Einführung

Der Artikel beschreibt die Planung und Initiierung einer multizentrischen, nationalen, klinischen Studie mit dem Titel „Effektivität und Sicherheit der systemischen HOchDOsis-GlukoKORTikoidtherapie beim Hörsturz, eine drei-armige, randomisierte, dreifachverblindete Studie“ (HODOKORT: http://hodokort-studie.hno.org/). Die Studie wird finanziell vollständig gefördert im Rahmen des Förderprogramms „Klinische Studien mit hoher Relevanz für die Patientenversorgung“ im Rahmenprogramm Gesundheitsforschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und ist eine der beiden ersten Studien des Deutschen Studienzentrums für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DSZ-HNO, Bonn).

Basierend auf dem ungenügenden wissenschaftlichen Evidenzniveau einer Hochdosisglukokortikoidtherapie bei Hörsturz soll mithilfe der klinischen Studie die Wirksamkeit einer intravenösen oder oralen primären, systemischen Hochdosisglukokortikoidtherapie im Vergleich zur international empfohlenen Standarddosistherapie in der Behandlung des einseitigen akuten idiopathischen Hörverlustes („Hörsturz“) bestimmt werden.

Notwendigkeit hochwertiger klinischer Studien

In der präklinischen und klinischen Forschung steht – getrieben durch unterschiedliche Ursachen – eine wachsende Zahl biomedizinischer Zeitschriften und Publikationen einem sinkenden Anteil von bezüglich Studiendesign, Durchführung und Berichterstattung qualitativ hochwertigen und biometrisch ausreichend abgesicherten klinischen Studien gegenüber. Initial vielversprechende Ideen und Hypothesen führen häufig nicht zu den erhofften Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung [18]. Chalmers und Glasziou [5] identifizierten Ursachen für vermeidbare Verschwendungen in der biomedizinischen Forschung. Sie schätzten, dass auch ohne Betrachtung von (möglicher) Ineffizienz in Regulation und Forschungsmanagement circa 85 % der Investitionen in der biomedizinischen Forschung einem unnützen Aufwand gleichzusetzen sind. Detaillierte Lösungsvorschläge sind unter anderem in einer Serie von Artikeln in der Zeitschrift The Lancet (The Lancet Research: Increasing Value, Reducing Waste Series [18]) publiziert worden.

Insbesondere im Falle nichtkommerzieller, wissenschaftsinitiierter Studien (wie der in diesem Artikel vorgestellten klinischen Studie) spielt der Anteil an Studien aus dem HNO-Fachgebiet nur eine untergeordnete Rolle.

Umso mehr ist die Bewilligung des Förderantrags im hochkompetitiven Programm des BMBF als Erfolg, aber natürlich auch als Verpflichtung zur Durchführung einer randomisierten kontrollierten Studie in höchster Qualität zu werten. Selbstverständlich bedeutet dies, die für klinische Prüfungen nach Arzneimittelgesetz (AMG) geltenden internationalen Standards der ICH-GCP und nationaler Gesetzgebung umzusetzen, um das Wohl des Patienten und die Validität der Daten zu gewährleisten.

Im Sinne des BMBF-Förderprogrammes ist eine Studie entstanden mit stark patientenorientiertem Studiendesign, mit klar definierten, restriktiven Ein- und Ausschlusskriterien und limitierter Datenmenge. Ziel ist es, unter Einbindung eines professionellen Studienmanagements (KKS Halle) effizient durch Verblindung unverfälschte, reproduzierbare und verwertbare Daten zu generieren und damit einen Beitrag zu „biomedical research: increasing value, reducing waste“ [18] zu leisten. Entsprechend aktueller und gerechtfertigter Forderungen nach vollständiger Transparenz [6, 14] und im Sinne des BMBF-Förderprogrammes sollen neben der Publikation des Studienprotokolls die Ergebnisse über das DSZ-HNO vollumfänglich zugänglich gemacht werden.

