 [1,17–2,60]), einer höheren Schulbildung (mittel: OR = 1,63 [1,12–2,38]/hoch: OR = 1,45 [1,07–1,96]) und einer häufigen PCa-Informationssuche (OR = 1,55 [1,15–2,09]) assoziiert (Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Mit PCa-Informationssuche assoziierte Parameter in einer multiplen logistischen Regression. OR Odds Ratio, KI Konfidenzintervall, PCa Prostatakarzinom

Abb. 5
figure 5

Mit dem Vertrauen in die gefundenen Informationen assoziierte Parameter in einer multiplen logistischen Regression. OR Odds Ratio, KI Konfidenzintervall, PCa Prostatakarzinom

Unabhängig von den gestellten Fragen wurde der behandelnde Urologe häufig als wichtigste und vertrauenswürdigste Informationsquelle genannt.

Diskussion

Unsere Ergebnisse zeigen, dass 62,1 % der Langzeitüberlebenden das Internet nutzen, darunter 40,2 % täglich. Dies bestätigt eine aktuelle Studie unter deutschen Krebspatienten, in der 72,6 % der Patienten einen Internetzugang angaben. Dabei nutzten 50,0 % der Internetnutzer das Internet täglich [21].

Eine deutliche Diskrepanz zeigte sich hinsichtlich der Bedenken zur Internetnutzung zwischen den Nichtnutzern und Nutzern unseres Kollektivs (23,5 % vs. 2,8 %). Mögliche Gründe für diese Bedenken könnten eine generelle Unerfahrenheit mit dem Medium, ein Misstrauen gegenüber diesem oder auch schlechte Erfahrungen bei der Informationssuche sein [16].

In vorliegender Studie suchten 47,2 % der Internetnutzer aktiv nach Informationen über das PCa. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen eine deutsche (38,9 %) [22] und eine US-amerikanische Studie (31,0 %) [14], in denen PCa-Überlebende das Internet als Informationsquelle angaben.

In der multiplen logistischen Regression war eine häufigere Suche nach PCa-Informationen mit einem niedrigeren Befragungsalter, einer kürzeren Zeit seit Diagnose, einem Progress und einer häufigeren Internetnutzung assoziiert. In einem Kollektiv US-amerikanischer Krebsüberlebender zeigte sich ebenfalls ein Zusammenhang zwischen vermehrter krebsspezifischer Informationssuche und einem jüngeren Lebensalter und einer kürzeren Zeit seit Diagnose [2]. Ein jüngeres Alter macht eine Internetnutzung [23] oder das Vorhandensein eines Internetzugangs [3] generell wahrscheinlicher.

Interessanterweise zeigte sich keine Assoziation zwischen der Suche nach PCa-Informationen und einer positiven Familienanamnese, obwohl eine positive Familienanamnese einen wichtigen Risikofaktor für das PCa darstellt [24].

Patienten, die nach Informationen suchten gaben in vorliegender Studie in 18,0 % der Fälle Schwierigkeiten an. Ähnliche Daten zeigten sich in einer US-amerikanischen Studie für eine frustrierende (18,2 %) bzw. zu zeitaufwändige Suche (20,1 %). In derselben Studie empfanden 15,6 % die Information als zu schwer verständlich (medianes Alter: 76,0 Jahre) [16]. Dies könnte unter anderem der Lesbarkeit geschuldet sein. Auch unter deutschsprachigen Patienteninformationsmaterialien der urologischen Fachgesellschaften fanden sich verschiedene Schwierigkeitsgrade der Lesbarkeit und nur 13,8 % der bereitgestellten Patienteninformationsmaterialien entsprachen einem empfohlenen Lesbarkeitsniveau der 7. bis 8. Klasse [9].

Mehr als die Hälfte der PCa-Überlebenden unserer Studie (55,1 %) fand die gefundenen Informationen zu ihrer persönlichen Situation nicht oder nur gelegentlich passend. Dies ist vergleichbar mit den Ergebnissen einer kanadischen Studie mit PCa-Patienten. Hier äußerten 56,0 % derjenigen, die das Internet als eine Hauptinformationsquelle nannten, dass sie nicht wissen, ob die Informationen auf ihre persönliche Situation zutreffen [25].

Von den Langzeitüberlebenden unserer Studie, die nach PCa-Informationen suchten, gab die Mehrzahl Fortschritte in der Behandlung des PCa als ihr Hauptthema an, zu dem sie sich informierten, gefolgt von allgemeinen Informationen zum PCa und Erfahrungsberichten von Betroffenen. Eine US-amerikanische Studie evaluierte im Jahr 2016 als Hauptinformationsthemen allgemeine PCa-Informationen (47,5 %), Langzeiteffekte der Therapie/Rehabilitation (33,9 %) und das Management sexueller Probleme (31,7 %) [16]. Daraus kann man schließen, dass generell ein Informationsbedarf zusätzlich zum ärztlichen Gespräch vorhanden ist, besonders für allgemeine Informationen und die Therapie des PCa.

Das Vertrauen in die Informationen war in vorliegender Studie mit einer höheren Bildung sowie einer häufigen Suche nach PCa-Informationen assoziiert, was bereits vorliegenden Ergebnissen in der Literatur entspricht [2].

Nur ein Drittel unseres Kollektivs vertraute in die gefundenen Informationen (33,6 %). In der bereits zitierten US-amerikanischen Stichprobe von PCa-Langzeitüberlebenden gaben dagegen 70,8 % keine Bedenken hinsichtlich der Informationsqualität an [16].

