Seit Jahrzehnten gilt die offene radikale Prostatektomie (ORP) als der Referenzstandard der operativen Therapie des Prostatakarzinoms (PCA). Konventionelle endoskopische Therapieverfahren als auch interventionelle Ansätze konnten die offene Operationstechnik nicht verdrängen. Aktuell hat es jedoch den Anschein, als ob sich diese Sichtweise geändert habe.

Die robotisch assistierte laparoskopische radikale Prostatektomie (RALP) hat sich seit Ihrer Erstbeschreibung im Jahr 2000 rasant verbreitet [1]. Aktuell wird die RALP fast flächendeckend in Deutschland angeboten und ist bei Ärzten als auch insbesondere bei Patienten eine bevorzugte operative Therapieoption für die Behandlung des „Low-“ und „Intermediate-risk-Prostatakarzinoms“ (-PCA). Schätzungen zu Folge werden in den USA etwa 8 von 10 radikale Prostatektomien robotisch assistiert durchgeführt [2]. Als Gründe für die Bevorzugung der RALP werden häufig eine geringere Komplikationsrate und bessere funktionelle und onkologische Resultate im Vergleich zur ORP angegeben. In der Tat existiert eine ganze Reihe von Fallserien, die der RALP exzellente operative Ergebnisse bescheinigen. Große prospektive randomisierte Studien zum Vergleich der beiden operativen Techniken fehlen jedoch. Zudem stellt sich die Frage, ob die hervorragenden Ergebnisse einzelner international anerkannter „High-volume-Operateure“ auf die alltägliche Versorgungspraxis in Deutschland übertragbar sind. Fraglich ist auch der Stellenwert der RALP beim aggressiven bzw. organüberschreitenden PCA. Die Datenlage bezüglich der onkologischen Ergebnisse ist hierzu kontrovers.

Die RALP ist eine bevorzugte operative Therapieoption bei „Low-“ und „Intermediate-risk-PCA“

Auch die hohen Kosten der Roboterchirurgie stellen ein zunehmendes ökonomisches Problem für den Anbieter dar. Eine angepasste Vergütung erfolgt in Deutschland bis heute nicht.

In der aktuellen Arbeit wollen wir dem Leser einen Überblick über die Vor- und Nachteile der RALP in Bezug auf die funktionellen und onkologischen Ergebnisse verschaffen. Die Frage ist, ob sich eine Patientengruppe definieren lässt, die besonders von einer RALP im Vergleich zu anderen Operationstechniken profitiert.

Onkologische Ergebnisse

Obwohl prospektive randomisierte Studien fehlen, legen große retrospektive Studien nahe, dass die radikale Prostatektomie anderen kurativen Therapieverfahren bezüglich der onkologischen Langzeitergebnisse überlegen ist [3, 4]. In erfahrenen Händen lassen sich tumorspezifische Überlebensraten von 86 % nach 25 Jahren erzielen [5]. Diese Daten gelten jedoch primär für die ORP. Es stellt sich die Frage, ob diese Daten auch auf die RALP übertragbar sind. Erst kürzlich publizierten Diaz et al. [6] die onkologischen Ergebnisse von 483 PCA-Patienten 10 Jahre nach RALP. Bei etwa 8 von 10 Patienten konnte im Prostatektomiepräparat ein organbegrenztes PCA (≤ pT2c) von niedriger bis mittlerer Aggressivität (Gleason-Score ≤ 7a) nachgewiesen werden. Das biochemisch rezidivfreie, metastasenfreie und tumorspezifische Überleben lag nach 10 Jahren bei 73,1%, 97,5% und 98,8 %. Wie erwartet waren in der multivariablen Analyse ein Gleason-Score > 6, ein organüberschreitendes Wachstum und positive Absetzungsränder unabhängige Prognostikatoren für ein frühes biochemisches Rezidiv. Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit der offenen Prostatektomie, wenn man z. B. die Studie von Isbarn et al. [7] zugrunde legt. Hier wurden 436 PCA-Patienten über mindestens 10 Jahre nachbeobachet. Das biochemisch rezidivfreie und tumorspezifische Überleben lag hier bei 60 und 94 %. Ein Gleason-Score > 6, kapselüberschreitendes Wachstum und positive Absetzungsränder waren hier ebenfalls unabhängige Prognostikatoren für ein frühes biochemisches Rezidiv.

