Einleitung

Die vorliegende Leitlinie soll die Behandlung von Harnsteinpatienten in Klinik und Praxis unterstützen, aber auch Patienten Informationen zur Urolithiasis geben. Der erste Teil der Kurzfassung befasst sich mit der Diagnostik und Therapie, der zweite mit der metabolischen Abklärung und Metaphylaxe. Die komplette Fassung einschließlich der ausführlichen Beschreibung der Methodik ist unter der Nr. 043/25 auf www.leitlinien.org online abrufbar. Hier finden sich auch die vollständigen Literatur- und Abkürzungsverzeichnisse.

Bildgebende Diagnostik

Die sonographische Darstellung von Nieren, Blase und ggf. Harnleiter stellt das Verfahren der ersten Wahl für die meisten Situationen dar. Die Sensitivität der Ultraschalluntersuchung, v. a. in Kombination mit einer Kelchdilatation liegt bei Nierensteinen oder Harnleitersteinen > 5 mm bei bis zu 96 % [1]. Sie fällt bei Berücksichtigung des gesamten Harntraktes, insbesondere bei Harnleiterkonkrementen, allerdings deutlich ab [2].

Empfehlung.

  • Der Ultraschall soll die bildgebende Diagnostik der ersten Wahl sowohl in der Akutsituation als auch in der allgemeinen Diagnostik und Nachsorge sein.

Die Sensitivität einer konventionellen Harntraktleeraufnahme beträgt 44–77 % und die Spezifität 80–87 % [3]. Sie ist hilfreich bei schattengebenden Konkrementen und im Rahmen der Therapiekontrolle/Nachsorge schattengebender Konkremente. Die Sensitivität der Ausscheidungsurographie liegt zwischen 51–87 % [4], die Spezifität zwischen 92–100 % [5]. Absolute (z. B. Kontrastmittelallergie, Niereninsuffizienz) und relative Kontraindikationen (akute Kolik) sind zu beachten. Die native Computertomographie (CT) stellt in einer Vielzahl der Kliniken die Standarddiagnostik bei Verdacht auf Urolithiasis dar und hat aufgrund der hohen Sensitivität (94–100 %) und Spezifität (92–100 %) die Leeraufnahme und i.v.-Urographie, insbesondere in der Notfalldiagnostik verdrängt [57]. Die Bestimmung von Steindichte und Stein-Haut-Distanz kann für die Therapieplanung, insbesondere für die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie („extracorporeal shock wave lithotripsy“, ESWL) hilfreich sein [8, 9]. Trotz Einführung von Low-dose-Protokollen für Patienten mit einem „Body Mass Index“ (BMI) < 30 [10], ist die abgegebene Strahlendosis im Vergleich zum i. v.-Urogramm und der Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens erhöht [1113].

Empfehlung.

  • Eine CT ohne Kontrastmittel sollte aufgrund der hohen Sensitivität und Spezifität die weiterführende Standarddiagnostik bei Verdacht auf Harnleitersteine sein.

Harnsteine bei Kindern

Bei Kindern hat die Harnsteinerkrankung hinsichtlich Klinik, Diagnostik und Therapie unterschiedliche Aspekte und aufgrund des erhöhtem Rezidivrisikos sollte eine metabolische Störung ausgeschlossen werden; hereditäre Ursachen (z. B. die Zystinurie bzw. angeborene anatomische Ursachen) kommen häufiger vor.

Mikrohämaturie oder Harnwegsinfektionen sind häufig die einzigen Hinweise, die Symptome können sich als unspezifische Bauchschmerzen in der Nabelgegend, teils auch mit Erbrechen oder Gereiztheit, zeigen.

Gerade bei Kindern spielt die Ultraschalldiagnostik eine herausragende Rolle. In dieser Altersgruppe können meist Nieren, große Teile der Ureteren und das kleine Becken bzw. indirekte Zeichen für das Vorliegen eines Konkrements gut dargestellt werden. Teils sind kleinste Konkremente sonographisch auffindbar, die dem Nachweis mittels Röntgentechniken entgehen würden.

Vor einer invasiven Therapie kann eine eingeblendete unilaterale konventionelle Röntgenleeraufnahme hilfreich sein; das native Low-dose-CT ermöglicht überlagerungsfrei und sicherer als die Leeraufnahme einen Konkrementnachweis. Aufgrund der erhöhten Sensibilität auf ionisierende Strahlung bei Kindern sollte ihr Einsatz auf die Fälle beschränkt sein, in denen mittels Ultraschall trotz klinischen Verdachts ein Steinnachweis nicht gelingt. Das konventionelle i. v.-Urogramm hat nur bei der Planung einer invasiven Therapie einen Stellenwert.

Behandlung von Patienten mit Nierenkolik

Akute steinbedingte Schmerzen („Kolik“) erfordern eine sofortige adäquate Schmerztherapie, welche den entsprechenden Vorgaben zur analgetischen Stufentherapie folgt. Die Nicht-Opioide Metamizol und Indometacin senken neben ihrer analgetischen Wirkung auch den erhöhten intraluminalen Druck (Ursache des Kolikschmerzes, [14]). Metamizol wirkt zusätzlich spasmolytisch und antinozizeptiv auf den Harnleiter und ist daher Mittel der ersten Wahl bei starken Schmerzen [14]. Metamizol (1 g) und Diclofenac (75 mg) sind in der Wirkung äquivalent, höhere Dosen von Metamizol sind jedoch der Wirkung von Diclofenac überlegen. Diclofenac und andere nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) kommen daher bei moderaten Schmerzen, gerade auch ambulant, zur medikamentösen Begleitung eines Spontanabgangs zur Anwendung. Paracetamol hat eine gleichwertige Wirkung wie Morphin bei einer Nierenkolik mit weniger Nebenwirkungen und kann als Alternative zu Metamizol oder bei Schwangeren verabreicht werden [15, 16].

Opioide haben gegenüber Nicht-Opioiden insgesamt mehr unerwünschte Wirkungen, insbesondere Übelkeit, dies ist für Pethidin am belegt [17]. Opioide sollten daher nur ergänzend bei unzureichender Wirkung der Nicht-Opioide in zweiter Linie gegeben werden. N‑Butyl-Scopolamin hat keinen Einfluss auf den Nierendruck und relaxiert nur in sehr hohen Dosen den peripheren Harnleiter und sollte somit nicht eingesetzt werden [18, 19].

Empfehlung.

  • Bei konservativem Therapieversuch können NSAR zur Prävention von Koliken eingenommen werden.

Bei medikamentös nicht beherrschbaren Koliken, hochgradiger Obstruktion mit konsekutiver Harnstauungsniere oder steigenden Retentionswerten (postrenales Nierenversagen), Einzelniere, sowie bei infizierter Harnstauungsniere (Fieber, Leukozytose, CRP[C‑reaktives Protein]-Anstieg, urologische Notfallsituation) besteht die Indikation zur sofortigen Harnableitung [20]. Die definitive Steinsanierung sollte erst nach abgeschlossener Infektbehandlung durchgeführt werden. Es stehen zwei Methoden zur Harnableitung zur Verfügung, die perkutane Nephrostomie und die transurethrale Harnleiterschienung, eine Überlegenheit einer konnte nicht gezeigt werden [21, 22].

Empfehlungen.

  • Die infizierte Harnstauungsniere (mit drohender oder eingetretener Sepsis) soll durch perkutane Nephrostomie oder retrograde Harnleiterschienung abgeleitet werden (beide Verfahren werden als gleichwertig angesehen).

  • Die definitive Steinsanierung sollte erst nach eingeleiteter resistenzgerechter Infektbehandlung durchgeführt werden.

Steingröße/-lokalisation und Therapieplanung

Neben den bereits genannten absoluten Indikationen zur Harnableitung können weitere Faktoren in die Therapieentscheidung einbezogen werden. Diese beinhalten die Wahrscheinlichkeit eines Spontanabgangs, Patientenpräferenz, sowie die Verfügbarkeit verschiedener Behandlungstechniken und Narkosemöglichkeiten. Die weiteren Behandlungskonzepte (z. B. präoperative Harnleiterschienung vor geplanter ureterorenoskopischer Steinentfernung) können Indikation und Zeitpunkt zur Harnableitung (Harnleiterschienung) beeinflussen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Diagnostik und Therapie der akuten Harnleiterkolik

Konservative Therapie

Konservative Therapie von Harnleitersteinen

Steine ≤ 4 mm gehen mit bis zu 95 % Wahrscheinlichkeit innerhalb von 40 Tagen spontan ab [23]. Bei Patienten unter konservativer Therapie sollten regelmäßige Verlaufskontrollen (Schmerzmittelbedarf, Infektzeichen, Harntransportstörung) alle 1–2 Wochen durchgeführt werden. Neben der Gabe eines NSAR scheint eine zusätzliche supportive medikamentöse Therapie („medical expulsive therapy“, MET) zumindest bei Steinen > 5 mm die Wahrscheinlichkeit eines spontanen Steinabgangs zu erhöhen und die Häufigkeit von Schmerzereignissen zu verringern [2427]. Signifikante Effekte zur MET wurden für verschiedene Alpha-Blocker (u. a. Tamsulosin, Silodosin, Doxazosin, Terazosin, Alfuzosin) und den Kalziumantagonisten Nifedipin nachgewiesen [2427], die solidesten Daten liegen für das Tamsulosin vor. Zur Dauer der Behandlung gibt es keine speziellen Untersuchungen.

