Seit einiger Zeit findet man beim Vorliegen einer operationspflichtigen Klavikulaschaftfraktur in der intramedullären Nagelung eine Alternative zur Plattenosteosynthese. Die häufigste Komplikation ist die Irritation/Wanderung des medialen Nagelendes, weshalb meist eine Versorgung von instabilen, mehrfragmentären Frakturen abgelehnt wird. Jedoch sind die exakten Voraussetzungen, die zu einer erfolgreichen Therapie mittels „titanium elastic nail“ (TEN) führen, unbekannt.

Hintergrund und Fragestellung

Die Klavikulaschaftfrakturen haben einen Anteil von 3–5 % an allen Frakturen und ca. 45 % an Schulterverletzungen [15]. Es sind 70–80 % der Frakturen im mittleren Drittel der Klavikula lokalisiert und davon 72,7 % um mindestens eine Schaftbreite disloziert [1]. Obwohl in 75 % der Fälle eine konservative Therapie möglich ist, wird die operative Therapie immer öfter angewandt [1]. Hauptprobleme bei der konservativen Therapie sind die höhere Pseudarthroserate und die Klavikulaverkürzung [1]. Die operative Therapie kann ihre Überlegenheit durch eine signifikante Reduktion der Pseudarthroserate (2,5 % nach Plattenosteosynthese, 1,6 % nach intramedullärer Stabilisierung [21]) sowie eine signifikante Verbesserung der Funktion und Zufriedenheit demonstrieren [2]. Goldstandard der operativen Versorgung ist die Plattenosteosynthese. Als Alternative ist die intramedulläre Schienung mittels TEN bekannt [4]. Neben einer erhöhten Rate an Implantatauswanderungen, die jedoch nicht immer symptomatisch sind, zeigen sich viele Vorteile der intramedullären Implantate [4]. Die Operationsdauer ist in der Regel deutlich kürzer, der Blutverlust geringer und der Zugang kleiner [4], was zu einem kosmetisch sehr befriedigenden Ergebnis führt [10, 17]. Radiologisch konnte eine signifikant kürzere Knochenheilungszeit bei intramedullärer Osteosynthese festgestellt werden [4]. Außerdem klagten intramedullär versorgte Patienten 3 Tage nach Operation über signifikant weniger Schmerzen auf der visuellen Analogskala als Patienten nach Plattenosteosynthese [4]. Selbige Arbeit zeigte 6 Monate nach TEN-Versorgung signifikant bessere Ergebnisse im „Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand Score“ (DASH) und im „Constant-Murley Shoulder Outcome Score“ (CMS), die sich 2 Jahre postoperativ aber wieder an die Ergebnisse nach Plattenosteosynthese anglichen [4]. Dem entgegenzusetzen ist eine Studie von Narsaria et al., die der Plattenosteosynthese 2 Monate postoperativ einen signifikant höheren „American Shoulder and Elbow Surgeons Standardized Shoulder Assessment Form“ (ASES) und „Constant-Score“ (CMS) bescheinigt. Auch in dieser Studie wird kein Unterschied hinsichtlich der Funktion 2 Jahre nach der operativen Versorgung festgestellt [14].

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Patientenkollektiv

Alle Patienten der unfallchirurgischen Universitätsklinik Ulm, die im Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2014 eine operative Versorgung einer Klavikulaschaftfraktur erhielten, wurden erfasst. Insgesamt handelte es sich um 141 Patienten, wobei 99 mit einer intramedullären Osteosynthese (TEN) und 42 Patienten mit einer Plattenosteosynthese behandelt wurden. In 3 Fällen der letzteren Gruppe handelte es sich um sekundäre Eingriffe bei Dislokation des TEN.

Das Durchschnittsalter lag in der Gruppe, die mittels TEN versorgt wurde, mit 37,6 Jahren niedriger als das der Vergleichsgruppe (40,6 Jahre).

Die verwendeten Implantate waren elastische Titannägel der Dicke 2,0 mm/2,5 mm/3,0 mm sowie 6‑ bis 9‑löchrige 3,5-mm-LCP oder anatomische Klavikulaplatten (alles Produkte der Fa. DePuySynthes GmbH, Umkirch, Deutschland).

