Zusammenfassung
Bei der Patellaluxation handelt es sich um eine einmalige oder wiederkehrende Dislokation der Kniescheibe aus ihrem femoropatellaren Gleitlager. In der Regel luxiert die Patella nach lateral. Die Patellaluxationen werden unterschieden in kongenitale, habituelle und traumatische Luxationen. Zusätzlich wird zwischen rezidivierenden und chronischen Patellaluxationen differenziert. Die Ätiologie der Patellaluxation ist nicht einheitlich und kann durch verschiedene angeborene und/oder erworbene Ursachen, wie z. B. ein Genu valgum, eine Patelladysplasie oder eine Patella alta bedingt sein. Häufig kommt es zu einer Spontanreposition nach Luxation. Neben der klinischen Untersuchung gehören die Röntgendiagnostik und eine Magnetresonanztomographie des betroffenen Kniegelenks zur Diagnostik. Abhängig von möglichen Begleitverletzungen, wie Frakturen oder Bandrupturen, wird die Entscheidung zur konservativen oder operativen Therapie gestellt.
Abstract
The patella dislocation is defined as a non-recurring or recurrent dislocation of the patella from the patella surface of the femur. In general the patella dislocates in the lateral direction. Patella dislocations are subdivided in congenital, habitual or traumatic dislocations. Furthermore patella dislocations are differentiated in recurrent and chronic dislocations. Etiology of patella dislocations is not consistent and can be due to genu valgum, patella dysplasia or patella alta etc. Frequently the patella reposes spontaneously after dislocation. Besides examination of the knee, x-ray and magnetic resonance tomography belong to clinical diagnostics of the knee joint. Decision between conservative and operative therapy is addicted to accompanying injuries like fractures or ligamental injuries.
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Die Patellaluxationen werden unterschieden in kongenitale, habituelle und traumatische Luxationen. Zusätzlich werden rezidivierende und chronische Patellaluxationen differenziert. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die verschiedenen Formen der Patellaluxation, ihre Häufigkeit, Ätiologie und Biomechanik. Neben der Diagnostik wird die konservative und operative Therapie ausführlich dargestellt.
Einteilung
Bei kongenitalen Luxationen ist die Patella bereits bei Geburt luxiert und der Streckapparat ist nach lateral verlagert.
Die habituelle Luxation kann durch eine zu flache Form des Gleitlagers, schwache Haltebänder und Muskeln, Fehlstellung bzw. Missbildung der Patella oder ein Genu valgum zustande kommen [30].
Je jünger der Patient bei der traumatischen Erstluxation und je schwerwiegender das stattgehabte Trauma, umso größer ist das Risiko für eine rezidivierende Luxation .
Als neurogene Patellaluxation bezeichnet man eine Luxation durch abnormen Zug des M. vastus lateralis, wie z. B. bei der Tetraparese, sodass die Patella ebenfalls nach lateral luxiert.
Epidemiologie
Die kongenitale Patellaluxation tritt familiär gehäuft und meistens beidseitig auf. Es handelt sich um eine seltene Anomalie und oft bestehen zusätzliche Deformitäten des Bewegungsapparats im Rahmen einer generalisierten Grunderkrankung (z. B. Arthrogryposis multiplex congenita, Down-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom; [85]). Die genaue Inzidenz der kongenitalen Patellaluxation ist nicht bekannt, sie wird auf ca. 43/100.000 Kinder geschätzt [63]. Im Gegensatz zu der kongenitalen Patellaluxation tritt die habituelle Patellaluxation wesentlich häufiger auf. Bei dieser Luxation findet man ebenfalls eine familiäre Häufung und zu 60–90% sind Frauen betroffen [30].
Die Inzidenz der akuten Luxation liegt bei 0,3%, sie hat in 20% eine traumatische Genese. Je jünger die Patienten sind, desto größer ist das Risiko für eine Reluxation [75]. Traumatische Luxationen treten mit 61% vorwiegend beim Sport auf (Abb. 1; [28]). Ein gehäuftes Auftreten findet sich im Alter zwischen 10–20 Jahren. Bezüglich der Inzidenz für traumatische Luxationen gibt es verschiedene Studien. Sillanpää et al. konnten zum Beispiel bei 128.714 männlichen Probanden in 278 Fällen eine stattgehabte Patellaluxation nachweisen, wobei in 72 Fällen eine traumatische Luxation stattgefunden hatte [82].
Ätiologie und Pathogenese
Die Pathogenese ist bei den verschiedenen Formen der Patellaluxationen unterschiedlich. Bei der traumatischen Patellaluxation erfolgt die Luxation meist leichter in Flexionsstellung des Kniegelenks. Die Patella luxiert in der Regel nach lateral. Bei Extension des Kniegelenks kann es zu einer spontanen Reposition der Patella ohne Fremdeinwirkung kommen. Durch das traumatische Luxationsereignis kommt es häufig zu einer Zerreißung der medialen Retinakula und Abscherfrakturen an der medialen Patellafacette und am lateralen Femurkondylus (Abb. 2, Abb. 3, Abb. 4, Abb. 5, Abb. 6, Abb. 7). Klinisch deutet ein Kniegelenkserguss auf eine intraartikuläre Verletzung hin.
Das gewonnene Punktat (Hämarthros) mit aufgelagerten Fettaugen deutet auf eine knöcherne Begleitverletzungen hin [49]. Die Patella wird durch nach lateral (laterales Retinakulum, Tractus iliotibialis und M. vastus lateralis) und nach medial wirkende Kräfte (medialer Kapsel-Band-Apparat, mediales Patellaretinakulum, M. vastus medialis und M. vastus medialis obliquus) in ihrem Gleitlager gehalten. Eine Imbalance zwischen den nach medial und nach lateral ziehenden Kräften kann einen verstärkten Zug der Patella nach lateral bewirken.
