Lernziele

Nach Lektüre dieses Artikels wissen Sie,

  • woran Sie sich orientieren können, um den Therapiezeitpunkt festzulegen,

  • welche Therapieoptionen es derzeit bei einseitiger Parese gibt,

  • worin Defizite der Behandlung beidseitiger Paresen bestehen,

  • welche neuen Therapieoptionen bei beidseitiger Parese evaluiert werden,

  • welche Besonderheiten im Kindesalter zu berücksichtigen sind.

Hintergrund

Ein laryngoskopisch diagnostizierter Stimmlippenstillstand darf nicht mit einer Rekurrensparese gleichgesetzt werden, da auch nichtneurogene Erkrankungen dazu führen können. Dieser Artikel fokussiert auf die Therapie diagnostisch gesicherter Rekurrensparesen .

Die Vielgestaltigkeit der klinischen Symptomatik und des Spontanverlaufs der Erkrankung erfordern eine individualisierte Therapieentscheidung [1]. Patienten wünschen eine frühzeitige Prognoseabschätzung und eine rasche Wiederherstellung der Lebensqualität. Neue Therapieformen, wie die Stimmlippenaugmentation bei einseitiger oder die dynamische Remobilisation bei beidseitiger Parese, konkurrieren mit der klassischen Thyreoplastik und der Glottiserweiterung. Zu frühe irreversible Interventionen reduzieren die Chancen auf Spontanheilung und machen spätere dynamische Therapieansätze meist unmöglich.

Planung des Therapiezeitpunkts

Die Entscheidung, ob und wann therapeutisch eingegriffen werden muss, hängt von 2 Faktoren ab – dem Beschwerdebild des Patienten und dem absehbaren Spontanverlauf einer Nervenregeneration.

Das Beschwerdebild wird nicht allein von der klinischen Ausprägung der Parese, sondern auch von den verbliebenen Kompensationsmechanismen, Begleiterkrankungen, dem Alter, der Lebenssituation und vom beruflichen Hintergrund beeinflusst. Diese Aspekte sollten gründlich erfasst und zur Nachvollziehbarkeit der Therapieentscheidung dokumentiert werden.

Die Vorhersage einer Nervenregeneration mit Funktionswiederkehr ist derzeit nicht sicher möglich. Demgegenüber kann eine negative Prognose frühzeitig durch die Ätiologie (maligner Tumor, Nervendurchtrennung) bzw. im Verlauf durch Larynxelektromyographie (LEMG) abgeschätzt werden, wenn Zeichen einer pathologischen Spontanaktivität, polyphasische Aktionspotenziale oder Synkinesien nachweisbar sind [2, 3].

Der Therapiezeitpunkt und die Reversibilität der Intervention müssen deshalb so gewählt werden, dass einerseits eine mögliche Wiederkehr der Stimmlippenbewegungen nicht durch irreversible Interventionen unwirksam wird und andererseits ein zu langes Hinauszögern der Intervention nicht zur Einschränkung der Therapieoptionen führt [4].

Die Hälfte der einseitigen (bei idiopathischen Paresen zwei Drittel der Fälle) und ein Drittel der beidseitigen Paresen zeigen eine Spontanremission innerhalb der ersten 12 Monate [5]. Einzelberichte weisen auf späte Regenerationen erst nach 2 Jahren nach dem Auftreten der Parese hin [6]. Am besten untersucht ist der zeitliche Verlauf der Spontanregeneration von Rekurrensparesen nach Schilddrüsenoperationen [7]. Für diese Ätiologie ist belegt, dass die Mehrzahl der Nervenregenerationen bereits in den ersten 6 Monaten abgeschlossen ist [8]. Dennoch ist das Watch-and-wait-Konzept noch nicht abschließend geklärt. Bis genauere Daten auf für andere Pareseursachen und für den Zeitraum 6.–24. Monat vorliegen, muss an dem bisherigen Paradigma, irreversible Interventionen nicht vor Ablauf eines Jahres vorzunehmen, festgehalten werden.

Frühe reversible Interventionen sind allerdings vor Ablauf von 12 Monaten möglich und wirksamer als zu einem späteren Zeitpunkt [7]. Für besonders aspirationsgefährdete Patienten (z. B. nach thoraxchirurgischen Eingriffen) ist die initiale Augmentation der gelähmten Stimmlippe in den ersten 4 postoperativen Tagen bereits etabliert und führte nachweislich zur Senkung der Pneumonierate [9].

