Die nicht kontrollierbare Blutung nach einem schweren Trauma ist als Haupttodesursache in der Traumatologie anzusehen [1, 2, 3, 4]. Stumpfe Traumen stellen hierbei mit 95% die häufigste Entität dar (s. TraumaRegister Jahresbericht 2007). Die Letalität eines Schwerstverletzten wird nachweislich durch ein abdominelles und ein Beckentrauma negativ beeinflusst. Sowohl bei schweren abdominellen Verletzungen als auch relevanten Verletzungen des Beckenrings stellt der hämorrhagische Schock mit 80–90% die führende Todesursache dar [5, 6, 7, 8].

Es erscheint zunächst sinnvoll, den verlorenen Blutverlust bereits am Unfallort durch Flüssigkeit zu ersetzen. Allerdings konnte diese Vermutung bisher von keiner Studie mit einem hohen Evidenzlevel untermauert werden. Im Gegensatz zu stumpfen Traumen wurde der Einfluss des Volumens auf penetrierende Verletzungen häufiger beschrieben. Nachuntersuchungen verwundeter Soldaten aus dem Falklandkrieg haben gezeigt, dass eine hypotone Kreislaufsituation bei gleichzeitiger Hypothermie bei entsprechender Verletzungsschwere und ohne Volumengabe zu keinem schlechteren Outcome führen muss [9]. Weitere Studien zu penetrierenden Verletzungen zeigen, dass eine exzessive Volumengabe (>2000 ml) mit einer meist damit verbundenen verlängerten Rettungszeit die Letalität nach Trauma erhöhen kann [10, 11, 12]. Kreimeier u. Messmer [13] und Kreimeier et al.[14] konnten ebenfalls bei penetrierenden Verletzungen einen Vorteil von moderat eingesetztem Volumen und einer permissiven Hypotension nachweisen. Dieses Konzept wird neben der Forderung nach einer schnellen Rettungszeit auch von anderen Autoren vertreten [15].

Eindeutige Empfehlungen existieren jedoch für Blutungen nach stumpfem Trauma nicht. Zwar wird von einigen Autoren ebenso wie beim penetrierenden Trauma eine schnelle Rettungszeit mit Einweisung in ein geeignetes Traumazentrum gefordert; Empfehlungen, wie aggressiv der Kreislauf mit Volumen unterstützt werden sollte, existieren jedoch nicht. Eine aktuelle Studie von Geeraedts et al. [16] empfiehlt, die Therapie am Unfallort so minimal wie möglich zur Erhaltung von Vitalzeichen, ohne dabei einen zügigen Transport zu verhindern, durchzuführen. Andere Autoren wiederum sehen in einer eher ausgedehnten Volumengabe die Therapie der Wahl [17, 18]. Turner et al. [19] haben gezeigt, dass Mortalität, Letalität und Outcome keine Abhängigkeit vom gegebenen Volumen aufweisen. Allerdings wurden diese Daten innerhalb eines anderen Rettungssystems erhoben und sind daher nur bedingt übertragbar.

Vor der Sichtung aktueller Literatur ergeben sich somit 2 grundsätzliche Fragestellungen:

  • Kann die Menge an gegebenem Volumen die Letalität nach einem Trauma beeinflussen?

  • Kann die Menge an gegebenem Volumen die Auswirkungen des hämorrhagischen Schocks (Multiorganversagen [MOV], „systemic inflammatory response syndrome“ [SIRS], Sepsis) im posttraumatischen Verlauf beeinflussen?

Hierzu war es notwendig, ein Patientenkollektiv zu untersuchen, das schwere Verletzungen einer blutungsrelevanten Region (Abdomen, Becken) aufwies, sich im Schock befand und zusätzlich transfusionsbedürftig war.