Evidenzlage bei der Hörsturztherapie

Laut WHO leiden weltweit 360 Mio. Menschen unter Hörbehinderungen. In der Europäischen Union geht man von 434.000 unter Taubheit und 44.000.000 unter Hörbehinderung leidenden Menschen aus. Einer aktuellen epidemiologischen Untersuchung zum Hörstatus (HÖRSTAT) zufolge liegt in Deutschland (im Nordwesten) die Prävalenz von Schwerhörigkeit nach der WHO-Klassifikation bei etwa 16 % [11].

In der „global burden of disease“-WHO-Liste stehen Hörbehinderungen an 15. Stelle und an 2. Stelle in Bezug auf „Lebensjahre mit Behinderung“. Die Mehrzahl der von Hörverlust betroffenen Patienten (> 80 %) leidet unter einem Hörverlust des sensorineuralen Typs (Schallempfindungsstörung). Neben alters- und medikamentenbedingtem sowie lärminduziertem Hörverlust ist der Hörsturz eine der häufigsten Ursachen.

Die Inzidenz des Hörsturzes in der Bevölkerung der Industriestaaten wurde auf 5–20 pro 100.000 Menschen geschätzt [4]. Neuere Untersuchungen in Deutschland legen allerdings nahe, dass die Inzidenz mit 160 [21] bis 400 pro 100.000 Menschen [15] sehr viel höher liegt. Das mittlere Alter der Patienten, welche in randomisierte kontrollierte klinische Studien eingeschlossen wurden, liegt zwischen 45 und 55 Jahren. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Ein Hörsturz tritt in der Kindheit selten auf.

Die Behandlung des Hörsturzes mittels systemischer Standarddosissteroidtherapie bzw. anderen Medikamenten wurde bereits in Reviews, Cochrane-Metaanalysen und randomisierten kontrollierten klinischen Studien untersucht, z. B. [8, 16, 20, 28], allerdings ohne klar die Wirksamkeit einer dieser Therapieformen aufzuzeigen. Trotzdem werden systemisch applizierte Steroide weltweit als Standard für die primäre Therapie des Hörsturzes angewendet [22]. Für Situationen, in denen Steroide als Zweitlinien-(Reserve-)Therapie zur Anwendung kommen, weisen aktuellere Metaanalysen auf einen möglichen Vorteil lokal (intratympanal) applizierter Steroide [13, 23] hin, nicht jedoch im Falle einer Anwendung als Primärtherapie des Hörsturzes. Die niedrige Gesamtzahl der im Rahmen dieser Studien behandelten Patienten führt zu einem hohen Risiko eines Bias.

Die Rationale für die Behandlung des Hörsturzes (ISSHL) mit systemisch angewendeten, hoch dosierten Steroiden basiert auf retrospektiven Kohortenstudien. Alexiou et al. [1] analysierten retrospektiv die Audiogramme von 603 Patienten mit Hörsturz, von denen 301 Patienten (1986–1991) keine Steroide erhielten und 302 Patienten (1992–1998) mit hoch dosierten intravenös applizierten Steroiden (Prednisolon) behandelt wurden. Es zeigte sich ein Vorteil für die mit der Hochdosissteroidtherapie behandelte Patientengruppe. Gallo et al. [12] untersuchten retrospektiv die Effektivität einer systemischen Hochdosistherapie mit Dexamethason (oral) und konnten eine signifikante Verbesserung des Hörvermögens gegenüber der Kontrolle, welche mit dem in der Klinik früher üblichen Verfahren (Standard Prednison) behandelt wurden, feststellen. Westerlaken et al. [30] führten eine randomisierte klinische Studie durch und konnten keinen Vorteil einer Superhochdosissteroidtherapie gegenüber Standarddosis-Prednisolon feststellen. Niedermeyer et al. [19] zeigten, dass die Cortisolspiegel im Innenohr nur nach der intravenösen Applikation von 250 mg Prednisolon erhöht waren, nicht jedoch nach 125 mg i. v. In der deutschen Leitlinie „Hörsturz“ wird somit die Anwendung hoch dosierter Steroide (250 mg Prednisolon oder eine äquivalente Steroiddosis) für die primäre Therapie des Hörsturzes empfohlen, obwohl der Nutzen, wie bereits erwähnt, bis dato nicht durch randomisierte kontrollierte klinische Studien belegt ist.

