Auf der Basis definierter Grenzsteine ist es möglich, die individuelle, variante und adaptive Entwicklung eines Kindes zu beurteilen. Grenzsteine gewähren aber auch einen differenzierten, aufgefächerten Einblick in die einzelnen Entwicklungspfade eines individuellen Kindes. Mit ihnen lassen sich in ihrer Entwicklung bedrohte Kinder valide identifizieren. Entwicklungsauffälligkeiten sind dann, in einem zweiten Schritt, diagnostisch und entwicklungsneurologisch zu verifizieren.

Für die kinderärztliche Praxis stehen kaum neuere und verlässliche Such- oder Screeningtests zur Beurteilung von Entwicklungsauffälligkeiten in den ersten Lebensjahren und im Vorschulalter zur Verfügung. Das ist umso erstaunlicher, als bei den heutigen Ansprüchen an die Qualität der Früherziehung vor dem Eintritt in den Kindergarten und während der Kindergartenzeit solche Tests essenziell sein müssten.

Such- bzw. Screeningtests haben zunächst nur die Aufgabe, ohne größeren testpsychologischen Aufwand auf Kinder aufmerksam zu machen, die, aus welchen Gründen auch immer, in ihrer Entwicklung nicht der Altersnorm entsprechen. Erst in einem zweiten Schritt sind diese Auffälligkeiten zu bestätigen, zu verwerfen oder gezielt diagnostisch einzuordnen.

Suchtests dienen zur Detektion altersabweichender Auffälligkeiten

Suchtests wird immer wieder vorgeworfen, sie seien zu ungenau, und v. a. fehle ihnen die prädiktive Qualität, mit hoher Sensitivität und Spezifität auf sich später manifestierende Erkrankungen hinzuweisen. Inzwischen beginnt sich aber die Erkenntnis durchzusetzen [2, 25], dass Suchtests, die altersbezogene Fähigkeiten von Kindern erfassen, nicht primär dazu dienen, irgendetwas vorauszusagen. Sie sind ausschließlich dafür gedacht, aktuelle altersabweichende Auffälligkeiten festzustellen und zu dokumentieren. Damit eröffnet sich die Chance, schon zu einem frühen Untersuchungszeitpunkt bestehende Entwicklungsdefizite eines individuellen Kindes in einem bestimmten Entwicklungspfad [8] zu lokalisieren und zu entscheiden, ob eine zusätzliche Diagnostik notwendig ist und ob die weitere Entwicklung des Kindes in engeren Abständen verfolgt werden soll.

Die Validität solcher Such- oder Screeningverfahren wird durch den Vergleich mit den Entwicklungspfaden einer altersbezogenen Normpopulation gesichert. Von uns [19, 22] wurde für diese Aufgabe das Konzept der Grenzsteine entwickelt, das zunächst nur für die kinderärztliche Praxis gedacht war. Wegen seiner einfachen Anwendung und seiner an Fähigkeiten statt an Defiziten orientierten Strategie wurde es jedoch unerwartet von einigen Bundesländern auch zur Anwendung in Kindergärten übernommen.

In diesem Beitrag soll das Konzept der Grenzsteine noch einmal theoretisch begründet, kritisch revidiert und abschließend formuliert werden. Notwendig wurde eine solche Überarbeitung, weil sich das ursprüngliche Konzept im Laufe der Jahre immer wieder durch Ergänzungen und Varianten veränderte.

Theoretische Grundlage des Grenzsteinkonzepts

Heute bestimmen 2 Theorien die professionelle Beurteilung von Kindern in den ersten 6 Lebensjahren, und zwar:

  • die Theorie einer hierarchisch determinierten Entwicklung,

  • die Theorie einer individuell, variant und adaptiv verlaufenden Entwicklung.

Theorie einer hierarchisch determinierten Entwicklung

Dieses Konzept besagt, dass die kindliche Entwicklung in streng zeitlich und hierarchisch geordneten Stufen verläuft, was allerdings nur mit einer weitgehend genetischen Steuerung der Entwicklung erklärt werden kann. Lernen, Erfahrungen und Umwelt eines Kindes spielen unter dieser Grundannahme nur eine geringe Rolle [16]. Um eine normal verlaufende Entwicklung zu garantieren, muss jeder Entwicklungsschritt zu einem festgelegten Zeitpunkt in festgelegter Reihenfolge absolviert werden. Entspricht die individuelle Entwicklung nicht diesem vorgegebenen Schema, ist sie als auffällig oder als pathologisch zu bewerten.

Das Konzept einer hierarchisch-linear strukturierten Entwicklung geht auf den Entwicklungspädiater Arnold Gesell zurück [16, 39]. Dessen Entwicklungsmodell ist die Grundlage aller auch heute noch verwendeten Entwicklungstests, wie des Gesell-Tests selbst, des Bayley-Tests, des Griffith-Tests, des Denver-Screening-Tests oder der Münchner Funktionelle Entwicklungsdiagnostik, um nur einige zu nennen.