Patienten und Methoden

Von 1993 bis 2007 wurden insgesamt 35.664 Patienten aus 145 Kliniken des TraumaRegisters der deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) prospektiv erfasst. Im Rahmen dieser prospektiv erhobenen Daten wurden folgende Einschlusskriterien für das Patientenkollektiv festgelegt:

  • Abbreviated-Injury-Scale- (AIS-)Schweregrad ≥4 für Becken oder Abdomen,

  • Gesamtverletzungsschwere Injury Severity Score (ISS) ≥16,

  • Gabe von Erythrozytenkonzentraten während der initialen Schockraum- oder Operationsphase,

  • primäre Aufnahme in ein beteiligtes Traumazentrum (keine Verlegungen),

  • Alter ≥16 Jahre,

  • systolischer Blutdruck <100 mmHg bei Erstkontakt,

  • Angaben zu Volumengabe, Blutdruck am Unfallort, Erythrozytenkonzentratgabe und Hb bei Aufnahme als indirekte Blutungszeichen vorhanden.

ISS und AIS wurden anhand der Abbreviated Injury Scale 1990, Revision 1998, bestimmt.

Zusätzlich wurden die Patienten mit schwerem Abdominaltrauma (AIS Abdomen ≥4) und ohne blutungsrelevante andere Verletzungen (AIS der Extremitäten ≤3; AIS Thorax ≤4; AIS Schädel ≤2 oder geringer als Abdomen) bzw. schwerem Beckentrauma (AIS Becken ≥4, AIS der anderen Organe <3 oder geringer als Becken) entsprechend der verletzten Körperregion fokussiert betrachtet. Beide Gruppen wurden in Abhängigkeit vom präklinisch applizierten Volumen in 4 Subgruppen unterteilt:

  • Gruppe 1: <1000 ml,

  • Gruppe 2: 1000–2000 ml,

  • Gruppe 3: 2001–3000 ml,

  • Gruppe 4: >3000 ml.

Das präklinische Volumen ist die Summe der dokumentierten Mengen von Kristalloiden, Kolloiden und hyperonkotischen Lösungen.

Die Sepsis als Mortalitätsfaktor wurde anhand der Kriterien der ACCP/SCCM-Konsensuskonferenz definiert [20]. Die Definition des Organversagens wurde durch den Sequential-Organ-Failure-Assessment- (SOFA-)Score bestimmt [21]. Ein Organversagen wurde als Punktwert von ≥3/Organ im SOFA-Score definiert. Ein Multiorganversagen (MOV) liegt vor, wenn für mindestens 2 Organe gleichzeitig ein Organversagen dokumentiert wurde.

Darüber hinaus wurden die Parameter Rettungszeit, Krankenhausaufenthalt und Gerinnung für jede Gruppe einzeln untersucht.

Statistik

Die Daten wurden bis 2001 auf Papierbögen gesammelt, geprüft und eingegeben und ab 2002 mit einer Onlinedateneingabesoftware mit integrierten Plausibilitätsprüfungen zentral erfasst. Die anonymisierten Daten wurden mit dem Statistikprogramm SPSS (Version 15, Chicago, USA) ausgewertet. Inzidenzen werden mit Prozenten, Messwerte mit Mittelwerten dargestellt. Unterschiede zwischen den 4 Volumengruppen wurden mit dem χ2-Test geprüft; Messwerte varianzanalytisch untersucht. Auf paarweise Vergleiche der Subgruppen wurde wegen der Vielfachvergleiche verzichtet. Ein p-Wert unter 0,05 wurde als statistisch signifikant gewertet.

Ergebnisse

Im TraumaRegister der DGU konnten gemäß den oben definierten Einschlusskriterien 375 Patienten mit einem Abdominaltrauma und 229 Patienten mit einem Beckentrauma identifiziert werden, wobei diese Verletzungen jeweils als führend angesehen werden konnten.

