Zusammenfassung
Bei anteroinferiorer Schulterinstabilität wird bei jungen, funktionell anspruchsvollen Patienten mit isolierter Weichteilverletzung aufgrund der hohen Reluxationsneigung die Kapsel-Labrum-Rekonstruktion (Bankart-Repair) empfohlen, welche sich etabliert hat und sowohl für das offene wie auch das arthroskopische Vorgehen mit guten klinischen Ergebnissen belegt ist. Nichtsdestotrotz werden Luxationsraten von bis zu 25 % beobachtet. Verantwortlich hierfür sind neben risikobereiten Patienten (Kontaktsportarten), häufig ein primär unterschätzter glenoidaler Knochenverlust, nicht adressierte bipolare Defekte oder eine technisch fehlgeschlagene Erstoperation.
Im Management der Rezidivinstabilität bedarf es neben der erweiterten Diagnostik mit Röntgen und Computertomographie v. a. einer ausführlichen klinischen Untersuchung des Patienten. Ein erneuter Bankart-Repair ist in seltenen ausgewählten Fällen indiziert. Häufiger zeigen sich jedoch therapiebedürftige knöcherne Defekte an Glenoid oder Humeruskopf (Hill-Sachs-Läsion), welche durch knochenaufbauende Verfahren zu adressieren sind. Biomechanisch vorteilig präsentiert sich die Operation nach Latarjet durch den sog. „Sling-Effekt“ der „conjoined tendons“ gegenüber Span- und Knochenblockverfahren. Ein Konsensus bzgl. der Therapie von Hill-Sachs-Läsionen besteht derzeit nicht. Bei großen, weit medial gelegenen Defekten stehen neben der Weichteilinterposition („remplissage“) der Infraspinatussehne Knochenblockverfahren und der partielle Oberflächenersatz zur Verfügung.
Als Folge häufiger (Re)-Luxationen ist die Instabilitätsarthropathie eine oft unterschätzte Komplikation. Hierbei steht nicht die Instabilität, sondern eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Vordergrund. Die arthroskopische Arthrolyse oder das „comprehensive arthroscopic management“ (CAM-Procedure) können hierbei als gelenkerhaltende Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen.
Abstract
Capsulolabral reconstruction (Bankart repair) is recommended as the first line treatment in young and functionally demanding active patients with anteroinferior shoulder instability, due to the high tendency to recurrent dislocation. This has become established both for arthroscopic and open primary shoulder stabilization with good clinical outcome; nevertheless, recurrence of dislocation is reported in up to 25% of patients. Risk factors for failed surgery are patient (e.g. young age, male gender and contact sports) and surgery (e.g. primarily underestimated glenoid bone loss, Hill-Sachs lesion, non-treatment of bipolar defects or malpositioned anchors) related. In the management of recurrent instability, it is necessary to carry out a thorough clinical investigation in addition to extended diagnostics with X‑ray and computed tomography. A second Bankart repair is only indicated in patients with low demands and without any glenoid bone loss. In the majority of patients, bony augmentation of the glenoid is necessary and realized by coracoid or iliac crest bone block transfer. The Latarjet procedure is biomechanically advantageous due to the additional sling effect of the conjoined tendons and both techniques show good clinical outcomes and a low recurrence rate. Furthermore, engaging Hill-Sachs lesions also require additional treatment. Remplissage of the infraspinatus muscle, iliac crest bone block transfer and partial joint replacement are viable options. A final consensus for treatment of Hill-Sachs lesions has yet to be defined. Dislocation arthropathy is an underestimated complication as a result of frequent recurrent dislocations. After development of dislocation arthropathy, patients reported a painful restriction of range of motion rather than instability. Arthroscopic arthrolysis and comprehensive arthroscopic management (CAM procedure) are possible joint-preserving treatment options.