Theorie einer individuell, variant und adaptiv verlaufenden Entwicklung

Das unbefangene, theoriefreie Beobachten der Entwicklung individueller Kinder zeigt – im Gegensatz zur obigen Theorie – sehr häufig Abweichungen von einer hierarchisch-linearen Organisation, die nicht mehr mit einem deterministischen Entwicklungsmodell zu erklären sind [16, 21]. Ein Kind antwortet in seiner Entwicklung individuell und adaptiv auf seine Umweltbedingungen, in denen es aufwächst (Wüste, Urwald, polare Eiswelt, Großstadt, Dorf), auf die sozialen Bindungskonditionen (Kernfamilie, Familienverband) und die daraus entstehenden Zwänge, vorgegebene motorische, kognitive und soziale Fähigkeiten zu erlernen, die in einem bestimmten kulturellen Kontext als verbindlich gelten [9]. Der Entwicklungsverlauf eines Kindes wird aber auch durch seine angeborenen Qualitäten geprägt, sodass insgesamt ein individueller Mix von Genetik, Erfahrung und Lernen die Entwicklung eines Kindes bestimmt. Eine Entwicklungsbeurteilung wird dadurch zwar sehr viel komplizierter und vieldeutiger sein, erfasst dafür aber die Komplexität der kindlichen Entwicklung genauer und realistischer. Variante Entwicklungsverläufe sind dann per se nicht mehr auffällig oder pathologisch, sondern gehören prinzipiell zu einer normalen Entwicklung [42].

Resümee

Die Unterschiede dieser beiden Konzepte sind evident, die diagnostischen, therapeutischen oder pädagogischen Konsequenzen diametral verschieden. Wir wollen im vorliegenden Beitrag zeigen, wie es mit dem Prinzip der Grenzsteine der Entwicklung und über die Festlegung definierter, verbindlicher Entwicklungsziele zu einem bestimmten Lebensalter gelingt, in praxi die Normalität einer individuellen Entwicklung eines Kindes festzustellen. Der einzige Entwicklungstest, der bisher auf dem Prinzip einer varianten, individuellen Entwicklung basiert, ist der ET 6–6 (Entwicklungstest 6 Monate bis 6 Jahre) von Petermann et al. [33].

Definitionen der Grenzsteine

Grenzsteine definieren Entwicklungsziele

Grenzsteine der Entwicklung sind Entwicklungsziele, die 90–95% der Kinder einer definierten normativen Population zu einem bestimmten Alter erreichen. Mit Grenzsteinen lassen sich obligatorische Entwicklungsziele von Kindern eines definierten Kulturkreises erfassen. Sie müssen klar definiert sein, damit sie leicht und zweifelsfrei bei Entwicklungsbeurteilungen beobachtet oder, falls notwendig, auch von den Eltern erfragt werden können.

Grenzsteine beschreiben Ziele von Entwicklungspfaden, die jedes Kind einer kulturell definierten Population durchläuft.

Entscheidend ist, dass sie an einer definierten Population justiert und auf die Altersgrenzen von 90–95% validiert wurden.

Für die Entwicklung südwestdeutscher Kinder konnte gezeigt werden, dass ihre motorische [24] und sprachliche [15] Entwicklung gut mit den Entwicklungsverläufen korreliert, die von Largo et al. [13, 14] für eine normative Population Züricher Kinder beschrieben wurden. Erhebliche soziale und transkulturelle Unterschiede bei der Entwicklung von Kindern existieren jedoch schon innerhalb Europas [23], ganz zu schweigen von den Unterschieden zu afrikanischen, asiatischen oder indianischen Kindern [9, 8, 16].

Grenzsteine als Warnsignale

Grenzsteine erfüllen v. a. eine warnende Funktion: Als Alarmsignal für einen bestimmten Entwicklungspfad weisen sie auf mögliche Entwicklungsauffälligkeiten hin, die anschließend mit gezielten Untersuchungen als auffällige oder noch normale Befunde gesichert werden müssen. Auch wenn ein auffälliges Kind immer noch zu den letzten, langsamsten 5% oder 10% der Normalpopulation gehören könnte, darf es nicht einfach als Spätentwickler bezeichnet werden, ohne dass eine gezielte Diagnostik klärt, warum die Entwicklung dieses Kindes generalisiert oder in Teilbereichen verzögert verläuft.

Weitere Konditionen des Grenzsteinkonzepts sind:

  • Grenzsteine erfassen nur ein bestimmtes Entwicklungsziel, unabhängig davon, über welche Entwicklungsverläufe dieses erreicht wurde.

  • Grenzsteine geben keine zeitliche Bandbreite für das Erreichen des Entwicklungsziels an, wie es bei psychologischen Tests üblich ist.

  • Grenzsteine warnen nur vor einem Entwicklungsrückstand.