Empfehlungen.

  • Bei Patienten mit neu diagnostizierten Harnleitersteinen ≤ 5 mm kann der Spontanabgang unter regelmäßiger Kontrolle abgewartet werden.

  • Bei Patienten unter konservativer Therapie sollten regelmäßige Verlaufskontrollen (Schmerzmittelbedarf, Infektzeichen, Harntransportstörung) durchgeführt werden.

Aktive Überwachung bei Nierensteinen

Die aktive Überwachung besteht aus der jährlichen klinischen Untersuchung und Bildgebung (Sonographie und/oder Nierenleeraufnahme oder CT ([28]; Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Therapieplanung bei Urolithiasis

Empfehlung.

  • Patienten mit asymptomatischen Nierensteinen, bei denen keine Indikation zur interventionellen Steinbehandlung besteht oder diese nicht wünschen, sollen einer aktiven Überwachung zugeführt werden.

Indikationen zur interventionellen Therapie

Die Indikationen zur interventionellen Therapie sind abhängig von den Symptomen, der Steingröße und Steinlokalisation. Die Steinzusammensetzung kann – sofern bekannt – die Wahl des interventionellen Verfahrens beeinflussen. Neben der Notfallindikation zur Desobstruktion des gestauten Harntransportsystems sollte eine aktive Steintherapie dann angestrebt werden, wenn die Konkremente eine geringe Wahrscheinlichkeit der Spontanpassage haben, keine adäquate Analgesie erreicht werden kann oder eine persistierende Obstruktion besteht [28, 29]. Die Erfolgsraten der ESWL, aber auch der perkutanen Nephrolitholapaxie (PCNL) sind bei Patienten mit Adipositas (BMI > 30) teils erheblich niedriger als bei normgewichtigen Patienten [30, 31]. Die Erfolgsraten der Ureterorenoskopie (URS) sind unabhängig vom BMI [32]. Gibt es aufgrund der Anamnese, bekannter Steinanalyse oder aufgrund der bildgebenden Diagnostik Hinweise auf Brushit, Calciumoxalatmonohydrat oder Zystinsteine, so ist die Steinsanierung dieser „harten“ Konkremente mittels PCNL oder URS der ESWL überlegen [8].

Harnsäuresteine können einer oralen Chemolitholysetherapie zugeführt werden. Zur Erfolgskontrolle steht primär die Sonographie zur Verfügung. CT-graphische Verlaufskontrollen können bei unklaren Fällen notwendig werden. Eine akute Harnwegsinfektion (HWI) soll – unabhängig vom gewählten Verfahren – vor geplanter Therapie behandelt werden. Bei Patienten mit klinisch signifikanter Infektion und Obstruktion sollte eine mehrtägige Harnableitung (Harnleiterschiene oder Nephrostomie) erfolgen, bevor eine Steintherapie durchgeführt wird.

Empfehlung.

  • Für alle interventionellen Harnsteinbehandlungen ist die Kenntnis der Konfiguration des Hohlsystems erforderlich. Dies erfordert in der Regel eine Kontrastmittelbildgebung. Diese kann mittels i. v.-Urographie, kontrastmittelverstärkter CT oder Ureteropyelographie erreicht werden.

Antikoagulation

Patienten mit eingeschränkter Gerinnungsfunktion oder unter fortzuführender Antikoagulation können nach sorgfältiger Risikoabwägung einer URS zugeführt werden. Hierbei soll eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Internisten und Anästhesisten erfolgen, um die Risiken für die Patienten zu minimieren. Bei Patienten mit Blutungsproblematik sind ESWL, PCNL und laparoskopische sowie offen-chirurgische Steintherapie zu vermeiden, so dass die URS das Verfahren der Wahl darstellt [3337]. Ist Acetylsalicylsäure (ASS) 100 mg/Tag medizinisch indiziert, kann es nach sorgfältiger Indikationsprüfung unter Abwägung aller Risiken bei allen genannten Verfahren fortgeführt werden.

Empfehlungen.

  • Vor interventioneller Therapie sollte eine Antikoagulation ausgesetzt werden. ASS kann nach sorgfältiger Indikationsprüfung fortgeführt werden.

  • Eine URS soll durchgeführt werden, wenn eine Unterbrechung der Antikoagulation (mit Ausnahme ASS 100 mg/Tag) nicht möglich und eine interventionelle Therapie indiziert ist.

Harnleitersteine

Zur aktiven Therapie von Harnleitersteinen stehen mit der ESWL und der URS zwei Behandlungsoptionen zur Verfügung. Prospektiv-randomisierten Studien zufolge ist bei proximalen Harnleitersteinen die primäre (nach einer Behandlung) Gesamtsteinfreiheitsrate zwischen der ESWL und der URS vergleichbar. Während man für die ESWL bei kleinen (< 10 mm) proximalen Harnleitersteinen leicht bessere Steinfreiheitsraten (SFR) im Vergleich zur URS findet, ist bei größeren Konkrementen und bei Konkrementen in anderen Harnleiterlokalisationen die URS überlegen. Alternative Verfahren sind die antegrade URS und die offene oder laparoskopische Ureterolithotomie, die allerdings Ausnahmeindikationen vorbehalten bleiben (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Therapieempfehlungen Harnleitersteine

Statements.

  • Bei Harnleitersteinen werden mit ESWL und URS hohe SFR erreicht.

  • Bei distalen Harnleitersteinen und großen Steinen erreicht die URS höhere SFR als die ESWL.

Nierensteine

Abhängig von Steinlokalisation (aber v. a. von der Steingröße) stehen mit der ESWL, der URS (semirigide und flexibel) und der PCNL unterschiedlich invasive Behandlungsoptionen für Nierenkonkremente zur Verfügung. Während die SFR bei der PCNL größenunabhängig sind, nehmen die SFR bei der ESWL und der URS proportional zur Steingröße ab [38, 39]. Während die ESWL für Steine bis 20 mm Durchmesser sehr gute SFR liefert (Ausnahme Unterpolsteine), sinkt die Effektivität bei größeren Konkrementen, so dass bei Konkrementen > 20 mm Durchmesser die PCNL als Option der ersten Wahl gilt. Die flexible URS erzielt hohe SFR bei kleineren Konkrementen, geht aber insbesondere bei Steinen > 20 mm mit fallenden SFR und einer steigenden Zahl an Folgeeingriffen einher. Zentren berichten allerdings auch bei diesen Indikationen gute Ergebnisse [40]. Mehrere teils prospektiv randomisierte Studien zeigten bei Unterpolsteinen sehr limitierte Ergebnisse der ESWL. Ein weiterer Nachteil sind die häufigen Wiederholungsbehandlungen [38, 39, 4144].

Alle Studien konnten hier ausgezeichnete Ergebnisse für die PCNL zeigen, während das Ergebnis der flexiblen URS zumindest variabel erscheint und in zwei randomisierten Untersuchungen nicht die gleichen Resultate wie die PCNL erreichte. Nachteilig bei der retrograden Steinbehandlung ist analog zur ESWL die häufig erforderliche zweizeitige Therapie [40]. Aus diesem Grund kommt die PCNL heute auch bei Steinen mittlerer Größe zwischen 1–2 cm häufiger zur Anwendung, während bei oberen und mittleren Kelchsteinen sowie Nierenbeckensteinen die ESWL weiterhin bei Fehlen von negativen Prädiktoren ein Verfahren der ersten Wahl darstellt ([45, 46]; Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

a Therapieempfehlungen Nierensteine und b Unterpolsteine unterer Nierenpol

Empfehlung.

  • Unterpolsteine sollten mit PCNL oder flexibler URS behandelt werden.

Empfehlung zur Nachsorge nach interventioneller Therapie

Empfehlungen.

  • Bei asymptomatischen Patienten sollte innerhalb von 3 Monaten nach Steintherapie eine Ultraschallkontrolle erfolgen.

  • Bei V. a. relevante Residualfragmente oder bei symptomatischen Patienten kann eine Low-dose-Nativ-CT zur Überprüfung der Steinfreiheit erfolgen.

  • In der Nachsorge nach ESWL sollte eine kurzfristige radiologische Kontrolle der Desintegration erfolgen.

Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie

Die meisten Harnsteine können mittels ESWL behandelt werden [47, 48]. Faktoren, die den Erfolg einer ESWL Behandlung limitieren sind: Große Steinmasse, Harte Steinzusammensetzung (Brushit, Zystin, Calciumoxalatmonohydrat), > 1000 Hounsfield Units (HU), steiler Unterkelch-Nierenbecken-Winkel, langer unterer Kelchhals (> 10 mm), enges Infundibulum (< 5 mm), anatomische Malformationen (z. B. Skelettdeformitäten), Adipositas (Haut-Stein-Abstand). Bei der Beurteilung der Steinfreiheitsrate nach ESWL muss darauf hingewiesen werden, dass diese erst nach 6–12 Wochen bestimmt werden kann, da Desintegrate anders als bei endourologischen Techniken abgehen müssen.

Kontraindikationen für die Durchführung einer ESWL sind: Antikoagulantien- oder Thrombozytenaggregationshemmertherapie oder Gerinnungsstörung (ASS kann bei sorgfältiger Indikationsprüfung fortgeführt werden [49]), Schwangerschaft (unbekannte Schädigungsrate für den Fötus, [50]), untherapierte HWI, (schwere) Nephrokalzinose, Oxalose, Aneurysma in der Fokuszone [51], Abflussstörung distal des Steins (Obstruktion), nicht eingestellter Hypertonus und Pankreatitis. Es gibt keine Evidenz, um ein festes Zeitintervall zwischen einzelnen ESWL-Sitzungen zu empfehlen. Die gängige, auf klinischer Erfahrung basierende Praxis ist, dass wiederholte Sitzungen möglich sind (bei Harnleitersteinen bereits am Folgetag, bei Nierensteinen sollte ein Tag Pause zwischen den Sitzungen eingehalten werden). Mehr als 3 ESWL-Sitzungen sollten auf Basis klinischer Erfahrungen nicht in Folge durchgeführt werden [52]. Eine Applikation der Stoßwellen mit niedrigerer Frequenz (60–90 vs. 120/min) verbessert die SFR signifikant, außerdem ist die Gewebeschädigungsrate geringer [5356].

Eine Antibiotikaprophylaxe ist vor ESWL nicht notwendig. Ausnahmen stellen Patienten mit einliegendem Fremdmaterial dar (Stents, Nephrostomien, suprapubische oder transurethrale Katheter). Hier soll eine periinterventionelle Antibiotikagabe erfolgen, ebenso bei Infektsteinen. Eine negative Urinkultur sollte vorliegen, im Falle von signifikantem Bakterienwachstum sollte ein HWI resistenzgerecht (an)behandelt sein.

Statements.

  • Die Einlage einer Harnleiterschiene vor ESWL eines Nieren- oder Harnleitersteins ist routinemäßig nicht erforderlich [57].

  • Die optimale Stoßwellenfrequenz während der ESWL ist 1,0–1,5 Hz.

  • Durch additive Maßnahmen wie Perkussion, Vibration, Trendelenburglage und forcierter Diurese kann die SFR nach ESWL weiter erhöht werden [53, 58].

Empfehlung.

  • Eine bildgebende Kontrolluntersuchung (Sonographie und/oder Radiologie) soll nach ESWL erfolgen.

In 4–7 % der behandelten Patienten kann durch abgehende Desintegrate eine Steinstraße entstehen [59]. Die Ausscheidung der Desintegrate kann zu Koliken führen (2–4 %), außerdem wird in bis zu 60 % ein progredientes Wachstum von residualen Fragmenten beschrieben [60]. Obwohl die generelle Einlage einer Harnleiterschiene vor ESWL nicht notwendig ist, kann die Einlage einer Harnleiterschiene Koliken durch Desintegratabgänge bei größeren Konkrementen verhindern [61]. Asymptomatische Nierenhämatome werden in der Literatur mit bis zu 19 % angegeben. Allerdings sind diese nur in < 1 % der Fälle symptomatisch (z. B. Schmerzen, Hb-Abfall, Superinfektion) und es kommt nur im Promillebereich in der Folge zum Nierenverlust.

Empfehlungen.

  • Im Falle eines symptomatischen Hämatoms nach ESWL sollte eine stationäre Überwachung erfolgen.

  • Bei Obstruktion und Infektzeichen nach ESWL sollte eine Harnableitung erfolgen.

Ureterorenoskopie

Die Indikationen zur Durchführung einer URS umfassen Konkremente in sämtlichen Lokalisationen des Harntraktes. Obwohl auch größere Steine mittels URS behandelt werden können, liegt die Domäne dieses Verfahrens v. a. bei Steingrößen bis 2 cm Durchmesser. Anatomische Besonderheiten (z. B. Harnleiterstenosen) können die retrograde Durchführung erschweren, so dass ggf. ein antegrader Zugang zum Hohlsystem gewählt werden muss. Vor Durchführung einer URS ist daher die Kenntnis über die Anatomie des Harntraktes zur sorgfältigen Planung des Eingriffs unabdingbar. Die Durchführung des Eingriffs erfolgt in der Regel in Allgemeinanästhesie, wobei auch eine Spinalanästhesie möglich ist. Es sollen sterile Urinverhältnisse angestrebt werden. Bei unauffälligen Urinverhältnissen und unkompliziertem Operationsverlauf ist eine perioperative Antibiotikaprophylaxe ausreichend, bei kleinen distalen Harnleitersteinen und Patienten ohne erhöhtes Operationsrisiko kann auf eine Antibiotikaprophylaxe verzichtet werden [62]. Während des Eingriffs muss die Möglichkeit zur radiologischen Durchleuchtung gegeben sein, ein Sicherheitsdraht sollte eingelegt werden. Postoperativ sollte die sonographische Kontrolle der Abflussverhältnisse erfolgen.

Empfehlung.

  • Eine Antibiotikaprophylaxe sollte bei der URS je nach Risikokonstellation erfolgen [6264].

Statement.

  • Die flexible URS kann für Steine > 1,5 cm eingesetzt werden. Jedoch sinkt die SFR bei gleichzeitig ansteigender Häufigkeit notwendiger Zweiteingriffe.

Das Einbringen einer hydrophilen Harnleiterschleuse in den Harnleiter (Durchmesser 9 Ch. und größer) kann den Zugang zum Konkrement deutlich vereinfachen und den Operationsablauf beschleunigen [65, 66]. Falls das Konkrement für eine direkte Extraktion mittels Zange oder Körbchen zu groß ist, muss es entsprechend fragmentiert werden. Hierfür stehen unterschiedliche Energiequellen (Ho:YAG-Laser, pneumatische und Ultraschallsysteme) zur Verfügung. Durch die Vielseitigkeit der Anwendbarkeit in semirigider und flexibler Ureterorenoskopie und der Fähigkeit, Konkremente unabhängig von Ihrer Zusammensetzung aufzubrechen, hat sich der Ho:YAG-Laser als Goldstandard der intrakorporalen ureterorenoskopischen Lithotripsie etabliert. Eine routinemäßige Harnleiterschienung vor geplanter URS ist nicht zwingend erforderlich. Die Einlage einer Harnleiterschiene erleichtert den geplanten Eingriff, verbessert die Steinfreiheitsraten und reduziert das Komplikationsrisiko [67, 68]. Nach unkomplizierter URS und Steinfreiheit ist eine Harnleiterschienung nicht generell notwendig [69]. Im Falle von Residualfragmenten, Komplikationen oder komplexeren Eingriffen scheint die postoperative Einlage einer Harnleiterschiene sinnvoll, wobei die optimale Dauer für die Harnleiterschienung unklar ist.

Statements.

  • Eine routinemäßige Harnleiterschienung vor geplanter URS ist nicht erforderlich.

  • Die präoperative Einlage einer Harnleiterschiene erleichtert den geplanten Eingriff, verbessert die SFR und reduziert das Komplikationsrisiko bei der URS [67, 68].

Schwerwiegende Komplikationen bei der URS sind selten und treten in < 1 % auf. Milde Komplikationen findet man in 9–25 % der Fälle [29, 70].

Perkutane Nephrolithotomie

Die PCNL ist das Verfahren der Wahl bei Nierensteinen > 2 cm. Bei Steinen in der unteren Kelchgruppe kommt sie aufgrund der schlechteren Ergebnisse der ESWL bereits ab 1,5 cm zur Anwendung. Grundsätzlich müssen alle Kontraindikationen gegen eine Allgemeinanästhesie berücksichtigt werden, sofern eine Durchführung in regionaler Anästhesie nicht möglich oder gewünscht wird. Antikoagulantien müssen zeitgerecht vor der PCNL abgesetzt werden [71, 72]. ASS kann nach sorgfältiger Indikations- und Risikoprüfung fortgeführt werden [73]. Weitere Kontraindikationen der PCNL sind: unbehandelte HWI, atypische Koloninterposition, insbesondere bei rein durchleuchtungsgeführter Punktion und Schwangerschaft. Die Dauer der präoperativen Anbehandlung ist jedoch uneinheitlich. Während einige Autoren zumindest bei großer Steinmasse eine einwöchige Behandlung empfehlen, wird in der klinischen Routine meist nur 1–2 Tage vor der Operation eine Antibiotikabehandlung initiiert [74]. Gleiches gilt für die Dauer der Antibiotikagabe. Einige Autoren konnten jedoch zeigen, dass bei sterilem Urin eine einzelne Gabe intraoperativ ausreichend zu sein scheint [75].