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Hintergrund
Die Instabilität der Schulter tritt mit einer Inzidenz von 2 % jährlich auf [1]. Ätiologisch ist die anteroinferiore Instabilität mit 80 % am häufigsten, gefolgt von jeweils 10 % posteriorer und multidirektionaler Instabilität. Männer sind etwa 3‑mal so häufig betroffen wie Frauen [1]. Aufgrund der hohen Reluxationsrate von bis zu 60 % nach konservativer Therapie bei jungen aktiven Patienten ist in den meisten Fällen eine operative Therapie zu empfehlen [2,3,4,5]. Die arthroskopische Refixation des Kapsel-Labrum-Komplexes (Bankart-Repair) stellt heutzutage die Therapie der Wahl bei anteroinferiorer Schulterinstabilität dar [3]. Im Falle eines knöchernen Glenoidverlusts über 20–25 % oder eines großen Hill-Sachs-Defekts sind bereits in der Primärversorgung Verfahren mit knöcherner Augmentation zu diskutieren [6, 7]. Trotz Verbesserungen der operativen Technik und der verwendeten Ankersysteme werden Reluxationsraten von bis zu 25 % beschrieben [8,9,10,11]. Zur Behandlung rezidivierender Schulterinstabilität stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung.
Ziel dieses Artikels ist die Darstellung der Therapieoptionen mit besonderem Fokus auf die Indikationsstellung sowie die jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Techniken. Es sollen außerdem die Erfolgschancen und die möglichen Komplikationen dargestellt werden.
Patienten- und operationsspezifische Versagensursachen
Vor einem Revisionseingriff müssen patienten- und operationsbezogene Risikofaktoren genau analysiert werden. Ziel der präoperativen Analyse ist, die passende Operationsmethode zu wählen, um eine möglichst endgültige und stabile Gelenksituation herzustellen. Patientenbezogene Risikofaktoren für die Entwicklung einer Reinstabilität sind junges Alter (<25 Jahre), männliches Geschlecht und die Ausübung von Risiko- bzw. Kontaktsportarten [12]. Es konnte gezeigt werden, dass diese Patienten aufgrund des Lebensstils und der Risikobereitschaft am häufigsten von einem Rezidiv betroffen sind. Außerdem muss das Vorliegen knöcherner Defekte (ossärer Glenoidverlust, einhakender Hills-Sachs-Defekt) abgeklärt werden, da diese das Versagensrisiko einer reinen Weichteilstabilisierung deutlich erhöhen.
Mithilfe der präoperativen Analyse kann die passende Operationsmethode gewählt werden
Ist die Rezidivinstabilität ohne adäquates Trauma aufgetreten oder berichtet der Patient postoperativ, nie ein stabiles Schultergelenk verspürt zu haben, liegt der Verdacht einer fehlgeschlagenen Erstoperation nahe. Eine zu mediale oder kraniale Platzierung der Anker führt zu einer insuffizienten Reposition des Labrums und in der Folge zu einer insuffizienten Stabilisierung des Gelenks. Biomechanische Studien konnten zeigen, dass die Anzahl der verwendeten Anker eine wichtige Rolle spielt (mindestens 3 Anker [12, 13]). Hyperlaxität, eine elongierte Kapsel (inferiores glenohumerales Ligament, IGHL), bestehende humerale Avulsionsläsion des glenohumeralen Ligaments (HAGL) sowie ossäre Defektsituationen sind mögliche Begleitpathologien und müssen präoperativ genau abgeklärt werden.
Rezidivanalyse
Bei vorliegender Rezidivinstabilität bedarf es neben dem Erkennen und Adressieren der genannten Risikofaktoren der genauen Analyse allgemeiner Patientencharakteristika wie Alter, sportlicher Anspruch und relevante Vorerkrankungen (z. B. Epilepsie). Eine ausführliche Anamneseerhebung mit Eruierung eines adäquaten Re- vs. Bagatelltrauma und des Pathomechanismus (Luxationsvektor) ist obligat. Die Arbeitsgruppe um Balg und Boileau [14] entwickelten einen präoperativen 10-Punkte-Score, welcher Risikofaktoren (Patientenalter <20 Jahre, kompetitiver Sport, Hyperlaxität, Hill-Sachs-Läsion im a.p.-Röntgen in Außenrotation erkennbar, Verlust der Sklerosezone an der inferioren Glenoidkontur) und damit ein erhöhtes Rezidivrisiko nach Bankart-Repair identifiziert („instability severity index score“, ISIS). Eine Punktzahl von >6 ging einher mit einer signifikanten Rezidivrate von 70 % nach Bankart-Repair, sodass diesem Patientenkollektiv eine knöcherne Augmentation (z. B. Operation nach Latarjet) empfohlen wird. Dieser Score ist nach unserem Dafürhalten jedoch zu stark auf die Latarjet-Operation ausgerichtet. Inwiefern dadurch insbesondere bei jungen, aktiven Patienten die Arthroseentwicklung möglicherweise beeinflusst wird, bleibt abzuwarten [15].