Entwicklungsprozesse verlaufen individuell, variant, adaptiv und extrem komplex. Das Grenzsteinkonzept kann der Komplexität der Entwicklungsphänomene gerecht werden, denn es lässt individuelle Varianten und adaptive Anpassungen an ökologische und soziale Konditionen, in denen ein Kind aufwächst, zu, warnt jedoch, wenn eine Variante in einen auffälligen oder pathologischen Befund umkippt oder umzukippen droht.

Grenzsteine vs. Meilensteine

Vor allem in der englischsprachigen Entwicklungsliteratur wird häufig der Begriff der „milestones“ verwendet, der gelegentlich auch im deutschen Sprachbereich zu finden ist. Meilensteine geben den Entwicklungsbereich der 50. Perzentile an, d. h. den Wert, den die Hälfte der Kinder in der Normpopulation erreicht, und nicht, wie die Grenzsteine, die 90. bis 95. Perzentile. Die 50. Perzentile ist daher vollkommen ungeeignet, um Befunde von Kindern mit grenzwertigen Entwicklungsauffälligkeiten zu erfassen.

Entwicklungspfade

Grenzsteine beschreiben Entwicklungsziele, die in bestimmten Entwicklungspfaden bis zu einem gegebenen Alter erreicht werden. Für die Darstellung von bestimmten Entwicklungsverläufen, z. B. der Motorik, der Sprache, der sozialen und emotionalen Entwicklung, wurde der Begriff der Entwicklungspfade von Keller [8] übernommen. Ein Pfad passt sich Umweltgegebenheiten an, durch die er, auch Umwege in Kauf nehmend, führt. Der Ausdruck Pfad gibt daher auch sprachlich die Konnotation einer individuell-adaptiven Entwicklungsvorstellung wieder, im Gegensatz zu den Begriffen Entwicklungsschienen oder -bahnen, die eher mit der Assoziation einer Determinierung verbunden sind.

Der Verlauf folgender Entwicklungspfade wurde mit Grenzsteinen markiert:

  • Entwicklung der Körpermotorik,

  • Entwicklung der Hand- und Fingermotorik,

  • Entwicklung der Körperbewusstheit (nur für 72. Monat),

  • Entwicklung der Sprache und des Sprechens,

  • Entwicklung der Kognition,

  • Entwicklung der sozialen Kompetenz,

  • Entwicklung der emotionalen Kompetenz,

  • Entwicklung der Ich-(Selbst-)Strukturen und

  • Entwicklung der Selbstständigkeit.

Abb. 1 und Abb. 2 zeigen beispielhaft die Erfassungsbögen für die Grenzsteine im Alter von 24 und 48 Monaten. (Die gesamten Erfassungsbögen für die Alterstufen 6, 9, 12, 18, 24, 36, 48, 60 und 72 Monate stehen online unter dx.doi.org/10.1007/s00112-012-2751-0 elektronisch zur Verfügung).

Abb. 1
figure 1

Beispiel des Erfassungsbogens für die Grenzsteine im Alter von 24 Monaten, zur Anwendung s. auch Abschnitt Kommentare zur Anwendung einiger Items; Quellen: zu Items 1–4, 6–8, 10 und 12: [27]; zu Item 5: [38]; zu Items 9, 11, 14: [33]; zu Items 13, 15: [11]; zu Item 16: Tübinger Items

Abb. 2
figure 2

Beispiel des Erfassungsbogens für die Grenzsteine im Alter von 48 Monaten, zur Anwendung s. auch Abschnitt Kommentare zur Anwendung einiger Items; Quellen: zu Items 1, 2, 5, 7, 9: [27]; zu Item 6: [38]; zu Items 3, 4, 8, 12, 13: [33]; zu Items 14–16: [10]; zu Items 10, 11: Tübinger Items

Abb. 3, Abb. 4 und Abb. 5 illustrieren beispielhaft Items aus den Grenzsteinen (hier 9, 24 und 36 Monate).

Abb. 3
figure 3

Illustration des Bärengangs (Item Grenzsteine 9 Monate), mit freundl. Genehmigung von Dr. Isabel Michaelis

Abb. 4
figure 4

Illustration erkennt sich selbst in einem Spiegel (Item Grenzsteine 24 Monate), mit freundl. Genehmigung von Dr. Isabel Michaelis

Abb. 5
figure 5

Illustration gemeinsames Spiel (Item Grenzsteine 36 Monate), mit freundl. Genehmigung von Katja Michaelis und Dr. Isabel Michaelis

Die ausgewählten Entwicklungspfade sind wie folgt definiert:

Grenzsteine der Körpermotorik und der Feinmotorik der Hände und Finger

Die häufig verwendete Bezeichnung Grobmotorik wird vermieden, da eine normale Motorik nicht mit der Kategorie grob beschrieben werden kann. Die Bezeichnung Feinmotorik erfasst ausschließlich die Motorik der Hände und Finger.

Die Beschreibung der Entwicklung der Feinmotorik (der Hände und Finger) basiert auf den Angaben von Touwen [41], in ähnlicher Weise ist sie auch bei Largo [11] zu finden.

