Die Beschäftigung mit der Neurolaryngologie eröffnet neue Horizonte in der Diagnostik und Therapie von Kehlkopferkrankungen. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die in der täglichen Praxis häufigsten neurolaryngologischen Erkrankungen.

Im Kontext der Phonochirurgie umfasst die Neurolaryngologie ein eigenständiges Kapitel neuromuskulär bedingter Stimmlippenmotilitätsstörungen, Dystonien und neurologischer Erkrankungen. Erst in den letzten Jahren erhielt die Neurolaryngologie als Reaktion auf Fortschritte bei der Behandlung neuromuskulärer Kehlkopferkrankungen mehr Wahrnehmung in der Fachliteratur. Zu den in der Neurolaryngologie genutzten diagnostischen Verfahren gehören die erweiterte Laryngoskopie, die Elektromyographie und Neurostimulation, aber auch die Topodiagnostik mittels Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie (CT). Das Verständnis der Neuropathophysiologie des Kehlkopfs erfordert die Kenntnis neurodegenerativer und regenerativer Prozesse. Für die Beschäftigung mit der Neurolaryngologie ist es unerlässlich, dass sich der Arzt mit den Grundlagen der Elektromyographie des Larynx (LEMG) vertraut macht.

Elektromyographie

Die Elektromyographie (EMG) bewertet die Integrität des neuromuskulären Systems durch Aufzeichnung von spontanen und willkürlichen Muskelaktionspotenzialen bei definierten Muskelanspannungsmanövern. Die EMG des Larynx (LEMG) dient dem Nachweis von Rekurrens‑/Vagusparesen, der Unterscheidung zwischen myogenen und neurogenen Schäden, von akuten und chronischen Paresen, der Erfassung des Ausmaßes der Denervation/Reinnervation, der Prognoseabschätzung einer Parese und der Therapiesteuerung (Tab. 1).

Tab. 1 Klinische Bedeutung der Larynx-Elektromyographie (LEMG)

Die Interpretation der LEMG erfordert elektrophysiologische Grundkenntnisse, und die richtige Nadelplatzierung will gelernt sein. Ungeachtet der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte hat die LEMG im Vergleich zur Laryngoskopie noch nicht den Stellenwert einer Routinediagnostik erlangt.

LEMG-Technik

Die LEMG-Signale werden abgeschirmt von 50-Hz-Störungen abgeleitet, verstärkt, auf einem Monitor sichtbar und über einen Lautsprecher hörbar gemacht. Ein 2‑/einkanaliges System mit Aufzeichnungsfunktion für die Nachbetrachtung ist für die meisten Fragestellungen ausreichend. Besser ist ein Mehrkanalsystem mit weiteren Kanälen für ein Atem- und Stimmsignal, wodurch bei einer späteren Befundung eine Zuordnung von LEMG-Signal und Manöver möglich wird.

Für das Erlernen der EMG-Interpretation ist eine Kooperation mit der Neurologie sinnvoll

Oft ist die Technik in der Neurologie vorhanden und kann mit genutzt werden. Auch für das Erlernen der EMG-Interpretation ist eine Kooperation mit der Neurologie sinnvoll. Außerhalb Deutschlands stehen meist Neurophysiologen in den EMG-Labors zur Verfügung.

Sowohl von der American Academy Otolaryngology–Head and Neck Surgery (AAO-HNS) als auch von der Europäischen Laryngologischen Gesellschaft (ELS) wurden Standards zu den technischen Voraussetzungen und Empfehlungen zur praktischen Durchführung der LEMG konsentiert [2, 22]. Weiterführende Informationen zur LEMG mit Video- und Bildbeispielen finden sie unter https://www.lemg.org in englischer Sprache, einer frei zugänglichen Plattform zum Erfahrungsaustausch zwischen LEMG-Experten und an der LEMG interessierten Kollegen.