Die Anwendung der Hochdosissteroidtherapie bei der Behandlung des akuten idiopathischen Hörverlustes wird zwar von der deutschen AWMF-Leitlinie „Hörsturz“ empfohlen und in der klinischen Routine weithin angewendet, allerdings wurde die Wirksamkeit und Sicherheit bisher noch nicht in randomisierten kontrollierten klinischen Studien verifiziert. Die Forschungsergebnisse, welche im Rahmen des geplanten Vorhabens generiert werden, sollen diese Evidenzlücke schließen helfen und die klinische Unsicherheit bei der Anwendung der Hochdosissteroidtherapie im medizinischen Alltag ein Stück weit beseitigen.

Das Studienzentrum HNO

Das Deutsche Studienzentrum für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DSZ-HNO) ist ein Kooperationsprojekt der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V., dem Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e. V., dem Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS) und dem Studienzentrum des Universitätsklinikums Freiburg (http://dsz-hno.hno.org).

Das Team des DSZ-HNO bietet Hilfestellung bei der Planung, Durchführung und Veröffentlichung von ausgewählten Studien. Hierzu gehören auch Beratungen zu allen Aspekten klinischer Studien wie Finanzierung, Datenerhebung oder Besuche von Studienzentren vor Ort. Im Fokus stehen insbesondere nationale und internationale multizentrische Studien mit klinischem oder translationalem Ansatz. Aber auch chirurgische Fragestellungen, (Verfahrens-)Register und Projekte der Versorgungsforschung sollen kontinuierlich in den nächsten Jahren identifiziert und auf den Weg gebracht werden. Durch die enge Anbindung an das Studienzentrum des Universitätsklinikums Freiburg wird vorhandene interdisziplinäre Fachkompetenz gezielt genutzt [10].

Das BMBF-Programm „Klinische Studien“

Das Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung verfolgt das Ziel, den Transfer von Forschungsergebnissen in den medizinischen Alltag zu beschleunigen. Das BMBF fördert dabei klinische Studien, die

  • inhaltlich den Wirksamkeitsnachweis von Therapiekonzepten prüfen,

  • eine Intervention an Patienten beinhalten und

  • eine konfirmatorische Zielsetzung aufweisen.

Auch sind systematische Übersichtsarbeiten von klinischen Studien nach internationalen Standards förderfähig.

Voraussetzung für die Förderfähigkeit ist, neben der Relevanz für Patienten, dass die klinischen Studien multizentrisch, prospektiv und kontrolliert geplant und dabei geschlechts- und altersgruppenspezifische Aspekte in angemessener Weise berücksichtigt werden. Der Antragsteller muss seine Expertise dabei durch eigene Vorarbeiten und Publikationen belegen. Durch die derzeit (Februar 2016) stattfindende systematische Betrachtung möglicher patientenrelevanter Evidenzlücken in der HNO ist die Erwartung, dass durch die Zusammenarbeit von DSZ-HNO, der Deutschen Gesellschaft für HNO KHC und des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte mit den jeweiligen klinischen Experten Projektideen generiert werden, die seitens des BMBF als förderfähig anerkannt werden.

Ablauf der Antragstellung

Im Jahr 2012 erfolgte die Beratung der eingegangenen Projektvorschläge durch den Lenkungsausschuss des neu gegründeten Studienzentrums HNO der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (Bonn) (DSZ-HNO). Vom Lenkungsausschuss wurden zwei Vorschläge als erste Studien im Rahmen des Studienzentrums ausgewählt [29]. Unter Federführung des Erstautors erfolgte am 27.6.2013 die Einreichung der englischsprachigen Projektskizze beim BMBF. Am 13.12.2013 erfolgte die Aufforderung des BMBF zur Einreichung des englischsprachigen ausführlichen Vollantrages, welche am 31.1.2014 fristgerecht beim Projektträger des BMBF, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eingereicht und von vier, vermutlich hauptsächlich internationalen Gutachtern evaluiert wurde. Am 1.7.2014 erfolgte die vorbehaltliche Förderzusage durch das BMBF und die Aufforderung zur Beantwortung der Gutachterkommentare und Einreichung des Antrages auf Gewährung einer Bundeszuwendung auf Ausgabenbasis (AZAP). Dieser wurde am 19.12.2014 eingereicht. Der Beginn aller finanzierten Studienleistungen (einschließlich der Auswahlbesuche, der Erstellung von Studienprotokoll, Patientenaufklärung und Einwilligungserklärung etc.) war am 16.3.2015. Die Fördersumme beträgt gesamt 1,9 Mio. Euro. Die vom BMBF geforderten Auswahlbesuche (erster Besuch am 26.1.2015) erfolgten bei 50 interessierten Studienzentren, von denen 42 Zentren (23 Universitätskliniken, 17 Hauptabteilungen und 2 Praxen) ausgewählt wurden.

