Beim Begriff „akutes Koronarsyndrom“ handelt es sich zum einen um den Oberbegriff, welcher die 3 Entitäten instabile Angina pectoris, Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und ST-Hebungsinfarkt (STEMI) zusammenfasst. Zum anderen dient der Begriff akutes Koronarsyndrom v. a. in der Notfallmedizin häufig als Arbeitsdiagnose für Patienten mit (noch) unklarem, akut aufgetretenem Brustschmerz oder (noch) unklarer neuaufgetretener kardialer Symptomatik. Dies stellt ein Problem dar, da zum einen Patienten mit einer klar definierten kardialen Grunderkrankung beschrieben werden, während auf der anderen Seite viele der Patienten mit der Arbeitsdiagnose „akutes Koronarsyndrom“ gar keine kardiale Grunderkrankung aufweisen. Von den in Deutschland etwa 2 Mio. Notfallpatienten mit der Arbeitsdiagnose „akutes Koronarsyndrom“ wird bei etwa 15% ein Myokardinfarkt und bei weiteren 15% eine instabile Angina pectoris diagnostiziert.

Immer noch stellt das akute Koronarsyndrom die häufigste Todesursache in Deutschland dar.

Beim akuten Koronarsyndrom handelt es sich also um eine lebensbedrohliche Situation. Eine initiale Abklärung sollte unter stationären oder krankenhausähnlichen Bedingungen erfolgen. Die relevanten Leitlinien werden regelmäßig aktualisiert. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) ist dazu übergegangen, keine eigenen Leitlinien mehr zu erstellen, sondern sich den Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) anzuschließen, an deren Entwicklung sie aktiv beteiligt ist. Dies soll Widersprüche auflösen, die sich in der Vergangenheit zwischen den verschiedenen nationalen Leitlinien ergeben haben. Aktuell gelten die Leitlinien der ESC für das akute Koronarsyndrom mit ST-Hebung von 2008 [35] und für das akute Koronarsyndrom ohne ST-Hebung von 2007 [31]. Im Bedarfsfall werden diese Leitlinien zusätzlich kommentiert. Für das akute Koronarsyndrom ohne ST-Hebung ist dies 2009 geschehen [29], für das akutes Koronarsyndrom mit ST-Hebung 2010 [28].

Nomenklatur

Das akute Koronarsyndrom unterteilt sich, wie oben beschrieben, in 3 klar definierte Entitäten (Abb. 1):

  • ST-Hebungsinfarkt (STEMI),

  • Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI),

  • instabile Angina pectoris.

Diese Einteilung ist wichtig, da sie zum einen zur Risikostratifizierung dient, zum anderen aber auch eine differenzierte Therapie ermöglicht.

Abb. 1
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Das akute Koronarsyndrom: Von der Arbeitsdiagnose zur endgültigen Diagnose (ACS: akutes Koronarsyndrom, NSTEMI: Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt, STEMI: ST-Streckenhebungsinfarkt, inst. AP: instabile Angina pectoris)

Für den STEMI ist charakteristisch, dass mit einer in der Regel länger anhaltenden (>20 min) und nitrorefraktären Schmerzsymptomatik eine ST-Streckenhebung von ≥0,1 mV in mindestens 2 zusammenhängenden Extremitätenableitungen oder von ≥0,2 mV in mindestens 2 zusammenhängenden Brustwandableitungen oder ein mutmaßlich neu aufgetretener Linksschenkelblock einhergehen. In der Regel kommt es beim STEMI zum Anstieg der kardialen Marker (Creatinkinase [CK] bzw. CK-MB, Troponine, Myoglobin u. a.). Steigen diese Marker auch im Verlauf nicht an, so muss die Diagnose STEMI in Frage gestellt werden.

Auch beim NSTEMI kommt es immer zum Anstieg kardialer Marker (Troponin, nicht obligat CK-MB). Ebenfalls besteht häufig eine kardiale Beschwerdesymptomatik, es kommt jedoch nicht zu signifikanten ST-Streckenhebungen. Das EKG kann ischämietypische Veränderungen aufweisen oder sogar komplett unauffällig sein.