Besonders eignen sich der M. thyroarytaenoideus (TA), der M. cricoarytaenoideus posterior (PCA) und der M. cricothyroideus (CT-Muskel) für die LEMG, wobei der TA am häufigsten untersucht wird. Es sind aber auch LEMG-Ableitungen aus dem M. cricoarytaenoideus lateralis (LCA) und den Mm. interarytaenoidei (IA) beschrieben. Die Muskeln können in Lokalanästhesie transkutan oder transoral erreicht werden. Für den transkutanen Zugang werden bipolare konzentrische Nadelelektroden (50–75 mm, 23–26 G) in der Mittellinie zwischen Ring- und Schildknorpel eingestochen und die Nadelspitze subepithelial zur betroffenen Seite nach lateral und um 30–45° nach kranial gelenkt. Nach Abklingen einer kurzen Einstichaktivität bestätigt ein Anstieg der LEMG-Aktivität (dichtes Interferenzmuster) bei Phonation die korrekte Elektrodenposition innerhalb des TA. Sollte keine EMG-Aktivität nachweisbar sein, kann eine länger bestehende Paralyse des TA aber auch eine Fehlpositionierung der Nadel die Ursache sein. Zukünftig könnte sonographisch die EMG-Nadelposition verifiziert werden [10].

Für die transorale LEMG sind bipolare Hakendrahtelektroden erhältlich. Die Elektroden werden mit einer speziellen Applikationsvorrichtung unter endoskopischer Sicht eingebracht. Diese Technik erlaubt nur für den TA eine bessere Kontrolle der Elektrodenposition, ist zeitaufwendig und technisch schwieriger. Bei Kindern und ängstlichen Patienten können diese Elektroden in Narkose im Rahmen einer aus anderem Grund notwendigen Mikrolaryngoskopie gelegt, das LEMG in der Aufwachphase abgeleitet und die Elektroden danach problemlos gezogen werden. Auch Simultanaufzeichnungen mehrerer Muskeln sind mit dieser Elektrodenart gut möglich.

Indikationen

Rekurrens- bzw. Vagusparese

Nur mit der LEMG kann eine Rekurrens- bzw. Vagusparese bei laryngoskopisch beobachtetem Stimmlippenstillstand bestätigt oder sicher ausschlossen werden [12]. Ein gesunder Muskel zeigt eine kurze Einstich-, aber keine pathologische Spontanaktivität und bei Willküranspannung ein dichtes Interferenzmuster mit hoher Variabilität der Amplituden (Abb. 1a). Für den klinischen Routineeinsatz ist es zweckmäßig, den Nervenschädigungsgrad in Neurapraxie, Axonotmesis oder Neurotmesis zu klassifizieren.

Abb. 1
figure 1

LEMG-Interferenzmuster des M. thyroarytaenoideus (TA) bei maximal lauter Phonation. a Normal dicht – ohne erkennbare Grundlinie, b leicht gelichtet – vereinzelt erkennbare Grundlinie, c stark gelichtet – Grundlinie zu 50 % oder mehr erkennbar, d Einzelfasermuster, e keine Willküraktivität, Detailvergrößerung rechts mit pathologischer Spontanaktivität (5-fach vergrößert). LEMG Larynxelektromyographie. (Mit freundl. Genehmigung © A.H. Müller, alle Rechte vorbehalten)

Für die Neurapraxie sind die diagnostischen Kriterien im LEMG der Nachweis eines gelichteten Interferenzmusters (Abb. 1b–d) ohne Denervierungszeichen, d. h. ohne pathologische Spontanaktivität. Neurapraxien haben eine gute Chance für eine funktionelle Erholung der Parese innerhalb von 8–12 Wochen.