Grenzsteine der Körperbewusstheit (nur 72. Monat)

Mit dem Begriff der Körperbewusstheit werden unbewusstes und bewusstes Wissen über den eigenen Körper sowie die Fähigkeit der räumlichen Orientierung mit Hilfe der Position des eigenen Körpers erfasst [33].

Grenzsteine der Sprach- und Sprechentwicklung

Auch die Sprach- und Sprechentwicklung verläuft individuell, funktionell und zeitlich hoch variant [15, 18, 38]. Für die Verwendung als Grenzsteine wurden 5 entscheidende Phasen der Sprachentwicklung herausgearbeitet:

  1. 1.

    der nonverbale und verbale Mutter-Kind-Dialog[29, 30],

  2. 2.

    das Stadium der Silbenverdoppelung als Einstieg in den Rhythmus und die Silbenbetonung der Zielsprache [29, 30],

  3. 3.

    das transitorisch parallele Verwenden verschiedener sprachlicher Ausdrucksformen (Silbenverdoppelung, Pseudosprache, Symbolsprache) vor und mit dem Beginn der aktionalen (s. 5. und 18. Monat) und korrekten 1-Wort-Sprache [18, 21],

  4. 4.

    die unüberhörbare Zunahme des Wortschatzes zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr [38] und

  5. 5.

    die Lernstrategien, die ein Kind beim Erlernen der Grammatik einsetzt [18].

Grenzsteine der kognitiven Entwicklung

Die kognitive Entwicklung bereitet der kinderärztlichen Überprüfung im Vorschulalter besondere Schwierigkeiten, da sie wegen ihrer komplexen Struktur eigentlich nur mit zeitlich und technisch aufwendigen Testverfahren einigermaßen verlässlich beurteilt werden kann [1, 6]. Im Vorschulalter erlauben Fragen nach der Art und Intensität des Spielens jedoch einige Rückschlüsse auf Qualitäten der kognitiven Entwicklung, v. a. wenn dazu strukturierte und in ihrem Verlauf festgelegte Spielangebote verwendet werden [12, 21].

In Anlehnung an den ET 6–6 [33] können folgende Kategorien der kognitiven Entwicklung im Zusammenhang mit Grenzsteinen beobachtet, erfragt und dokumentiert werden:

  • Handlungsstrategien,

  • Spielverhalten,

  • Aufmerksamkeit und Konzentration,

  • Malen und Zeichnen,

  • Kategorisieren.

Aus diesen Bereichen wurden Items in die Liste der Grenzsteine der kognitiven Entwicklung aufgenommen.

Grenzsteine der sozialen Kompetenz

Definition

In Screening- und Entwicklungstests für Vorschulkinder wird meist nach der sozioemotionalen Kompetenz gefragt. Dass die soziale und emotionale Entwicklung eng aufeinander bezogen und miteinander verflochten sind, wird von uns nicht übersehen (s. auch Abschnitt Auswahl und Zuordnung der Items). Es entstehen jedoch erhebliche Schwierigkeiten mit ungenauen Festlegungen und Grauzonen, wenn die genannten Kompetenzen gemeinsam zu beurteilen sind. Sie werden daher von uns getrennt dokumentiert.

Die soziale Kompetenz ist als die Fähigkeit eines Kindes definiert, zunehmend komplexere soziale Beziehungen zu anderen Kindern und zu Erwachsenen aufbauen und aktiv gestalten zu können. Wiederum bezogen auf den ET 6–6, lässt sich die soziale Kompetenz aufteilen in

  • die Interaktion mit Erwachsenen,

  • die Interaktion mit Gleichaltrigen,

  • das Verhalten in Gruppen,

  • die soziale Eigenständigkeit.

„Theory of mind“ oder die sog. Alltagspsychologie

Zur Entwicklung einer sog. sozialen Kompetenz (oder auch sozialen Kognition) gehört die Fähigkeit, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt anderer Menschen einzufühlen und einzudenken. Dies setzt die grundlegende Fähigkeit des Menschen voraus, sich selbst und anderen mentale Zustände, d. h. ein inneres Erleben wie Gedanken, Wünsche, Überzeugungen oder Hoffnungen, zuschreiben zu können und diese Attributionen zu Verhaltenserklärungen und -vorhersagen zu nutzen.

Mit etwa 4 Jahren verfügen Kinder über Grundbegriffe einer Alltagspsychologie

Im Alter von ungefähr 4 Jahren verfügen Kinder über die Grundbegriffe einer kulturabhängig üblichen Alltagspsychologie, „theory of mind“ [3, 36], welche im Wesentlichen die soziale Kompetenz ausmacht. Mit 4 bis 5 Jahren werden auch komplexere Absichten oder Gefühle verstanden, es werden Täuschungen und Lügen, und damit auch falsche Überzeugungen durchschaut.