Die instabile Angina pectoris beschreibt klinisch die gleiche Situation, und es kann zu den gleichen Veränderungen des EKG kommen, kardiale Marker sind jedoch nicht erhöht.

In den USA werden jährlich ca. 1,4 Mio. Patienten wegen eines akuten Koronarsyndroms hospitalisiert. 800.000 Patienten hiervon weisen einen akuten Myokardinfarkt auf, ca. 2/3 von diesen wiederum einen NSTEMI [20]. Da jedoch die Referenzbereiche für die Troponine immer wieder gesenkt wurden, steigt allein dadurch die Zahl der Patienten mit NSTEMI ständig an.

Pathophysiologie

Das zugrunde liegende Korrelat stellt in den meisten Fällen eine koronare Atherosklerose dar, welche ein kontinuierlicher Prozess ist. In der Regel geht der Erstmanifestation eines akuten Koronarsyndroms eine langjährige Entwicklung voraus. Mehrere Riskofaktoren beeinflussen das Risiko des Auftretens und des Ausmaßes. Die klassischen Risikofaktoren hierfür sind Hypercholesterinämie, Hypertonus, Diabetes mellitus, Adipositas, Rauchen und eine positive Familienanamnese für Herz-Kreislauf-Erkrankungen [18]. Diese führen primär zu einer Endothelschädigung und einer endothelialen Dysfunktion, wobei letztere eine Schlüsselrolle beim Prozess der Atherosklerose darstellt.

Die endotheliale Dysfunktion ist durch eine verringerte Bioverfügbarkeit von Stickoxid („nitric oxide“, NO) und eine stark erhöhte Produktion von Endothelin 1 gekennzeichnet, welches zusätzlich negativen Einfluss auf die Gerinnung hat. Eine vermehrte Expression von Adhäsionsmolekülen und eine gesteigerte Thrombozytenaktivität erhöhen das Risiko zusätzlich.

Liegt ein Endothelschaden vor, kommt es zu einer Migration von Entzündungszellen, insbesondere von Monozyten in die Gefäßwand durch Bindung an Adhäsionsmoleküle. Die Monozyten differenzieren sich dann in Makrophagen. Zusammen mit in der Gefäßwand befindlichem LDL-Cholesterin kommt es zur weiteren Transformation in Schaumzellen und zur Ausbildung von „fatty streaks“. Viele Zytokine werden freigesetzt (z. B. Tumornekrosefaktor α, Interleukine), was eine weitere Monozytenmigration initiiert. Durch Makrophagen kommt es zum Abbau von extrazellulärer Matrix, was die Deckplatte der atherosklerotischen Plaque schwächt. Die Ruptur der Deckplatte stellt das eigentliche Korrelat des akuten Koronarsyndroms dar. Gleichwohl verlaufen nahezu 99% aller Deckplattenrupturen klinisch inapparent.

Die Stabilität der atherosklerotischen Plaque ist sehr variabel. Auch wenn seit Jahren versucht wird, die vulnerable Plaque besser zu charakterisieren, stehen valide alltagstaugliche Tests noch aus. Die vulnerable Plaque ist durch einen großen Lipidkern und eine dünne fibröse Kappe gekennzeichnet. Durch die ausgeprägte Inflammation können bei Temperaturmessungen lokale Anstiege im Bereich der vulnerablen Plaque nachgewiesen werden. Systemisch lassen sich erhöhte Konzentrationen von Entzündungsmediatoren (z. B. hs-CRP) nachweisen. Lokale Inflammation ist mit einem hohen Ausmaß an Plaqueinstabilität vergesellschaftet. Durch die intensive Makrophagenaktivität kommt es zusätzlich zu einem raschen Anwachsen des Lipidkerns und einer weiteren Ausdünnung der Deckplatte.

Angiographisch kann die vulnerable Plaque nicht von einer stabilen unterschieden werden.