Schwerverletzte mit Abdominaltrauma

Das Kollektiv mit schwerem Abdominaltrauma ist in Tab. 1 beschrieben. Das mittlere Alter betrug 39,8 Jahre; 75% der Patienten waren männlich, der ISS betrug im Mittel 34 Punkte. Da nur Patienten eingeschlossen wurden, die eine Bluttransfusionen erhalten hatten, wurde hierdurch ein relevanter Blutverlust sichergestellt. Im Mittel wurden 11 Erythrozytenkonzentrate verabreicht (Tab. 1). Patienten, die weniger als 1000 ml substituiert bekommen hatten, erhielten die geringste Anzahl an Erythrozytenkonzentraten (9, 0) und nur 24% bekamen mehr als 10 Erythrozytenkonzentrate. Patienten mit mehr als 1000 ml gegebenem präklinischem Volumen erhielten deutlich mehr Erythrozytenkonzentrate und signifikant häufiger mehr als 10 Erythrozytenkonzentrate. Der im Schockraum (SR) gemessene Quickwert verminderte sich signifikant in Abhängigkeit vom präklinisch gegebenen Volumen von 68,6% (Gruppe 1) auf 49,1% (Gruppe 4). Einen ähnlichen Verlauf zeigt der im SR bestimmte Hämoglobingehalt (Gruppe 1 10,1 mg/dl vs. Gruppe 4 7,5 mg/dl).

Tab. 1 Demographische und klinische Daten von 375 blutenden schwerstverletzten Patienten mit einem Abdominaltrauma

Der präklinisch gemessene Blutdruck war bei Patienten, die mehr als 3000 ml erhalten hatten, am geringsten und bei Patienten, die weniger als 1000 ml erhalten hatten, am höchsten. Interessanterweise zeigten alle Patienten im Mittel einen Anstieg des Blutdrucks bis zur Aufnahme im SR. Die Differenz des Anstiegs war unabhängig vom verabreichten Volumen (Tab. 1). Die Rettungszeit bis zum Erreichen der Klinik war in der Gruppe, die weniger als 1000 ml Volumen bekam, im Mittel bei 61 min und stieg bei Patienten, die mehr als 1000 ml erhalten haben, signifikant kontinuierlich an (Tab. 1). Die GCS zeigte in allen 4 Gruppen entsprechend der gewählten Eingangskriterien nur einen geringfügigen Unterschied (Tab. 1).

Für das Gesamtkollektiv der Patienten mit Abdominaltrauma betrug die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus 30,4 Tage und die Intensivzeit 13,5 Tage. Bei der Gruppenbetrachtung im Einzelnen muss beachtet werden, dass sowohl die Gesamtaufenthaltstage im Krankenhaus als auch die Tage auf der Intensivstation unmittelbar von der Sterberate abhängig sind, sodass Patienten, die mehr als 1000 ml Volumen erhalten und überlebt haben, somit eine höhere Liegedauer im Krankenhaus und auf der Intensivstation aufwiesen (Tab. 2). Die Gruppe, die weniger als 1000 ml Volumen erhalten hatte, zeigte somit weniger Gesamttage im Krankenhaus und einen kürzeren Aufenthalt auf einer Intensivstation (Tab. 2).

Tab. 2 Patienten mit Abdominaltrauma

Die Ergebnisse im Hinblick auf eine Sepsis bei überlebenden Patienten, zeigen, dass Patienten, die weniger als 1000 ml oder mehr als 3000 ml an Volumen erhalten haben, eine geringere Sepsisinzidenz aufwiesen (Gruppe 1 21,4% vs. Gruppe 4 20,6%; Tab. 2). Patienten, die zwischen 1000 und 3000 ml erhalten hatten, zeigten eine höhere Sepsisinzidenz (Gruppe 2 31,9% und Gruppe 3 23,7%; Tab. 2).

Die Inzidenz des MOV zeigt eine klarere Verteilung. Patienten die weniger 1000 ml Volumen erhalten haben, hatten eine MOV-Rate von 36,9% und unterschieden sich somit deutlich von den anderen 3 Gruppen (Gruppe 2 58,0%, Gruppe 3 52,6%, Gruppe 4 55,9%; Tab. 2). Die Angaben zu Sepsis und MOV beziehen sich nur auf Patienten, die überlebt haben.