Begünstigt wird eine Patellaluxation durch verschiedene angeborene und erworbene anatomische Ursachen, wie einem Genu valgum, einer Patelladysplasie oder einer Patella alta. Hierbei gleitet die Patella bei zunehmender Flexion durch den bestehenden Patellahochstand verspätet in das femoropatellare Gleitlager und fördert so die Luxation (Tab. 1). Weitere begünstigende Faktoren sind eine lateralisierte Tuberositas tibiae, eine vermehrte Femurantetorsion, eine vermehrte Außenrotation der Tibia, ein verkürzter M. vastus lateralis und verkürzter Tractus iliotibialis oder ein atropher M. vastus medialis, ein kontrakter lateraler Kapselbandapparat, ein hypoplastischer lateraler Femurkondylus, ein hypoplastisches Gleitlager und ein insuffizienter medialer Kapselbandapparat [30]. Die Bandlaxizität tritt häufig im Rahmen von hereditären Krankheiten auf, die mit einer verminderten Kollagenqualität einher gehen kann (Trisomie 21, Ehlers-Danlos-Syndrom, Marfan-Syndrom, Osteogenesis imperfecta, Turner-Syndrom; [37]).
Bei einer über einen längeren Zeitraum bestehenden Kräfteimbalance und rezidivierenden Luxationen kommt es zu einer Drucküberlastung der Knorpelflächen des lateralen Gleitlagers mit einer sekundären Deformierung und Arthrose des Femoropatellargelenks. Aus einer rezidivierenden Patellaluxation kann sich eine chronische Patellaluxation entwickeln.
Bei der kongenitalen Form ist die Patella klein, dysplastisch und fehlt manchmal vollständig. Die Ossifikation ist deutlich verzögert. Häufig wird die Diagnose erst im 3.–4. Lebensjahr gestellt, da bei den Kindern meist ein physiologisches Gangbild besteht [85]. Schmerzen verspüren die Kinder nicht, jedoch kann das Kniegelenk im Sitzen nicht aktiv gestreckt werden.
Die mediale Patellaluxation ist sehr selten und tritt z. B. postoperativ nach ausgedehntem lateralem Release des Kapsel-Band-Apparats oder nach einer operativen Überkorrektur der Patella auf [60].
Anatomie und Biomechanik
Die Kniescheibe ist das größte Sesambein des menschlichen Skeletts. Sie entwickelt sich in der 7. Embryonalwoche aus einer kartilaginären Anlage im Bereich der Patellarsehne, die im Alter zwischen 4 und 6 Jahren dann langsam zu ossifizieren beginnt [29, 78].
Wiberg unterteilte verschiedene Patellaformen, die durch eine veränderte Form und Ausrichtung der medialen Gelenkfläche eine unterschiedliche mechanische Belastung bewirken (Abb. 8). Durch die Patella wird der M. quadriceps femoris von der Gelenkfläche abgehoben und erhält einen besseren Hebelarm, sodass eine kraftvolle Streckung in der Endphase ermöglicht wird [66]. Der Lateralisierung durch die Quadrizepsmuskulatur wirkt der umgebende Kapsel- und Bandapparat [75] und als stärkster passiver Stabilisator das mediale patellofemorale Ligament (MPFL) entgegen [66, 72]. Im strecknahen Zustand zwischen 0° und 30° bedingt das mediale patellofemorale Ligament, das segelförmig zwischen der medialen Patellakante und dem Tuberculum adductorium verläuft [2], bis zu 90% der medialen Stabilität gegenüber der lateralen Subluxationstendenz [21, 23]. Bei weiterer Flexion nimmt die Funktion des MPFL deutlich ab, da bei weiterer Flexion die Trochlea der Patella als knöcherne Führung dient. Das Gleiten der Patella in der Trochlea wird als Patellatracking bezeichnet. Bei einer Flexion von 20° wird die Patella von der gesamten Trochlea aufgenommen [54]. Bei zunehmender Flexion wird die Patella durch den Zug der Quadrizepssehne und des Lig. patellae verstärkt auf das Femur und in die Trochlea gepresst [4]. Bei einer Flexion von ca. 70° kommt die Quadrizepssehne über das distale Femur und die Trochlea zu liegen. Die Stabilität des Patellofemoralgelenks wird durch die Gelenkgeometrie mit Kongruenz von Patella und femoraler Trochlea, die umgebenden Weichteilstrukturen und die an der Patella ansetzenden Muskelkräfte gewährleistet [4].
Entscheidend für die Belastung der retropatellaren Gelenkfläche ist die Kraftwirkung pro Flächeneinheit, wobei zum einen der Kniescheibenanpressdruck als eine femoropatellare Kompressionskraft und zum anderen die Zugkraft des M. quadriceps femoris auf die Patella einwirken. Die femoropatellare Kompressionskraft entspricht bei 30° Flexion ungefähr dem Körpergewicht und bei 60° Flexion beträgt die Kraft etwa das Vierfachen des Körpergewichts [47]. Die Zunahme des femoropatellaren Anpressdrucks bei Zunahme der Beugung verdeutlicht die Abb. 9 [66].
Die Einteilung der Patellaform erfolgt radiologisch nach Wiberg und Baumgartl ([6, 91]; Abb. 10). Die Form der Femurkondylen wird ebenfalls nach Wiberg in 3 Typen unterteilt [91]. Die Trochlea femoris wird gesondert nach Hepp [38] oder Ficat [26] klassifiziert.
Diagnose
Im Rahmen der Diagnostik der Patellaluxation ist eine vollständige klinische Untersuchung beider Kniegelenke unter Einbeziehung der Achsenverhältnisse des gesamten Beines erforderlich. Die Beinachse sollte im Stehen untersucht werden. Nach rezidivierender Patellaluxation geben die Patienten anamnestisch häufig peripatellare Schmerzen an, die insbesondere nach langem Sitzen und beim Bergabgehen bestehen. Gelegentlich kommt es zu einer Ergussbildung im Kniegelenk und zu einem Instabilitätsgefühl (Giving-way-Phänomen ) während einer plötzlichen Richtungsänderung.