In der klinischen Untersuchung gilt es (am wachen Patienten!) die relevante Luxationsrichtung bzw. pathologische Translation (Tab. 1) des Humeruskopfs zu identifizieren. Ebenso von entscheidender Bedeutung ist der Ausschluss/das Erkennen einer möglicherweise zugrunde liegenden (übersehenen) multidirektionalen Instabilität oder Kollagenbildungsstörung mit generalisierter Gelenklaxität (Ellenbogen, Patella, MCP [Articulationes metacarpophalangeae] sind mit zu untersuchen!). In diesem Zusammenhang muss reevaluiert werden, ob es bei der primären Versorgung zur korrekten Adressierung der Pathologie kam.
Diagnostisch erfolgt im eigenen Vorgehen standardmäßig ein Schulterröntgen in 3 Ebenen (a.-p., y‑view und axial). Hier kann bereits die Implantatlage (z. B. bei röntgendichten Ankern), größere knöcherne Defekte und der Arthrosegrad beurteilt werden (Abb. 1).
Nicht selten wird die MRT-Bildgebung im Rezidivfall als primäre Diagnostik herangezogen. Diese bietet jedoch bei der Rezidivinstabilität aufgrund von Artefakten (einliegender Implantate) weniger Informationen als angenommen.
Zur Diagnostik von Knochendefekt an Glenoid oder Humeruskopf ist die Computertomographie (CT) der Goldstandard. Die dreidimensionale Rekonstruktion der CT-Bilder (mit Subtraktion des Humeruskopfs) erleichtert die präoperative Planung und bietet eine optimale Visualisierung der ossären Pathologie (Abb. 2).
Therapiekonzepte
Auf Grundlage der durchgeführten Diagnostik gilt es, primär zwischen einer erneuten Weichteilstabilisierung (Bankart-Repair) oder eines knochenaufbauenden Verfahrens (Latarjet, Beckenkammspan, J‑Span) zu wählen. Additiv – falls therapierelevant – mit gleichzeitiger oder zweizeitiger Adressierung eines einhakenden („engaging“) Hill-Sachs-Defekts („remplissage“, Knochenspan, Oberflächenteilersatz).
Einen Sonderfall bilden Patienten mit Komplikationen aufgrund primärer Stabilisierung z. B. einer bereits fortgeschrittenen Omarthrose oder Arthrofibrose. Hierbei ist die Instabilität erfahrungsgemäß nicht vordergründig. Im Gegenteil, diese Patienten leiden oftmals unter einem schmerzhaften Bewegungsdefizit.
Die verschiedenen Operationsverfahren sowie deren Indikationen werden im Folgenden ausführlich beschrieben. Im eigenen Vorgehen hat sich der in Abb. 3 dargestellte Behandlungsalgorithmus in Anlehnung an Spiegl et al. [16] und Scheibel et al. [17] bewährt.
Operationsverfahren
Bankart-Repair zum Zweiten
Eine arthroskopische Weichteilstabilisierung kommt im Revisionsfall nur dann infrage, wenn kein höhergradiger Knochendefekt vorliegt und MR-tomographisch bzw. intraoperativ erneut rekonstruierbare Weichteilverhältnisse vorliegen.