Die geringste Letalität zeigten Patienten, die weniger als 1000 ml Volumen erhalten haben (Gruppe 1 16%; Tab. 2). Patienten, die zwischen 1000 und 2000 ml und Patienten, die mehr als 3000 ml erhalten haben, zeigten die höchste Letalität (Gruppe 2 31%, Gruppe 4 32%; Tab. 2). Patienten, die weniger als 1000 ml Volumen erhalten haben, hatten auch die geringsten Letalitätsraten innerhalb von 24 Stunden (12%). Insgesamt lag sie im Mittel bei 19% (Tab. 2). Signifikante Unterschiede ließen sich aber nicht nachweisen.

Schwerverletzte mit Beckentrauma

Aus dem Kollektiv traf für insgesamt 229 Patienten die oben genannte Gruppeneinteilung mit einem AIS ≥4 für das Becken zu. Wie in Tab. 3 dargestellt, waren die Patienten im Mittel 43,8 Jahre alt und damit etwas älter als die Patienten mit Abdominaltrauma. Der Anteil männlicher Patienten betrug 67%, der ISS 32,5 Punkte. Auch diese Patienten erhielten gemäß der oben genannten Maßgabe Erythrozytenkonzentrate.

Tab. 3 Demographische und klinische Daten von 229 blutenden schwerstverletzten Patienten mit einem Beckentrauma

Patienten, die weniger als 1000 ml substituiert bekommen hatten, bekamen die geringste Anzahl an Erythrozytenkonzentraten (10,2) und 45% bekamen mehr als 10 Erythrozytenkonzentrate. Patienten mit mehr als 1000 ml präklinisch gegebenem Volumen erhielten deutlich mehr Erythrozytenkonzentrate und häufiger mehr als 10 Erythrozytenkonzentrate (Tab. 3). Der im Schockraum (SR) gemessene Quickwert verminderte sich in Abhängigkeit vom präklinisch gegebenen Volumen signifikant von 62,9% (Gruppe 1) auf 47,4% (Gruppe 4). Einen ähnlichen Verlauf zeigt der im SR bestimmte Hämoglobingehalt (Gruppe 1 9,4 mg/dl, Gruppe 4 7,6 mg/dl; Tab. 3).

Der präklinisch gemessene Blutdruck war bei Patienten, die mehr als 3000 ml erhalten haben, am geringsten und bei Patienten, die weniger als 1000 ml erhalten haben, am höchsten. Interessanterweise zeigten alle Patienten im Mittel einen Anstieg des Blutdrucks bis zur Aufnahme im SR. Die Differenz des Anstiegs war unabhängig vom verabreichten Volumen (Tab. 3). Die Rettungszeit bis zum Erreichen der Klinik betrug in der Gruppe, die weniger als 1000 ml Volumen bekam, im Mittel 65 min und stieg bei Patienten, die mehr als 1000 ml erhalten haben, kontinuierlich und signifikant an (Tab. 3). Der GCS zeigte in allen 4 Gruppen entsprechend den gewählten Eingangskriterien nur einen geringfügigen Unterschied (Tab. 3).

Für das Gesamtkollektiv der Patienten mit Beckentrauma zeigte sich eine im Vergleich zu ähnlich schwer verletzten Patienten mit Abdominaltrauma eine deutlich verlängerte Aufenthaltsdauer im Krankenhaus (43,4 Tage) und auf der Intensivstation (16,0 Tage).

Die Ergebnisse in Bezug auf das Vorkommen einer Sepsis bei überlebenden Patienten zeigen, dass Patienten, die zwischen 2000 und 3000 ml an Volumen erhalten haben, eine geringere Sepsisinzidenz als Gruppe 1 und 2 aufwiesen (Gruppe 1 28,0%, Gruppe 2 28,1%, Gruppe 3 14,3%; Tab. 4). Die höchste Sepsisinzidenz zeigten Patienten, die mehr als 3000 ml erhalten haben (36,6%).