Unmittelbar nach einer stattgehabten traumatischen Patellaluxation können Schwellung, Einblutung und Druckschmerz über dem medialen Retinakulum auf eine Ruptur des mediopatellofemoralen Bandes hindeuten. Die Rotation von Femur- und Tibiaachse sollte im Stehen und Sitzen überprüft werden. Inspektorisch lässt sich häufig eine Atrophie des M. vastus medialis, ein Genu valgum und/oder Genu recurvatum sowie eine vermehrte Tibiaaußenrotation feststellen.
Das Phänomen der „tanzenden Patella“ ist Ausdruck eines intraartikulären Ergusses und weist auf die Verletzung von intraartikulären Strukturen oder osteochondrale Frakturen hin. Osteochondrale Frakturen sind häufig mit einem Hämarthros mit Fettaugen assoziiert, der eine Punktion notwendig macht. Die Mobilität der Patella wird bei 30° Flexion durch Verschiebung der Kniescheibe nach lateral und medial überprüft. Das Wegdrücken der Patella nach lateral mit einer schmerzhaften lateralen Subluxation bezeichnet man als „apprehension sign“ . Besteht, insbesondere bei Kindern, eine ausgeprägte Luxationsangst, ist es wichtig, dass eine Hand des Untersuchers am Außenrand der Patella als Führung anliegt, um die Sicherheit zu geben, dass die Patella während der Untersuchung nicht nach lateral luxieren kann. Um die Mobilität der Patella besser beurteilen zu können, wird das mediolaterale Gleiten und die Stabilität der Patella in der Trochlea zusätzlich in Abhängigkeit von der Flexion geprüft.
Eine weitere klinische Untersuchung ist das „J-sign“ , das im Sitzen mit hängendem Bein untersucht wird. Bei der aktiven Extension ohne Widerstand wird darauf geachtet, ob die Patella endgradig nach initial medialer Führung ganz deutlich nach lateral ausschlägt. Das „reversed J-sign“ wird beim Übergang von Extension in Flexion geprüft. Hierbei ist darauf zu achten, ob sich die Patella bei der Bewegung in die Trochlea einfügt oder initial auf dem lateralen Kondylus gleitet, bevor sie dann in höhergradiger Flexion mit einigen Trickbewegungen in die Notch eingeleitet wird.
Bildgebende Diagnostik
Der klinischen Untersuchung schließt sich die radiologische Kontrolle an. Das Kniegelenk wird im Rahmen der vollständigen Diagnostik in 3 Ebenen geröntgt: Röntgenbilder a.-p. und seitlich sowie eine Tangentialaufnahme der Patella.
Als Parameter für eine veränderte Ausrichtung des Extensionsapparats und einer damit verbundenen Beeinträchtigung des femoropatellaren Gleitlagers dient der in der Literatur häufig beschriebene Q-Winkel [16, 55, 86]. Der Q-Winkel wird gebildet durch den Schnittpunkt einer Geraden von der Spina iliaca anterior superior durch die Patella und einer zweiten Geraden von der Tuberositas tibiae durch die Mitte der Patella ([16, 31], Abb. 11). Der Q-Winkel wird in Rückenlage am liegenden Patienten mit um 10° flektierten Bein und entspannter Quadrizepsmuskulatur gemessen [32, 43]. Der durch die beiden sich schneidenden Geraden entstehende Winkel beträgt normwertig 10–15° und ist nach lateral geöffnet. Durch eine veränderte Statik der Beinachse verändert sich der Winkel, es kommt zu einer Vergrößerung der mechanischen Belastung der Facetten [41, 61].
Der Kondylenwinkel wurde von Brattström untersucht [16]. Ein Sulkuswinkel von 142° gilt als normwertig. Ist der Winkel größer, besteht eine Korrelation mit einem erhöhten Risiko für eine Patellaluxation.
Eine weitere Größe ist der Kongruenzwinkel [59], der normal 6° beträgt. Ist der Winkel größer als 16°, besteht in 95% der Fälle eine Normabweichung im Sinne einer Dysplasie [59]. Der laterale patellofemorale Winkel , beschrieben durch Laurin [52], ist normalerweise nach lateral geöffnet (Abb. 12). Laurin konnte dies für 97% seiner Patienten nachweisen. Bei Patienten mit rezidivierenden Subluxationen war der Winkel medial geöffnet oder betrug 0° [52].
Zusätzlich können der Patellagelenkflächen-Index und der Sulkuswinkel nach Brattström ([15], Abb. 13) oder der Patellagelenkflächen-Index nach Ficat und Bizou und der Kondylen-Gelenkflächen-Index nach Ficat [26, 38] bestimmt werden. Der Patellagelenkflächen-Index nach Brattström lässt sich aus der Breite der lateralen Gelenkfläche dividiert durch die mediale Gelenkfläche der Patella berechnen, die durch den First der Patella getrennt werden. Der Patellagelenkflächen-Index nach Ficat wird ermittelt durch den Quotienten der Länge der lateralen Facette und des artikulierenden Anteils der medialen Facette. In der Praxis wird auch häufiger der Insall-Salvati-Index bestimmt, der sich aus dem Verhältnis von der Länge der Patellasehne zur Länge der Patella ergibt. Ein Index von >1,2 ist ein Hinweis auf eine Patella alta und ein Index von <0,8 ist ein Hinweis auf eine Patella baja ([19]; Abb. 14).
Nach Insall und Salvati wird der Quotient aus längsten Patelladiagonalen und der Länge des Lig. patellae als Patellahöhen-Index bestimmt [44]. Auf der tangentialen Aufnahme kann wiederum der laterale patellofemorale Winkel nach Laurin („tilt-angle“ ) bestimmt werden ([52]; Abb. 12).