Die Ankerposition im Bereich des aIGHL ist von entscheidender Bedeutung
Nicht selten zeigen sich bei der präoperativ durchgeführten Diagnostik oder intraoperativ zu weit medial oder kranial gelegene Fadenankerimplantate, welche auf eine insuffiziente Primärversorgung und/oder eine nicht behandelte Pathologie schließen lassen. Gerade die Ankerposition im Bereich des anterior-inferioren glenohumeralen Ligaments (aIGHL) ist von entscheidender Bedeutung. Eine weit inferiore Ankerplatzierung ist oftmals durch superior angelegte Arbeitsportale technisch schwer durchführbar. Bei den eigenen Patienten wird daher ein tiefes, durch den muskulären Anteil des M. subscapularis angelegtes Portal (5:30-Position) gewählt [18,19,20,21], was eine antegrade Angulation und Platzierung der Anker in gewünschter Position ermöglicht.
Neben der Ankerplatzierung ist die Anzahl der verwendeten Ankerimplantate von Bedeutung. Biomechanisch zeigt sich eine Ankeranzahl von 3 oder mehr Ankern überlegen [12, 13].
Die klinischen Ergebnisse nach Re-Bankart-Repair schwanken in der Literatur mit Reluxationsraten von 12–20 % [22, 23]. Arthroskopische Verfahren sind diesbezüglich gleichauf mit dem offenen Bankart-Repair [24].
Arciero et al. [25] zeigten auf, dass bereits kleine (bipolare) Knochendefekte von 2–4 mm bzw. 8–15 % das Ergebnis des Bankart-Repair kompromittieren können. Führende Versagensursachen sind ein zu hoher/unterschätzter glenoidaler Knochenverlust, Hyperlaxität und die Wiederaufnahme von Kontaktsportarten [22]. Im Falle einer Revisionsoperation ist eine ausreichende operative Erfahrung unabdingbar, um bei nicht rekonstruierbaren Weichteilverhältnissen (z. B. Anterior-labroligamentous-periosteal-sleeve-avulsion[ALPSA]-Läsion) auf ein Knochenblockverfahren konvertieren zu können. Ein solches Vorgehen ist bereits im Vorfeld mit dem Patienten kritisch zu diskutieren.
Operation nach Latarjet
Der Korakoidtransfer nach Latarjet wurde erstmals 1954 beschrieben und stellt ein extraanatomisches Verfahren zur Behandlung rezidivierender Schulterluxationen dar (Abb. 4; [26]).
Die stabilisierende Wirkung wird durch die knöcherne Augmentation der anteroinferioren Glenoidkante, den „Sling“-Effekt der „conjoined tendons“ (M. coracobrachialis und M. biceps brachii caput brevis) und die ventrale Kapselverstärkung (korakoakromiales Ligament) erreicht. Als Weiterentwicklung des offenen Verfahrens wurde erstmals 2007 eine arthroskopische Technik beschrieben [27]. Das arthroskopische Vorgehen bietet den Vorteil, über einen minimal-invasiven Zugang Begleitpathologien mit zu adressieren. Biomechanische Untersuchungen zeigten, dass die glenohumerale Stabilität und Kinematik durch den Korakoidtransfer wieder nahe dem des Gesunden hergestellt werden kann [28,29,30]. Durch den Verschluss der vorderen Kapsel wird die Kinematik des glenohumeralen Gelenks in der offenen Technik besser rekonstruiert als durch das arthroskopische Verfahren [29, 30]. Die klinischen Langzeitergebnisse sind hervorragend und gehen mit guter Schulterfunktion und geringer Reluxationsrate von 0–6 % einher [31,32,33,34].
Der Korakoidtransfer scheint dem Bankart-Repair im Falle rezidivierenden Schulterinstabilität hinsichtlich Stabilität und Reluxationsrate überlegen [35]. Die arthroskopische und offene Latarjet-Technik zeigen vergleichbare klinische Ergebnisse [33]. Die Komplikationsrate beim Korakoidtransfer wird in der Literatur mit 30 % beschrieben [34, 36]. Zu den häufigsten Komplikationen zählen der Verlust von Außenrotation, Pseudoarthrose zwischen Graft und Glenoid, Resorption des Korakoids, Omarthroseentwicklung sowie Nerven- und Gefäßverletzungen (v. a. N. musculocutaneus und A. et N. axillaris [34, 37]).