Supportive Maßnahmen zur Linderung der Krankheitssymptome bei beidseitiger Parese sollten häufiger angeboten werden, bis eine chirurgische Rehabilitation erfolgen kann. Dazu zählen auch Beratung zur Vermeidung einer Gewichtszunahme, Atem- und Konditionierungstraining sowie in ausgewählten Fällen die Verordnung einer CPAP-Maske („continuous positive airway pressure“) für die Nacht.

Therapieoptionen

Einseitige Parese

Grundsätzlich sollte jeder Patient mit Stimmproblemen bei einseitiger Rekurrensparese eine Stimmübungstherapie (ST) erhalten, obgleich die wissenschaftliche Datenlage zum spezifischen Effekt dieser Behandlungsform noch unbefriedigend ist. Ziel der ST ist es, den Glottisschluss durch kompensatorische Kräftigung der gesunden Seite zu unterstützen, pathologische Kompensationsmechanismen zu verhindern und Anleitung zur Selbsthilfe zu geben [10]. Wenn die alleinige ST nicht ausreicht, kann die Kombination der ST mit einer transkutanen elektrischen Stimulation der Larynxmuskulatur hilfreich sein [11]. Die eigenen langjährigen Erfahrungen des Autors bestätigen das.

Kann nach 1–2 gut ausgeführten Übungszyklen keine hinreichende Stimmverbesserung festgestellt werden oder besteht am Beginn der Therapie ein so großer Glottisspalt, dass auch bei Gegendruck von außen keine stimmhafte Phonation möglich ist, sollte frühzeitig an eine temporäre Augmentation der gelähmten Stimmlippe mit einem resorbierbaren Material gedacht werden. Abhängig von der angestrebten Wirkdauer der Augmentation stehen verschiedene Substanzen zur Verfügung (Tab. 1). Für frühe Interventionen haben sich Hyaluronsäurepräparate am besten bewährt.

Tab. 1 Substanzen zur temporären Stimmlippenaugmentation

Für die dauerhafte Augmentation der Stimmlippe erfreuen sich in den letzten Jahren sog. Injektionslaryngoplastiken wachsender Beliebtheit. Ohne chirurgische transzervikale Intervention wird hierbei die Medialisierung der Stimmlippe durch die Injektion von permanent verbleibenden Substanzen in den paraglottischen Raum erzielt. Die exakte Platzierung ist von entscheidender Bedeutung. Deshalb ist die Ausführung mittels direkter Laryngoskopie in Narkose unter optischer Vergrößerung (Mikroskop oder Endoskop) zu empfehlen.

Die Injektion muss weit lateral erfolgen, um eine Reduktion der Schwingungsfähigkeit der Stimmlippe durch Entzündung und Vernarbung im M. vocalis bzw. Reinke-Raum zu vermeiden (Abb. 1). Die stimmverbessernde Wirkung kann die Augmentation nur entfalten, wenn sie genau in der Glottisebene wirksam wird. Durch Verwendung eines Retraktors können bei der Mikrolaryngoskopie die Taschenfalten geschützt und der Einblick auf den lateralen Stimmlippenanteil verbessert werden.

Zu oberflächliche Injektionen können bei dem unter Druck eingebrachten Material zum Austritt über den Stichkanal oder zur Ausbreitung in den Reinke-Raum führen. Ein zu tiefes Vorschieben der Kanüle in die Stimmlippe muss ebenso vermieden werden, um ein subglottisches Depot zu verhindern. Die Injektionsorte sollten so auf die Stimmlippe verteilt werden, bis eine vollständige Kontaktzone der augmentierten Stimmlippe zur gesunden Seite erreicht wird. Männer benötigen ein bis zu 60 % höheres Augmentationsvolumen als Frauen [12]. Die Tab. 2 gibt einen Überblick über die verwendeten Substanzen zur permanenten Augmentation. Injektionslaryngoplastiken stellen eine gute Alternative für Patienten mit erhöhten Operationsrisiko bzw. geringem Augmentationsbedarf dar.

Abb. 1
figure 1

Injektionslaryngoplastik. (* Querschnitt Taschenfalte, ** Querschnitt Stimmlippe, # Schildknorpel, ML Mittellinie, $ Depot der Injektion, & Querschnitt der augmentierten Stimmlippe)

Tab. 2 Substanzen zur permanenten Stimmlippenaugmentation

Von den chirurgischen Medialisierungsverfahren garantiert die von Issiki [13] eingeführte Thyreoplastik Typ I überwiegend gute Ergebnisse. Als Stempel zur Medialisierung der Stimmlippe werden sowohl individuell geformte Silikonblöcke (folio®, Fa. bess Medizintechnik, Berlin), autologer Schildknorpel, Keramik (VoCoM®, Fa. Olympus/Gyrus ACMI, Hamburg) und Titanspangen (TVFMI®, Fa. Heinz Kurz Medizintechnik, Dusslingen) verwendet. Die Studienlage belegt keine sichere Überlegenheit eines Materials [14], allenfalls eine Tendenz zu besseren Stimmergebnissen mit den Titanspangen [15].