Indikation

Die Entscheidung für das jeweilige Operationsverfahren wurde in der Indikationsbesprechung getroffen und richtete sich v. a. nach dem Frakturtyp und der Dislokation. Einfachere Frakturtypen wurden eher mittels TEN versorgt, komplexe, mehrfragmentäre Frakturen hingegen mittels Plattenosteosynthese.

Operateur

Die 141 Operationen wurden von insgesamt 11 Operateuren durchgeführt, unter denen ein Chefarzt, 9 Oberärzte und eine Fachärztin waren. Alle Operateure führten beide Operationsverfahren durch.

Operationsverfahren

Sowohl bei der Implantation eines TEN als auch bei der einer Plattenosteosynthese wird der Patient in angedeuteter „beach chair position“ gelagert.

Bei der Implantation eines TEN wird die Haut in Höhe der medialen Klavikula, ggf. unter Röntgenkontrolle, inzidiert und mittels Pfriem ein Zugang zum Markraum geschaffen. Über diesen wird ein möglichst dicker TEN eingebracht und vorgeschoben (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Prä- und postoperatives Röntgenbild einer mittels Plattenosteosynthese versorgten (bd) und einer mittels TEN versorgten (ac), mehrfragmentären Klavikulafraktur

Bei einer Plattenosteosynthese wird je nach Frakturtyp und Ausdehnung entweder ein Säbelhiebschnitt oder eine Hautinzision in Längsachse der Klavikula durchgeführt. Anschließend erfolgen die Darstellung und die Reposition der Fraktur und nachfolgend die Fixation einer anatomischen Platte mit je 3 bikortikalen winkelstabilen Schrauben jenseits der Fraktur (Abb. 1).

Auswertungsparameter

Röntgenbilder, Anästhesieprotokolle, Operationsberichte und Entlassungsbriefe wurden ausgewertet und folgende Parameter erfasst: Alter, Geschlecht, Frakturmorphologie (anhand der AO-Klassifikation), Frakturursache, Operationsdauer, Dauer bis Metallentfernung, Komplikationen.

Bei der Gruppe mit intramedullärer Osteosynthese wurden weitere, radiologische Parameter erhoben: Markraumweite, Verlaufsstrecke des TEN lateral, medialer Überstand, Lage der TEN-Spitze, Repositionsart, TEN-Durchmesser. Dies war bei allen 99 Patienten möglich. Da aber ein Teil der Patienten zur radiologischen Verlaufskontrolle im ambulanten Bereich einbestellt wurde, konnte dieser nicht in die weitere Auswertung einbezogen werden.

Die Einteilung der Komplikationen erfolgte in 4 Kategorien (keine/leichte/mittelschwere/schwere Komplikationen):

  • leichte Komplikationen: Hautirritation, Narbenkeloidbildung, Fremdkörpergefühl durch Osteosynthesematerial,

  • mittelschwere Komplikationen: operationsbedürftiges Hämatom, mediale oder laterale Implantatdislokation mit notwendiger Reoperation in Form von Einschlagen oder Kürzen des Implantats (TEN-Gruppe); unvollständige Metallentfernung (Plattengruppe),

  • schwere Komplikationen: Lungenembolie, Pseudarthrose, erhebliche Implantatdislokation mit der Notwendigkeit der Metallentfernung, Reosteosynthese, Verkürzung und in Fehlstellung verheilte Fraktur.

Zur statistischen Auswertung wurden die Komplikationen in 2 Gruppen zusammengefasst: Komplikationsgruppe 1 (keine/leichte Komplikationen) Komplikationsgruppe 2 (mittelschwere/schwere Komplikationen).

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung erfolgte mit SPSS Statistics 22 (Fa. IBM, Armonk, USA). Für normalverteilte Merkmale wurde der t‑Test und für nichtnormalverteilte der Mann-Whitney-U-Test angewandt. Bei kategorial skalierten Merkmalen wurde der χ2-Test oder bei zu kleiner erwarteter Fallzahl der Exakte Test nach Fisher durchgeführt. Das Signifikanzniveau wurde auf 0,05 festgelegt.

Ergebnisse

Allgemeine Parameter

Das Patientenkollektiv bestand aus 22 weiblichen und 119 männlichen Patienten. Es hatten 43 Patienten (30,5 %) eine einfache Querfraktur, während bei 95 Patienten (67,4 %) eine mehrfragmentäre Situation vorlag (Tab. 1).