Studienorganisation und Ablauf

Der Leiter der klinischen Prüfung ist Univ.-Prof. Dr. med. Stefan Plontke (Halle/Saale). Als Sponsor im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) fungiert die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Finanzierung erfolgt über das BMBF-Programm „Klinische Studien mit hoher Relevanz für die Patientenversorgung“ im Rahmenprogramm Gesundheitsforschung. Das Trial Management für die audiologischen Zielparameter übernahm Prof. Dr. rer. nat. rer. medic. habil. Torsten Rahne (Halle/Saale). Der verantwortliche Biometriker ist Dr. biol. hum. MA Christoph Meisner (Tübingen). Das Trial Management für die internistischen Inhalte und Zielparameter übernimmt Univ.-Prof. Dr. med. Matthias Girndt (Halle/Saale).

Die HODOKORT-Studie wird von den Fachgesellschaften „Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V.“ (Bonn) und dem Deutschen Berufsverband der HNO-Ärzte e. V. (Neumünster) inhaltlich (nicht finanziell) unterstützt. Weitere Unterstützung erhält die Studie durch das Deutsche Studienzentrum für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DSZ-HNO) und das Studienzentrum Freiburg. Die Prüfmedikation wird hergestellt von der Firma mibe GmbH Arzneimittel (Münchener Straße 15, 06796 Brehna). Die Studienkoordination hat das Koordinierungszentrum für Klinische Studien der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (KKS Halle) übernommen. Im Ergebnis der positiven Begutachtung eines Förderantrages an das BMBF wurde das Koordinierungszentrum für Klinische Studien (KKS) Halle als Dienstleistungseinrichtung der Medizinischen Fakultät im Jahr 2002 gegründet und gehört damit zu bundesweit 12 geförderten KKS, die im KKS-Netzwerk organisiert sind. Nach Auslaufen der Anschubfinanzierung des Bundes im Jahr 2008 sichern das Volumen der eingeworbenen Drittmittel sowie eine Finanzierungszusage der Fakultät den Fortbestand des KKS Halle (http://www.kks-halle.de/cms5/index.php?q=content/kontakt).

Zur Mitarbeitet im Data Safety and Monitoring Board (DSMB) haben sich Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Ralph Mösges FAAAAI (Köln), Dr. rer. nat. Claudia Schmoor (Freiburg) und Prof. Dr. med. Martin Fassnacht (Würzburg) bereit erklärt.

Bei der Antragstellung und der Auswahl der patientenrelevanten Zielparameter wurden der Deutsche Schwerhörigenbund e. V. (DSB, Berlin), die Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft e. V. (DCIG, Senden) und die Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten – Selbsthilfe und Fachverbände (DG, Rendsburg) einbezogen.

Der zeitliche Ablauf der Studie ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Geplanter Zeitverlauf der Studie

Ziel der Studie

Das Ziel der klinischen Studie ist die Bestimmung der Wirksamkeit einer intravenösen oder oralen primären, systemischen Hochdosisglukokortikoidtherapie im Vergleich zur international empfohlenen Standarddosistherapie in der Behandlung des einseitigen akuten idiopathischen Hörverlustes („Hörsturz“).