Tab. 4 Patienten mit Beckentrauma

Insgesamt zeigte sich die MOV-Rate nach Beckentrauma erhöht. Patienten, die weniger 1000 ml Volumen erhalten haben, hatten eine MOV-Rate von 50,0% und unterschieden sich somit deutlich zu Gruppe 2 und 4 (Gruppe 2 67,6%, Gruppe 4 60,6%; Tab. 4).

Die geringste Letalität zeigten Patienten, die weniger als 1000 ml Volumen erhalten haben (Gruppe 1 18%; Tab. 4). Patienten, die zwischen 1000 und 2000 ml und Patienten, die mehr als mehr als 3000 ml erhalten haben, zeigten die höchste Letalität (Gruppe 2 29%, Gruppe 4 29%; Tab. 4). Patienten, die weniger als 1000 ml Volumen erhalten haben, zeigten auch die geringste Letalität innerhalb von 24 h (12%). Insgesamt lag sie im Mittel bei 16% (Tab. 4).

Diskussion

Ziel dieser Studie war die Untersuchung der Parameter Letalität, Organversagen, Sepsis und Outcome beim blutenden Schwerstverletzten mit führender Becken- oder Abdominalverletzung in Abhängigkeit vom präklinisch applizierten Volumen. Die in dieser Studie untersuchten Patienten haben in der Mehrzahl zwischen 1000 und 3000 ml an präklinischer Flüssigkeit erhalten (Tab. 1 und Tab. 3). Nur ein geringer Teil erhielt weniger als 1000 oder mehr als 3000 ml. Diese Tatsache wird u. a. von den Auswertungen des TraumaRegisters unterstützt. Hier erhalten die Patienten unabhängig von ihrer Verletzungsschwere im Mittel 1296 ml Volumen (s. Jahresbericht TraumaRegister 2007). Die hier vorgelegten Ergebnisse sind nicht überraschend, da nach wie vor die großzügige präklinische Volumengabe die vorherrschende Praxis darstellt. So erscheint es nicht verwunderlich, das trotz eines Gesamtkollektivs von 35.664 Patienten nur 33 Patienten innerhalb der Einschlusskriterien mit Beckenverletzung und 82 entsprechende Patienten mit Abdominalverletzung weniger als 1000 ml an präklinischem Volumen erhalten haben.

Aufgrund der hier dargestellten Daten ist sowohl nach Abdominal- als auch Beckentrauma ein Anstieg der Letalität in Abhängigkeit von einer steigenden Volumensubstitution zu verzeichnen (Tab. 2 und Tab. 4). Allerdings ist diese Zunahme nicht linear. Nach Gabe von weniger als 1000 ml ist in beiden untersuchten Kollektiven die geringste Früh- (<24 h) und Spätletalität (>24 h), bei Gabe von 1000–2000 ml und von mehr als 3000 ml eine deutliche Zunahme der Letalität festzustellen. Interessanterweise zeigt die Gabe von 2000–3000 ml Flüssigkeit (Gruppe 3) ein deutlich besseres Outcome im Vergleich zu den Gruppen 2 und 4.

Der im SR bestimmte Quickwert vermindert sich signifikant in Abhängigkeit vom applizierten Volumen in beiden Kollektiven. Der Hb-Wert entspricht in beiden Gruppen den Erwartungen und vermindert sich in Abhängigkeit vom mehr gegebenen Volumen. Interessanterweise werden in Abhängigkeit vom Volumen nach Abdomen- und Beckentrauma deutlich mehr Erythrozytenkonzentrate transfundiert. Die Daten zeigen auch, dass Patienten mit schwerer Beckenverletzung mehr Blut verlieren als Patienten mit entsprechend schwerer Abdominalverletzung, dieser Umstand wird durch eine exzessive Volumengabe zusätzlich aggraviert.