In der Regel handelt es sich jedoch um gering- bis mittelgradige Stenosen.

Kommt es schließlich zur Plaqueruptur, werden rasch Thrombozyten aktiviert und aggregieren. Dies führt zur thrombotischen Verlegung des Gefäßes sowie zu Mikroembolien im distalen Gefäßbereich [9]. Studien mit intravaskulärem Ultraschall zeigen, dass bei 80% der Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom multiple Plaquerupturen in verschiedenen Gefäßregionen vorliegen [23].

Klinik

Auch wenn der akut aufgetretene linksthorakale Schmerz das Leitsymptom des akuten Koronarsyndroms darstellt, handelt es sich bei den Patienten um eine sehr heterogene Population. Je nach Ausgangssituation ist die Infarktgefährdung und Mortalität unterschiedlich. Die größte Gefährdung ergibt sich für Patienten mit Ruheschmerzen in den letzten 48 h, dies umso mehr, wenn bereits früher ein Infarkt abgelaufen ist und die Beschwerden unter einer antianginösen Therapie ohne auslösende Faktoren auftreten. Es kann sich sowohl um einen Dauerschmerz als auch um eine Crescendo-, Decrescendo- oder um eine Angina pectoris wechselnder Intensität handeln. Die Spezifität dieser Beschwerden ist jedoch gering.

Der akut aufgetretene Thoraxschmerz stellt eine der häufigsten Ursachen für eine notfallmäßige Vorstellung in einer Notaufnahme dar. Auf der anderen Seite äußert sich ein akutes Koronarsyndrom häufig atypisch. Sowohl bei sehr jungen als auch bei älteren Patienten sowie bei Patienten mit Diabetes mellitus und bei Frauen sind die Beschwerden häufig atypisch. Neben einer gezielten Anamneseerhebung, welche insbesondere kardiale Vorerkrankungen und Risikofaktoren erfassen sollte, gilt es, wesentliche Differenzialdiagnosen zu evaluieren.

Bei der körperlichen Untersuchung ist vor allem auf Zeichen einer chronischen oder besonders einer akuten Herzinsuffizienz und auf Hinweise für kardiale Vitien zu achten. Das diagnostische Vorgehen in der Akutsituation sollte wichtige lebensbedrohliche Differenzialdiagnosen (akutes Aortensyndrom und akute Lungenembolie) miterfassen.

Kardiale Marker

Kardiale Marker bei akutem Koronarsyndrom stellen in den letzten Jahren ein Gebiet mit großer Forschungsaktivität im Bereich der Kardiologie dar. Trotz vieler neuer Marker sind das kardiale Troponin I und das kardiale Troponin T aufgrund ihrer hohen Spezifität und Sensitivität weiterhin die bevorzugten Marker. Myoglobin, das zwar eine schnellere Kinetik, jedoch eine viel geringere Spezifität aufweist, hat an Bedeutung verloren und wird im Rahmen der Routinediagnostik nicht mehr empfohlen [31].

Troponine

Der Referenzwert für Troponine wurde in den letzten Jahren mehrfach gesenkt. Der aktuelle Referenzwert für Troponin I liegt bei 0,03 ng/ml. Dieser Wert ist zwar sehr sensitiv, steigert jedoch die Zahl der Diagnosen eines NSTEMI dramatisch. In der Notfallsituation ist ein einzelner Test zum Ausschluss eines akuten Myokardinfarkts nicht ausreichend. Zum sicheren Ausschluss einer myokardialen Ischämie sind Kontrollmessungen nach 6–12 h erforderlich. Zusätzlich sollten nachfolgende Kontrollen bei weiteren Schmerzereignissen durchgeführt werden [31]. Es darf nicht vergessen werden, dass die hohe Spezifität von Troponinen für ein akutes Koronarsyndrom auch auf der hohen Prävalenz der koronaren Herzerkrankung beruht.

Erhöhte Troponine sind keineswegs beweisend für das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung.