Bei ausgeprägt eingekippten Aryknorpeln sollte die Thyreoplastik Typ I mit einer Arytänoidadduktion (AA) kombiniert [16] oder isoliert eine AA ausgeführt werden. Die Operation ist sowohl in Vollnarkose unter endoskopischer als auch in Analgosedierung unter funktioneller Kontrolle möglich. Neue Entwicklungen gehen in Richtung der weiteren Minimalisierung der Adduktionstechnik (Sling-Technik) [17]. Ebenso kann die Thyreoplastik Typ I, aber auch die AA mit einer Reinnervation der Adduktoren durch die Ansa cervicalis kombiniert werden. Diese im deutschsprachigen Raum noch wenig genutzte Option, bei der entweder eine Ansa-zu-Rekurrens-Anastomose ausgeführt oder die Implantation eines Nerv-Muskel-Transponats (Ansa-Ast zum M. sternohyoideus mit Muskelinsel) in die Adduktormuskulatur durch ein Schildknorpelfenster vorgenommen wird, bietet für das stimmliche Langzeitergebnis Vorteile [18, 19].

Im Reinnervationsverlauf wächst das Muskelvolumen, wodurch sich die Spannung der Stimmlippe und die Symmetrie der Schwingung bei Phonation verbessern. Insbesondere bei drohender Atrophie bzw. weit lateraler Stellung der Stimmlippe sollte an die Kombination der Thyreoplastik mit der Reinnervation gedacht werden. Der Patient muss darüber aufgeklärt werden, dass mit der Reinnervation nicht die Bewegungswiederkehr, sondern die Stellungskorrektur und Tonisierung der Stimmlippe angestrebt wird.

Beidseitige Parese

Nicht jede beidseitige Parese erfordert eine sofortige Intervention! Abhängig vom verbliebenen Glottisspalt, der Spannung der Stimmlippen und Patientenbegleitfaktoren (Gewicht, kardiopulmonale Komorbidität, individuelle Dyspnoetoleranz) gibt es einerseits Patienten, die nach frustranen Extubationsversuchen tracheotomiert werden müssen, und andererseits Patienten, die bei körperlicher Schonung keine Dyspnoe aufweisen. Mit dieser zuletzt genannten Patientengruppe kann nach gründlicher Aufklärung über die Unsicherheit einer Bewegungswiederkehr und des langen Reinnervationszeitraums eine Wait-and-see-Strategie besprochen werden. Starke körperliche Anstrengungen sollten ebenso wie eine Gewichtszunahme vermieden werden. Bei Atemwegsinfekten kann eine respiratorische Dekompensation auftreten. Deshalb müssen diese Patienten fachärztlich überwacht werden.

Logopädische Behandlungen sollten auf eventuell begleitende Schluckprobleme und auf ein relaxierendes Atemtraining begrenzt bleiben. Kräftigende Stimmübungen sind unbedingt zu vermeiden, da sie den Glottisspalt zusätzlich verengen können. Mit einsetzender Reinnervation nach 4–6 Monaten kommt es im günstigsten Fall zur Bewegungswiederkehr zumindest einer Seite und damit zu einem Abklingen der Belastungsdyspnoe. Für Patienten, bei denen die einsetzende Reinnervation nicht zur Bewegungswiederkehr, sondern zu einem Stellungswechsel der Stimmlippen mit Verengung des Glottisspalts führt, verstärkt sich in diesem Zeitraum die Dyspnoe.

Da noch eine Chance auf eine Bewegungswiederkehr bis zum Ablauf von 12 Monaten besteht, kommen zu diesem Zeitpunkt in der Regel nur reversible Interventionen in Betracht. Hierzu zählen die temporäre Laterofixation und Botoxinjektionen zur Schwächung der Adduktoren. Für die Laterofixation wurden die Lichtenberger- [20] und die Rovo-Methode [21] beschrieben. Das Lichtenberger-Instrument ist kommerziell verfügbar und ermöglicht eine endo-extralaryngeale Naht mit einem nichtresorbierbaren Faden zur Zügelung der Stimmlippe über dem Schildknorpel bzw. der Halshaut. Nachteilig sind das nicht immer zu vermeidende Einschneiden des Fadens und Granulationsbildungen. Mit dem modifizierten Nadelschieber nach Rovo gelingt es leichter, den Processus vocalis zu zügeln, allerdings ist das Instrument bislang nur in Ungarn zugelassen.