Eine eindeutige Empfehlung der präklinisch zu applizierenden Volumenmenge beim stumpfen Trauma existiert in der Literatur im Gegensatz zum penetrierenden Trauma nicht. Für blutdruckrelevante penetrierende Traumen erscheint die Datenlage momentan eindeutig. Neben einem schnellen Transport in eine geeignete Zielklinik wird der Konstellation einer moderaten Flüssigkeitssubstitution bei gleichzeitig reduziertem Blutdruck (permissive Hypotension) der Vorzug gegeben [13, 14, 15]. Trotz dieses eindeutigen Hintergrunds in der Literatur zeigt die klinische Praxis in Bezug auf stumpfe Traumen ein anderes Bild. So bekamen 9% der Patienten nach schwerem Becken- und 8% der Patienten nach schwerem Abdominaltrauma mehr als 3000 ml. Dieser Umstand liegt auch in einer möglicherweise nur eingeschränkten Übertragbarkeit der Daten von Patienten nach penetrierendem Trauma auf Patienten nach stumpfem Trauma begründet.

Ein schlechteres Outcome kann auch über die steigende Volumenmenge erklärt werden

Aus den Ergebnisdaten der vorliegenden Studie wird klar, dass sich die Frage nach einer adäquaten Volumentherapie nicht ohne die Betrachtung der Rettungszeit beantworten lässt. So geht aus den Ergebnissen hervor, dass sich die Länge der präklinischen Behandlung unmittelbar negativ auf die gemessene Gerinnung und den Hb-Wert bei Aufnahme auswirkt [16, 22]. Als Folge erhöhen sich hierdurch die Anzahl der transfundierten Erythrozytenkonzentrate und der prozentuale Anteil derjenigen Patienten, die mehr als 10 Erythrozytenkonzentrate erhalten haben. Allerdings nimmt korrespondierend zur Rettungszeit die Menge des präklinisch applizierten Volumens zu (Tab. 1 und Tab. 3), sodass beide Parameter nicht eindeutig voneinander getrennt werden können. Dieser Zusammenhang wird in der aktuellen Literatur u. a. von Turner et al. [19], Trunkey [23] und Geeraedts et al. [16] unterstützt. Da die Menge an substituierter Flüssigkeit unmittelbar von der Rettungszeit abhängt, kann ein schlechteres Outcome auch über die steigende Volumenmenge erklärt werden.

Die vorliegenden Zahlen sprechen eindeutig gegen eine aggressive Volumengabe bei stumpfem Trauma mit existenter Blutung. Einige Autoren haben dies in zurückliegenden Studien im Hinblick auf eine Verbesserung des Gewebeperfusionsdrucks als Möglichkeit empfohlen [17, 18]. Jedoch wurden diese Empfehlungen meist bei Extremitätenverletzungen gegeben. Interessanterweise erholte sich in unserer Studie der präklinisch gemessene Blutdruck auch bei nur vergleichsweise geringer Volumengabe (bis 1000 ml) auf ein ähnliches, z. T. höheres Niveau in der Klinik, wie bei aggressiver Volumengabe. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Dutton et al. [24]. Der erforderliche Perfusionsdruck scheint damit auch bei geringerer Volumengabe erreichbar zu sein. Die permissive Hypotension könnte ähnlich dem penetrierenden Trauma auch beim stumpfen Trauma eine sinnvolle therapeutische Option darstellen. Zu einem ähnlichen Schluss kommen Geeraedts et al. [16] in ihrer Studie. Eine Katecholamintherapie zur Erhaltung des arteriellen Mitteldrucks wird in der Literatur nur als ultima ratio empfohlen [17]. Rückschlüsse; wie von Turner et al. postuliert, dass die Volumentherapie keinen Einfluss auf die Letalität habe, lassen sich beim blutenden Schwerstverletzten nicht aufrecht erhalten [19].