Mit Hilfe einer Computertomographie oder hochauflösenden Magnetresonanztomographie des Kniegelenks kann der TTTG („tibial tuberosity/trochlea groove displacement“), also der Abstand von der Tuberositas tibiae zur femoralen Trochlea, gemessen werden [77]. Für die Messung werden die axialen Schichten der proximalen Trochlea und der Tuberositas tibiae übereinander gelagert und dann der Abstand zwischen tiefstem Punkt der Trochlea und dem Zentrum der Tuberositas tibiae bestimmt [80], der normalerweise 10–12 mm beträgt [81]. Eine Vergrößerung auf über 20 mm kann entweder durch eine Valgusfehlstellung, eine Innenrotation des Femurs oder eine Trochleadysplasie hervorgerufen werden [81] und weist auf eine knöcherne Instabilitätskomponente hin.
Im akuten Stadium nach einer traumatischen Patellaluxation sind tangentiale Aufnahmen aufgrund der Schmerzen oft nicht möglich, jedoch ermöglichen die Patella-Defilee-Aufnahmen bei 30°, 60° und 90° Flexion eine relevante Beurteilung der knöchernen Form der Gelenkpartner.
Zwecks weiterführender Diagnostik möglicher Kniebinnenschäden sollte eine Magnetresonanztomographie des betroffenen Kniegelenks durchgeführt werden. Achsen-, Längen- und Rotationsverhältnisse der Patella bzw. des Kniegelenks können mit Hilfe einer Computertomographie berechnet werden. Bei den kongenitalen Patellaluxationen besitzt die Sonographie in der Diagnostik einen wesentlichen Stellenwert.
Differenzialdiagnose und Folgezustände
Im Rahmen einer traumatischen Patellaluxation muss differenzialdiagnostisch auch an Meniskusläsionen, eine Kreuzbandruptur, eine Seitenbandruptur und/oder osteochondrale Läsionen gedacht werden. Die Röntgenaufnahmen als Basisdiagnostik zeigen Frakturen der Patella und der Femurkondylen auf. Mit Hilfe der Magnetresonanztomographie können Meniskusläsionen, Kreuzbandrupturen und Seitenbandrupturen diagnostiziert werden.
Mit steigendem Lebensalter sind Kniebeschwerden häufig mit Knorpelschäden oder einer radiologisch nachweisbaren Arthrose assoziiert [83]. Die Arthroseinzidenz steigt ab dem 40. Lebensjahr um ca. 1–2% jährlich [53]. Neben der primären Arthrose kann es nach Verletzungen, wie einer Patellaluxation, zu einer vorzeitigen nicht dem Altersdurchschnitt entsprechenden Arthroseentwicklung kommen, die als sekundäre Arthrose bezeichnet wird.
Zwei weitere Einteilungen von Knorpelschäden sind die Einteilungen nach Insall und Ficat. Die Einteilung nach Insall umfasst 4 Stadien [42]:
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Stadium I: Erweichung des Knorpels,
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Stadium II: Risse bis zum subchondralen Knochen,
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Stadium III: Fibrillation,
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Stadium IV: Knorpelulkus mit frei liegendem subchondralem Knochen.
Die Einteilung nach Ficat umfasst ebenfalls 4 Stadien [27]:
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Stadium I: Chondromalazie mit intakter Oberfläche,
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Stadium II: Einrisse an der Oberfläche,
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Stadium III: Risse bis zum subchondralen Knorpel,
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Stadium IV: Knorpelulkus mit frei liegendem subchondralem Knochen.
Die durch ein Trauma entstandenen Knorpelschäden, die durch eine einmalige Druck- und Scherbelastung entstehen, können nach Bauer und Jackson eingeteilt werden [5]. Die Einteilung erfolgt in 6 Stadien. Einfache Längs- und Querrisse werden als Stadium I, eine sternförmige Crush-Zone als Stadium II, Knorpellappen als Stadium III, Knorpelkrater durch heraus gestanzte Fragmente als Stadium IV, oberflächliche Fibrillationen als Stadium V und ein Knorpelulkus mit unscharf umgebendem und z. T. erweichtem Rand als Stadium VI klassifiziert [84].
Therapie
Die Patella luxiert in den meisten Fällen nach lateral und in ca. 90% der Fälle kommt es zu einer Verletzung des MPFL [3, 17]. Verletzungen des vorderen Kreuzbandes und des Innenmeniskus [33] werden ebenfalls in Kombination mit einer traumatischen Patellaluxation beschrieben. Als weitere Begleitverletzung findet man auch chondrale oder osteochondrale Frakturen [35, 64], was ausschlaggebend ist bei der Entscheidung zwischen einem konservativen oder operativen Vorgehen. Die verhakte Patellaluxation ist ebenfalls eine Indikation zur Operation, kommt jedoch nur selten vor [34].
Eine konservative Therapie ist möglich, wenn keine zusätzlichen Begleitverletzungen, wie osteochondrale Frakturen oder eine vordere Kreuzbandruptur, vorliegen [33]. Bei einem deutlichen Erguss ist die Entlastung des Gelenks mittels Punktion zur Schmerzreduktion angezeigt. Nach Reposition der Patella erfolgt die Ruhigstellung des Beines in einer Knie-Orthese in 10° Flexion [14]. Das Bein darf in Extension axial belastet werden. Sollte nach ausreichender Abschwellung ein Taping fortgeführt werden, ist darauf zu achten, dass eine Zügelung der Patella nach medial erfolgt. Nach dem Luxationsereignis sollten für insgesamt 6 Wochen isometrische Quadrizepsübungen bzw. ein gezieltes Training für den M. vastus medialis [3] durchgeführt werden. Im späteren Verlauf kann mit isokinetischen Übungen begonnen werden. Neben einer Muskelkräftigung sollte auch die Koordination berücksichtigt werden. Das Muskeltraining sollte über mindestens 3 Monate erfolgen.