Laryngeale Synkinesie ist die gleichzeitige Aktivierung ad- und abduzierender Kehlkopfmuskeln

Eine Axonotmesis (Axondurchtrennung) wird vermutet, wenn in der LEMG pathologische Spontanaktivität (Abb. 1e) nachgewiesen werden kann. Diese ist i. d. R. frühestens 10–14 Tage nach Beginn der Lähmung in der LEMG sichtbar. Wenn eine Reinnervation nach einer Axonotmesis auftritt, ist sie meist mit Folgeerscheinungen wie neuronalem Umbau, erkennbar an polyphasischen Potenzialen in der LEMG oder laryngealer Synkinesie, verbunden [3]. Die laryngeale Synkinesie bezeichnet die gleichzeitige Aktivierung adduzierender und abduzierender Kehlkopfmuskeln durch pathologische Nervenregeneration [5] und reduziert die Chancen auf Erholung der Parese [20].

Bei Vorliegen einer Neurotmesis (Durchtrennung des Nervs mit Distanz der Stümpfe) unterscheidet sich die LEMG nicht von einer hochgradigen Axonotmesis. Es fehlt jegliche Willküraktivität und nach 10–14 Tagen entwickelt sich eine lebhafte pathologische Spontanaktivität als Zeichen der Denervierung. Eine gewisse Reinnervierung über die Distanz der Stümpfe ist nicht selten, in aller Regel muss aber mit einer deutlichen Muskelatrophie gerechnet werden. Nicht selten kommt es auch zu einer Fremdinnervation durch Nervenfasern aus dem N. laryngeus superior oder dem Plexus pharyngeus. Eine andauernde vollständige Denervierung mit kompletter Muskelatrophie ist dagegen selten.

Die LEMG ermöglicht bei Nachweis eines schweren axonalen Schadens bzw. einer einsetzenden pathologischen Reinnervation die negative Prädiktion einer Bewegungswiederkehr [19]. In erster Linie ist die LEMG eine qualitative Untersuchung. Es gibt erste Ansätze zur Festlegung quantitativer Normen für die Rekrutierung motorischer Einheiten bei Gesunden und Patienten mit einseitiger Stimmlippenlähmung mittels Signaldichte- und Amplitudenanalysen [20].

Elektrisch evozierte Stimmlippenbewegung

Neu in der elektrophysiologischen Diagnostik des Kehlkopfs ist der Einsatz der elektrischen Neurostimulation. Wird die LEMG zur Untersuchung des neuromuskulären Status eines Muskels eingesetzt, so lassen sich nur mit dem Nachweis einer elektrisch stimulierbaren Stimmlippenbewegung die Chancen einer durch Neurostimulation zu verbessernden Kehlkopffunktion bewerten. Mittels systematischer Sondierung von Muskelabschnitten mit einer Nadelelektrode und anliegendem Stimulationsstrom (1,5 mA, 3 Hz) wird geprüft, ob die stattgehabte Reinnervation ausreicht, um eine Reizung terminaler Nervenfasern und damit eine auf die Stimmlippenposition wirksame Kontraktion des Zielmuskels zu bewirken [6]. Neben einer Eignungstestung für zukünftige Kehlkopfschrittmacherkandidaten kann diese Methode auch zum Ausschluss einer Stimmlippenfixierung klinisch genutzt werden.

LEMG-geführte Injektionen

Die durch LEMG gestützte Botulinumtoxin-Injektion in den TA und seltener in den PCA-Muskel bei Patienten mit spasmodischer Dysphonie hat seit vielen Jahren Eingang in die klinische Routine gefunden. Damit wird sichergestellt, dass die Injektionsnadel den Zielmuskel erreicht und das Medikament in Muskelabschnitte mit ausgeprägter EMG-Überaktivität eingespritzt wird [24]. Auch für Injektionslaryngoplastiken hat sich gezeigt, dass die LEMG-Nadelführung hilfreich sein kann [23].