Tab. 1 Allgemeine Parameter zwischen den Untersuchungsgruppen

Am häufigsten (73,7 %) wurde ein TEN des Durchmessers 2,5 mm verwendet. In 18,2 % der Fälle wurde der dünnere 2 mm und in 8,1 % der Fälle ein TEN der Stärke 3 mm eingesetzt. Eine geschlossene Reposition der Fraktur war in nur 36,4 % der Fälle möglich. Bei Analyse des Verhältnisses von offener zu geschlossener Reposition zeigte sich, dass sowohl bei einfacher als auch mehrfragmentärer Fraktur eine ähnliche Relation von offener zu geschlossener Reposition vorlag.

Komplikationen allgemein

Bei Betrachtung aller Komplikationen jeglichen Schweregrads traten in der Gruppe nach TEN-Versorgung bei 39,4 % und in der Plattengruppe bei 21,4 % der Patienten Komplikationen auf. Nach Zusammenfassung der Komplikationen in 2 Gruppen (keine/leichte Komplikationen und mittelschwere/schwere Komplikationen) ergibt sich ein differenzierteres Bild:

Während in der TEN-Gruppe 24,2 % der Patienten mittelschwere oder schwere Komplikationen hatten, waren diese in der Plattengruppe mit 14,6 % deutlich reduziert. Schwere Komplikationen gab es nach Plattenosteosynthese zu 7,1 % und nach TEN-Osteosynthese zu 7 %.

Komplikationen nach „Titanium-elastic-nail“-Osteosynthese

Bezogen auf alle Komplikationen handelte es sich in 7 % um schwere, in 17,2 % um mittelschwere und in 15,2 % der Fälle um leichte Komplikationen.

Einen zweiten operativen Eingriff benötigten insgesamt 15 der 99 Patienten. Bei 9 Patienten wurde hierbei der migrierte TEN nochmals etwas weiter eingebracht und/oder gekürzt (mittelschwere Komplikation). Bei 5 Patienten musste in eine Plattenosteosynthese bei inakzeptabler Fehllage, starker Dislokation oder Pseudarthrose, die in 2 % der Fälle auftrat, konvertiert werden (schwere Komplikation). Des Weiteren musste bei einem Patienten eine Hämatomausräumung durchgeführt werden.

In 2 Fällen war die Implantation eines TEN nicht möglich, weshalb man sich intraoperativ für eine Plattenosteosynthese entschied. In einem Fall war der Markraum so schmal, dass das Einbringen des TEN fehlschlug; im anderen Fall schlug der TEN immer wieder nach dorsal aus.

Prädiktoren allgemein

Nach geschlossener Reposition traten bei 4 Patienten mittelschwere oder schwere Komplikationen auf, während bei offener Reposition die Rate für die entsprechenden Komplikationen signifikant höher war, 20 Patienten (p = 0,021; Abb. 2). Bei den Komplikationen handelte es sich v. a. um mediale Drahtauswanderungen. Auch bei beiden Patienten, die eine Pseudarthrose erlitten, war zuvor eine offene Reposition erforderlich.

Abb. 2
figure 2

Anzahl der nach Schweregrad zusammengefassten Komplikationen in Abhängigkeit von der Notwendigkeit einer geschlossenen und einer offenen Reposition

Die Verlaufsstrecke des TEN im lateralen Frakturfragment hatte keinen relevanten Einfluss auf das Auftreten und die Schwere von Komplikationen.

Prädiktoren für mediale Auswanderung

In 26 Fällen kam es zu einer medialen Drahtauswanderung unterschiedlichen Schweregrads. Mit einer medialen Auswanderung des Titannagels waren 66,7 % aller leichten Komplikationen, 81,3 % aller mittelschweren Komplikationen und 37,5 % aller schweren Komplikationen assoziiert.

Fragmentzahl: Bei einfachen Frakturen kam es signifikant seltener zur medialen Auswanderung als bei Frakturen mit 3 oder mehr Fragmenten (p = 0,035).

Schrägfrakturen: Bei Schrägfrakturen kam es signifikant häufiger zur Auswanderung als bei Querfrakturen (p = 0,033, Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Anzahl der medialen Drahtauswanderungen bei mehrfragmentären Frakturen im Vergleich zu einfachen Frakturen (a) und der Tatsache, ob eine Schrägfraktur vorlag (b)

Implantatdicke.