Bereits im 3. Lebensjahr gelingt Kindern die Unterscheidung zwischen einem realen Objekt und einem Objekt, das nur in ihrer inneren Vorstellung existiert; sie verwenden dafür bereits mentalistische Formulierungen wie „ich meine“, „ich glaube“, „ich denke mal“. Rollenspiele werden etwa ab dem 4. Lebensjahr zu Als-ob-Spielen, bei denen jeder Spielpartner seine Rolle kennt und einhält. Kinder beteiligen sich jetzt an Spielen mit strengeren Regeln, die sie auch befolgen.

Mit ungefähr 4 Jahren gelingt es Kindern zwischen subjektiven Überzeugungen (was jemand denkt, glaubt) und der Realität zu unterscheiden. Sie realisieren nun die mentalen Folgen bei sich selbst und anderen, wenn sie Regeln verletzen, und entwickeln in der Konsequenz Schamgefühle und einen Sinn für Gerechtigkeit. Gegen Ende des 5. Lebensjahrs sind Kinder daher in der Lage, gerecht und fair zu handeln und zu teilen, z. B. Spielzeug oder Süßigkeiten.

Grenzsteine der emotionalen Kompetenz

Erfragt und dokumentiert wird die zunehmende Fähigkeit eines Kindes, sein eigenes emotionales Erleben wahrnehmen und reflektieren zu können sowie die zunehmende Fähigkeit zu einer eigenen emotionalen Selbstregulation. Der Schwerpunkt der Fragen nach den emotionalen Grenzsteinen liegt daher auf den eigenen (internen), emotionalen Kompetenzen und nicht auf denen der externen Dimension (Verständnis für die Emotionen anderer, [17, 31, 43]).

Grenzsteine der Ich-(Selbst-)Entwicklung

Die Entwicklung eines Bewusstseins von sich selbst (Selbstbewusstheit) ist Voraussetzung für den Aufbau einer eigenen Persönlichkeit. Die Vorstellungen über sich selbst und die Einschätzung der eigenen Persönlichkeit bestimmen letztendlich die Qualität des Selbstwertgefühls (Wertschätzung der eigenen Person), aber auch die des Selbstbewusstseins (Wissen um die eigenen Fähigkeiten).

An der Gestaltung des Ichs und seiner Strukturen sind u. a. die Selbstwahrnehmung, das Selbstkonzept, die Eigenakzeptanz, bestimmte Begabungsstrukturen, die Strukturierung des Temperaments und die Geschlechtsidentität beteiligt [7, 32, 35]. Auch hier gelten die evolutionären Grundsätze der variablen, adaptiven und individuellen Entwicklung einer Struktur des eigenen Selbst aus dem Mix von Vorgaben des individuellen Genpools, aus gemachten Bindungs- und Umwelterfahrungen und den Folgen des eigenen sozialen, emotionalen und explorativen Lernens.

Spätestens bei der Geburt verfügt ein Kind über ein Ich-Gefühl aufgrund der Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers.

Schon Neugeborene unterscheiden im Mundbereich sicher, ob sie sich selbst berührt haben oder ob eine Fremdberührung erfolgt. Nur auf Letztere antworten sie mit einem Rooting-Reflex, einer Hinwendung zum Reiz [34].

Die Ich-Entwicklung verläuft nach Newen [28] in folgenden Schritten:

  • Mit der Fähigkeit, zu greifen (etwa 3. Monat), entsteht ein Ich-Gefühl, da das Kind sich als Urheber seines zielgerichteten Handelns erlebt.

  • Ein Ich-Gefühl entsteht zwischen dem 9. und 14. Lebensmonat als Komponente von Spielen mit geteilter Aufmerksamkeit bei gemeinsamem Fokus (Triangulierung) und als Subjekt eigener Möglichkeiten zu räumlichen Explorationen (z. B. Krabbeln oder Gehen).

  • Das eigene Erkennen als handlungsfähiges Subjekt wird unterstützt durch das Sichselbsterkennen in einem Spiegel (etwa 18. Monat).

  • Mit der Kenntnis der eigenen Wünsche und Überzeugungen und dem Wissen, dass solche auch andere Menschen besitzen, erfolgt zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr der Schritt zum Erwerb der Fähigkeiten der „theory of mind“ (s. Abschnitt „Theory of mind“ oder die Alltagspsychologie).

Über die taktil-kinästhetischen, propriozeptiven und vestibulären Modalitäten und deren Bedeutung für die Haltungskontrolle [4], eng verknüpft mit den frühen Bindungserfahrungen, erfolgt offenbar viel früher als bisher angenommen eine Strukturierung der eigenen Identität, sicher schon zu Beginn der zweiten Hälfte des 1. Lebensjahres, in der Form von: Ich werde verstanden, akzeptiert, geliebt; ich kann mich bewegen, komme hin, wohin ich möchte; ich bin stolz auf meine motorischen Fortschritte; meine Aktivitäten werden wahrgenommen und beantwortet. Die Freude über sich selbst und die Akzeptanz der erworbenen Fähigkeiten lassen sich direkt und ganz unmittelbar aus der Mimik und dem Verhalten eines Kindes ablesen.