Operative Therapie
Bei der operativen Therapie wird zwischen der Behandlung einer Patellaluxation im Kindesalter und der Behandlung Erwachsener unterschieden. Bedingt durch die noch offenen Wachstumsfugen sind die operativen Möglichkeiten bei Kindern limitiert. Die knöcherne Anatomie ändert sich als Folge des Wachstums und dadurch ändern sich auch die Hebelverhältnisse am Oberschenkel [76]. Die Torsionsentwicklung der unteren Extremität ist erst mit Ende des Wachstums abgeschlossen.
Ist nach stattgehabter Erstluxation bei Kindern und Jugendlichen kein osteochondrales Fragment in der Magnetresonanztomographie nachweisbar, ist eine konservative Therapie indiziert und es erfolgt zunächst die Ruhigstellung in einer Knieklettschiene.
Vor der Operationsplanung sollte sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen geklärt werden, warum die Patella luxieren konnte. Hierzu wird das Ausmaß der Femur- und Tibiatorsion nach Möglichkeit beidseitig bestimmt.
Weichteil-Emslie
Besteht bei Kindern eine rezidivierende Patellaluxation nach erfolglosem konservativem Therapieversuch mit klinischem Hinweis auf eine Fehlstellung der Patella mit lateralisierter Tuberositas tibiae, kann eine operative Medialisierung des Patellasehnenansatzes (Weichteil-Emslie) erfolgen, sodass die Zugrichtung der Patella umgeleitet wird [76]. Es handelt sich hierbei um einen reinen Weichteileingriff, sodass das Verfahren auch bei offenen Wachstumsfugen angewendet werden kann.
Das Periost wird, von der Tuberositas tibiae ausgehend, entlang der Tibiavorderkante ca. 5–6 cm nach distal gespalten, ohne die Faszie des M. tibialis anterior zu verletzen [76]. Damit die Fasern sich anspannen, wird die Sehne mit einem Haken nach medial gehalten. Die Sehne wird an ihrer Insertion scharf vom Knorpel der Tuberositas tibiae abgelöst, bis die komplette Insertion der Sehne von der Tuberositas tibiae getrennt ist. Die distale Insertion der Sehne an der distalen Tuberositas tibiae bleibt bestehen.
Das Periost wird von der Tibia gelöst, sodass sich das Periost etwa auf der gleichen Länge wie die Patellasehne von der Tibia abheben lässt. Der Sehnenansatzpunkt verschiebt sich durch Flexion im Kniegelenk durch die sich nun im Sulkus zentral einstellende Patella unwillkürlich um 1–2 cm nach medial [76]. Würde man, wie bei einem Erwachsenen, bei noch offenen Wachstumsfugen eine Verlagerung der Tuberositas tibiae nach medial durchführen, wäre eine Wachstumsstörung mit der Entwicklung eines Genu recurvatum die Folge [14]. Postoperativ sollte eine Teilbelastung für mindestens 4 Wochen eingehalten und bei einer Flexion von 30–60° auf der Bewegungsschiene begonnen werden.
Arthrotomie
Ein Hämarthros und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung nach einer geschlossenen spontanen Reposition können auf eine chondrale oder osteochondrale Fraktur hindeuten, die eine Arthrotomie notwendig machen können [35]. Die Behandlung der osteochondralen Fraktur hängt von der Größe des Fragments sowie der Lokalisation ab. Bei großen Fragmenten von >1 cm2 sollte eine intraoperative Refixation dieser Fragmente erfolgen [69], die entweder mit Minischrauben oder resorbierbaren Pins erfolgen kann. Kleinere Fragmente können arthroskopisch entfernt werden [76].
Bedingt durch die Luxation kann eine Impression an der lateralen Femurkondyle auftreten, die eine Stufe in der Gelenkfläche verursachen kann. Durch eine laterale Arthrotomie kann die imprimierte Gelenkfläche dargestellt werden [90]. Durch Schaffung eines Knochenfensters im lateralen extraartikulären Kondylenbereich kann die Impression über einen Stößel unter Sicht angehoben werden. Nach Anheben der Gelenkfläche kann die Defektzone und der Stößelkanal mit Spongiosa aufgefüllt werden.
Arthroskopie
Durch die Arthroskopie des Patellofemoralgelenks können die Gleitflächen von Patella und femoraler Trochlea inspiziert werden. Zusätzlich lassen sich arthroskopisch Rotationsbewegungen der Patella einerseits um die transversale femorale Achse und andererseits um die Patellalängsachse verfolgen, was dem Tilt (Verkippung) der Patella entspricht [4]. Bei der Arthroskopie können jedoch der M. quadriceps, das Lig. patellae und das MPFL nicht beurteilt werden, womit in der Diagnostik die Magnetresonanztomographie der Arthroskopie überlegen ist. Knorpeldefekte über der lateralen Trochlea und der medialen Patellafacette können jedoch gut dargestellt werden [4].
Im Rahmen einer Arthroskopie [33] kann neben dem Ausspülen des Hämarthros bei traumatischen, tief reichenden Knorpelschäden eine Mikrofrakturierung durchgeführt werden. Hierbei erfolgt die Induktion einer fibrokartilaginären Narbenbildung im Knorpeldefekt durch Induktion einer Blutung aus dem subchondralen Knochen. Nach einer Glättung der betreffenden Zone erfolgt das Setzen von kleinen subchondralen Defekten mit dem Chondropick mit einem Abstand und einer Tiefe von mindestens 3 mm [24]. Die aus dem Knochenmark austretenden mesenchymalen Stammzellen sollen hierdurch zu einem Faserknorpel differenzieren.