Die Patienten erhalten entweder die „experimentelle Therapie 1“ (5 Tage 250 mg/d Prednisolon intravenös) plus Placebo oral 10 Tage oder die „experimentelle Therapie 2“ (5 Tage 40 mg/d Dexamethason oral) plus Placebo intravenös 5 Tage und oral 5 weitere Tage oder eine Kontrolltherapie (60 mg Prednisolon oral über 5 Tage + ausschleichende Dosen Prednisolon) plus Placebo intravenös 5 Tage. Das dreiarmige Parallelgruppenstudiendesign ist schematisch in Abb. 2 dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung des dreiarmigen Parallelgruppenstudiendesigns. Die „Kontrolltherapie“ (mittlere Linie; mittlere Prednisolondosis) stellt die international empfohlene Standardtherapie dar. Die „Experimentelle Therapie 2“ (untere Linie, orale Hochdosis-Dexamethason-Therapie) erfolgt nach [12]

Die Behandlung der Kontrollgruppe ist eine standardmäßig angewandte Behandlungsmethode. Potenzielle Risiken für die Patienten in den experimentellen Therapiearmen könnten sein: temporäre Hyperglykämie, Bluthochdruck oder Steroidpsychose. Schwere Schädigungen werden für die Teilnehmer nicht erwartet, dennoch werden alle Patienten sowohl während deren Behandlung im Rahmen der Studie als auch in der 6‑monatigen Nachbeobachtung klinisch überwacht. Den Risiken steht gegenüber, dass die Studienteilnehmer im Berufs- sowie Privatleben durch ein verbessertes Hör- und Kommunikationsvermögen profitieren könnten, ohne den kostenintensiven und invasiven Einsatz einer Hörhilfe zu beanspruchen.

Ein unabhängiges Data Safety Monitoring Committee (DSMC) wird die Sicherheitsdaten im Laufe der Studie überwachen. Das DSMC wird Empfehlungen zur weiteren Durchführung der Studie, z. B. zur Fortsetzung/zum Stopp des Patienteneinschlusses, zu Änderungen des Prüfplanes oder zum vorzeitigen Studienabbruch geben. Daher erachtet die Studienleitung die Studie als gerechtfertigt und sicher. Die Studie wurde Ende Februar 2016 der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zur Bewertung vorgelegt.

Ein- und Ausschlusskriterien

Die Ein- und Ausschlusskriterien der HODOKORT-Studie sind in Tab. 1 dargestellt. Der Vergleich des aktuellen Reintonaudiogramms erfolgt dabei entweder mit dem Voraudiogramm der betroffenen Seite, dem Audiogramm der Gegenseite oder dem alters- und geschlechtsabhängigen Normalaudiogramm (Din ISO 7029). Zum vereinfachten Screening der Audiogramme und Abgleich mit den audiologischen Einschlusskriterien wurde ein frei verfügbares, auf Microsoft Excel basiertes „Screening-Makro“ entwickelt [25].

Tab. 1 Charakterisierung der Studienpopulation

Weil bei geringgradigem Hörverlust behandelte und unbehandelte Verbesserungen der Hörschwelle nicht statistisch voneinander getrennt werden können, werden nur Patienten mit einem initialen Hörverlust von 4PTA0,5–4kHz ≥ 50 dB HL eingeschlossen [7].

Zum Ausschluss eines Vestibularisschwannoms (auch insbesondere Ausschluss eines intralabyrinthären Schwannoms) soll ein dafür geeignetes MRT zwischen den Visiten 7 und 9 erfolgen. Liegt diese Erkrankung vor, ist diese als Grund für das vorzeitige Studienende zu dokumentieren. Für die Patienten, bei denen ein Vestibularisschwannom als Ursache für den akuten Hörverlust diagnostiziert und welche daher (im Nachhinein) die Einschlusskriterien nicht erfüllt haben, werden Patienten nachrekrutiert.

Zielparameter

Primäres Zielkriterium ist die durchschnittliche Änderung in der Hörschwelle (Reintonhörschwelle der 3 am stärksten betroffenen benachbarten Frequenzen) 30 Tage nach Einschluss der Patienten in die Studie.