Die bewusste Wahrnehmung des Selbst bis etwa zum 5. Lebensjahr drückt sich durch das Selbsterkennen im Spiegel aus, durch die Selbstbenennung mit Vor- oder Rufnamen und die, meist etwas spätere, Benutzung des persönlichen Fürwortes Ich.

Grenzsteine der Selbstständigkeit

Für diesen Entwicklungspfad wurden Grenzsteine ausgewählt, die die Fähigkeit eines Kindes erfassen, zu einem festgelegten Alter bestimmte alltäglich notwendige Funktionen selbstständig übernehmen und ausführen zu können [11, 33].

Validierte und teilvalidierte Items

Auswahl und Zuordnung der Items

Einige der gewählten Items könnten auch als Grenzsteine für mehrere oder andere Entwicklungspfade eingesetzt werden, ein Hinweis darauf, wie sich Entwicklungspfade mit zunehmendem Alter vernetzen, ergänzen und integrieren (s. auch Abschnitt Definition). Aus didaktischen und definitorischen Gründen wurde die Zuordnung der jeweiligen Grenzsteine zu bestimmten Entwicklungspfaden sorgfältig überdacht und festgelegt.

Grenzsteine müssen klar definiert sein

Wie bereits angeführt, müssen Grenzsteine eindeutig definiert sein, damit sie einfach und zweifelsfrei bei Entwicklungsbeurteilungen beobachtet oder von den Eltern erfragt werden können.

Mit der 90. Perzentile validierte Items

Normativ untersuchte Populationen bilden die Voraussetzungen für die Auswahl von validierten Grenzsteinen.

Die 9 Altersgruppen sind mit insgesamt 155 Grenzsteinitems besetzt. Für jedes validierte Item der Grenzsteinbögen ist die Literatur der normativen Population angegeben, der es entnommen wurde, insgesamt bei 120 der Items.

Items mit Teilvalidierungen

In einigen neueren Entwicklungsstudien von Vorschulkindern sind Entwicklungsziele beschrieben, die für die Kinder der westlichen Kulturen von besonderer Bedeutung sind, bisher jedoch noch keine exakte, an einer 90. Perzentile ausgerichtete Validierung erfuhren. In der Literatur ist meist eine Zeitspanne angegeben, in der Kinder einer bestimmten Altersgruppe eine definierte Entwicklungsaufgabe absolvieren.

Es handelt sich hierbei um Fragen zur „theory of mind“, zu den sozialen und emotionalen Kompetenzen, zur Entwicklung der Ich-Struktur und zur Selbstständigkeit, um Fragen der Teilhabe, Imitation und Kooperation [20, 40]. Dies sind Elemente, die von existierenden Screening- oder Entwicklungstests bisher nur bedingt oder gar nicht erfasst werden. Aus dieser Gruppe von Fragestellungen, die durchaus bestimmend für die kindliche Entwicklung sein können, wurden Items gewählt, die verlässlich bezüglich ihres spätnormalen Auftretens geschätzt werden können. Der Ausschluss solcher Items aus den Grenzsteinbögen hätte einen erheblichen Verlust entscheidender Informationen über die kindliche Entwicklung bedeutet. Wir hoffen, dass auch diese 32 Items in der näheren Zukunft eine genaue Validierung erfahren werden. Sie sind bei den Literaturangaben zu den Bögen mit der Angabe Tübinger Items gekennzeichnet.

Kommentare zur Anwendung einiger Items

Die meisten der Items sind so formuliert, dass ihre Anwendung ohne weitere Kommentare möglich ist. Auf einige Items soll jedoch zum besseren Verständnis im Folgenden näher eingegangen werden.

Entsprechende Erläuterungen sind auch auf den Rückseiten der jeweiligen altersentsprechenden Originalgrenzsteinbögen zu finden.

6. Monat

Ich-Entwicklung

Der Drang eines Kindes, schon sehr früh am Leben der Familie teilhaben und sich einbringen zu wollen, ist eine evolutionäre Mitgift, die sich als Selektionsvorteil erwies, ebenso wie die Fähigkeit zur Imitation mit Hilfe der Spiegelneuronen. Teilhabe und Imitation erleichtern die Einbindung eines Kindes in die ökologischen, sozialen und emotionalen Konditionen der Familie, in die es hineingeboren wurde [21, 40].

9. Monat

Körpermotorik: Kriechen, Krabbeln, Bärengang

Kriechen

Hierunter ist eine Vor- oder Rückwärtsbewegung in Bauchlage mit Einsatz der Arme und/oder Beine zu verstehen. Die Aktivitäten der Extremitäten können auch nur stark einseitig sein, eine evtl. bestehende Hemiparese ist dann aber auszuschließen. Diese Form der Fortbewegung wurde von Largo [11] als Robben bezeichnet.

Krabbeln

Das Kind bewegt sich vor- oder rückwärts, gestützt auf die gestreckten Arme, die mehr oder weniger geöffneten Hände und die gebeugten Knie bei gebeugten Hüftgelenken. Der Bauch ist dabei von der Unterlage abgehoben. Dieser Bewegungsablauf wurde von Largo [11] als Kriechen bezeichnet.