Kehlkopfschrittmacher

Das Prinzip der Kehlkopfschrittmacherbehandlung beruht auf einer elektrisch stimulierten Stimmlippenabduktion zur Linderung der Atemnot bei beidseitiger Rekurrensparese. Die ersten Tierversuche zu diesem Therapieansatz erfolgten bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren [28]. Diese frühen Studien zeigten, dass künstlich hervorgerufene Lähmungen auch über einen längeren Zeitraum mit der Neurostimulation behandelt werden konnten [1]. Die erste klinische Anwendung erfolgte ab 1995 mit einem Standard-Schmerztherapie-Implantat (Itrel II, Fa. Medtronic, Minneapolis, MN, USA) mit Rückenmarkelektroden [27]. Diese Pionierarbeit zeigte die Umsetzbarkeit des Prinzips, konnte aber aufgrund technischer Probleme wie Elektrodenkorrosion mit der verfügbaren Technologie nicht fortgesetzt werden.

Der neue Ansatz der Stimulation erfordert eine pathologische Reinnervation zumindest eines PCA

Die präklinische Forschung der letzten 2 Jahrzehnte führte zur Nutzung der neuromuskulären Stimulation, die einen bis zu 100-fach geringeren Stromeintrag als die direkte Muskelstimulation benötigt, und zur Entwicklung einer minimal-invasiven Operationstechnik für die Einbringung der Stimulationselektroden in den Kehlkopf [7]. Dieser neue Ansatz der neuromuskulären Stimulation erfordert eine pathologische, z. B. synkinetische Reinnervation zumindest eines PCA [13].

Forscherteams in Gera, Würzburg und Innsbruck haben in Zusammenarbeit mit der Fa. MED-EL Elektromedizinische Geräte Gesellschaft m.b.H., Innsbruck, Österreich, die Entwicklung eines klinisch anwendbaren Implantats zur laryngealen Neurostimulation bei beidseitiger Rekurrensparese, bekannt unter dem Projekttitel „laryngeal pacemaker system“ (LP-System; Abb. 2 und 3), soweit vorangebracht, dass eine Machbarkeitsstudie an 9 symptomatischen Patienten initiiert werden konnte [14]. Diese Studie belegte die Sicherheit des chirurgischen Eingriffs und des implantierten LP-Systems. Aus Sicherheitsgründen wurde in dieser ersten Studie nur einseitig eine Elektrode implantiert. Der Kehlkopfschrittmacher führte nach Aktivierung zu einer sofortigen Verbesserung der Atemfunktion, der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität, ohne die Stimme des Patienten wie bei der Glottiserweiterungschirurgie zu beeinträchtigen [15, 17].

Abb. 2
figure 2

Kehlkopfschrittmachersystem (LP-System) bestehend aus dem LP-Prozessor (Steuereinheit mit Batterie und einer Spule zur induktiven Übertragung), dem LP-Implantat (interne Elektronik in einem Titangehäuse, Empfängerspule und Anschlüsse) und der aktiven LP-Elektrode zur minimal-invasiven Platzierung im PCA-Muskel; LP „laryngeal pacemaker“. (Mit freundl. Genehmigung © Fa. MED-EL Elektromedizinische Geräte Gesellschaft m.b.H., Innsbruck, Österreich, alle Rechte vorbehalten)

Abb. 3
figure 3

Kehlkopfschrittmachersystem in situ (eine der beiden möglichen LP-Elektroden im linken PCA-Muskel verankert; LP-Implantat in einer subkutanen Tasche vor dem Brustbein fixiert; LP-Prozessor durch Magnetkraft über dem LP-Implantat in Position gehalten); LP „laryngeal pacemaker“. (Mit freundl. Genehmigung © Fa. MED-EL Elektromedizinische Geräte Gesellschaft m.b.H., Innsbruck, Österreich, alle Rechte vorbehalten)

Die Entwicklung des Kehlkopfschrittmachers befindet sich noch im Stadium klinischer Studien. Gegenwärtige Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der mechanischen Langzeitstabilität der Elektroden und der Synchronisation der stimulierten Stimmlippenabduktion mit dem Atemzyklus des Patienten. In Zukunft soll die Eignung des Prinzips auch für die Stimmlippenadduktion bei Patienten mit einseitiger Lähmung und besonderen Stimmanforderungen untersucht werden.