Empfehlung.

  • Bei der PCNL sollte eine perioperative Antibiotikaprophylaxe erfolgen.

Während in der Vergangenheit klassischerweise Endoskope mit einem Durchmesser von 20 Ch. und Zugangsschäfte von 24–32 Ch. zum Einsatz kamen, hat die zunehmende Verfügbarkeit von miniaturisierten Instrumenten dazu geführt, dass heute kein allgemeingültiger Standard mehr für die PCNL besteht. Die Begriffe Mini-PCNL [76], Ultra-Mini-PCNL [77] oder Mikro-PCNL [78] wurden seitens der Instrumentenhersteller eingeführt und wurden nicht allgemeingültig definiert. Im Allgemeinen versteht man unter den Begriffen die folgenden Schaftaußendurchmesser: konventionelle PCNL 24–32 Ch., Mini-PCNL 14–22 Ch., Ultra-Mini-PCNL 11–13 Ch., Mikro-PCNL 4,8–11 Ch. Neuere Arbeiten sprechen für ein etwas geringeres Blutungsrisiko der miniaturisierten Systeme [79]. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleibt aber offen, in welchen Fällen Patienten von kleineren Instrumenten besonders profitieren und welche Größe die beste Effektivität bei geringer Morbidität aufweist [80]. Spezielle Indikationen für miniaturisierte Instrumente stellen anatomische Normvarianten wie die Therapie von Divertikelsteinen dar [81]. Bei Kindern erfolgt die perkutane Therapie mit größenadaptierten Endoskopen [82, 83].

Bei der PCNL können prinzipiell alle verfügbaren Verfahren der intrakorporalen Lithotripsie zur Anwendung kommen [84]. Bei der konventionellen PCNL werden in den meisten Fällen Ultraschall- oder ballistische Systeme eingesetzt, welche auch kombiniert verfügbar sind. Vorteil der Ultraschallsonden ist eine simultane Absaugung von Steinfragmenten, während die ballistischen Systeme eine höhere Effektivität aufweisen. Bei miniaturisierten oder flexiblen Endoskopen wird heute der Ho:YAG-Laser eingesetzt. Die elektrohydraulischen (EHL-)Systeme sollten aufgrund der höheren Morbidität durch Kollateralschäden nicht mehr eingesetzt werden.

Die PCNL wurde jahrzehntelang in Bauchlage durchgeführt. Seit der Jahrtausendwende haben jedoch mehrere Zentren Rücken- bzw. modifizierte Steinschnittlagerungen etabliert [8590]. Theoretische Vorteile liegen in einer Zeitersparnis (keine Umlagerung von Steinschnitt- in Bauchlage nach Platzierung eines Harnleiterkatheters) und geringerem Anästhesierisiko. Der Hauptvorteil liegt jedoch sicherlich in der Möglichkeit einer simultanen retrograden und perkutanen Steinbehandlung durch Kombination der PCNL mit einer flexiblen URS [91]. Abgesehen von dieser Möglichkeit konnten größere Studien bislang keine besseren SFR oder reduzierte Morbidität für diese Lagerungsalternativen nachweisen [92]. Auch die angenommene Verkürzung der Operationszeit bestätigte sich bislang nicht. Auf der anderen Seite scheint die Bauchlage Vorteile bei adipösen Patienten, Ausgusssteinen und Zugängen über den Oberpol zu bieten [31, 93].

Statement.

  • Die PCNL ist in Rücken- oder Bauchlage möglich. Vorteile der einzelnen Positionierungen konnten sich in größeren Studien bislang nicht bestätigen, so dass die Präferenz des Operateurs maßgebend ist.

Der Zugang zur Niere erfolgt im deutschsprachigen Raum in der Regel einzeitig kombiniert ultraschall- und durchleuchtungsgeführt. Vorteil des Ultraschalls ist die Darstellbarkeit von Nachbarorganen wie Kolon, Leber, Milz und Lunge. Insbesondere Pleura- und Kolonläsionen werden bei rein radiologischen Punktionen häufiger beschrieben. Nachteilig bei ultraschallgeführter Punktion sind z. T. eingeschränkte Schallbedingungen bei adipösen Patienten. Die Wahl des Punktionskelchs erfolgt unter dem Gesichtspunkt der besten Erreichbarkeit der Konkremente. Die untere Kelchgruppe bietet anatomisch den Vorteil der geringsten Dichte an Segmentarterien [94].

Zur Entfernung der Steine nach Desintegration stehen Zangen und spezielle perkutane Körbchen zur Verfügung. Miniaturisierte Instrumente (zwischen 13–18 Ch. Außenumfang) erlauben in vielen Fälle das passive Ausspülen der Fragmente (Bernoulli-Effekt).

Nach Abschluss der perkutanen Steinbehandlung erfolgt typischerweise die Einlage einer perkutanen Nephrostomie (PCN). Viele Autoren konnten zeigen, dass nach unkompliziertem Eingriff eine sog. „tubeless procedure“ möglich ist [95100]. Allerdings erfolgt in diesem Rahmen meist eine antegrade Harnleiterschieneneinlage. Bei Risikopatienten sollte jedoch eine PCN-Einlage erfolgen.

Empfehlungen.

  • Eine PCN als postoperative Harnableitung soll eingelegt werden bei:

    • Reststeinen (Alternative: Einlage einer Harnleiterschiene und flexible URS zur Steinsanierung),

    • geplanter Second-look-PCNL,

    • signifikanter intraoperativer Blutung (dem Punktionskanal entsprechend größtmögliche PCN),

    • Urinextravasation/Perforation des Nierenbeckens,

    • Infektsteinen,

    • Multi-Trakt-PCNL.

  • Bei einer Einzelniere oder Harnleiterenge/-striktur sollte eine PCN-Einlage (alternativ: Einlage einer Harnleiterschiene) erfolgen.

Die PCNL zeigt sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit ESWL und URS bei großen Nieren- und Ausgusssteinen ausgezeichnete Ergebnisse [101]. Die guten Ergebnisse der früher durchgeführten sog. Sandwich-Therapie bei Ausgusssteinen (PCNL/ESWL/PCNL) konnten jedoch in einem Update der AUA-Leitlinien („American Urological Association“) nicht mehr bestätigt werden [102]. Die zunehmende Verbreitung der flexiblen URS führt heute dazu, dass statt der ESWL eher die beiden endoskopischen Verfahren kombiniert werden. Wenngleich die PCNL im Vergleich zu ESWL und flexibler URS das invasivste Verfahren darstellt, ist das Verfahren bei entsprechender Expertise offensichtlich auch bei Risikopatienten sicher. Höheres Lebensalter und Niereninsuffizienz stellen keine Kontraindikation dar, das operative Risiko ist bei Niereninsuffizienz jedoch erhöht [103, 104].

Die häufigsten Komplikationen nach PCNL sind Fieber, Blutungen, Urinleckage und Obstruktion durch Restfragmente [101, 104106]. Insgesamt liegt die Komplikationsrate bei Einschluss aller Grade nach Clavien-Dindo bei bis zu 30 %.

Perioperatives Fieber kann selbst bei präoperativ steriler Urinkultur eintreten, da die Nierensteine selbst häufig die Quelle der Infektion darstellen. Aus diesem Grund wird bei allen Patienten eine Antibiotikaprophylaxe empfohlen [105, 107, 108]. Die Sicherstellung niedriger intraoperativer Spüldrucke (< 30 mmHg) und eines freien Harnabflusses nach der Operation stellen wichtige Faktoren in der Prävention septischer Komplikationen dar. Sollte nach Punktion des Zugangskelchs putrider Urin aspiriert werden, so muss der Eingriff nach Einlage einer Nephrostomie abgebrochen und der Infekt resistenzgerecht therapiert werden [109]. Die PCNL erfolgt in diesen Fällen verzögert.

Venöse Blutungen können nach PCNL in der Regel durch kurzzeitiges Abklemmen der PCN kontrolliert werden. Bei arteriellen Blutungen erfolgt primär der Versuch einer supraselektiven Embolisation [110, 111]. Das Risiko von Blutungen ist abhängig von: Steingröße und -art, Traktdurchmesser, Anzahl der Zugänge, Ort des Zugangs (Unterpol geringeres Risiko), Perforationen, Operationszeit (maximal 90–120 min.), Expertise, Durchmesser der verwendeten Nephrostomie.

Chemolitholyse

Die orale Chemolitholyse soll nur bei Harnsäuresteinen als Erstlinientherapie eingesetzt werden [112]. Die orale Litholyse kann darüber hinaus als adjuvante Therapie bei Reststeinen nach ESWL oder endourologischer Behandlung zur Anwendung kommen, wenn kleine Restfragmente vorhanden sind [113, 114]. Ziel der oralen Chemolitholyse bei Harnsäuresteinen ist die Adjustierung des Urin-pH auf 7,0–7,2. Der Patient soll angewiesen werden, seinen Urin-pH mehrfach täglich mittels Teststreifen zu bestimmen und die Medikation anzupassen.