Bärengang

Das Kind bewegt sich vorwärts mit gestreckten Armen, leicht gebeugten Hüften und Knien und Belastung der Fußsohlen. Der Bärengang ist eher selten zu beobachten, da er unökonomisch und daher anstrengend ist. Trotzdem beherrschen einige Kinder diese Fortbewegungsart über längere Zeit, virtuos und mit schnellem Tempo. Largo [11] nannte den Bärengang Vierfüßlergang.

Kognitive Entwicklung: Kennt tägliche Abläufe gut

Eine solche Fähigkeit wird durch die Erfahrung erworben, dass bestimmte tägliche Geschehnisse immer wieder in der gleichen Abfolge von Einzelhandlungen verlaufen, ähnlich eines Skripts in einem Filmdrehbuch [6].

Ich-Entwicklung

Gefragt wird nach individuellen Eigenschaften, die im ersten Lebensjahr das kindliche Verhalten bemerkbar bestimmen. Diese müssen jedoch nicht zeitlebens für das individuelle Kind typisch bleiben.

12. Monat

Soziale Kompetenz

Kind beginnt selbst einen Kontakt

Es sind nicht nur ältere Kinder und Erwachsene, die mit einem Baby Kontakt aufnehmen. Spätestens im Alter von 12 Monaten (meist schon sehr viel früher), versuchen es Babys mit Erfolg selbst, zu ihnen bekannten Personen mit Blickkontakt, verbalen Äußerungen oder Zeigen („pointing“) eine Kommunikation aufzubauen.

Zeigt mit Zeigefinger

Kind zeigt mit Zeigefinger auf Spielzeug, um mit Bindungsperson gemeinsames Interesse zu teilen (Triangulierung): In gleicher Weise gelingt es zu dieser Zeit einer Bindungsperson, durch Zeigen das Interesse des Kindes auf etwas Interessantes zu lenken. Zollinger [44] nannte diese Situation Triangulierung (Kind, Bindungsperson, Objekt), sie wurde auch als „joint attention“ (gemeinsame oder geteilte Aufmerksamkeit) bezeichnet [11].

Emotionale Kompetenz: Trennung von Bindungsperson

Gemeint ist, dass das Kind mit einer anderen, ihm gut bekannten Person in seiner vertrauten Umgebung zurückbleibt.

18. Monat

Sprach- und Sprechentwicklung

Die Pseudosprache ist ein wenig bekanntes transitorisches Phänomen in der Sprachentwicklung. Sie ist primär nicht verständlich. Kinder ahmen die Prosodie und Struktur der Erwachsenensprache nach, z. B. wenn sie am Telefon mit einer ihnen bekannten Person sprechen oder in der sprachlichen Kommunikation mit einem anderen Kind.

Pseudosprache ist am ehesten als sprachliches Phänomen der Imitation zu verstehen.

Sie scheint häufiger von Kindern verwendet zu werden, deren Eltern es vorziehen, mit ihren Kindern richtig und nicht in einer Babysprache zu reden.

Unter der Bezeichnung aktionale 1-Wort-Sprache verstehen wir eine vorübergehend festgelegte verbale Form, mit der Tätigkeiten und Handlungsabsichten ausgedrückt werden, für die noch keine Worte zur Verfügung stehen, wie ham für haben wollen, nei für hinein tun, heia für Schlafen gehen [21].

Kognitive Entwicklung

Als Bilderbücher zum Abfragen bekannter Gegenstände, Tiere, Pflanzen, Tätigkeiten und Jahreszeiten eignen sich die sog. Wimmelbücher, z. B. Mein Wimmelbilderbuch Jahreszeiten [26].

Soziale Kompetenz: paralleles Spielen

Kinder dieses Alters sind noch nicht fähig, konstruktiv mit Gleichaltrigen zusammen zu spielen. Jedes Kind spielt für sich, beobachtet jedoch genau, wie und was das Kind neben ihm spielt und wie es sich verhält [10, 11].

24. Monat

Sprach- und Sprechentwicklung: Einwortsprache (mindestens 20 Worte, außer Papa, Mama)

Nach sprachwissenschaftlichen und logopädischen Kriterien liegt die Zahl der Worte, die in diesem Alter richtig ausgesprochen werden können, bei 50. Wahrscheinlich entspricht dieser Wert eher einem Meilen- und nicht einem Grenzstein [21]. Die Festlegung eines Perzentilenwerts von etwa 90% mit 20 Worten folgt den Angaben von Szagun [38] und den eigenen entwicklungsneurologischen Erfahrungen.

Ich-Entwicklung

90% der normal entwickelten Kinder erkennen sich selbst am Ende des 2. Lebensjahres in einem Spiegel [10].