Aufgrund seines Wirkprinzips erfordert der Kehlkopfschrittmacher als Eignungskriterien ein Mindestmaß an stattgehabter Reinnervation, den Ausschluss einer Fixierung der Krikoarytänoidgelenke und den Nachweis einer elektrisch evozierten Stimmlippenbewegung.

Neurolaryngologische Erkrankungen

Die für der HNO-Arzt und Phoniater vertrauteste neurologische Erkrankung des Kehlkopfs ist die Stimmlippenlähmung. In der Mehrzahl der Fälle finden sich die typischen Anzeichen einer peripheren Neuropathie mit verminderter Beweglichkeit und reduzierter Muskelspannung bis zum Einsetzen einer Reinnervation. Seltener kann aber der Kehlkopf auch von einer zentralen neurologischen Erkrankung betroffen sein. Komplexe spastische Lähmungen und gleichzeitige Sensibilitätsstörungen und Dysphagie weisen auf zerebrale Erkrankungen, Ruhetremor oder choreatische Bewegungen auf Erkrankungen des extrapyramidal-motorischen Systems hin. Bei Erkrankungen des Kleinhirns können Intentionstremor, Dysdiadochokinese oder Myoklonien auftreten. Die Tab. 2 gibt einen Überblick über die häufigsten neurolaryngologischen Erkrankungen und ihre Charakteristika. Ausgewählte neurologische Erkrankungen mit Beteiligung des Kehlkopfs werden nachfolgend näher beschrieben. Die peripheren Rekurrens‑/Vagus- und N.-laryngeus-superior-Paresen können als bekannt vorausgesetzt werden [16].

Tab. 2 Charakteristika der häufigsten neurolaryngologischen Erkrankungen

Zentrale Stimmlippenlähmungen

Bei Säuglingen und Kleinkindern diagnostizierte bilaterale Stimmlippenlähmungen sind sehr selten (0,75 Fälle/1 Mio. Geburten), i. d. R. angeboren und auf eine Läsion des 1. Motoneurons zurückzuführen. Etwa die Hälfte der angeborenen und viele erworbene Fälle sind mit anderen Anomalien wie Meningomyelozelen, Mittelhirn- oder Hirnstammfehlbildungen, Arnold-Chiari-Malformation oder einem Hydrozephalus assoziiert. Einseitige Lähmungen treten häufiger als beidseitige Lähmungen auf, werden aber erst verzögert diagnostiziert.

Daten zur Genesung kongenitaler Paresen liegen nur anhand kleiner Fallserien vor. Typisch sind spontane Erholungen bei Kindern ohne schwere Begleiterkrankungen zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr [8]. Das Auftreten von Willküraktivität in der Verlaufs-LEMG kann eine zu erwartende Erholung aufzeigen.

Das Auftreten von Willküraktivität in der Verlaufs-LEMG kann eine zu erwartende Erholung aufzeigen

Therapeutisch sollte die Schaffung eines sicheren Atemwegs und die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund stehen und wegen der Erholungschance auf zu frühe irreversible Glottiserweiterungen verzichtet werden.

Spasmodische Dysphonie

Die spasmodische Dysphonie muss als ätiologisch unklare fokale Dystonie angesehen werden. Dabei handelt es sich um eine Störung der zentralen Verarbeitung unbewusster motorischer Abläufe, die durch handlungsinduzierte Muskelspasmen gekennzeichnet ist. Extralaryngeale (Pharynx‑, Halsmuskulatur) und generalisierte Manifestationen können begleitend vorliegen. Zu unterscheiden sind der häufige Adduktortyp mit gepresster Stimme und Stimmlippenschlusskrämpfen, der Abduktortyp mit Stimmabbrüchen durch unkontrollierte Stimmlippenöffnung während der Phonation, Mischtypen und die Adductor Laryngeal Breathing Dystonia (ALBD), bei der es zu einer paradoxen Atmung kommt [9]. Die LEMG zeigt anfallsartige, dicht gebündelte und außergewöhnlich hochamplitudige Signale in den betroffenen Muskeln [26]. Besonders bei Mischtypen kann die LEMG helfen, die am stärksten betroffenen Muskelabschnitte zu identifizieren.