Mittels Arthroskopie ist auch eine Rekonstruktion des medialen Retinakulums möglich [70]. Für die Rekonstruktion des Retinakulums wurden verschiedene nach Yammamoto modifizierte Operationstechniken beschrieben [39, 58], die im Vergleich zur konservativen Therapie [51, 73] eine geringere Rezidivrate aufweisen [71, 73].
Behandlung des Knorpelschadens
Verschiedene Autoren empfehlen bei einer Zerstörung der Knorpeloberfläche neben der Mikrofrakturierung einen osteochondralen Transfer oder eine autologe Chondrozytentransplantation [74]. Durch osteochondralen Transfer wird die Bildung von hyalinem Knorpel in chondralen Läsionen erzeugt. In der Literatur wird diese Technik auch als Mosaikplastik beschrieben, da bei diesem Verfahren aus unbelasteten Gelenkstellen Stanzzylinder entnommen und in den Defekt eingebracht werden [74]. Das Verfahren ist technisch anspruchsvoll und zwischen den eingebrachten Zylindern und dem umgebenden Knorpel verbleiben oftmals Spalten. In einem Beobachtungszeitraum bis zu 10 Jahren finden sich zu 90% gute bis sehr gute Ergebnisse [74].
Bei der autologen Chondrozytentransplantation werden aus einer arthroskopisch entnommenen Knorpelstanze Chondrozyten isoliert und angezüchtet, die in einem zweiten operativen Eingriff zwecks Auffüllung in den Defekt eingebracht werden [74]. Die Nachbehandlung ist langwierig und das Verfahren erfordert 2 operative Eingriffe, aber es können auch größere umschriebene Knorpeldefekte aufgefüllt werden.
Keine Bedeutung hat die autologe Chondrozytentransplantation bei einer bestehenden lokalisierten und generalisierten Arthrose [57]. Sog. „kissing lesions“, korrespondierende gegenüberliegende Knorpeldefekte, sollten nicht mit einer autologen Chondrozytentransplantation therapiert werden. Eine Beinachsenabweichung, eine ligamentäre Instabilität und entzündliche, tumoröse und metabolische Gelenkerkrankungen stellen weitere Kontraindikationen dar.
Weitere Weichteileingriffe
Von einigen Autoren wird die Rekonstruktion des MPFL (mediales patellofemorales Ligament) dringlich zur Wiederherstellung der Stabilität empfohlen [3, 40]. Nam u. Karzel konnten bei den radiologischen Nachkontrollen ein deutlich verbessertes Alignement im Vergleich zum präoperativen Achsenverlauf nachweisen [62]. In verschiedenen biomechanischen Studien wurde gezeigt, dass in strecknaher Stellung des Kniegelenks das mediale patellofemorale Ligament einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der Patella leistet [1, 8, 25]. Insbesondere bei rezidivierenden Luxationen kommt es in mehr als 90% der Fälle zu pathologischen Veränderungen dieses Bandes [68].
Das MPFL kann durch Verwendung verschiedener Transplantate und Fixationstechniken ersetzt werden [18, 20, 78, 79]. Häufig werden als Transplantat die Ansatzsehne des M. semitendinosus oder des M. gracilis verwendet. Zur Fixierung des Transplantats am Femur werden vorwiegend Interferenzschrauben verwendet, für die Fixierung des Transplantats an der Patella werden unterschiedliche Methoden beschrieben. Einige Autoren beschreiben die Verwendung von Nahtankern [79], Interferenzschrauben [78] oder die extrakortikale Fixierung des Transplantats über eine Kordel [68], um einen durchgehenden Tunnel und somit ein erhöhtes Risiko für Patellaquerfrakturen zu vermeiden [1, 8]. Hierbei werden die Schlaufen eines doppelsträngigen Transplantats in „blind“ endende 4,5 mal 10 mm große Tunnel gezogen und mit einer kräftigen Kordel aus Polyester extrakortikal an der Patella fixiert [68].
Liegt ein insuffizienter medialer Kapsel-Band-Apparat vor, besteht die Indikation zu einer medialen Kapselraffung [85]. Hierbei handelt es sich um eine dynamische Operation. Intraoperativ wird der Muskel-Kapsel-Lappen vom M. vastus medialis nach lateral gezogen und mittels raffender U-Nähte am Bindegewebe der Patellavorderfläche fixiert.
Bei einem lateralen Release erfolgt eine Spaltung des Retinaculum patellae laterale [85], das aus einer oberflächlichen und einer tiefen Schicht besteht [13]. Neben der artikulären Geometrie wird die mediolaterale Translation der Patella durch die Haltestrukturen auf der Innen- und Außenseite bestimmt [36]. Die Zugspannung kann durch eine Verkürzung des Retinaculum patellae laterale erhöht werden [46], sodass ein negativer Tilt der Patella entsteht und der laterale Druck im Patellofemoralgelenk erhöht wird. Durch den erhöhten Druck im Patellofemoralgelenk wird die Entwicklung einer Arthrose begünstigt [22].
Die Methode des lateralen Release wurde ursprünglich durch Viernstein und Weigert [89] beschrieben. Hierbei erfolgt eine Durchtrennung des lateralen Retinakulums ca. 1 cm neben dem lateralen Patellarand. Die Retinakulumschicht wird von der darunter liegenden Membrana synovialis abgelöst. Die Spaltung erfolgt zwischen Rektussehne und M. vastus lateralis bis nach distal zum Gelenk [24]. Die Gelenkspalthöhe kann mit einer Kanüle markiert werden. Zu achten ist bei der Spaltung insbesondere auf die Vasa geniculata superiores laterales, die in der Regel zwischen Retinakulum und Synovialmembran in dieser Höhe verlaufen. Bei einem relevanten „Hyperkompressionssyndrom“ mit stabiler Patella, fehlender trochlearer Dysplasie und normalem patellofemoralem Ligament stellt das laterale Release eine geeignete Therapiewahl dar [11, 67, 88].