Die Differenzialdiagnosen sind vielfältig, da Troponine letztlich nur kardiale Nekrosemarker sind und somit bei jedem Myokardschaden ansteigen (Tab. 1).

Mit neueren Tests kann das hochsensitive Troponin (hsTroponin) bestimmt werden. Bei diesen Tests ist die Sensitivität deutlich erhöht. Somit kann der sichere Ausschluss eines Myokardinfarkts schneller erfolgen als bisher [15].

Neben der Diagnose des akuten Myokardschadens dienen Troponine auch zur Evaluation der Prognose. Viele Studien haben dies für die Verläufe von 30 Tagen, 6 Monaten, 1 Jahr und darüber hinaus beschrieben.

Tab. 1 Nichtkoronare Ursachen von Troponinanstiegen (Auswahl)

Weitere Marker

Der andere Prognoseparameter der im Rahmen des akuten Koronarsyndroms am häufigsten verwandt wird, ist das hochsensitive CRP (hsCRP). Auch wenn der exakte Mechanismus, der im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms zum hsCRP-Anstieg führt, weiterhin nicht komplett verstanden wird, nimmt man an, dass der Myokardschaden selbst der inflammatorische Stimulus ist, welcher durch die chronische Inflammation verstärkt wird, die bei signifikanter koronarer Herzerkrankung vorliegt. Eine Vielzahl von Studien beschreibt die prognostische Bedeutung von hsCRP für alle Entitäten des akuten Koronarsyndroms für verschiedene Zeiträume [19].

Die American Heart Association (AHA) hat im Jahr 2009 für die Evaluation neuer kardialer Marker Kriterien entwickelt, welche den Evaluationsprozess klar beschreiben. Unter den Hauptprozessen befinden sich die folgenden Forderungen:

  1. 1.

    Neue Marker müssen prognostische Zusatzinformationen zu den etablierten Markern (sowohl hinsichtlich Spezifität als auch Sensitivität) erbringen.

  2. 2.

    Die klinische Bedeutung dieser Marker sollte sowohl das Patientenmanagement als auch die Prognose von Patienten beeinflussen.

  3. 3.

    Der Marker sollte kosteneffektiv sein.

Viele der aktuell diskutierten Marker erfüllen diese Kriterien nicht [33].

Risikostratifizierung

Die therapeutische Strategie sollte auf dem Boden des individuellen Risikos erfolgen. Bereits die Einteilung in die 3 Entitäten instabile Angina pectoris, NSTEMI und STEMI zeigt signifikant unterschiedliche Mortalitäten.

Zusätzlich sind bestimmte klinische Begleiterscheinungen mit einem deutlich erhöhten Risiko verbunden. Hierbei handelt es sich v. a. um: hohes Lebensalter, Diabetes mellitus (allein durch das Vorliegen eines Diabetes mellitus kommt es 50% häufiger zum negativen Outcome eines akuten Koronarsyndroms verglichen mit Nichtdiabetikern), extrakardiale Gefäßerkrankungen, Herzinsuffizienz und Acetylsalicylsäure (ASS) in der Begleitmedikation.

In den letzten Jahren wurden mehrere Risikoscores entwickelt, welche verschiedene Risikofaktoren kombinieren und in multivariaten Modellen zusammenfassen. Der TIMI-Risk-Score betrachtet beispielsweise 7 unabhängige Risikofaktoren:

  • Alter >65 Jahre,

  • das Vorliegen von mindestens 3 Risikofaktoren für eine koronare Herzerkrankung,

  • bekannte Koronarstenosen >50%,

  • eine ASS-Einnahme in den letzten 7 Tagen,

  • mindestens 2 Episoden von Angina pectoris in den letzten 24 h,

  • ST-Streckenveränderungen um mehr als 0,5 mm,

  • Nachweis kardialer Marker.

Durch Einsatz dieses Scores können prognostische Unterschiede zwischen 4,7% negatives Outcome und 40,9% negatives Outcome unterschieden werden. Außerdem werden Patienten erkannt, die von einer aggressiveren antithrombozytären Therapie mit Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten oder einem frühen invasiven Vorgehen profitieren [4]. Andere Scores wie der GRACE-Score [30] oder der PURSUIT-Score zeigen ebenfalls deutliche Unterschiede in der Prognose.