Harnsteintherapie bei Kindern

Nur bei symptomatischen Steinen, Ausgusssteinen oder Infektsteinen sollte eine zielgerichtete Therapie geplant werden. Bei kleinen asymptomatischen Patienten sollte primär die Stoffwechselabklärung (z. B. Ausschluss einer primären Hyperoxalurie) erfolgen und bei Indikation eine entsprechende Metaphylaxe durchgeführt werden. Der Stein muss nicht unbedingt entfernt werden [115]. Die medikamentöse Expulsivtherapie hat bei Kindern bisher eine geringe Evidenz, obwohl die Wirksamkeit der Alpha-Blocker (z. B. Tamsulosin) beschrieben ist [116]. Bei der invasiven Steinbehandlung kommen grundsätzlich alle Verfahren wie bei Erwachsenen zur Anwendung. Die ESWL zeigt für alle Steinlokalisationen deutlich bessere Ergebnisse als bei Erwachsenen. Dies ist u. a. auf die erhöhte Transportkapazität des Ureters für Steinfragmente zurückzuführen.

Metabolische Diagnostik und Metaphylaxe

Harnsteinanalyse

Grundlage der metabolischen Diagnostik und Metaphylaxe ist die Harnsteinzusammensetzung [117120]. Da sich die Steinzusammensetzung im Verlauf ändern kann, empfiehlt sich die Analyse auch von Rezidivsteinen [121123]. Gemäß den heutigen Qualitätsstandards stehen zur Steinanalyse die Infrarotspektroskopie und die Röntgendiffraktionsanalyse zur Verfügung, nass-chemische Analyseverfahren genügen den gültigen Qualitätsstandards nicht mehr und sollten daher nicht mehr eingesetzt werden [124].

Empfehlungen.

  • Eine Steinanalyse sollte bei jedem Nieren- oder Harnleiterstein durchgeführt werden.

  • Da sich bei einem Teil der Patienten die Steinzusammensetzung in einer für die Metaphylaxe relevanten Weise ändert, sollte eine Steinanalyse bei jeder neuen Steinepisode durchgeführt werden.

Risikoeinschätzung

Steinpatienten lassen sich in eine große Gruppe mit geringem Rezidivrisiko und eine kleinere Gruppe mit hohem Rezidivrisiko einteilen. Zur Gruppe der Hochrisikopatienten gehören die in Tab. 1 genannten Patienten. Die weitere metabolische Diagnostik und Sekundärprävention erfolgen adaptiert an das Risikoprofil der Patienten [125, 126]. Grundlage der Einteilung in Niedrig- und Hochrisikogruppe sind die Steinanalyse sowie die Basisdiagnostik (Abb. 5).

Tab. 1 Hochrisikogruppe der Harnsteinbildner
Abb. 5
figure 5

Risikoeinschätzung von Harnsteinpatienten

Empfehlung.

  • Alle Steinpatienten sollen in eine Niedrig- oder Hochrisikogruppe eingeteilt werden.

Statement.

  • Grundlage des Risikoscreenings sind Steinanalyse und Basisdiagnostik.

Basisdiagnostik

Durch die Basisuntersuchungen wird eine Einteilung der Patienten gemäß ihrem Rezidivrisiko ermöglicht. Neben der kristallinen Analyse bzw. der chemischen Zusammensetzung des Konkrements gehören die folgenden Untersuchungen zur obligaten Basisdiagnostik, die jeder Harnsteinpatient erhalten sollte: Anamnese, klinische Untersuchung und Ultraschall, Blut- und Urinlabor. Da die Analyse der Steinzusammensetzung ein wesentliches Element der Basisdiagnostik darstellt, ist die Abklärung von Patienten mit unbekannter Steinzusammensetzung komplexer. Zusätzlich zu den oben beschriebenen Untersuchungen umfasst die Basisdiagnostik bei unbekannter Steinart: Bildgebung (Ausscheidungsurogramm oder Nativ-CT mit Messung der Hounsfield-Einheiten, [127129]), Mikroskopie des Harnsediments zum Nachweis von Kristallen, die Rückschlüsse auf die vorhandene Steinzusammensetzung geben, v. a. bei Verdacht auf Zystinurie, Urin-pH-Tagesprofil (Hinweise auf Säurestarre, renal-tubuläre Azidose bzw. HWI).

Erweiterte allgemeine metabolische Diagnostik

Die erweitere metabolische Diagnostik wird bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko durchgeführt. Sie stützt sich neben einer Blutuntersuchung auf die Analyse von 24-h-Sammelurin, um die Ausscheidung von lithogenen und inhibitorischen Substanzen im Urin zu messen. Zur Vermeidung von ernährungs- oder verhaltensbedingten Schwankungen empfiehlt sich die Analyse von zwei 24-h-Urinsammlungen [130, 131]. Bei Säuglingen ist auch die Analyse von mehreren Spontanurinproben möglich. Die Urinsammlung sollte unter häuslichen Bedingungen bei alltäglicher Kost und Lebensführung erfolgen. Um unverfälschte Ergebnisse zu erhalten, sollte der Patient zum Zeitpunkt der Untersuchung möglichst steinfrei sein und die letzte Intervention mindestens 3 Wochen (besser 3 Monate) zurückliegen [132, 133]. Patienten, die eine medikamentöse Metaphylaxe erhalten, sollten innerhalb von 3–6 Monaten eine Follow-up-Untersuchung inklusive 24-h-Sammelurinuntersuchung erhalten, um den Therapieerfolg zu überprüfen. Bei Therapieerfolg sind weitere Kontrolluntersuchungen alle 12 Monate ausreichend [121123]. Die im Blut und Sammelurin bestimmten Parameter richten sich nach der zugrunde liegenden Steinart und werden unter den einzelnen Steinarten beschrieben.

Empfehlung.

  • Zur erweiterten metabolischen Diagnostik soll neben einer Blutuntersuchung die Durchführung einer 2‑maligen 24-h-Sammelurinuntersuchung erfolgen.

Allgemeine Metaphylaxe

Die Empfehlungen zur allgemeinen Harnsteinmetaphylaxe gelten grundsätzlich für alle Urolithiasispatienten und sind in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Maßnahmen der allgemeinen Harnsteinmetaphylaxe (bei Erwachsenen) [134138]

Statement.

  • Eine ausreichende Harndilution ist die wichtigste allgemeine Maßnahme zur Steinrezidivprophylaxe [134].

Stoffwechselabklärung bei Kindern

Unabhängig von der Steintherapie wird bei jedem Kind bzw. Jugendlichen eine Urin- und Blutuntersuchung durchgeführt; inkl. Urinstix (pH, spezifisches Gewicht, Erys, Protein, Glukose, Leukos, Nitrit) sowie mikroskopischer Untersuchung des Urinsediments auf typische Kristalle (z. B. Zystin und 2,8-Dihydroxadenin). Weiterhin sollte beim Verdacht auf Harnwegsinfektion bzw. vor einer geplanten Intervention eine Urinkultur angelegt werden. Im Rahmen der weiteren Abklärung sollten idealerweise 1–3 24-h-Sammelurinproben untersucht werden. Bei Säuglingen ist auch die Analyse von mehreren Spontanurinproben möglich. Es sollte zumindest die Kalzium-, Oxalat-, Zitrat-, Harnsäure- und Phosphatausscheidung sowie in Abhängigkeit von den Verdachtsdiagnosen Zystin, pH inklusive eines pH-Tagesprofils (tubuläre Azidose) erfolgen. Bei Verdacht auf bzw. zum Ausschluss einer primären Hyperoxalurie erfolgt die 24-h-Urinsammlung an 3 (aufeinanderfolgenden) Tagen zu Hause: 1. Tag: Ernährung wie immer, Trinkmenge wie immer; 2. Tag: oxalatarme Ernährung, Trinkmenge wie immer; 3. Tag: oxalatreiche Ernährung (Spinat), Trinkmenge wie immer. Die Urinkonservierung erfolgt mit 5 % Thymol in Isopropanol (10 ml/2 L Sammelbehälter). Bei der Serumanalyse sollten eine Blutgasanalyse (pH, Bikarbonat); Kreatinin, (Cystatin C), Harnstoff, Kalzium, Parathormon intakt (bei erhöhtem Kalzium), Natrium, Chlorid, Kalium, Phosphat, Harnsäure und die alkalische Phosphatase bestimmt werden. Weitergehende Untersuchungen beinhalten das Oxalat, Vitamin D bei entsprechendem Verdacht sowie genetische Untersuchungen.

Die weitere metabolische Diagnostik erfolgt analog zu den Erwachsenen.