48. Monat

Kognitive Entwicklung: gleiche Gegenstände unterschiedlicher Größe

Dieser Grenzstein ist dem ET 6–6 [33] entnommen, dort werden große und kleine Äpfel verglichen. In der Praxis ist es allerdings leichter, nach großen und kleinen Tomaten zu fragen, da die Größenunterschiede mit Tomaten heutzutage sehr viel deutlicher gemacht werden können.

Soziale Kompetenz

Gefragt wird nach der Fähigkeit, sich in eine kleinere Gruppe etwa gleichaltriger Kinder (v. a. im Kindergarten) einordnen zu können.

Emotionale Kompetenz

Gefragt wird nach der Fähigkeit eines Kindes, sich in der Familie und im Kindergarten kompetent, also seinem Alter angemessen, emotional regulieren zu können.

60. Monat

Emotionale Kompetenz

Über beschämende, unerfreuliche Ereignisse berichten zu können, ist, nach der Definition der emotionalen Kompetenz (s. Abschnitt Grenzsteine der emotionalen Kompetenz), nur möglich, wenn ein Kind gelernt hat, sich seiner eigenen Emotionen bewusst zu sein.

Kognitive Entwicklung

Grundfarben können erfragt werden an Bausteinen, Farbstiften, Farbkärtchen oder in einem Bilderbuch, z. B. Wimmelbuch (s. 18. Monat [26]) oder Mein allererstes Buch der Farben [5].

Ich-Entwicklung

Geschlechtsidentität

In diesem Alter sind sich Kinder sicher, dass sie ein Mädchen oder ein Junge sind, was sie in ihrem sozialen Verhalten auch zeigen. Das schließt jedoch nicht aus, dass beim Spielen und bei Laune gelegentlich gegengeschlechtliches Rollenverhalten übernommen wird.

Selbstbewusstsein

Im Vorschulalter neigen Kinder dazu, ihre Leistungen positiver zu bewerten als sie tatsächlich sind. Noch von der magischen Phase [21] beeinflusst, sehen sich Kinder so, wie sie sein wollen, und damit weniger kritisch. Bis zum 6. Lebensjahr tendieren Kinder auch dazu, ohne größere Hemmungen ihre Fähigkeiten zu demonstrieren und sich selbst zu loben [11]. Oft erst in der Schule erfahren sie konkrete und hartnäckige Leistungsvergleiche, die sie zwingen, ihr Bild von sich im sozialen Kontext realistischer und selbstkritischer zu sehen und schließlich auch zu akzeptieren [37].

72. Monat

Körperbewusstheit

Die Fähigkeit, sicher und mit Vergnügen schaukeln und balancieren zu können, setzt eine erlernte, meist noch unreflektierte, jedoch voll funktionsfähige Körperbewusstheit voraus.

Emotionale Kompetenz

Es ist eine gute Regulationsfähigkeit der eigenen Emotionen, wie sie für die schulischen Anforderungen vorausgesetzt wird, vorhanden.

Altersbezogene Anwendung und Bewertung der Grenzsteine

Die Grenzsteine sind auf vollendete Lebensmonate oder Lebensjahre validiert. Da die meisten Kinder nur selten am Tage ihres vollendeten Monats oder Jahres getestet werden können, sind sie in bestimmten Zeitfenstern abfragbar:

  • im 6., 9. und 12. Monat in dem Zeitraum von ± 14 Tagen,

  • ab dem 18. Monat in einem Zeitraum von ± 4 Wochen.

Die Entwicklung eines Kindes kann aber auch zu jedem anderen Zeitpunkt mit den direkt vorausgegangenen und den direkt nachfolgenden Grenzsteinen überprüft werden. Die Ergebnisse sind beim Erreichen des korrekten Zeitfensters zu bestätigen oder zu korrigieren.

Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, dass definitionsgemäß die meisten der sich unauffällig entwickelnden Kinder ihre Entwicklungsziele bereits in einem wesentlich früheren Alter als dem Grenzsteinlimit erreichen.

Fazit für die Praxis

  • Das Grenzsteinkonzept als Entwicklungsscreening stellt eine in der kinderärztlichen Praxis ohne großen Aufwand umsetzbare, effektive und valide Möglichkeit dar, in den ersten 6 Lebensjahren Kinder, die sich auffällig oder verzögert entwickeln, nicht zu übersehen.

  • Das Grenzsteinkonzept ist ein altersbezogenes Untersuchungs- und Beobachtungssetting, das auch die Möglichkeit einschließt, gezielt Eltern zu befragen.

  • Mit dem Grenzsteinkonzept lassen sich klare Aussagen zur individuellen Entwicklung eines Kindes in seinen verschiedenen Entwicklungspfaden treffen. Auffällige Befunde machen weitere diagnostische Schritte notwendig.

  • Das Grenzsteinkonzept erlaubt eine kompetente und nach Entwicklungspfaden gefächerte Beratung der Eltern.

  • Das Grenzsteinkonzept bietet eine gemeinsame Basis für interdisziplinäre Diskussionen, ob und welche therapeutischen und/oder pädagogischen Maßnahmen eingeleitet werden müssen.