Ein unmittelbar postoperatives Problem stellen positive Absetzungsränder dar, wenn eine Entscheidung bezüglich einer adjuvanten Radiatio oder einer abwartenden Haltung mit gegebenenfalls Salvageradiatio zu treffen ist. Während Befürworter der RALP einen Vorteil aufgrund der besseren Sichtverhältnisse attestieren, sehen Kritiker aufgrund der fehlenden taktilen Rückmeldung einen Nachteil für die RALP. Insgesamt widmeten sich bisher drei große systematischen Übersichtsarbeiten bzw. Metaanalysen dieser Fragestellung. In der Metaanalyse von Novara et al. [8] wurden 79 Studien zu dieser Thematik untersucht. Die Arbeitsgruppe konnte sowohl für alle Risikogruppen als auch für pT2-Tumoren keine signifikanten Vorteile für die RALP gegenüber der ORP verzeichnen (p = 0,19 und p = 0,31). Demgegenüber war in der Studie von Coelho et al. [9] über alle Risikogruppen die Rate positiver Absetzungsränder bei offenem Vorgehen am höchsten (24 %) und bei der RALP am niedrigsten (13,6 %). Dieses Bild relativierte sich allerdings unter genauerer Betrachtung des lokalen Tumorstadiums. Während für pT2-Tumoren ein Vorteil für die RALP gegenüber der ORP zu verzeichnen war (9,6 % vs. 16,8 %), lag bei den pT3-Tumoren kein nennenswerter Unterschied vor (37,1 % vs. 42 %).

Zu dem gleichen Ergebnis kam die Metaanalyse von Tewari et al. [10]. Auch hier zeigte die RALP gegenüber der offenen Operation eine geringere Rate an positiven Absetzungsrändern, sowohl für das Gesamtkollektiv als auch für pT2-Tumoren (24,2 % vs. 16,2 % und 16,6 % vs. 10,7 %). Eine klare Aussage bezüglich des Stellenwerts der RALP bei pT3-Tumoren lässt diese Arbeit leider nicht zu. Dem hingegen konnten Magheli et al. [11] in einer großen retrospektiv vergleichenden Studie zeigen, dass bei organüberschreitenden Tumoren die RALP gegenüber der ORP eine signifikant höhere Rate an positiven Absetzungsränder aufweist (48,5 % vs. 14,4 %).

Über eine ähnlich hohe Rate an positiven Absetzungsrändern bei pT3-Tumoren berichtet die Arbeitsgruppe von Lee [12]. In dieser Studie wurden über einen Zeitraum von 7 Jahren alle Patienten von einem Operateur behandelt. 47 % von 555 Patienten mit pT3-Prostatakarzinom wiesen positive Absetzungsränder nach RALP auf. Interessant ist hierbei, dass mit zunehmender Lernkurve die R1-Rate schnell abgenommen hat. Während diese initial sogar bei 70,6 % lag, hatten am Ende der Datenerhebung nur noch 32,3 % der Patienten positive Absetzungsränder. Dass mit zunehmender Erfahrung die Rate an positiven Absetzungsrändern insbesondere bei pT3-Tumoren sinkt, bestätigen auch Park et al. [13]. In einer konsekutiven Serie von 730 RALP, die von einem Operateur durchgeführt wurden, sank die R1-Rate von initial 50,6 auf 32,4 %. Interessanterweise hatte in dieser Studie die zunehmende operative Erfahrung keinen Einfluss auf die R1-Rate bei pT2-Tumoren.