Spezifische Metaphylaxe

Kalziumoxalatsteine

Risikofaktoren der Kalziumoxalatsteinbildung sind ein primärer und sekundärer Hyperparathyreoidismus, eine primäre Hyperoxalurie, eine renal-tubuläre Azidose sowie ein Fettmalabsorptionssyndrom, wie sie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder nach Darmchirurgie auftreten können. Allerdings finden sich bei ca. 70 % der betroffenen Patienten keine dieser Risikofaktoren, weswegen sie zu den sog. idiopathischen Kalziumoxalatsteinbildnern gerechnet werden. Bei Kalziumoxalatsteinbildnern erfolgt im Falle eines in der Basisdiagnostik erhöhten ionisierten, bzw. albuminkorrigierten Kalziums die Bestimmung des intakten Parathormons im Serum zur Bestätigung oder Ausschluss eines Hyperparathyreoidismus. Weiterhin erfolgt die Durchführung eines Urin-pH-Tagesprofils durch mindestens 4 über den Tag verteilte Messungen des Urin-pH. Konstant saure pH-Werte < 5,8 weisen auf eine Säurestarre hin, die eine Kokristallisation von Harnsäure und Kalziumoxalatkristallen fördert. Im Gegensatz dazu können konstant erhöhte pH-Werte von > 5,8 nach Ausschluss eines HWI auf eine renal-tubuläre Azidose (RTA) hinweisen (Tab. 3).

Tab. 3 Erweiterte metabolische Abklärung bei Kalziumoxalatsteinen [121123]

Metaphylaxe

Findet sich eine Hyperoxalurie von > 0,5 mmol/Tag, werden Kalzium bzw. Magnesium substituiert mit dem Ziel das mit der Nahrung zugeführte Oxalat im Darm zu binden und somit die enterale Absorption zu reduzieren [139142]. Ferner sollten oxalatreiche Lebensmittel wie Spinat, Mangold, Rote Beete, Rhabarber, Nüsse, Schokolade und Kakao reduziert oder vermieden werden [122, 125]. Im Falle einer extrem hohen Oxalatausscheidung von > 0,8 mmol/Tag muss auch an eine primäre Hyperoxalurie gedacht werden [143].

Die pharmakologische Metaphylaxe zielt auf eine Normalisierung der in den Basis- und erweiterten metabolischen Untersuchungen gefundenen Risikofaktoren ab. Im Falle einer erhöhten Kalziumausscheidung (> 5 mmol/Tag bzw. > 0,1 mmol/kgKG pro Tag bei Kindern) werden Alkalizitrate (9–12 g/Tag) oder Natriumbikarbonat eingesetzt (Abb. 6; [144147]). Im Falle einer Niereninsuffizienz sollten kaliumhaltige Präparate vermieden werden, da diese zu einer Hyperkaliämie führen können. Im Falle einer erheblich erhöhten Kalziumausscheidung von > 8 mmol/Tag (bzw. > 0,2 mmol/kgKG pro Tag bei Kindern) wird zusätzlich ein Thiaziddiuretikum (z. B. Hydrochlorothiazid 25–50 mg/Tag bzw. > 0,1–0,2 mg/kgKG pro Tag bei Kindern) eingesetzt, um die Kalziumausscheidung zu reduzieren [148151]. Bei Nachweis einer Hypozitraturie von < 1,7 mmol/Tag (bei Kindern: < 1,6 mmol/1,73 m2/Tag bei Mädchen und < 1,9 mmol/1,73 m2/Tag bei Jungen) werden Alkalizitrate in einer Dosierung von 9–12 g/Tag (bzw. 0,6–1,2 mmol/kgKG pro Tag bei Kindern) eingesetzt, mit dem Ziel die renale Zitratausscheidung zu steigern [144146].

Da eine Hyperurikosurie nicht nur zur Ausbildung von Harnsäuresteinen führen kann, sondern durch Kokristallisation auch die Kalziumoxalatsteinbildung begünstigt, stellt die Senkung einer erhöhten Harnsäureausscheidung einen weiteren Ansatz der Kalziumoxalatsteinprävention dar. Durch den Einsatz von Alkalizitraten und der damit verbundenen Steigerung des Urin-pH verbessert sich die Löslichkeit der ausgeschiedenen Harnsäure. Zudem senkt Allopurinol in einer Dosierung von 100–300 mg bei hyperurikosurischen Kalziumoxalatsteinbildnern die Steinrezidivrate [145, 150, 152, 153]. Als Alternative zu Allopurinol führt auch die Gabe von Febuxostat zu einer Senkung der Harnsäureausscheidung bei Kalziumoxalatsteinbildnern mit Hyperurikosurie [154]. Da Magnesium ebenfalls einen protektiven Faktor der Kalziumoxalatsteinbildung darstellt, empfiehlt sich bei Nachweis einer verminderten Magnesiumausscheidung im Urin die Substitution von 200–400 mg Magnesium [145, 155]. Eine Magnesiumgabe ist allerdings bei einer Niereninsuffizienz kontraindiziert. Die Metaphylaxeprinzipien bei Kalziumoxalatsteinbildnern in Abhängigkeit von den in der erweiterten metabolischen Untersuchung gefundenen Risikofaktoren sind in Abb. 6 dargestellt.

Abb. 6
figure 6

Diagnostik und Prophylaxe der Kalziumoxalatsteinbildung

Eine Reihe von Grunderkrankungen ist mit einer erhöhten Kalziumoxalat- oder Kalziumphosphatsteinbildung vergesellschaftet und bedarf einer spezifischen Therapie. Der erhöhte Parathormonspiegel beim primären Hyperparathyreoidismus führt durch einen gesteigerten Knochenabbau zu einem Anstieg der Serumkalziumkonzentration und somit zu einer Hyperkalziurie. Dies kann sowohl in einer Kalziumoxalat- als auch in einer Kalziumphosphatsteinbildung resultieren.

Ein erhöhter Serumkalziumspiegel in der Basisdiagnostik kann auf einen primären Hyperparathyreoidismus hinweisen und zieht die Bestimmung des Parathormons im Serum nach sich. Bei Nachweis eines erhöhten Parathormons erfolgt eine Ultraschall- oder Schnittbilddiagnostik der Halsregion zur Bestätigung eines Nebenschilddrüsenadenoms. Die Therapie besteht in der chirurgischen Resektion des Adenoms [156, 157].

Eine primäre Hyperoxalurie (PH) beruht auf einer genetischen Störung, bei der es aufgrund von bisher drei bekannten Enzymdefekten zu einer exzessiven endogenen Produktion von Oxalat kommt. Vor allem bei Kindern mit einer Nephrokalzinose oder einer Kalziumoxalatsteinbildung aber auch bei Erwachsenen mit rez. Kalziumoxalatsteinen und/oder akutem oder chronischen Nierenversagen sollte an eine primäre Hyperoxalurie gedacht werden. Diagnostisch wegweisend ist eine deutlich erhöhte Oxalatausscheidung im 24-h-Sammelurin von > 0,8 mmol/Tag. Die weitere Diagnostik und Therapie sollte in erfahrenen Zentren erfolgen. Sie beinhaltet neben einer Steigerung der Trinkmenge die Gabe von Alkalizitraten, um die Kristallbildung zu hemmen. Ferner wird bei PH I versucht, durch die Gabe von Pyridoxin die endogene Oxalatproduktion zu bremsen, was jedoch nur bei einem Teil der Patienten erfolgreich ist. Da die vorhandenen medikamentösen Therapien den Krankheitsverlauf nur verlangsamen, jedoch nicht kurativ sind, bleibt als kausale Therapie nur die Simultantransplantation von Niere und Leber bei Patienten mit PH I. Patienten mit PH II werden isoliert nierentransplantiert, während bei Patienten mit PH III eine terminale Niereninsuffizienz noch nicht beschrieben wurde [125, 158161].

Von der genetisch bedingten PH abzugrenzen ist die sekundäre Hyperoxalurie (Oxalatausscheidung 0,5–1 mmol/Tag), zu der es zumeist in Folge einer enteralen Hyperabsorption von Nahrungsoxalat kommt. Ursachen einer enteralen Hyperabsorption können Kurzdarmsyndrome nach ablativer Darmchirurgie, Morbus Crohn oder nach bariatrischer Chirurgie mit Anlage ileojejunaler Bypässe sein. Die Therapie besteht in der Reduktion oxalatreicher Speisen, Kalzium- bzw. Magnesiumsubstitution zur Senkung der absorptiven Hyperoxalurie sowie Steigerung der Flüssigkeitszufuhr [136, 162, 163]. Eine milde Hyperoxalurie (0,45–0,85 mmol/Tag) liegt häufig idiopathisch bei Kalziumoxalatsteinbildnern vor.

Aus einer distal renal-tubulären Azidose (komplette RTA Typ I, autosomal-dominant) resultiert eine metabolische Azidose, die zu einer Hyperkalziurie mit Entwicklung einer Nephrokalzinose und/oder einer Kalziumoxalat- oder Kalziumphosphaturolithiasis führen kann. Gleichzeitig bestehen häufig eine Hypozitraturie und eine Hyperoxalurie.