Medikamentöse Therapie und Begleittherapie

Zur Vorlastsenkung und besseren Oxygenierung werden weiterhin eine 30° Oberkörperhochlagerung und die Sauerstoffgabe über Maske oder Nasensonde empfohlen. Ältere Daten haben eine signifikante Reduktion der Infarktgröße bei Sauerstoffgabe nachgewiesen.

Antianginöse und analgetische Therapie

Eine adäquate Schmerztherapie führt zu einer Reduktion des myokardialen Sauerstoffbedarfs. Bei einem systolischen Blutdruck von über 90 mmHg ist die sublinguale Gabe von Glyzeroltrinitrat als Spray oder als Zerbeißkapsel auch aus diagnostischer Sicht sinnvoll. Prognostisch ist für die Gabe von Nitraten kein positiver Effekt nachgewiesen. Eine absolute Kontraindikation besteht bei Patienten nach der Einnahme von Sildenafil in den lezten 24 h und Tadalafil in den letzten 48 h [5].

Für eine stärkere Analgesie und zur zusätzlichen Sedierung ist insbesondere bei Patienten mit STEMI 1–5 mg Morphin bis zur Schmerzfreiheit indiziert.

β-Blocker

β-Blocker hemmen die β1-Rezeptoren des Herzens und wirken so negativ inotrop, chronotrop, dromotrop und bathmotrop. So senken sie den Sauerstoffbedarf des Herzens. Während ein Benefit für die Gabe nach einem Koronarereignis eindeutig belegt ist [31], ist die Gabe beim akuten Myokardinfarkt weiterhin umstritten. Die einzige größere Studie, die die Gabe von β-Blockern beim Myokardinfarkt untersucht hatte, war die COMMIT-Studie. Hierbei wurde allerdings durch die intravenöse Gabe eines β-Blockers bei akutem STEMI die Inzidenz eines kardiogenen Schocks verdreifacht [10].

Kalziumantangonisten

Kalziumantagonisten hemmen sowohl die myokardiale Kontraktion als auch die Kontraktion von glatten Muskelzellen. Hierdurch wird der myokardiale Sauerstofverbrauch reduziert, gleichzeitig wird der koronare Blutfluss erhöht.

Auch wenn in den letzten Jahren häufig β-Blockern der Vorzug gegeben wurde, werden Kalziumantagonisten bei Patienten empfohlen, die unter β-Blockern und Nitraten nicht beschwerdefrei sind oder die eine Kontraindikation für β-Blocker haben. Jedoch sollten nur langwirksame Kalziumantagonisten verwendet werden, da für kurz wirksame Kalziumantagonisten vom Nifedipintyp eine erhöhte Sterblichkeit gezeigt wurde. In der DAVIT-Studie, die Verapamil beim akuten Koronarsyndrom untersuchte, zeigte sich ein Trend für eine Reduktion von Mortalität und Infarktrate [11]. Ähnliche Ergebnisse konnten für Diltiazem gezeigt werden.

Andere antiischämische Substanzen

Ranolazin ist eine kürzlich zugelassene antiischämische Substanz, die bei mit Nitraten und β-Blockern therapierefraktärer Angina pectoris eingesetzt wird. In der MERLIN-Studie konnten erneute Ischämien reduziert werden, dies hatte jedoch keine prognostischen Effekte, sodass der kombinierte Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt und Reischämie unverändert blieb [24].

Thrombozytenaggregationshemmung

Die Thrombozytenaggregationshemmung ist der Eckpfeiler der Therapie des akuten Koronarsyndroms. Seit langem stellt die initiale parenterale Gabe von 250 mg Acetylsalicylsäure (ASS) i.v., gefolgt von einer Erhaltungsdosis von 100 mg oral einen Therapiestandard dar. ASS hemmt die Synthese von Thromboxan A2 durch eine irreversible Hemmung der Cyclooxigenase 1 und vermindert so die Thrombozytenaggregation. Für das akute Koronarsyndrom besteht eine Risikoreduktion um mehr als 50% [17].