Die Notwendigkeit einer Lymphadenektomie als auch deren Ausmaß wird unter Anwendung der RALP kontrovers diskutiert. Prinzipiell ist eine Lymphadenektomie unter RALP problemlos möglich. Mehrere Studien haben sogar gezeigt, dass robotisch assistiert auch eine extendierte Lymphadenektomie durchgeführt werden kann [14, 15]. Die Realität sieht allerdings anders aus. An 5804 PCA-Patienten aus der SEER- („surveillance epidemiology and end results“-)Datenbank konnten Gandaglia et al. [16] aufzeigen, dass im Vergleich zur ORP bei der RALP deutlich seltener Lymphknoten entfernt werden (71,2 % vs. 48,6 %). Diese Daten konnten von Wang et al. [17] an 50.671 Patienten aus der „National Cancer Data Base“ bestätigt werden.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass zumindest bei „Low-“ und „Intermediate-risk-PCA“ die onkologischen Langzeitergebnisse der RALP mit denen der ORP vergleichbar sind. Bezüglich der Häufigkeit des Nachweises eines positiven Absetzungsrandes ist die Datenlage kontrovers: Während bei organbegrenzten Tumoren Vorteile für die RALP zu bestehen scheinen, bietet die offene Operationstechnik möglicherweise Vorteile bei organüberschreitenden Tumoren. Lymphadenektomien werden unter RALP weniger häufig im Vergleich zur offenen Operation durchgeführt. Prinzipiell ist auch unter RALP eine extendierte Lymphadenektomie möglich. Da es sich bei dieser Indikationsstellung nicht selten um organüberschreitende/aggressive Tumoren handelt, muss hier in Hinblick auf eine fraglich erhöhte R1-Rate der Stellenwert der RALP in Frage gestellt werden.

Funktionelle Ergebnisse

Die postoperative Kontinenz als auch Potenz sind die beiden funktionellen Messgrößen, an denen sich jede operative Technik zur Behandlung des PCA messen lassen muss. Die Datenlage hierzu ist recht eindeutig: Die Kontinenz- als auch Potenzrate ist nach RALP höher als nach ORP. In der systematischen Übersichtarbeit von Coelho et al. [9] lag die Kontinenzrate 1 Jahr nach der Operation bei 79 % für die ORP und bei 92 % für die RALP. Die Metaanalyse von Ficcara et al. [18] kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Das relative Risiko einer postoperativen Inkontinenz war nach ORP signifikant höher als nach RALP (11,3 % vs. 7,5 %; p = 0,03).

Ein vergleichbares Bild zeigt sich bezüglich der Potenz. Coelho et al. [9] berichten über Potenzraten 1 Jahr nach der Operation in Bezug zu einem ein- oder beidseitigen Nerverhalt von 43,1 und 60,6 % für die ORP im verglichen zu 59,9 und 93,5 % für die RALP. Auch die Metaanalyse von Ficarra et al. [19] konnte einen signifikanten Vorteil in der Potenzrate 1 Jahr nach der Operation für die RALP im Vergleich zur ORP nachweisen (75,8 % vs. 52,2 %; p = 0,002).

Bessere Kontinenz- und Potenzrate nach RALP als nach ORP

Zusammenfassend zeigen diese Übersichtsarbeiten, dass die postoperative Potenz nach RALP deutlich höher als nach ORP ist (ca. 75 % vs. 50 %). Es lässt sich schlussfolgern, dass das funktionelle Ergebnis, soweit man es aus der verfügbaren Datenlage sicher sagen kann, nach RALP signifikant besser ist als nach ORP.