Diagnostisch richtungsweisend sind konstant hohe Urin-pH-Werte > 5,8 im Tagesprofil, nachdem eine HWI ausgeschlossen wurde. Die Diagnosesicherung erfolgt mit dem Ammoniumchloridbelastungstest [164]. Die Therapie besteht trotz des neutralen Urins in der Gabe von Alkalizitraten oder Natriumbikarbonat zum Ausgleich der metabolischen Azidose [165]. Bei zusätzlichem Vorliegen einer Hyperkalziurie wird die Kalziumausscheidung mit Thiaziden gesenkt [125].

Kalziumphosphatsteine

Kalziumphosphatsteine können in zwei Formen vorliegen, die sich ätiologisch unterscheiden. Karbonatapatit fällt bei hohen Urin-pH-Werten > 6,8 aus und liegt daher häufig infektassoziiert vor. Eine distale RTA mit konstant neutralem oder alkalischem Urin-pH kann ebenfalls zur Karbonatapatitsteinbildung führen. Dagegen liegt das Bildungsoptimum für Brushit-Kristalle in einem engen pH-Bereich von 6,5–6,8. Die Bildung benötigt zudem eine hohe Konzentration an Kalzium und Phosphat im Urin. Im Gegensatz zu Karbonatapatit spielen bei der Brushit-Steinbildung HWI keine Rolle. Im Falle einer Hyperkalzämie in den Basisuntersuchungen erfolgt die Bestimmung des Parathormons im Serum, um einen Hyperparathyreoidismus nachzuweisen. Die Messung des Urin-pH-Tagesprofils kann im Falle von konstant neutralen pH-Werten Hinweise auf eine RTA liefern, die dann mittels Ammoniumchloridbelastungstest abgeklärt wird. Da Karbonatapatitsteine häufig infektassoziiert vorliegen, erfolgt die Anlage einer Urinkultur zum Nachweis einer HWI (Tab. 4).

Tab. 4 Erweiterte metabolische Abklärung bei Kalziumphosphatsteinen [125]

Metaphylaxe

Im Falle von vorliegenden HWI bei Karbonatapatitsteinen stützt sich die Prävention auf eine Sanierung des Infektes durch Antibiotikatherapie sowie eine vollständige Steinsanierung. Im Falle von rezidivierenden Infektionen kann eine antibiotische Dauerprophylaxe erforderlich werden. Die Diagnostik und Therapie der RTA und des primären Hyperparathyreoidismus wurde oben beschrieben. Falls keine HWI oder bekannte Stoffwechselstörung mit lithogenetisch bedeutsamem Bezug vorliegen, erfolgt die Rezidivprävention gemäß den Befunden aus der Sammelurinuntersuchung. Bei Vorliegen einer Hyperkalziurie wird die Kalziumausscheidung durch Gabe von Hydrochlorothiazid (25–50 mg/Tag) gesenkt [148, 150, 166]. Bei erhöhtem Urin-pH ohne Nachweis einer HWI oder einer RTA wird der pH-Wert durch die Gabe von L‑Methionin auf Werte zwischen 5,8 und 6,2 eingestellt ([125]; Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Diagnostik und Prophylaxe der Kalziumphosphatsteinbildung

Harnsäuresteine

Das Bildungsoptimum von Harnsäuresteinen liegt im sauren Milieu. Die metabolische Diagnostik der Harnsäuresteinbildung stützt sich auf ein Urin-pH-Tagesprofil, in dem sich typischerweise eine Säurestarre (Urin-pH-Werte konstant < 5,8) findet (Tab. 5).

Tab. 5 Erweiterte metabolische Abklärung bei Harnsäuresteinbildnern

Metaphylaxe

Neben einer Steigerung der Trinkmenge zur Erzielung eines Harnvolumens von > 2,5–3 l/Tag sollten Harnsäuresteinbildner die Aufnahme von tierischem Eiweiß beschränken, um die Purinzufuhr mit der Nahrung zu reduzieren. Bei der Harnsäuresteinbildung werden zur Metaphylaxe Alkalizitrate oder alternativ Natriumbikarbonat verabreicht mit dem Ziel, den Urin-pH-Wert auf Werte zwischen 6,5 und 6,8 einzustellen (Abb. 8). Die hierzu benötigte Dosis muss hierbei durch mehrmals tägliche Messungen des Urin-pH durch den Patienten individuell ermittelt werden. Zur Chemolitholyse werden Urin-pH-Werte zwischen 7,0 und 7,2 angestrebt [125, 167, 168]. Im Falle einer begleitenden Hyperurikosurie wird der Harnsäurespiegel durch Allopurinol 100 mg täglich gesenkt. Im Falle einer begleitenden Hyperurikämie liegt die tägliche Dosis zwischen 100–300 mg [125]. Alternativ zu Allopurinol stellt Febuxostat eine weitere Möglichkeit zur Senkung einer Hyperurikämie und Hyperurikosurie dar ([154, 169]; Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Diagnostik und Prophylaxe der Harnsäuresteinbildung

Ammoniumuratsteine

Im Gegensatz zu den Harnsäuresteinen liegt das Bildungsoptimum der Ammoniumuratsteine im eher neutralen Bereich (pH > 6,5). Daher liegen sie im Gegensatz zu den Harnsäuresteinen häufig infektassoziiert vor. Weiterhin können sie bei Malabsorptionssyndromen und Malnutrition vorkommen. Da Ammoniumuratsteine häufig infektassoziiert vorkommen, ist hier ähnlich wie bei Struvit- oder Karbonatapatitsteinen die Anlage einer Urinkultur zum Infektnachweis entscheidend. Da die Steinbildung bei Ammoniumuratsteinen vornehmlich im alkalischen Bereich abläuft, stützt sich die Metaphylaxe auf eine Ansäuerung des Urins mit L‑Methionin auf pH-Werte zwischen 5,8 und 6,2. Begleitend vorliegende HWI werden antibiotisch, eine Hyperurikosurie mit Allopurinol therapiert (Abb. 9; [125]).

Abb. 9
figure 9

Diagnostik und Prophylaxe der Ammoniumuratsteinbildung

Struvitsteine

Struvitsteine bestehen chemisch aus Magnesium-Ammonium-Phosphat-Hexahydrat und bilden häufig im Gemisch mit Karbonatapatit Infektsteine durch ureasebildende Keime. Zu den obligat ureasebildenden Bakterien gehören Proteus spp., Morganella morganii, Corynebacterium urealyticum, Ureaplasma urealyticum und Providencia rettgeri, während Klebsiella spp., Staphylococcus spp., Serratia marcescens, Enterobacter gergoviae und Providencia stuartii zu den fakultativen Ureasebildnern gehören. Allerdings kann auch ein Teil der Escherichia coli und Pseudomonas aeruginosa Urease produzieren. Da HWI ätiologisch ursächlich für die Infektsteinbildung sind, beschränkt sich in diesen Fällen die erweiterte metabolische Diagnostik auf die Durchführung eines Urin-pH-Tagesprofils und einer Urinkultur (Tab. 5). Die Anfertigung eines Antibiogramms ist essentiell, um eine gezielte antibiotische Therapie einzuleiten [170]. Da bei einem Teil der Patienten das Keimspektrum der Urinkultur von dem an den Konkrementen anhaftenden Keimen differiert, empfiehlt sich zusätzlich die mikrobiologische Untersuchung der entfernten Konkremente [171].

Wesentlicher Bestandteil der Rezidivprävention ist eine komplette Steinsanierung, da an vorliegenden Restfragmenten weiter Bakterien anhaften können, die dann zu einer Reinfektion und erneutem Steinwachstum führen können. Daneben stützt sich die Prophylaxe auf die antibiotische Therapie der HWI. Die Wahl des Antibiotikums basiert auf dem Antibiogramm einer Urinkultur.

Nach erfolgreicher Therapie der Infektion sollten die Patienten engmaschig kontrolliert werden, um im Falle einer erneuten Infektion rasch antibiotisch behandelt zu werden. Im Falle von rezidivierenden Infektionen kann eine Antibiotikalangzeitprophylaxe erforderlich sein. Aufgrund eines möglichen Wechsels im Keimspektrum sollte in regelmäßigen Abständen eine Urinkultur angelegt werden und ggf. die Wahl des Antibiotikums angepasst werden. Im Falle von prädisponierenden anatomischen oder funktionellen Faktoren sollten diese operativ korrigiert werden. Da sich Infektsteine im alkalischen Milieu bilden, stellt auch die Einstellung des Urin-pH-Werts mit L‑Methionin auf Werte zwischen 5,8 und 6,2 eine weitere Möglichkeit zur Prophylaxe dar [172]. Der Nutzen von Ureaseinhibitoren wie Acetohydroxamsäure ist umstritten, der Wirkstoff ist aktuell in Deutschland nicht zugelassen ([170, 173]; Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

Diagnostik und Prophylaxe der Struvitsteinbildung

Empfehlung.