Die Thrombozytenaggregationshemmung ist der Eckpfeiler der Therapie des akuten Koronarsyndroms

Seit der CURE-Studie, die 12.562 Patienten mit akutem Koronarsyndrom untersuchte, hat sich die duale antithrombozytäre Therapie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Hebung durchgesetzt [22]. Dabei wird die Gabe von ASS mit der Gabe von Clopidogrel kombiniert. Clopidogrel, das zur Gruppe der Thienopyridine zählt, ist ein irreversibler Hemmstoff des ADP-Rezeptors auf Thrombozyten. Hierdurch induziert es ebenfalls eine Thrombozytenaggregationshemmung. Mit den Daten der CLARITY-Studie und der COMMIT-Studie wurde die Indikation auf das akute Koronarsyndrom mit ST-Hebung ausgedehnt [27]. Nach den Daten der kürzlich publizierten CURRENT-Studie wurde die Loading-Dose auf 600 mg Clopidogrel und die Erhaltungsdosis auf 2×75 mg für die erste Woche und danach 1×75 mg Clopidogrel für 1 Jahr erhöht. Die Therapie sollte so früh wie möglich begonnen werden.

Prasugrel ist ein weiterer ADP-Rezeptorantagonist, dessen Wirkung jedoch stärker als die von Clopidogrel ist. In der TRITON-Studie zeigte sich bei 13.608 Patienten eine signifikante Risikoreduktion gegenüber Clopidogrel. Auch diese Substanz ist bereits zugelassen. Kurz vor der Zulassung steht der ADP-Rezeptorantagonist Ticagrelor, welcher in der PLATO-Studie untersucht wurde. Auch diese Substanz scheint Clopidogrel überlegen zu sein.

Eine noch stärkere Thrombozytenaggregationshemmung kann mit Glykoprotein- (GP-) IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten erzielt werden. Bei konservativer Therapie besteht lediglich eine Risikoreduktion um 9% [22]. Dagegen ist die Gabe eines GP-IIb/IIIa-Antagonisten im Rahmen einer perkutanen Koronarintervention (PCI) mit einer deutlich höheren Risikoreduktion vergesellschaftet [13]. Die Gabe ist indiziert als Upstream-Therapie bei allen Hochrisikopatienten mit akutem Koronarsyndrom.

Antikoagulation

Alle Patienten mit akutem Koronarsyndrom sollten so schnell wie möglich antikoaguliert werden. Prinzipiell stehen hierfür 4 Möglichkeiten zur Verfügung:

  • unfraktioniertes Heparin,

  • niedermolekulares Heparin,

  • Fondaparinux,

  • Bivalirudin.

Die Kombination von ASS mit einer Antikoagulation mit einem unfraktionierten Heparin ist der alleinigen Therapie mit ASS überlegen [32], wobei die aPTT 2-fach verlängert werden soll. Die Therapie sollte mindestens 48 h fortgesetzt werden. Um eine heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II (HIT II) frühzeitig zu erkennen, müssen regelmäßig Kontrollen des Blutbilds erfolgen.

Niedermolekulare Heparine sind durch die geringere Molekülgröße und den direkten Angriff auf die Faktoren Xa und IIa besser steuerbar. Außerdem kommt es seltener zum HIT II. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass der Einsatz niedermolekularer Heparine dem Einsatz von unfraktioniertem Heparin überlegen ist [1]. In der später durchgeführten SYNERGY-Studie kam es jedoch zu einer erhöhten Blutungsrate, wenn ein Crossover, also ein Wechseln von unfraktioniertem auf niedermolekulares Heparin oder ein Wechsel von niedermolekularem zu unfraktioniertem Heparin stattgefunden hatte [8]. Der Vorteil für niedermolekulare Heparine steigt mit zunehmendem Risiko der Patienten.