Das laterale Release gilt als risikoarme Operation, jedoch kann es zu erheblichen Blutungen intra- und extraartikulär kommen [48]. Eine weitere Komplikation ist die sekundäre mediale Patellainstabilität [12, 65]. Hierbei besteht eine deutliche Schwäche bei der Aktivierung des Streckapparats, was dem Patienten insbesondere beim Treppensteigen auffällt.
Die Durchführung des lateralen Release kann mit einer Lateralisierung und Distalisierung des M. vastus medialis nach Madigan kombiniert werden [56]. Nach Durchführung des lateralen Release und L-förmiger Inzision des medialen Retinakulums distal des M. vastus medialis wird der entstandene proximal gestielte Muskel-Kapsel-Lappen nach lateral und distal gezogen und mittels raffender U-Nähte am Bindegewebe der Patellavorderfläche fixiert [85].
Bei der Quadrizepsplastik nach Insall [45] wird die Patella durch Naht eines medialen muskulofibrösen Lappens auf die Vorderfläche medialisiert nachdem der gesamte M. vastus lateralis und medialis von der Rektussehne abgetrennt wurde [85].
Bei der Operation nach Krogius handelt es sich um einen weiteren Weichteileingriff. Nach erfolgter Röntgenkontrolle und Festlegung der Korrektur des Q-Winkels erfolgt der Hautschnitt mittig bis nach distal in Höhe der Tuberositas tibiae. Das mediale und laterale Retinakulum werden dargestellt und aus dem medialen Retinakulum wird ein ca. 1 cm breiter Kapsellappen geschnitten, der proximal um die Kniescheibe herumgeschlagen und lateral in einen entsprechend großen Retinakulumschnitt eingefügt wird. Durch die Versetzung des Retinakulumstreifens von medial nach lateral mit medialer raffender Naht der entstandenen Lücke erfolgt eine passive und eine statische Fesselung der Patella.
Knöcherne Eingriffe
Zu den Eingriffen am Knochen gehört die Medialisierung der Tuberositas tibiae nach Elmslie-Trillat. Diese Operation darf erst nach Wachstumsabschluss durchgeführt werden. Zunächst erfolgt der Hautschnitt in 7–10 cm Länge, der vom Oberrand der Patella bis ca. 3 cm distal der Tuberositas tibiae reicht und lateral parapatellar verläuft. Das laterale Retinakulum wird 1 cm neben dem Patellarand bis in Höhe des Tibiakopfs längs gespalten („lateral release“).
Vor der Arthrotomie wird die Membrana synovialis von der fibrösen Kapsel abpräpariert. Es erfolgt die subperiostale Darstellung der proximalen lateralen und medialen Tibiakante bis ca. 5 cm distal der Tuberositas tibiae [50]. Beidseits der Tuberositas tibiae wird das Periost gespalten und von der Knochenoberfläche etwas abgeschoben. Nach der Bohrung eines 4–6 cm unterhalb der Tuberositas tibiae quer verlaufenden Bohrlochs (3,2-mm-Bohrer) wird der Knochenspan mit dem Meißel bis zur quer verlaufenden Sollbruchstelle eingekerbt. Nach Vorbohrung für die spätere Schraubenfixation erfolgt die Osteotomie der Tuberositas tibiae, sodass mit der oszillierenden Säge ein 5 mm dicker Span mit einer Länge von 4–6 cm bis zur quer verlaufenden Sollbruchstelle in der Frontalebene herausgesägt wird [24]. Die Länge des Spans hängt vom Ausmaß der Medialisierung ab: Je stärker medialisiert wird, desto länger muss der Span sein.
Zur Medialisierung wird der osteotomierte Span dann vorsichtig um mindestens 1–1,5 cm nach medial gehebelt. Der Knochenspan wird in der gewünschten Position temporär fixiert und unter vorsichtiger Flexion/Extension wird dann die Artikulation der Patella überprüft. Wenn die richtige Position besteht, wird der Span in dieser mittels Schraubenosteosynthese fixiert. Das Bohrloch wird bis zur Gegenkortikalis vorgebohrt und nach Längenmessung erfolgt das Einbringen einer Spongiosaschraube (6,5 mm) mit Unterlegscheibe (alternativ: Flachkopfschraube, die wenig aufträgt). Postoperativ nach Entfernung der Redondrainage sowie 4 Wochen postoperativ sollte eine röntgenologische Verlaufskontrolle durchgeführt werden, bevor mit der beschwerdeabhängigen Belastungssteigerung des entsprechenden Beines begonnen wird [7].
Einer der hauptsächlichen Risikofaktoren für eine patellofemorale Instabilität ist die Trochleadysplasie, da der Patella bei einer zu flachen und konvexen Trochlea nicht nur das Gleitlager, sondern auch die laterale anatomische Barriere fehlt [22]. Im Rahmen einer Trochleaplastik erfolgt der Zugang lateral präpatellar [10]. Zur lateralen Anhebung der Trochlea wird eine laterale Osteotomie von der oberen Begrenzung der Trochlea bis maximal zum Sulcus terminalis ca. 10–15 mm tief durchgeführt [9], wobei zwischen dem Rand der lateralen Trochlea und der Osteotomie der Abstand ca. 5 mm beträgt. Mit dem Meißel wird die laterale Trochlea im Anschluss vorsichtig angehoben, was zu einer Öffnung des Osteotomiespalts führt. Hierbei sollte insbesondere auf eine mögliche Stufenbildung geachtet werden. Entspricht der aufgespreizte Osteotomiespalt der gewünschten Korrektur, wird dieser mit Spongiosa aus dem lateralen Kondylus oder dem Tibiakopf aufgefüllt.