Da es sich bei der spasmodischen Dysphonie nicht um eine primäre Erkrankung des Kehlkopfs, sondern des zentralen Nervensystems handelt, bieten Eingriffe am Endorgan keine definitive Heilung. Am Beginn der Therapie bzw. bei Hinzutreten extralaryngealer Manifestationsorte sollten Patienten dem Neurologen zur weiteren Diagnostik und ggf. Einleitung einer medikamentösen Systemtherapie vorgestellt werden. Fokale Dystonien können Vorboten eines späteren Schlaganfalls sein.

Die Therapie mit Botulinumtoxin (BTX) ist derzeit die Behandlung der Wahl. Diese muss aber wegen der begrenzten Wirkdauer alle 3 Monate wiederholt werden. Die LEMG ist dabei hilfreich, den Zielmuskel zu identifizieren. Eine Stimmtherapie kann zusätzlich zur BTX-Therapie sinnvoll sein.

Nur bei Patienten mit Kontraindikationen für BTX oder wenn die BTX-Therapie im Verlauf versagt, sollte eine chirurgische Behandlung erwogen werden. In Japan wird bevorzugt die Lateralisationsthyroplastik (anteriore Spaltung des Schildknorpels mit Einsetzen einer Distraktionsspange) eingesetzt [11]. Die Langzeitergebnisse sind oft enttäuschend. Alternativ wird eine selektive Denervierung des TA-LCA-Komplexes mit Ansa-cervicalis-Anastomose [21] zur Fremdinnervation mit nicht betroffenen Neuronen oder die laserchirurgische Myoneurektomie des TA [18] mit im 12-Monats-Vergleich zur BTX-Therapie akzeptablem Ergebnis eingesetzt.

Apoplex

Eine expressive Aphasie im frontalen Kortex (Broca-Gebiet) oder eine rezeptive Aphasie im temporalen Kortex (Wernicke-Gebiet) sind bekannte klinische Anzeichen für einen Schlaganfall. Aber auch die kortikobulbären Bahnen und die Kerngebiete der Hirnnerven können von Schlaganfällen betroffen sein. Laryngoskopisch finden sich dann weit lateral gestellte Stimmlippen und verstrichene Hypopharynxtrichter mit schwerer Aspirationsneigung. Klinisch sind Stimmqualität, Sprachformung, Atmung und Schlucken beeinträchtigt.

Mit der LEMG kann eine periphere Nervenläsion beim Schlaganfall ausgeschlossen werden

Mit der LEMG kann eine periphere Nervenläsion ausgeschlossen werden. Im Gegensatz zu peripheren Nervenläsionen sind meist mehrere Hirnnerven betroffen. Daher orientiert sich das Vorgehen bei Schlaganfallpatienten an der Dringlichkeit der Probleme. Im Vordergrund stehen der Aspirationsschutz und die Sicherstellung der Atmung. Erst dann geht es um die Verbesserung von Stimme und Sprache. Therapeutisch stehen die logopädische Übungstherapie, die Verbesserung der Sensibilität im Kehlkopf durch Sekretbefreiung im Vordergrund. Nur im Einzelfall sind neben der Tracheotomie operative Interventionen, wie die Arytänoidadduktion oder die krikopharyngeale Myotomie, erforderlich. Augmentationen und Thyroplastiken allein helfen meist nicht, die Aspiration zu beherrschen.

Essenzielles Stimmzittern

Der essenzielle Tremor ist eine bei älteren Menschen nicht selten zu beobachtende (4 %) unwillkürliche Muskelkontraktion, meist im Bereich der Hand, der Beine oder des Kopfs. Aber auch die Kehlkopfmuskulatur kann von dieser idiopathischen Erkrankung mit familiärer Häufung betroffen sein. Man geht davon aus, dass der Tremor von einer gestörten Kontrolle der Stimmbandlänge und -spannung durch das Kleinhirn herrührt. Die Patienten berichten i. Allg. von einer langsamen Verschlechterung der Symptome über Monate bis Jahre. Die Symptomatik verschlechtert sich bei Angst oder Stress.