Der direkte Thrombininhibitor Bivalirudin wurde in der ACUITY-Studie mit unfraktioniertem Heparin verglichen. Bei mehr als 13.000 Patienten mit akutem Koronarsyndrom zeigte sich kein Unterschied für den primären Endpunkt, welcher eine Kombination aus Tod, Myokardinfarkt, ungeplante Revaskularisierung und schwere Blutung über 30 Tage darstellte. Jedoch zeigte sich insbesonders eine geringere Blutungsrate im Vergleich zur Kombination aus unfraktioniertem Heparin und GP-IIb/IIIA-Rezeptorantagonisten.

Der selektive Faktor-Xa-Hemmer Fondaparinux wurde in der OASIS-5-Studie untersucht. Bei über 20.000 Patienten war Fondaparinux Enoxaparin vergleichbar, zeigte allerdings ein deutlich günstigeres Sicherheitsprofil. Schwere Blutungen konnten um nahezu 50% reduziert werden. Ebenfalls zeigte Fondaparinux eine signifikante Reduktion der 30-Tages- und 6-Monats-Mortalität.

Statintherapie

Sollten keine Kontraindikationen vorliegen, so besteht eine Indikation zur Statintherapie unabhängig von der Höhe des LDL-Cholesterins. Das LDL-Ziel sollte niedriger als 100 mg/dl betragen. In der LIPID-Studie konnte durch eine Pravastatintherapie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom die Mortalität um 26% reduziert werden. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich in der PROVE-It-Studie, bei der Atorvastatin dem Pravastatin überlegen war [25].

Interventionelle Therapie

Die interventionelle Therapie stellt bei allen Risikopatienten mit akutem Koronarsyndrom den Therapiestandard dar. Während bei STEMI die Indikation zur unmittelbaren invasiven Abklärung besteht, sollte der NSTEMI innerhalb von 72 h invasiv untersucht werden [31].

Die interventionelle Therapie stellt bei allen Risikopatienten den Therapiestandard dar

Ein primär konservatives Vorgehen wird für Patienten mit einem niedrigen Risiko empfohlen, da das Outcome nicht schlechter ist als bei invasivem Vorgehen. Mehrere multizentrische Studien haben diese Empfehlung untersucht:

Die FRISC-II-Studie untersuchte 2457 Patienten mit instabiler Angina pectoris und NSTEMI und zeigte einen Vorteil für das invasive Vorgehen [4]. Die TACTICS-TIMI-18-Studie konnte diese Ergebnisse bei 2200 Patienten belegen. Patienten mit erhöhten Troponinwerten und einem hohen TIMI-Risk-Score (mindestens 3) zeigten den größten Nutzen. Allerdings muss auch erwähnt werden, dass manche Studien keinen Unterschied zeigten. Exemplarisch sei hier die ICTUS-Studie genannt, welche 120 Patienten mit akutem Koronarsyndrom untersuchte. Auch die aktuelle TIMACS-Studie konnte bei 3031 Patienten mit akutem Koronarsyndrom ebenfalls keinen Vorteil für ein frühinvasives Vorgehen nachweisen [21].

Eine Metaanalyse aller großen Studien beschreibt eine 25%ige Reduktion der Gesamtmortalität durch ein frühinvasives Vorgehen [2]. Für Patienten mit STEMI ist die Datenlage noch eindeutiger ([14]; Abb. 2). Zwar besteht für die Fibrinolyse noch immer eine Klasse-I-Indikation, bei entsprechenden Zeiten ist jedoch ein invasives Vorgehen überlegen [29].

Abb. 2
figure 2

Reperfusionsstrategien in Abhängigleit von Zeit und Ort (PCI: perkutane Koronarintervention; mod. nach [35]).