Fazit für die Praxis
Einer Patellaluxation liegt aufgrund ihrer Einteilung (kongenital, habituell, traumatisch, rezidivierend, chronisch) eine unterschiedliche Pathogenese zugrunde. Die sorgfältige klinische Diagnostik umfasst neben beiden Kniegelenken auch die Achsenverhältnisse des gesamten Beines. Nach radiologischer Basisdiagnostik (Kniegelenk in 3 Ebenen) kann die Bestimmung der relevanten Winkel und Indices Hinweise auf die Ursache der Luxation liefern, eine weitergehende bildgebende Diagnostik kann knöcherne (Computertomographie) und ligamentäre (Magnetresonanztomographie) Begleitverletzungen darstellen. Eine konservative Therapie ist möglich, wenn keine zusätzlichen Begleitverletzungen vorliegen. Bei Kindern beschränken sich die operativen Methoden aufgrund der noch offenen Wachstumsfugen auf Weichteileingriffe wie die Medialisierung des Patellasehnenansatzes. Bei Erwachsenen können auch knöcherne Eingriffe wie die Medialisierung der Tuberositas tibiae durchgeführt werden. In Anbetracht einer Vielzahl an operativen Therapiemöglichkeiten sollte die Behandlung individuell an den Patienten angepasst werden.
CME-Fragebogen
Wer ist am häufigsten von einer habituellen Patellaluxation betroffen?
Ältere Menschen
Männer
Frauen
Patienten mit einem schweren Trauma
Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen
Welche Aussage trifft für traumatische Patellaluxationen zu?
Häufig luxiert die Patella nach medial.
Sie finden sich häufig im Alter zwischen 10 und 20 Jahren.
Sie treten eher selten beim Sport auf.
Die Diagnose wird häufig erst im Erwachsenenalter gestellt.
Sie finden sich häufig im Alter zwischen 60 und 70 Jahren.
Wann entwickelt sich die Patella?
Die Patella entwickelt sich in der 18. Embryonalwoche.
Die Patella entwickelt sich im 6. Lebensjahr.
Die Patella entwickelt sich in der 7. Embryonalwoche.
Die Patella entwickelt sich im 18. Lebensjahr.
Die Patella entwickelt sich in der 1. Embryonalwoche.
Zwischen 0° und 30° ist der stärkste passive Stabilisator der Patella nach medial hin …
das laterale patellofemorale Ligament (LPFL).
der M. quadriceps femoris.
die Trochlea der Patella.
das mediale patellofemorale Ligament (MPFL).
die Gelenkkapsel.
Bei der Kniegelenksflexion von 90° wird ein Anpressdruck mit einer Kraft, die …
dem 80-fachen Körpergewicht entspricht, erreicht.
dem doppelten Körpergewicht entspricht, erreicht.
dem 8-fachen Körpergewichts entspricht, erreicht.
dem 6-fachen Körpergewichts entspricht, erreicht.
dem Körpergewicht entspricht, erreicht.
Das Phänomen der tanzenden Patella ist Ausdruck …
einer hypermobilen Patella.
einer schmerzhaften lateralen Subluxation.
einer Retropatellararthrose.
eines schmerzhaften Krepitus bei Anspannung des M. quadriceps.
eines intraartikulären Ergusses.
Im Rahmen der initialen Diagnostik nach Patellaluxation erfolgt …
die Röntgendiagnostik des Kniegelenks in 3 Ebenen: Röntgenbilder a.-p. und seitlich, sowie eine Tangentialaufnahme der Patella.
eine Computertomographie des Kniegelenks.
ein Magnetresonanztomographie des Kniegelenks.
eine Punktion des Kniegelenks.
eine Arthroskopie.
Bei einer Patellaluxation mit osteochondralen Fragmenten erfolgt …
die konservative Therapie.
die operative Therapie.
keine Therapie.
eine antibiotische Therapie.
ein sofortiges Muskelaufbautraining zur Kräftigung des M. vastus medialis.
Das mediale patellofemorale Ligament kann z. B. ersetzt werden durch ein Transplantat aus …
der Ansatzsehne des M. popliteus.
der Ansatzsehne des M. brachialis.
der Ansatzsehne des M. extensor carpi ulnaris.
der Ansatzsehne des M. semitendinosus.
der Ansatzsehne des M. vastus lateralis.
Der Q-Winkel wird gebildet …
durch den Schnittpunkt einer Geraden durch die Tibia und einer zweiten Geraden von der Tuberositas tibiae durch die Mitte der Patella.
mit Hilfe des Patellagelenkflächen-Index nach Brattström.
mit Hilfe des lateralen patellofemoralen Winkels nach Laurin.
durch den Schnittpunkt einer Geraden von der Spina iliaca anterior superior durch die Patella und einer zweiten Geraden von der Tuberositas tibiae durch die Mitte der Patella.
durch den Schnittpunkt einer Geraden von der Spina iliaca anterior superior und einer zweiten Geraden durch das Kniegelenk.
Abbreviations
- Laxität der Patella:
-
Beschreibt die physiologische Translation des Gelenks, die benötigt wird, um die physiologischen Bewegungsumfänge ausführen zu können.
- Hyperlaxität:
-
Ist die über das physiologische Maß gesteigerte Translation eines Gelenks, die zu einer Luxation der Patella führen kann.
- Subluxation:
-
Ist die vermehrte, pathologische Translation, wobei kein vollständiger Kontaktverlust erreicht wird. Die Patella reponiert spontan.
- Instabilität:
-
Beschreibt die Unfähigkeit, die Patella im Gleitlager zu zentrieren.
- Luxation der Patella:
-
Stellt den kompletten Kontaktverlust der Gelenkflächen dar, zu dessen Wiederherstellung es der Reposition der Patella bedarf. Bedingt durch die Instabilität kommt es zu einer Luxation der Kniescheibe in der Regel nach außen. Eine Luxation nach innen ist sehr selten.
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Oestern, S., Varoga, D., Lippross, S. et al. Patellaluxation. Unfallchirurg 114, 345–359 (2011). https://doi.org/10.1007/s00113-011-2012-z
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