Beckenkammspan
Als Alternative zum Korakoidtransfer bei rezidivierender Schulterinstabilität und knöchernem Glenoidverlust gilt die Implantation eines Beckenkammspans. Sie gilt ebenfalls als therapeutische Option nach fehlgeschlagenem Latarjet-Verfahren [38]. In den letzten Jahren wurden unterschiedliche Modifikationen der Implantation eines trikortikalen Beckenkammspans beschrieben [39,40,41]. Auffahrt et al. [42] etablierten eine implantatfreie Augmentation der vorderen Glenoidkante mithilfe eines J‑förmigen Beckenkammspans, welche im Weiteren als arthroskopisches Verfahren modifiziert wurde [43]. Analog zum Korakoidtransfer kann nach der Spanplastik eine Knochenresorption des nicht belasteten Gewebes beobachtet werden, sodass eine nahezu anatomische Glenoidform entsteht [44,45,46]. Klinische Daten zur trikortikalen bzw. J‑Span-Technik versprechen exzellente klinische Ergebnisse, müssen jedoch aufgrund der geringen Patientenzahl und Nachuntersuchungszeit mit Vorsicht betrachtet werden [40,41,42, 46]. Die Autoren berichteten bis dato über keine erneute Re-Instabilität oder Reluxation bei jedoch deutlichem Risiko einer Arthroseentwicklung des Schultergelenks [40,41,42, 46].
Hills-Sachs-Defekt
Eine bipolare Defektsituation ist häufig anzutreffen, jedoch nur in wenigen Fällen im Bereich des dorsalen Humeruskopfs (Hill-Sachs-Läsion) therapiebedürftig. Große humerale Defekte, welche weit nach medial reichen und in Abduktion/Außenrotation parallel zur Glenoidkante verlaufen, haben das Potenzial des Einhakens („engaging“) und können eine Schulterluxation begünstigen.
In den letzten Jahren wurden verschiedene Studien mit dem Ziel durchgeführt, den humeralen Knochendefekt radiologisch und arthroskopisch zu quantifizieren, um daraus therapeutische Empfehlungen abzuleiten [47,48,49] Gerade im Fall der Rezidivinstabilität bedarf der Hill-Sachs-Läsion ein besonderes Augenmerk. Eine klare Indikation zur Versorgung und einer standardisierten Eruierung des Einhakens existiert aktuell nicht. Es sind verschieden Messmethoden mithilfe schnittbildgebender Verfahren beschrieben [48, 50]. Als weiterführende diagnostische Maßnahme kann die Arthroskopie sicheren Aufschluss über eine Engaging-Konstellation in der dynamischen Untersuchung geben.
Prinzipiell stehen verschiedene Verfahren zur Behandlung von Hill-Sachs-Defekten zur Verfügung:
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„Remplissage“
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Hierbei handelt es sich um eine „Tenomyodese“ der Infraspinatussehne in den Hill-Sachs-Defekt, welche von Purchase et al. [51] sowie Wolf und Arianjam [52] 2008 beschrieben wurde und arthroskopisch durchführbar ist (Abb. 5). Durch die Auffüllung des Defekts mit Sehnenmaterial wird ein Einhaken am Glenoidrand verhindert. Vor allem bei weit medial gelegenen Defekten kann es zu Einschränkung der Außen- und Innenrotation kommen, worüber die Patienten aufzuklären sind. Erste klinische Ergebnisse sind vielversprechend mit überraschenderweise geringer Einschränkung der Außenrotation und Reluxationsraten von ca. 4 % [52].
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Beckenkammspan
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Bei einer großen Defektsituation am Humerus, häufig bei Epileptikern zu beobachten, reicht oftmals ein alleiniger Weichteileingriff („remplissage“) nicht aus. In diesem Fall hat sich die Defektauffüllung mit autologem Knochen, als Span oder Osteochondrales-autologes-transplantationssystem(OATS)-Zylinder (ipsilateraler Beckenkamm) über einen hinteren Zugang etabliert (Abb. 6 und 7; [53]). Die Seitenlagerung auf der gesunden Gegenseite erlaubt dem Operateur optimale Arbeitsbedingungen sowohl für die Beckenkammentnahme als auch für dorsale/ventrale Schultergelenkkompartimente.