  • Bei Infektsteinen sollte eine vollständige Steinsanierung angestrebt werden.

Statement.

  • Die Urinansäuerung mit L‑Methionin kann das Risiko von Rezidivsteinen senken.

Zystinsteine

Die Zystinsteinbildung beruht auf der autosomal-rezessiv vererbten Zystinurie. In der Diagnostik ist die Steinanalyse richtungsweisend, da Zystinsteine ausschließlich bei einer Zystinurie vorkommen. Hinweise auf eine Zystinsteinbildung kann zudem das oftmals junge Patientenalter geben (Tab. 6 und 7).

Tab. 6 Erweiterte Abklärung bei Struvitsteinpatienten
Tab. 7 Erweiterte metabolische Abklärung bei Zystinsteinbildnern [174]

Metaphylaxe

Die Rezidivprävention der Zystinurie stützt sich v. a. auf Harndilution und Alkalisierung. Reichen diese Maßnahme nicht aus, werden zudem zystinspaltende Medikamente eingesetzt. Die empfohlene Trinkmenge pro Tag sollte für erwachsene Zystinuriepatienten zu einem Urinvolumen von mindestens 3,5 l führen. Die Trinkmenge sollte hierbei gleichmäßig über 24 h verteilt werden.

Alle Zystinuriepatienten sollten eine Alkalisierungstherapie mit Alkalizitraten oder alternativ Natriumbikarbonat erhalten, da die Löslichkeit von Zystin im alkalischen Milieu stark ansteigt. Die eingenommene Dosis richtet sich nach dem Urin-pH, der anfangs mehrmals täglich gemessen werden muss. Angestrebt werden Werte von deutlich über 7,5 [125].

Sind diese Maßnahmen nicht ausreichend oder liegt eine extrem hohe Zystinausscheidung von > 3 mmol/Tag vor, werden zusätzlich Substanzen eingesetzt, die die Zystinkonzentration im Urin senken. Der Chelatbildner Tiopronin (α-Mercaptoproprionylglycin) spaltet durch Reduktion die Disulfidbrücke im Zystinmolekül und überführt es somit in Zystein und gut löslichen gemischten Zysteinmedikamentenkomplex. Die Initialdosis für Tiopronin liegt bei 2 × 250 mg, die je nach therapeutischem Erfolg auf bis zu 2 g pro Tag gesteigert werden kann. Tiopronin kann zu einer Tachyphylaxie führen, weswegen die Dosis gesteigert werden muss, um eine gleichbleibende Wirkung zu erzielen [125, 175, 176]. Weitere Substanzen, die zu einer Senkung der Zystinkonzentration im Urin durch Spaltung der Disulfidbrücke führen sollen, sind der ACE-Hemmer Captopril und Vitamin C (Ascorbinsäure; [125, 177179]). Die Studienlage bezüglich beider Medikamente ist jedoch uneinheitlich, weswegen Tiopronin als Mittel der ersten Wahl zur Disulfidbrückenspaltung anzusehen ist. Im Falle einer Tiopronin-Unverträglichkeit gilt jedoch die Gabe von Captopril in einer Dosierung von 75–150 mg (bei Kindern: 2–5 mg/kgKG pro Tag) täglich als Zweitlinienbehandlung; [125]; Abb. 11).

Abb. 11
figure 11

Diagnostik und Prophylaxe der Zystinsteinbildung

Empfehlungen.

  • Bei Zystinurie sollte die Urinmenge auf > 3,5 l/Tag bei Erwachsenen und die Trinkmenge bei Kindern auf > 1,5 l/m2 Körperoberfläche (KO) gesteigert werden.

  • Der Urin-pH soll durch Gabe von Alkalizitraten oder Natriumbikarbonat dauerhaft auf Werte deutlich > 7,5 angehoben werden.

  • Bei rezidivierender Steinbildung trotz Trinkmengensteigerung und Alkalisierung oder bei Zystinausscheidung > 3 mmol/Tag sollte zusätzlich Tiopronin eingenommen werden.

Seltene Harnsteine

Zu den sehr selten vorkommenden Harnsteinen gehören die 2,8-Dihydroxyadeninsteine, Xanthinsteine, Matrixsteine sowie extrem selten auftretende medikamentös induzierte Steine wie Indinavirsteine. Ursächlich für die Bildung von 2,8-Dihydroxyadenin (2,8-DHA)-Steine ist ein autosomal-rezessiv vererbter Defekt des Enzyms Adenin-Phosphoribosyltransferase. Dieser führt zu einer vermehrten Umwandlung von Adenin zu 2,8-DHA, das extrem schlecht löslich ist, im Urin auskristallisiert und konsekutiv Konkremente bildet. Zur Senkung der 2,8-DHA-Konzentration im Urin wird neben einer Steigerung der Flüssigkeitszufuhr auf 3,5–4 l/Tag eine purinarme Ernährung empfohlen. Durch Hemmung des Enzyms Xanthinoxidase mit Allopurinol (300–600 mg täglich) kann die 2,8-DHA-Ausscheidung weiter gesenkt werden [125].

Xanthinsteine werden aufgrund eines autosomal-rezessiv vererbten Defekts des Enzyms Xanthinoxidase gebildet. Als Folge steigt die Exkretion des schlecht löslichen Xanthins im Urin an und führt zur Steinbildung. Neben der erhöhten Xanthinausscheidung finden sich typischerweise erniedrigte Harnsäurespiegel im Blut. Neben der genetisch determinierten Form existiert auch die extrem seltene medikamentös induzierte Form durch Therapie mit dem Xanthinoxidasehemmer Allopurinol [180]. Eine medikamentöse Therapie der Xanthinsteinbildung ist aktuell nicht verfügbar. Zur Senkung der erhöhten Xanthinkonzentration im Urin wird neben einer Steigerung der Trinkmenge auf > 3 l eine purinarme Kost empfohlen [125].

Es existieren zwei Arten von medikamenteninduzierten Harnsteinen: Steine, die durch Kristallisation des Wirkstoffs oder Metaboliten entstehen und Steine, die durch eine negative Beeinflussung der Urinzusammensetzung durch das Medikament gebildet werden. Zu den Medikamenten, die eine Steinbildung durch Kristallisation des Wirkstoffs auslösen können, gehören Indinavir, Sulphonamide, Ephedrine, Triamteren, Chinolone, Ceftriaxon, Amoxicillin/Ampicillin und Allopurinol. Zu den Medikamenten, die eine Steinbildung durch ungünstige Beeinflussung der Urinzusammensetzung auslösen können, gehören Allopurinol, Acetazolamid, Aluminium-Magnesium-Hydroxid, Ascorbinsäure, Kalzium, Furosemid, Laxantien, Methoxyfluran, Vitamin D und Topiramat. Während kristalline Konkremente nur einen sehr geringen Matrixanteil aufweisen, bestehen Matrixsteine zu ca. 65 % aus organischem Material, v. a. Kohlenhydrate und Proteinen [181]. Aus welchem Grund in Matrixsteinen eine Mineralisierung ausbleibt ist jedoch unklar. Matrixsteine wurden in unterschiedlichen Patientenkollektiven (Kinder, Erwachsene) und Urinzusammensetzungen (Hypokalziurie, Normokalziurie) sowie mit oder ohne begleitende HWI beschrieben [182]. Da die Ursachen der Matrixsteinbildung unklar sind, existieren keine validierten Metaphylaxeempfehlungen.

Fazit für die Praxis

  • Der Ultraschall stellt bei Verdacht auf Harnleiterkolik und zur Kontrolle von Nierensteinen das Verfahren der ersten Wahl dar.

  • In der Akutsituation hat sich das Nativ-CT gegenüber dem Ausscheidungsurogramm durchgesetzt.

  • Kleinere asymptomatische Nierensteine können ebenso konservativ beobachtet werden wie Harnleitersteine ohne fehlende Risikofaktoren.

  • Bei der interventionellen Therapie hat sich die URS für die meisten Steine etabliert, wenngleich die ESWL eine unverändert effektive Alternative darstellt. Die PCNL sollte bei größeren Steinen zur Anwendung kommen.

  • Low-dose-ASS kann bei allen Verfahren fortgeführt werden, während andere Antikoagulantien abgesetzt werden sollten. Ist dies nicht möglich, dann stellt die URS das Verfahren der Wahl dar.

  • Grundlage der Einteilung in Risikogruppen sind die Steinanalyse und eine einfache Basisdiagnostik.

  • Hochrisikopatienten bedürfen einer erweiterten Diagnostik und entsprechender medikamentöser Maßnahmen zur Sekundärprävention. Grundlage ist eine 2‑maligen 24-h-Sammelurinuntersuchung.

  • Regelmäßige Kontrollen mittels Sammelurinuntersuchung erlauben Anpassungen der Medikation und erhöhen die Patientencomplicance.