Charakteristisch sind symmetrische, rhythmische (5–8 Hz), handlungsunabhängige Spasmen des Endolarynx, des Pharynx und z. T. des Gaumensegels [25]. Die LEMG zeigt unwillkürliche Interferenzsteigerungen im Rhythmus von 5–8 Hz in allen untersuchten Kehlkopfmuskeln.

Die systemische Therapie mit dem Betablocker Propranolol oder den Antiepileptika Primidon oder Gabapentin beeinflusst meist nur die extralaryngealen Symptome. Von einer BTX-Behandlung wird allgemein abgeraten, da bei den meisten betroffenen Patienten begleitend eine Atrophie der Stimmlippen vorliegt, sodass die BTX-Behandlung nur die Heiserkeit und die Stimmanstrengung verstärken, durch ansaugende Stimmlippen sogar zu Dyspnoe führen könnte. Diesen Pathomechanismus umkehrend kann eine Verbesserung des Glottisschlusses durch Augmentation und anschließende Stimmtherapie die Stimme und die Beschwerden verbessern, auch wenn dadurch der Tremor nicht beseitigt wird.

Parkinson-Krankheit

Die Mehrzahl der Patienten mit M. Parkinson klagt neben Dysphagie auch über Stimmprobleme, die durch Stimmzittern, Abnahme des Stimmlippenvolumens, Heiserkeit und Kraftlosigkeit der Stimme gekennzeichnet sind [4]. Laryngoskopisch findet sich ein verlangsamter Stimmlippenschluss mit ovalärem Glottisspalt bei Phonation. Die LEMG zeigt ein erhöhtes Ruhe- und ein reduziertes Interferenzmuster bei Willküraktivität sowie bei älteren männlichen Parkinson-Patienten eine erhöhte Variabilität des Interspike-Intervalls.

Das Stimmzittern bei M. Parkinson ist im Unterschied zum essenziellen Tremor arrhythmisch

Das Stimmzittern ist im Unterschied zum essenziellen Tremor arrhythmisch. Durch Brustwandsteifigkeit ist die Atemunterstützung reduziert. Die Erkrankung wird häufig von Artikulationsstörungen, Hyposensibilität, reduzierter Larynxelevation, Aspirationsneigung und z. T. von kognitiven Problemen begleitet.

Als Ursache der Dyskinesie der Kehlkopfmuskeln wird eine Akkumulation von Synuklein im dorsalen Nucleus motorius des N. vagus angesehen. Die Standard-Parkinson-Behandlung erfolgt systemisch durch Ausgleich des Dopaminmangels mit L‑DOPA, begleitet von einer Verhaltenstherapie, die einen positiven Einfluss auf Stimm- und Sprachfunktion zeigt. Chirurgische Interventionen am Kehlkopf zeigen keine evidenten Erfolge. Im Einzelfall kann die Augmentation der Stimmlippen nützlich sein.

Fazit für die Praxis

  • Nur mittels Elektromyographie der Kehlkopfmuskeln (LEMG) kann das Vorliegen einer Rekurrens- oder Vagusparese bewiesen werden.

  • Eine ungünstige Prognose für die Erholung einer Stimmlippenlähmung kann mittels LEMG frühzeitig abgeschätzt werden.

  • Die Botulinumtoxin-Injektion ist derzeit die Therapie der Wahl bei laryngealen Dystonien.

  • Die Differenzialdiagnose zwischen Stimmlippenlähmung und -fixierung ist mittels LEMG und Neurostimulation möglich.

  • Eine elektrisch simulierbare Stimmlippenabduktion kann bei beidseitigen Paresen als Eignungskriterium für zukünftige Kehlkopfschrittmachertherapien angesehen werden.