Nach Verwendung eines 2,0-mm-TEN (n = 18) kam es in 33,3 % der Fälle zur medialen Auswanderung des Implantats. Bei Verwendung eines 2,5-mm-TEN (n = 73) sank die Rate auf 27,4 %, und nach Verwendung eines 3,0-mm-TEN (n = 8) kam es in keinem Fall zu einer medialen Auswanderung.

Des Weiteren wurde bestimmt, inwiefern das Verhältnis zwischen Implantatdurchmesser und Markraumweite die Drahtwanderung beeinflusst. Es zeigte sich, dass im Fall einer Drahtauswanderung die Differenz zwischen Markraumdurchmesser und TEN-Durchmesser größer war als bei der Patientengruppe, bei der es zu keiner Drahtauswanderung kam (p = 0,538).

Der Ausbildungsstand des Operateurs hatte in der vorliegenden Studie keinen Einfluss auf die Häufigkeit der Drahtauswanderung (p = 0,476).

Komplikationen nach Plattenosteosynthese

Nach Plattenosteosynthese kam es bei 21,4 % der Patienten zu Komplikationen, wobei es sich zu gleichen Teilen um leichte, mittelschwere und schwere Komplikationen handelte (jeweils 7,1 %). Eine Pseudarthrose wurde bei einem Patienten beobachtet (2,4 %). Bei 2 Patienten kam es zu einem Ausriss des Implantats (4,8 %). In diesen 3 Fällen war eine erneute Operation erforderlich. Bei 3 Patienten (7,1 %) kam es zu Irritationen im Bereich des Plattenlagers. Bei 2 weiteren Patienten (4,8 %) war eine komplette Metallentfernung nicht möglich. Bei einem weiteren Patienten (2,4 %) zeigte sich postoperativ eine neurologische Einschränkung in Form von Kribbelparästhesien im Einzugsgebiet des Dermatoms C5.

Weder der Operationszeit noch dem Patientenalter konnte ein signifikanter Einfluss auf das Auftreten und die Schwere der Komplikationen zugeschrieben werden. Tendenziell zeigte sich die Gruppe mit den mittelschweren und schweren Komplikationen mit 31,8 Jahren deutlich jünger als die Gruppe, die keine oder nur leichte Komplikationen erlitt (41,8 Jahre).

Diskussion

Insbesondere beim Vorliegen einer mehrfragmentären Fraktur mit der Notwendigkeit der offenen Reposition ist die intramedulläre Schienung mittels TEN mit einer hohen Rate an Komplikationen verbunden. Bei diesen handelt es sich in erster Linie um Drahtauswanderungen. In unserer Studie wurde analysiert, durch welche Faktoren diese beeinflusst werden. Außerdem wurde das Verfahren mit dem einer Plattenosteosynthese verglichen.

„Titanium-elastic-nail“-Osteosynthese

Allgemeine Kenndaten und Komplikationshäufigkeiten

Die TEN-Osteosynthese präsentiert sich als minimalinvasive Alternative zur Plattenosteosynthese.

Während Pseudarthroserate (2 %) [21] und Operationsdauer (39 min) des untersuchten Kollektivs vergleichbar mit den Literaturdaten sind [4], lag die Revisionshäufigkeit bei Frigg et al. bei deutlich höheren 36 % [5] im Vergleich zu 15 % in der vorliegenden Studie. Bei einer TEN-Versorgung wird die Operationsdauer maßgeblich von einer evtl. notwendigen offenen Reposition beeinflusst [4]. Eine geschlossene Reposition erfolgte in 36,4 % der Fälle und resultierte in einer signifikant (p = 0,01) kürzeren Operationszeit. Diese Ergebnisse korrelieren gut mit denen der Literatur [5, 10]. Außerdem führten offene Repositionen zu signifikant (p = 0,021) mehr schweren Komplikationen.

Vor allem mehrfragmentäre Frakturen haben ein erhöhtes Komplikationspotenzial und werden in vielen Studien von der intramedullären Schienung ausgeschlossen [1, 4, 17]. Vorliegende Studie konnte zeigen, dass Patienten mit mehrfragmentären Frakturen bei intramedullärer Osteosynthese fast doppelt so häufig mittelschwere oder schwere Komplikationen erlitten (29,5 % vs. 15,8 %). In anderen Studien mit einem vergleichbaren Anteil an mehrfragmentären Frakturen traten sogar bei 70 % der Patienten Komplikationen auf [5].