Die Evidenzlage zur Anwendung von Botulinumtoxin zur temporären „Glottiserweiterung“ ist begrenzt. Daher sollte die Anwendung nur nach vorheriger EMG-Untersuchung und gründlicher Patientenaufklärung über den Wirkverlauf und mögliche Nebenwirkungen erfolgen. Bei Botoxinjektionen in die Mm. cricothyreoidei zur Entspannung der Glottis [22] muss die Gefahr des inspiratorischen Ansaugens der Stimmlippen mit konsekutiver Erhöhung des Atemwegswiderstands als Risiko beachtet werden. Sicherer ist die Schwächung der Adduktionsmuskulatur.

Nach Ausbleiben einer zumindest einseitigen Bewegungswiederkehr und persistierender Dyspnoe gilt nach derzeitigem Standard die einseitige laserchirurgische Glottiserweiterung als Behandlungsmethode der Wahl. Offen chirurgische Glottiserweiterungen sind weitestgehend obsolet.

Seit Einführung der Laserarytänoidektomie [23] und der posterioren Chordotomie [24] wurden beide Methoden vielfach modifiziert und kombiniert. Einen guten Überblick der publizierten Methoden der laserchirurgischen Glottiserweiterung gibt eine Veröffentlichung von Sapundzhiev et al. ([25]; Abb. 2). Die Methodenvielfalt deutet auf einen Mangel einer idealen Behandlungsmethode hin, die sowohl eine ausreichende Reduktion des Atemwegswiderstands als auch den Erhalt der Stimmfunktion gewährleistet.

Eine prospektive Studie zur Wirksamkeit und den stimmlichen Folgen der in Deutschland und Österreich derzeit eingesetzten laserchirurgischen Verfahren offenbarte einen Trend zur Abkehr von ausgedehnten Resektionen [26]. Die Belastungsfähigkeit und Lebensqualität der so behandelten Patienten verbesserte sich bei einer moderaten Steigerung der spirometrisch beurteilten Atemfunktion. Auf diese Weise blieb die objektiv messbare Verschlechterung der Stimmfunktion hinter den Befürchtungen der Patienten zurück [27].

Dieses Balancieren der Glottiserweiterung in Richtung Erhalt einer akzeptablen Stimme ging mit einem relevanten Schwellungsrisiko (45 %) und der Notwendigkeit von Revisionsoperationen (25 %) im Beobachtungszeitraum der Studie (6 Monate) einher. Alle laserchirurgischen Verfahren haben den Nachteil, dass sie irreversibel sind und statisch den Glottisspalt erweitern.

Abb. 2
figure 2

Methoden der laserchirurgischen Glottiserweiterung, betrachtet nach Ort und Ausmaß der Resektion. (Nach Sapundzhiev et al., aus [25], mit freundl. Genehmigung)

Dynamische Therapieansätze

Die Wiederherstellung einer an den Atembedarf adaptierten Öffnung unter gleichzeitigem Erhalt der Schlussfähigkeit der Stimmritze kann nur durch Rehabilitation der Kehlkopfmotorik erreicht werden.

Reinnervationstechniken

Nichtselektive Reinnervationen, wie die Rekurrensnaht oder die Anastomosierung der Ansa cervicalis mit dem N. recurrens, versorgen Abduktor- und Abduktorfasern mit dem gleichen Spendernerv. Sie führen nicht zu einer Bewegungswiederkehr der Glottis, können aber Atrophien der Kehlkopfmuskulatur vorbeugen. Lediglich die selektive Reinnervation der Abduktoren kann eine zumindest partielle Wiederkehr der Glottisöffnung ermöglichen. Die von Tucker [28] angegebene selektive Reinnervation eines M. cricoarytaenoideus posterior (PCA) durch ein Nervmuskeltransplantat der Ansa cervicalis konnte bisher nicht hinreichend reproduziert werden. Marie et al. [29] gelang es, ein Verfahren zur beidseitigen selektiven motorischen Reinnervation des Larynx am Menschen zu etablieren, bei dem die Adduktoräste des N. laryngeus recurrens („recurrent laryngeal nerve“, RLN) bds. mit Ansa-cervicalis-Ästen anastomosiert und beide PCA über ein freies Y‑Nerventransplantat mit der C5-Wurzel des rechten N. phrenicus versorgt werden. Das aufwendige operative Verfahren (>6 h Op.-Dauer) ist außerhalb Frankreichs noch wenig bekannt und erfordert gute Kenntnisse der chirurgischen Neuroanatomie. Bei der Beratung des Patienten muss der Operationsumfang, die Notwendigkeit einer Tracheotomie und der naturgemäß erst nach 6–9 Monaten im Zuge der Reinnervation eintretende Therapieeffekt aufgeklärt werden.