Sekundäre Zielkriterien sind die durchschnittliche Änderung in der Reintonhörschwelle (3PTA0,5–2kHz [Fletcher-Typ] und 4PTA0,5–4kHz) 30 Tage nach Einschluss sowie der Anteil der Patienten mit kompletter, partieller oder keiner Verbesserung des Hörvermögens. Sprachaudiometrisch wird die durchschnittliche Veränderung des Sprachverstehens mit dem betroffenen Ohr (Prozent korrekt verstandene Freiburger Einsilber in Ruhe bei 65 dB und 80 dB SPL) ermittelt.

Weitere Zielgrößen sind der Anteil der Patienten, die am Ende der Studie ein Hörgerät oder ein Cochleaimplantat benötigen, und das Vorhandensein und Ausmaß von Ohrgeräuschen (Tinnitus) 30 Tage und 6 Monate nach Einschluss.

Lebensqualität, Patientenfragebögen

Als spezifische patientenbezogene Zielgrößen zur Lebensqualität dient die durchschnittliche Änderung in der Patientenselbsteinschätzung der allgemein gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Score der körperlichen bzw. psychischen Summenskala im SF12-Fragebogen [3]) und in der Einschätzung des subjektiven Hörhandicaps (Score im HHIE-Fragebogen [27]). Die eingesetzten Fragebögen sind standardisiert und werden sowohl international als auch national in klinischen Studien zur Erhebung von Lebensqualität herangezogen.

Messung von Blutdruck und Blutglukose

Als Sicherheitsparameter werden der spontan gemessene Blutdruck sowie die Blutglukose im Studienverlauf für die ersten 5 Tage täglich bestimmt. So kann auf akute behandlungsbedürftige Entgleisungen unmittelbar reagiert werden. Als sekundäre Endpunkte zur Bewertung des Profils unerwünschter Wirkungen werden die Anzahl Patienten mit erworbenem oder verstärktem Bluthochdruck an Tag 5 (während der Visite > 140 mmHg systolisch oder > 90 mmHg diastolisch oder beides) sowie der Anteil der Patienten mit erhöhter Nüchtern-Blutglukose (> 126 mg/dl bzw. 6,9 mmol/l) bestimmt. Die Blutdruckmessung erfolgt zu diesem Zweck mit einem automatisierten System (Omron 907) nach 5 min Ruhe im Sitzen als Mittelwert aus drei Einzelmessungen [9, 31].

Die Blutglukosemessungen erfolgen aus Kapillarblut mittels „point of care“-Messgeräten. Um Einflüsse der Steroidgabe auf Stoffwechsel und Blutdruck unterhalb der Schwelle einer manifesten Engleisung beider Parameter erfassen zu können, werden die Insulinsensitivität mittels des HOMA-IR (Homeostasis Model Assessment – Insulin Resistance) [26] sowie der Blutdruck mittels 24-h-Registrierung bestimmt. Physiologischerweise wird ein Blutzuckeranstieg unmittelbar durch vermehrte Insulinsekretion kompensiert. Eine durch Glukokortikoide ausgelöste Störung der Glukoseverwertung wird erst bei Dekompensation dieses Regelkreises am ansteigenden Blutzucker erkennbar (Abb. 3). Durch nichtlineare Modellierung des Zusammenhangs zwischen Blutglukose und Insulinkonzentration im Plasma mittels des HOMA-Index wird eine steroidbedingte Störung der Insulinsensitivität messbar, bevor die Blutglukose in pathologische Bereiche ansteigt [2]. Zur Bestimmung des HOMA-Index erfolgt eine venöse Blutentnahme zur Insulinbestimmung (im Studienzentrallabor) am Tag 5. Sofern im jeweiligen Studienzentrum die logistischen Voraussetzungen bestehen, wird darüber hinaus am Tag 5 auch eine 24-h-Blutdruckmessung durchgeführt. Mit automatisierten Systemen wird alle 20 min (tagsüber) beziehungsweise alle 30 min (nachts) der Oberarmmanschettenblutdruck registriert. Es erfolgt eine zentrale Auswertung der Messprotokolle mit Vergleich der Tages- und Nachtmittelwerte sowie des Tag/Nacht-Blutdruckunterschieds.