Einige Autoren sind der Meinung, dass es nach intramedullärer Versorgung bei mehrfragmentären Frakturen zur Verkürzung der Klavikula (sog. Teleskopeffekt) kommen kann [1]. Während Frigg et al. keine Korrelation zwischen dem Frakturtyp und der Komplikationsrate feststellten [5], stellte eine andere Studie mit überwiegend mehrfragmentären Frakturen 3 Monate postoperativ Verkürzungen bei 11 von 35 Patienten fest. Die Verkürzung betrug im Mittel lediglich 4 mm, wobei eine funktionsrelevante Verkürzung in einigen Studien erst ab 10 mm definiert wurde [19]. Müller sowie Langenhan et al. sehen die Behandlung von mehrfragmentären Frakturen mit elastischen Titannägeln als gerechtfertigt, da selbst bei deutlicher Verkürzung keine funktionellen Einschränkungen der Schulter festgestellt werden konnten [12, 13]. Jubel et al. zeigten 2016 hingegen, dass man ab einer Verkürzung von 2 cm von einer signifikanten Funktionseinschränkung ausgehen kann [9]. Des Weiteren wurde festgestellt, dass es ab einer Verkürzung von 10 % zu einem signifikanten Einfluss auf die Biomechanik kommt [11], und auch Su et al. wiesen bei 14 konservativ behandelten Patienten mit einer Verkürzung über 1 cm nach, dass sowohl der Bewegungsumfang als auch die Kraft signifikant reduziert waren [16]. Unklar bleibt, welches Ausmaß an Verkürzung nach operativer Therapie und insbesondere nach TEN auftreten kann. Walz bezifferte das Ausmaß 2006 bei mehrfragmentären Frakturen auf im Mittel 4 mm, was im Wesentlichen 2016 von Jubel bestätigt wurde. Hier kam es bei lediglich 17 % der operierten Patienten zu einer Verkürzung über 5 mm. Die Mehrzahl an symptomatischen Verkürzungen trat nach konservativer Therapie auf [9, 19].

Mediale Drahtwanderung als zentrales Problem der „Titanium-elastic-nail“-Osteosynthese

Bei 26,3 % aller Patienten der vorliegenden Studie kam es zu Problemen an der medialen Eintrittsstelle, wobei nur bei 17,2 % auch eine operative Revision notwendig wurde. Auch in der Literatur wird die Drahtwanderung als Hauptproblem der intramedullären Osteosynthese beschrieben, mit beispielhafter Rate von 29,8 % [4]. In der vorliegenden Studie zeigte sich, dass Patienten mit mehrfragmentären Frakturen nach TEN-Versorgung deutlich häufiger von medialer Drahtwanderung betroffen waren als Patienten mit einfachen Frakturen. Auch bei Schrägfrakturen kam eine mediale Drahtwanderung mit 32 % deutlich häufiger vor als bei Querfrakturen (12,2 %). Aber auch die Implantatstärke beeinflusst die mediale Drahtwanderung: Während bei Verwendung eines 2,0-mm-TEN die Rate bei 33,3 % lag, sank diese bei Verwendung eines 3,0-mm-TEN auf 0 %. Dabei lag der Anteil mehrfragmentärer Frakturen mit 3,0-mm-TEN mit 75 % sogar höher als bei Patienten mit einem 2,0-mm-TEN (50 %). Außerdem wurde in der vorliegenden Arbeit das Verhältnis zwischen der Dicke des implantierten TEN und des Durchmessers des Markraums untersucht, wobei sich zeigte, dass mit zunehmender Differenz die Gefahr einer medialen Drahtwanderung zunimmt. Allerdings konnte hier keine statistische Signifikanz nachgewiesen werden (p = 0,538). Diesbezüglich ist anzuführen, dass die Fehlerquelle bei diesem Vergleich recht groß ist, da die Messung des Markraums nur unzureichend genau erfolgen kann.