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Partieller Oberflächenersatz
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Alternativ zur Rekonstruktion mit einem Knochenspan steht die Defektdeckung durch einen Oberflächenteilersatz zur Verfügung. Je nach funktionellem Anspruch und Alter des Patienten stellt dies eine praktikable Alternative zum knöchernen Aufbau dar. Insbesondere bei weit nach medial (in die Gelenkfläche hinein) reichenden Hill-Sachs-Defekten kann ein solches Verfahren indiziert sein (Abb. 8).
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Instabilitätsarthropathie
Das erhöhte Risiko degenerativer Veränderungen des Schultergelenks bei Patienten mit Schulterinstabilität ist fundiert belegt [9, 54]. Unklar bleibt jedoch die Ursache dieser degenerativen Veränderungen. Das Trauma der Schulterluxation an sich hat dabei sicherlich maßgeblichen Anteil an der initialen Verletzung des Gelenkknorpels. Diese Theorie wird dadurch unterstützt, dass auch eine konservative Therapie in ca. 60 % der Fälle zur Entwicklung einer Instabilitätsarthropathie führt [54]. Weder offene noch arthroskopische operative Techniken konnten die Entwicklung der Instabilitätsarthropathie verhindern [9, 55,56,57,58,59]. Obwohl der Großteil der Patienten nur geringgrade Veränderungen zeigt, liegt die Inzidenz in Langzeituntersuchungen bei etwa 70–80 % [9, 55, 56]. Älteres Patientenalter bei Erstluxation und operativer Stabilisierung, die Anzahl der Luxationen vor der Intervention sowie Anzahl der verwendeten Anker wurden als Risikofaktoren beschrieben [9]. Im Vergleich scheint die Entwicklung einer Instabilitätsarthropathie nach Korakoidtransfer mit 29–61 % etwas geringer [60,61,62]. Eine zu laterale Platzierung des Korakoids über Glenoidniveau begünstigt die Entwicklung degenerativer Veränderungen [60, 61].
Gelenkerhaltende Therapieoptionen
Mit fortgeschrittenem Lebensalter ist bei Omarthose der endoprothetische (Teil‑)Gelenkersatz indiziert. Da es sich bei Patienten mit Instabilitätsarthropathie allerdings meist um junge Patienten mit hohem funktionellem Anspruch handelt, gilt es eine endoprothetische Versorgung längstmöglich zu vermeiden.
Zur Verbesserung der Beweglichkeit und Reduzierung der Schmerzen stehen neben der konservativen Therapie die arthroskopische Arthrolyse und das von Millett et al. entwickelte sog. „comprehensive arthroscopic management“ (CAM-Procedure) zur Verfügung [63]. Gerade bei jungen, sportlichen Patienten mit bereits fortgeschrittener Omarthrose ist die CAM-Procedure eine geeignete Option vor dem Gelenkersatz. Durch die Entfernung freier Gelenkkörper (Knorpelflakes), Narbengewebe (Arthrolyse), Resektion von Osteophyten (ggf. mit Release des N. axillaris) und Tenodese der langen Bizepssehne können im mittelfristigen Verlauf signifikante Verbesserungen im klinischen Outcome erzielt werden [64].
Diskussion
Relevanter Knochendefekt
Im Rezidivfall ist nach erfolgter Versagensanalyse die Größe des knöchernen Defekts am Glenoidrand der entscheidende Faktor. Die Frage nach der Größe eines relevanten Knochendefekts ist noch nicht abschließend geklärt. Während im Primärfall ein Knochendefekt am Glenoid von 20–25 % toleriert wird [7, 50, 65], wird im Revisionsfall bereits bei geringen knöchernen Defekten zu einem knochenaufbauenden Verfahren geraten. Biomechanische Arbeiten am Kadaver zeigten, dass es bereits bei einem knöchernen Defekt von 7,5–15 % zur kritischen Translation des Humeruskopfs kommt [66, 67]. Shin et al. [68] zeigten jedoch in einer klinischen Studie eine signifikant höhere Reluxationsrate erst bei knöchernen Defekten von >17 %.