Abb. 3
figure 3

Bei verminderter Insulinsensitivität ist ein höherer Insulinspiegel erforderlich, um die Plasmaglukose im Normbereich zu halten. „HOMA-IR“ bezeichnet ein nichtlineares Rechenmodell zur Abbildung des Zusammenhangs zwischen Plasmaglukose und Plasmainsulin

Zusätzlich zu den oben genannten primären und sekundären Zielgrößen wird die eventuelle Inanspruchnahme einer „Rettungstherapie“ nach dem Follow-up 1 (Visit 8; primärer Endpunkt) erfasst.

Rettungstherapie

Derzeit existieren sowohl für die Primärtherapie als auch für die Sekundärtherapie („Rettungstherapie“, „Reservetherapie“) des Hörsturzes keine zugelassenen Therapieverfahren. Trotzdem muss davon ausgegangen werden, dass Patienten bei subjektiv unbefriedigender Verbesserung des Hörvermögens nach einer „Reservetherapie“ fragen. In der klinischen Praxis werden derzeit verschiedene Therapien angewendet, allerdings ohne hinreichenden Beleg für deren Wirksamkeit. Hier sind insbesondere z. B. die hyperbare Oxygenierung (hyperbare Sauerstofftherapie, HbO) und die intratympanale Injektion von Glukokortikoiden zu nennen. Der rationale Hintergrund für die intratympanale Therapie besteht in den erreichten höheren lokalen Medikamentenspiegeln im Innenohr bei niedrigeren systemischen Konzentrationen. Allerdings hat die intratympanale Therapie auch weitere, aus klinischer Sicht problematische pharmakokinetische Besonderheiten [17]. Es werden verschiedene Protokolle propagiert, die sich u. a. hinsichtlich des verwendeten Glukokortikoids, der Konzentration und Injektionsmenge, der Injektionsintervalle, der Gesamtzahl der Injektionen unterscheiden.

Es gibt Hinweise darauf, dass diese Behandlung als sekundäre („Rettungs-“)Therapie nach Versagen der primären systemischen Therapie wirksam ist [13, 23]. Allerdings ist die Patientenzahl in diesen Studien klein. Die Medikamente, Dosierungen sowie der Start der sekundären Therapie und die Applikationsschemata variieren zwischen den Studien und das Bias ist hoch [13, 23]. Eine systematische, quantitative Metaanalyse der Ergebnisse publizierter, kontrollierter und unkontrollierter Studien bzw. Fallserien mit unterschiedlichen Therapieprotokollen hat keinen Zusammenhang der Therapieergebnisse einer primären intratympanalen, einer primären kombinierten (intratympanalen und systemischen) oder einer sekundären intratympanalen Therapie mit individuellen Parametern aus dem Applikationsprotokoll zeigen können, wie z. B. Substanzart (Dexamethason, Methylprednisolon), Substanzkonzentration, Anzahl der Injektionen, Intervall der Injektionen, Gesamtzahl der Injektionen, Gesamtdauer der Injektionen, Zeit des Verweilens des Medikamentes im Mittelohr, Zeitpunkt der Endpunktmessung und Alter des Patienten. Auch fand sich kein Dosis-Wirkung-Zusammenhang (Maximalkonzentration und Gesamtdosis). Die Tendenz der stärkeren Hörverbesserung bei früherem Therapiebeginn bei der Primärtherapie des Hörsturzes (intratympanal oder kombiniert) kann als „Scheineffekt“ betrachtet werden, da diese am ehesten auf einer Spontanerholung beruht. Bei der Sekundärtherapie scheint die Hörverbesserung außerdem unabhängig zu sein vom Behandlungsbeginn (2 bis 4 Wochen nach Hörsturz oder 4 bis 6 Wochen nach Hörsturz) [24]. Die Entscheidung zur Durchführung und zum Schema einer Sekundärtherapie („Rettungstherapie“, „Reservetherapie“) nach dem Follow-up 1 (Visit 8; primärer Endpunkt) obliegt der Verantwortung des Prüfarztes und/oder des (mit-)behandelnden Haus-HNO-Arztes (der z. B. die initiale Überweisung an das Prüfzentrum vorgenommen hat). Das Schema der durchgeführten „Rettungstherapie“ wird im Case Report Form (CRF) so detailliert wie möglich dokumentiert. Wenn diese sich auf ein publiziertes Therapieverfahren bezieht, dann sollte dies zusätzlich im CRF dokumentiert werden.