Strukturierte Versorgungskonzepte

Um die strukturelle Versorgung von Patienten mit akutem Koronarsyndrom zu verbessern, wurden in den letzten Jahren mehrere Chest Pain Units (CPU) installiert. Die Idee, diese Einheiten zu installieren, ist nicht neu [7]. In England und den USA gibt es CPU schon seit längerem, und hier liegen auch bereits erste Vergleichsdaten vor, welche eine qualitativ bessere Versorgung in einer CPU im Vergleich zur hergebrachten Versorgung in einer Notaufnahme beschreiben [12]. Daten aus England zeigen, dass insbesondere Patienten mit atypischer Präsentation eines Herzinfarkts zu oft ohne korrekte Diagnose aus einer Notaufnahme wieder entlassen werden. Diese Zahl liegt etwa bei 5–15%. Von diesen fälschlich Entlassenen mit akutem Myokardinfarkt sterben wiederum 11–25% innerhalb der nächsten 30 Tage [26, 34], während diejenigen Patienten, bei denen die Diagnose korrekt gestellt worden ist, nur halb so häufig versterben. Dies gilt in gleichem Maße für Patienten, die mit nicht erkannter instabiler Angina-pectoris-Symptomatik entlassen worden sind.

In den USA konnten für die Therapie in CPU noch bessere Ergebnisse gezeigt werden. Beispielsweise konnte die Mortalität bei Myokardinfarkt um bis zu 37% reduziert werden [16]. In den USA gibt es ca. 2000 solcher Einheiten, die Zahl verdoppelt sich aktuell jährlich. In 2–3 Jahren wird es dort mindestens 5000 CPU geben, d. h. sie werden dann in den USA flächendeckend eingeführt sein. In England ist die Situation ähnlich, es wird jedoch bereits beklagt, dass die Einführung der CPU nicht gut koordiniert sei [6].

Die Entwicklung in Deutschland hinkt dem noch hinterher, dennoch wurden in den letzten Jahren regional eingefärbte Strukturen entwickelt, welche einer CPU entsprechen. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie hat deshalb Qualitätskriterien definiert, welche einen nationalen Standard für CPU beschreiben [3]. Einer der wichtigsten Aspekte hierbei ist, dass eine CPU nicht nur ein räumliches Konzept darstellt, um unklaren Thoraxschmerz abzuklären, sondern vielmehr ein strukturelles Konzept beschreibt, welches eine bessere Vernetzung zwischen stationären Einrichtungen, ambulanten Einrichtungen, dem Notarzt und Patienten schafft. Anhand dieser Kriterien kann sich eine CPU im Rahmen eines strukturierten Prozesses zertifizieren lassen. Aktuell sind bereits mehr als 80 CPU in Deutschland zertifiziert.

Fazit für die Praxis

  • Beim Begriff „akutes Koronarsyndrom“ handelt sich zum einen um den Oberbegriff, welcher die 3 Entitäten instabile Angina pectoris, Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und ST-Hebungsinfarkt zusammenfasst.

  • Zum anderen dient der Begriff v. a. in der Notfallmedizin häufig als Arbeitsdiagnose für Patienten mit unklarem, akut aufgetretenem Brustschmerz. Aus diesem Grund müssen Patienten mit akutem Koronarsyndrom überwacht werden, bis ein Myokardinfarkt ausgeschlossen ist.

  • Die bevorzugten Marker zum Ausschluss eines Myokardschadens stellen Troponin T und I dar. Durch Senkung des Referenzwerts in den letzten Jahren steigt die Diagnose NSTEMI stetig an.

  • Medikamentös liegt die größte Bedeutung auf der Hemmung der Thrombozytenaggregation. Während die duale Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel immer noch der Therapiestandard ist, sind interessante neue Substanzen in der Entwicklung.

  • Bei Hochrisikopatienten hat sich das frühe invasive Vorgehen als das überlegene Konzept gezeigt.

  • In Deutschland entsteht in den letzten Jahren ein Netz aus Chest Pain Units (CPU), welche sich darauf spezialisiert haben, den Patienten mit akutem Brustschmerz zu versorgen. Diese Entwicklung wird von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) gefördert, die Zertifizierungsrichtlinien für CPU erstellt hat.