Aufgrund der geringeren Zugangsmorbidität und der biomechanischen Vorteile durch knöcherne Augmentation, „Sling-Effekt“ und Kapselverstärkung hat sich die Operation nach Latarjet als primäres Verfahren zum Glenoidaufbau etabliert. In der Literatur zeigt sich diese aktuell anderen Techniken überlegen mit Reluxationsraten <6 % [31, 32, 34].
Bei Versagen der Latarjet-Stabilisierung steht eine Augmentation mit Beckenkammspan als Revisionsoption weiterhin zur Verfügung.
Therapieindikation der Hill-Sachs-Läsion
In den vergangenen Jahrzehnten eher vernachlässigt, rückt der Hill-Sachs-Defekt am dorsalen Humeruskopf (bzw. ventral bei Reversed-Hill-Sachs-Läsion) zunehmend in den Fokus. Eine klare Indikationsempfehlung zur operativen Versorgung existiert bis dato nicht. Ob ein alleiniger ventraler Glenoidaufbau ausreichend oder die Hill-Sachs-Läsion therapiebedürftig ist, ist nach wie Gegenstand der Diskussion.
Kurokawa et al. [69] zeigten in einer CT-Analyse mit 100 Patienten, dass v. a. weit medial (unabhängig der Größe) gelegene Hill-Sachs-Läsionen die theoretische Tendenz zum Einhaken zeigen. Präsentiert sich ein isolierter Hill-Sachs-Defekt (<25 %, ohne Glenoiddefekt), führen sowohl die alleinige Latarjet-Operation sowie auch die isolierte „remplissage“ zur effektiven Reduzierung der Reluxationsrate [70].
Di Giacomo et al. [48] quantifizierten in ihrem Modell des „glenoid track“ [71] die Korrelation zwischen glenoidalem und humeralem Knochendefekt und deren Wahrscheinlichkeit zum Einhaken („off track“). In unserer Arbeitsgruppe konnte gezeigt werden, dass eine Hill-Sachs-off-track-Läsion mit einem erhöhtem Reluxationsrisiko nach Bankart-Repair vergesellschaftet ist [50].
Bei großen Hill-Sachs-Läsionen (>31 %) konnte in biomechanischen Untersuchungen bestätigt werden, dass die alleinige Latarjet-Operation nicht mehr ausreichend und eine bipolare Versorgung anzuraten ist [72].
Fazit für die Praxis
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Eine erweiterte Bildgebung mit CT und 3‑D-Rekonstruktion zur Evaluation knöcherner Defekte ist unabdingbar.
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Eine erneute Weichteilstabilisierung ist nur in seltenen Fällen bei primär nicht adäquat adressierter Pathologie indiziert.
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Bei funktionell anspruchsvollen Patienten (Risiko- oder Kontaktsportler) geht die Tendenz zum knöchernen Aufbau ungeachtet der glenoidalen Defektsituation.
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Hill-Sachs-Läsionen werden häufig beobachtet, sind jedoch selten therapiebedürftig. Bei großen, weit medial gelegenen Defekten stehen weichteilige sowie knochenaufbauende Rekonstruktionsverfahren zur Vermeidung eines Einhakens zur Verfügung.
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Die Instabilitätsarthropathie als Komplikation der Schulterinstabilität kann bei hochgradig eingeschränkter Beweglichkeit aufgrund von Arthrofibrose oder Omarthrose durch gelenkerhaltende arthroskopische Verfahren (Arthrolyse, CAM-Procedure) verbessert werden.
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L. Lacheta, S. Siebenlist, A.B. Imhoff und L. Willinger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Lacheta, L., Siebenlist, S., Imhoff, A.B. et al. Rezidivinstabilität und Instabilitätsarthropathie. Unfallchirurg 121, 142–151 (2018). https://doi.org/10.1007/s00113-017-0408-0
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