Biometrie

Die primäre Zielgröße zur biometrischen Beurteilung der Wirksamkeit der Therapien ist die durchschnittliche Änderung in der Hörschwelle vor und nach Therapie. Die Differenz wird gebildet zwischen der Messung bei Visit 1/2 (Tag 1 vor Therapie) und Visit 8 (Tag 30 ± 4). Die konfirmatorische statistische Auswertung erfolgt gemäß der Hauptfragestellung mit dem Ziel des Nachweises, dass mindestens eine der beiden Hochdosistherapien der Standarddosistherapie überlegen ist. Dazu werden zwei Kovarianzanalysen (Kovariate: Wert der Hörschwelle am Tag 1) durchgeführt (1. Vergleich Therapie 1 vs. Kontrolltherapie; 2. Vergleich Therapie 2 vs. Kontrolltherapie). Die Entscheidung erfolgt zu einem globalen Signifikanzniveau von α = 0,05 für den Nachweis einer klinisch relevanten Verbesserung der durchschnittlichen Hörschwelle um mindestens 10 dB. Bei diesen Annahmen und einer Power von 80 % benötigt man eine Fallzahl von 88 in jeder der Gruppen (Fallzahlberechnung mit nQuery, Version 7.0). Unter der Annahme einer Drop-out-Rate von maximal 15 % sollen deshalb insgesamt 3 × 104 = 312 Patienten in drei Gruppen im Verhältnis 1:1:1 randomisiert werden. Die primäre Auswertung wird auf Basis der Intention-to-treat-Population erfolgen und enthält alle Patienten, die in die klinische Prüfung aufgenommen und randomisiert wurden. Ausgenommen werden nur Patienten, die nach der Randomisierung ihr Einverständnis für die Auswertung der Daten zurückgezogen haben, sowie jene Patienten, bei denen im Rahmen der MRT-Untersuchung ein Vestibularisschwannom diagnostiziert wurde.

Abb. 4
figure 4

Teilnehmende Studienzentren der HODOKORT-Studie (mit freundl. Genehmigung von StepMap GmbH [32])

Abb. 5
figure 5

Microsoft Excel basiertes „Screening-Makro“ für das vereinfachte Screening der audiologischen Einschlusskriterien. (Mod. nach [25])

Schlussfolgerungen

Die HODOKORT-Studie als prospektive, kontrollierte, multizentrische Arzneimittelstudie, die aus der wissenschaftlichen Praxis heraus initiiert und für die eine größere Summe aus öffentlichen Mitteln bewilligt wurde, ist eine der wenigen Beispiele für Studien dieser Art in Deutschland. Hohen Qualitätsstandards verpflichtet, wird sie dazu beitragen, eine Evidenzlücke in der HNO-Heilkunde zu schließen.

An die teilnehmenden Prüfstellen werden besondere organisatorische Anforderungen gestellt. Unabhängig von den Prüfstellen können HNO-Ärzte die Studie unterstützen, indem Sie geeignete Patienten an teilnehmende Prüfstellen (Abb. 4) verweisen. Eine Vorselektion ist vor allem nach audiologischen Kriterien erforderlich.

Für das vereinfachte Screening der audiologischen Einschlusskriterien wurde ein frei verfügbares, auf Microsoft Excel basierendes „Screening-Makro“ entwickelt [25]. Somit kann in wenigen Schritten die Eignung eines Patienten für die Teilnahme an der Studie aus audiologischer Sicht geprüft werden (Abb. 5).

Geeignete Patienten den Studienzentren zuzuführen ist wichtig, um das Rekrutierungsziel in geplanter Zeit zu erreichen, und wird in klinischen Studien oft unterschätzt. Wir möchten besonders niedergelassene Ärzte dazu einladen, sich zu beteiligen. Für sie kann es ein Einstieg für die eigene Mitarbeit an klinischen Studien sein.

Zur Information von Patienten, teilnehmenden Zentren und überweisenden HNO-Ärzten wurde eine Website http://hodokort-studie.hno.org eingerichtet.