Perioperative Komplikationsrate

Ein entscheidender Vorteil der RALP gegenüber der offenen Prostatektomie ist der deutlich geringere Blutverlust. Dies konnte in mehreren Arbeiten bestätigt werden. So war der mittlere Blutverlust 6-fach und die Transfusionsrate sogar 15-fach höher bei ORP im Vergleich zur RALP in der systematischen Übersichtsarbeit von Coelho et al. [9]. Auch in der Metaanalyse von Novara et al. [20] war die RALP im Vergleich zur offenen Operation mit einem signifikant geringeren Blutverlust und einer signifikant geringeren Transfusionsrate vergesellschaftet. In beiden Arbeiten lag der mittlere Blutverlust bei < 200 ml und die Transfusionsrate bei ≤ 2 % unter Verwendung der RALP. Die Konversionsrate von RALP zur offenen Operation liegt im Mittel bei etwa 0,34 % [9].

Schlussfolgerung

Obwohl prospektiv-randomisierte Studien auch 14 Jahre nach Erstbeschreibung der Operationstechnik fehlen, ist die RALP heutzutage fest im Armamentarium der operativen Techniken für das PCA etabliert. Die RALP weist gegenüber offenen Operationstechniken eine signifikant geringere Blutungskomplikation auf. Die Transfusionsrate liegt deutlich unter 5 %. Auch in Bezug auf die funktionellen Ergebnisse ist die RALP gegenüber der ORP im Vorteil: Die postoperative Einjahreskontinenzrate ist im Schnitt etwa 10 % höher und liegt somit bei > 90 %. Noch deutlicher ist der Unterschied in der Betrachtung der postoperativen Einjahrespotenzrate. Während nach nerverhaltender RALP etwa 3 von 4 Patienten potent sind, ist nach nerverhaltender ORP durchschnittlich nur jeder 2. Patient potent.

Die RALP weist ein signifikant geringeres Blutungsrisiko als die ORP auf

Bezüglich der onkologischen Langzeitergebnisse zeigen erste Daten, dass RALP und ORP miteinander vergleichbar sind. Allerdings muss hierbei erwähnt werden, dass in fast allen großen RALP-Fallserien hauptsächlich „Low-“ und „Intermediate-risk-PCA“ behandelt wurden.

Bezüglich positiver Absetzungsränder scheint zumindest bei organbegrenzten Tumoren ein leichter Vorteil für die RALP gegenüber der ORP zu bestehen. Bei organüberschreitenden Tumoren lässt sich aktuell keine klare Aussage treffen. Während in einigen Studien kein Unterschied in der Häufigkeit von R1-Befunden zwischen RALP und ORP zu verzeichnen ist, sehen andere Studien eher Vorteile für die offene Operation. Klar ist, dass die R1-Rate von der Erfahrung des Operateurs abhängt und somit einer Lernkurve unterliegt.

Eine Lymphadenektomie während der RALP ist prinzipiell problemlos auch extendiert möglich. Allerdings zeigen Daten aus der Versorgungsforschung, dass RALP-Patienten deutlich seltener einer Lymphadenektomie unterzogen werden als Patienten mit offener Prostatektomie. Dies legt nahe, dass Patienten mit „Low-“ und „Intermediate-risk-PCA“ und Wunsch nach Nerverhalt optimale Patienten für die RALP sind. Für organüberschreitende Tumoren kann keine klare Empfehlung für die RALP gegeben werden. Hier sollte die Entscheidung über die zu verwendende Operationstechnik individuell erfolgen. Eine Entscheidungshilfe zur Indikationsstellung RALP vs. ORP im klinischen Alltag liefert Abb. 1.

Abb. 1
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Entscheidungshilfe RALP oder ORP

Fazit für die Praxis

  • Die RALP ist ein fest etabliertes Verfahren zur Therapie des organbegrenzten Prostatakarzinoms.

  • Sie ist insbesondere bei „Low-“ und „Intermediate-risk-Patienten“, die potent sind und sich ein operatives Vorgehen wünschen, indiziert.

  • Bei Vorliegen eines organüberschreitenden/aggressiven Tumors mit Indikation zur extendierten Lymphadenektomie muss individuell entschieden werden.