Kehlkopfschrittmacher

Das Prinzip der funktionellen Elektrostimulation, das beispielsweise bei Herzschrittmachern angewendet wird, konnte in der 1980er-Jahren in Tierversuchen auf den Kehlkopf übertragen werden. Die erste humane Elektrostimulation des PCA-Muskels erfolgte mit einem für die Schmerztherapie entwickelten Impulsgenerator durch Zealear et al. Mitte der 1990er-Jahre [30]. Wegen Elektrodenkorrosion wurden keine weiteren klinischen Studien mit diesem Implantat angeschlossen.

Die Mehrzahl der sich nicht erholenden Rekurrensparesen mündet in eine synkinetische Reinnervation der Abduktor- und Adduktormuskeln. Der neurophysiologische Vorteil dieser Situation ist die Wiederherstellung neuromuskulärer Einheiten zwischen Endästen des N. recurrens und dem PCA. Die Aktivierung des PCA zur inspiratorischen Glottisöffnung kann somit durch selektive Reizung dieser Nervenäste im PCA mit kleinsten elektrischen Impulsen erfolgen. Aktuelle klinische Studien greifen dieses Prinzip der selektiven Neurostimulation („laryngeal pacing“) auf, in ihnen wurde für den sog. Kehlkopfschrittmacher (LP-System, Fa. Med-EL, Innsbruck, Österreich) die sichere Anwendbarkeit für Patienten mit beidseitiger Parese gezeigt [31]. Mit dieser bislang noch im Stadium klinischer Studien befindlichen Therapieoption ließ sich in einer prospektiven Multizenterstudie eine zur laserchirurgischen Glottiserweiterung vergleichbare Verbesserung der Atemfunktion bei gleichzeitigem Erhalt der prätherapeutischen Stimm- und Schluckfunktion erreichen [32]. Zur Einordnung dieses vielversprechenden dynamischen Therapieansatzes in künftige Behandlungskonzepte sind weitere klinische Studien und die Zulassung als Medizinprodukt abzuwarten.

Besonderheiten im Kindesalter

Die Diagnose einer Rekurrensparese wird aufgrund der in diesem Alter erschwerten Laryngoskopie häufig verzögert gestellt und z. T. mit anderen Atemwegserkrankungen (Asthma) verwechselt. Bislang zu Unrecht unterschätzt, kann die für Kind und Untersucher gleichermaßen stressfreie Sonographie des Kehlkopfs einen Stimmlippenstillstand in den meisten Fällen ausschließen [33]. Frühzeitig sollte der kinderlaryngologisch erfahrene HNO-Arzt hinzugezogen werden.

Kongenitale Rekurrensparesen weisen eine höhere Wahrscheinlichkeit einer spät eintretenden Spontanerholung im Vergleich zu idiopathischen Paresen im Erwachsenenalter auf [34]. Diesem Umstand ist unbedingt bei der Planung irreversibler Operationen Rechnung zu tragen. Dennoch kann die frühe Intervention zur Vermeidung einer noch kritischer einzuschätzenden Tracheotomie im Kleinkindesalter notwendig sein. Die Glottiserweiterung sollte unbedingt auf eine Seite begrenzt bleiben. Lateralisierende Verfahren unter Erhalt der phonatorisch relevanten Strukturen sind resezierenden vorzuziehen. Für Kinder kann bei ausbleibender Spontanerholung in Abwägung von Risiko, Begleiterkrankungen die selektive Reinnervation erwogen werden.

Fazit für die Praxis

  • Bei iatrogener Nervendurchtrennung sollte die Nervennaht erwogen werden.

  • Zu frühe irreversible therapeutische Interventionen sind sowohl bei ein- als auch beidseitigen Paresen zu vermeiden.

  • Die derzeit gebräuchlichen statischen Stellungskorrekturen der gelähmten Stimmlippen (Medialisation/Lateralisation) könnten perspektivisch durch remobilisierende dynamische Optionen abgelöst werden.