Ein Verweis auf eine vielleicht vorliegende höhere Gesamtschwere der Verletzungen bei Patienten mit längerer Rettungszeit und erhöhter Volumengabe lässt sich nicht nachweisen. Der ISS ist in allen Gruppen annähernd gleich. Im Beckentraumakollektiv ist der ISS in der Gruppe; die weniger als 1000 ml Volumen erhalten hat; sogar im Vergleich am höchsten.

Warum Patienten, die zwischen 2000 und 3000 ml an Volumen erhalten haben, ein besseres Outcome haben als Patienten, die weniger als 2000 oder mehr als 3000 ml erhalten haben; ist zunächst nicht klar, da sich die Marker des Verdünnungseffekts (Quick, Hb bei Aufnahme) auch innerhalb dieser Gruppe wie erwartet verhalten. In der aktuellen Literatur wird dieser Umstand nicht abgebildet. Daher bleibt zu vermuten, dass die Gabe von 1000–2000 ml möglicherweise zunächst über eine Beeinflussung der Gerinnung zu einer Aggravierung der Blutungssituation führt, aber zunächst nicht ausreicht, um den Perfusionsdruck aufrecht zu erhalten. Erst die Gabe von zusätzlichem Volumen (2000–3000 ml) würde dann wieder zu einer besseren Kreislaufsituation führen. Die Infusion von weiterem Volumen (3000 ml) bewirkt dann wiederum ein weiteres Überwiegen des Verdünnungseffekts.

Die vorliegenden Daten dieser Studie sprechen klar gegen eine aggressive Volumengabe bei stumpfem Trauma mit bestehender Blutung

Bei Patienten mit der in dieser Studie angenommenen Verletzungsschwere ist eine erhöhte Rate an Multiorganversagen und Sepsis festzustellen. Die vorliegende aktuelle Literatur unterstützt diese Beobachtung. So haben einige Autoren nachgewiesen, dass bei schwerstverletzten Patienten die Multiorganversagen- und Sepsisrate erhöht ist und sich über die letzten 3 Jahrzehnte keine relevante Veränderung im Outcome ergeben hat [25, 26]. Den Einfluss des Volumens auf die Häufigkeit des MOV und einer Sepsis zeigen Tab. 2 und Tab. 4. Auch hier ist bei der Gruppe derjeniger Patienten, die zwischen 2000 und 3000 ml erhalten haben, die bereits oben genannte Sonderstellung zu konstatieren. Allerdings scheinen auch in diesem Fall Patienten, die weniger als 1000 ml erhalten haben, eindeutig zu profitieren. Gegenüber der aktuellen Literatur, die eine Sepsisrate von 3,1–17% abbildet, ist im vorliegenden Patientenkollektiv die Sepsisrate in allen Gruppen höher. Dies könnte aber die fokussierte Auswahl der Patienten mit einer relevanten Blutung und schwerem Trauma bedingen [25].

Die hier dargestellten Daten haben auch eine volkswirtschaftliche Relevanz. Die moderate Flüssigkeitssubstitution (<1000 ml) führt zu einer Reduktion transfundierter Blutprodukte und vermindert hierdurch zusätzlich die Infektionsgefahr (Tab. 1 und Tab. 3).

Fazit für die Praxis

Patienten mit hoher Verletzungsschwere und nachgewiesener Blutung nach stumpfem Trauma im Bereich des Abdomens bzw. Beckens können von einer moderaten Volumengabe (<1000 ml) profitieren. Sie haben geringere Letalitätsraten und benötigen signifikant weniger Blutprodukte als Patienten, die mehr präklinisches Volumen erhalten haben. Hierbei sollte die Rettungszeit auf ein Mindestmaß reduziert werden. Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen die Empfehlungen, die bereits für das penetrierende Trauma getroffen wurden und neben einer kurzen Rettungszeit bei zurückhaltender Volumengabe einer permissiven Hypotension den Vorzug geben.