Weshalb das Vertrauen in die gefundenen Informationen in unserem Kollektiv so gering ist, kann mit vorliegender Studie nicht beantwortet werden. Die Informationsqualität zu Prostatakrebs auf den 13 meistbesuchten englischsprachigen Webseiten wird als vielversprechend beschrieben [17] und könnte ein Grund sein, weshalb in US-amerikanischen Kollektiven das Vertrauen in die Informationen aus dem Internet größer ist. Die Top-100 der englischsprachigen Webseiten zum PCa enthalten mehrheitlich korrekte Informationen, sind aber meist schwer lesbar [18]. Dennoch wird auch ein Mangel an validen und objektiven Informationen zum PCa und ein ungefilterter Informationsüberfluss beschrieben [19]. In einer aktuellen Studie kamen Bruendl et al. zu dem Schluss, dass von 89 deutschen Informationsseiten zum PCa nur die Minderheit mit den aktuellen EAU-Leitlinien übereinstimmen. Dabei zeigten Webseiten, welche von medizinischem Fachpersonal oder Experten bereitgestellt wurden, qualitativ hochwertigere Informationen und mehr Leitlinienkonformität [5]. Informationen über das PCa sind mittlerweile auch breit auf Facebook, Twitter oder YouTube vertreten [26]. Die PCa-Informationsqualität auf YouTube (YouTube, LLC, San Bruno, CA, USA) ist als niedrig einzustufen, 77,0 % der YouTube-Videos enthalten potentielle Falschinformationen. Bedenklicherweise zeigte sich ein Zusammenhang zwischen einer geringeren wissenschaftlichen Qualität und einer höheren Popularität der Videos [27].

Trotz zunehmender Digitalisierung bevorzugen über 80 % der PCa-Langzeitüberlebenden den behandelnden Arzt als Informationsquelle [14]. Auch für viele andere Krebsüberlebende ist der Arzt die vertrauenswürdigste Quelle [3], was auch viele Patienten unseres Kollektivs anmerkten. In Anbetracht dessen fällt auch dem behandelnden Urologen die Aufgabe zu, sich mit den Informationsquellen des Patienten auseinanderzusetzen, deren Vertrauenswürdigkeit zu hinterfragen und dem Patienten eine Informationsempfehlung an die Hand zu geben.

Insbesondere in der Nachsorge- und Rezidivsituation besteht ein Bedarf an zusätzlichen Informationen [28]. PCa-Überlebende haben ein Interesse an Informationen hinsichtlich des Umgangs mit Langzeitfolgen der Therapie und der emotionalen und sexuellen Gesundheit [29]. Ein direktes Anleiten der Patienten zur Nutzung von Informationstools, wie den aktuell eingesetzten Primärtherapieentscheidungshilfen, zeigte eine gute Akzeptanz durch die Patienten [10, 11]. Hier könnte auch ein interaktives valides Informationsinstrument für die Therapieentscheidung im Rezidivfall oder bei metastasiertem kastrationsresistentem PCa angedacht werden. Eine valide Quelle für aktuelle Informationen auch in Fragen der Metastasierung und im Rezidivfall stellt die Patientenleitlinie [30] dar. Diese bildet einen guten Ausgangspunkt für die Informationsempfehlungen an den Patienten.

Angesichts der Relevanz des Themas und der empirisch dokumentierten Probleme stellt sich generell die Frage, ob nicht auch Fachgesellschaften die Aufgabe zufällt, sich noch engagierter mit dem Thema der Bereitstellung verlässlicher, valider und besonders verständlicher Patienteninformationen im Internet auseinanderzusetzen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Ein weiterer Ansatzpunkt könnte ebenfalls eine Verstärkung der Präsenzen der Fachgesellschaften in den sozialen Medien sein.

Die Stärken unserer Studie sind das große nationale Kollektiv mit über 4500 PCa-Langzeitüberlebenden und das sehr lange Follow-up von durchschnittlich 14 Jahren. Limitationen bestehen in dem querschnittlichen Design und der durch das Prozedere begrenzten Anzahl an Variablen, die für die Analyse herangezogen werden konnten.

Fazit für die Praxis

  • Das Internet nutzen 62,1 % der PCa-Langzeitüberlebenden. Fast die Hälfte derer, die das Internet nutzen, sucht aktiv nach Informationen zum Prostatakarzinom. Etwa ein Fünftel hat Schwierigkeiten, geeignete Informationen zu finden. In die so gefundenen Informationen vertraut nur ein Drittel.

  • Der behandelnde Arzt ist oft mit Falschinformationen aus dem Internet von Seiten des Patienten konfrontiert. Einerseits muss der Arzt diese Falschinformationen richtigstellen, andererseits eröffnet sich dadurch die Möglichkeit dem Patienten valide Informationsseiten und -materialien zu empfehlen.

  • Ein besonderes Informationsbedürfnis besteht bei Langzeitüberlebenden in der Rezidivsituation oder im metastasierten Stadium. Da sich jedoch gerade in der medikamentösen bzw. personalisierten Tumortherapie sehr viel ändert, wird es schwierig sein, internetbasierte Informationen dazu immer aktuell zu halten. Hier wäre eine Bereitstellung gebündelter Informationen von Seiten der Fachgesellschaften denkbar.