Plattenosteosynthese

Die Komplikationsrate nach Plattenosteosynthese wird in der Literatur mit bis zu 23 % angegeben, was sehr nah an dem in dieser Studie ermittelten Wert liegt [19]. Die aufgetretene Pseudarthroserate von 2,4 % korreliert ebenfalls sehr gut mit der aus Literaturangaben von 2,5 % [21], wohingegen die Operationsdauer mit 83 min höher ist als die in der Literatur angegebenen 65 min [17]. Ein möglicher Grund dafür könnte im Ausschluss von komplexen Typ-C-Frakturen in der Studie von Tarng et al. liegen [17]. Die Rate an Implantatirritationen lag bei 7,1 % und damit im unteren Bereich der Literaturangaben von 7,4–35 % [3, 7, 18]. Die Plattenosteosynthese erwies sich als zuverlässiges Verfahren, mit dem selbst im Revisionsfall gute Ergebnisse erzielt werden konnten. Als Nachteile sind Operationstrauma, Operationsdauer, kosmetische Nachteile und die aufwendigere Metallentfernung zu nennen.

Bezogen auf die Implantatwahl wird zum jetzigen Zeitpunkt die Verwendung von winkelstabilen Platten, wie es in im vorliegenden Kollektiv der Fall war, empfohlen, da es bei den in früheren Zeiten verwendeten Rekonstruktionsplatten aufgrund der geringeren Materialfestigkeit häufiger zu Komplikationen kam [7].

Studien, die beide Operationsverfahren miteinander vergleichen, kommen zu teils unterschiedlichen Ergebnissen. So sprechen Houwert et al. in einer Metaanalyse aus dem Jahr 2016 von keinen wesentlichen Unterschieden bezüglich der Funktion, der Rate an Pseudarthrosen und der Rate an Revisionsoperationen, wohingegen es nach Entfernung der Platten signifikant häufiger zu Refrakturen kam [8]. Auch Wang et al. sehen nach einer Metaanalyse von Studien, in die insgesamt 421 Patienten eingeschlossen waren, beide Verfahren als gleichwertige Versorgungsmöglichkeiten von dislozierten Klavikulaschaftfrakturen an [20]. Fuglesang et al. stellen nach einer Untersuchung an 123 Patienten fest, dass die Rehabilitation bei Patienten, die mit Plattenosteosynthese versorgt wurden, schneller gelingt, jedoch die Langzeitfunktion als gleich angesehen wird. Es wird aber eine geringere Rate an Komplikationen nach intramedullärer Frakturversorgung angegeben [6].

Limitationen

Als große Limitation der vorliegenden Studie ist die Tatsache zu nennen, dass die Untersuchung rein retrospektiv erfolgte und nicht alle Patienten zu einem festen Nachuntersuchungstermin einbestellt wurden.

Daher kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob es evtl. Komplikationen gab, die in einem anderen Krankenhaus operativ therapiert wurden. Auch eine Analyse der Schulterfunktion mit evtl. Aufdeckung von Funktionseinbußen ist dadurch nicht möglich.

Darüber hinaus sind die geringe Zahl an Patienten mit Einteilung in Subgruppen, verbunden mit eingeschränkter Aussagekraft, sowie die limitierte Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Versorgungsstrategien aufgrund der nach Frakturschwere vorselektionierten Operationsform zu nennen.

Fazit für die Praxis

Die erhöhte Komplikationsrate nach TEN-Versorgung liegt v. a. im höheren Anteil an leichten oder mittelschweren Komplikationen. Vorteile sind die signifikant verkürzte Operationszeit, die kürzere Zeit bis zur Metallentfernung und die v. a. bei geschlossener Reposition gegebenen kosmetischen Vorteile, die in anderen Studien beobachtet wurden.

Es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit mehrfragmentären Frakturen und nach offener Reposition signifikant häufiger Komplikationen erlitten, weshalb in solchen Fällen die Indikation für eine intramedulläre Osteosynthese kritisch hinterfragt und ein Wechsel zur Plattenosteosynthese erwogen werden sollte. Eine generelle Einschränkung der TEN-Osteosynthese bei mehrfragmentären Klavikulafrakturen kann durch die vorliegenden Ergebnisse jedoch nicht ausgesprochen werden, da auch diese Frakturen bei Verwendung eines großkalibrigen TEN erfolgreich versorgt werden können. Der größtmögliche Durchmesser des TEN ist somit der entscheidende Faktor, um die so häufig beschriebene mediale Drahtauswanderung zu vermeiden.