In Deutschland sind pro Jahr mindestens 15.000 Menschen von einem Hörsturz betroffen [16, 22]. Aktuelle epidemiologische Untersuchungen lassen sogar eine deutlich höhere Inzidenz vermuten [15, 27]. Viele Patienten, bei denen sich die Symptome rasch spontan bessern, nehmen keine ärztliche Hilfe in Anspruch und werden nicht in der Statistik erfasst [29].

Die Erkrankung wird auf eine Reihe verschiedener Ätiologien zurückgeführt, die häufig gemeinsam eine Störung der Mikrozirkulation im Innenohr zur Folge haben, vergleichbar einem lokalen Hyperviskositätssyndrom in den Gefäßen der Kochlea. Es wird vielfach angenommen, dass die Störung der Mikrozirkulation als Summe aller pathogenetischen Mechanismen einen negativen Einfluss auf die Durchblutung der Kochlea mit Funktionseinschränkungen des Innenohrs hat. Plasma- und Vollblutviskosität und insbesondere das Fibrinogen besitzen dabei eine pathogenetische Relevanz für den akuten Hörverlust [21, 30].

Als weitere Aspekte werden auch Elektrolytstörungen des endokochleären Potenzials oder inflammatorische Störungen diskutiert. Die Vielfalt der möglichen Ätiologien und die Annahme verschiedener pathogenetischer Mechanismen mündete in einem breiten Spektrum unterschiedlicher Therapieansätze, erschwert jedoch auch eine individuelle Prognose bezüglich des Therapieergebnisses [1, 3, 5, 6, 8, 11, 20].

Die Behandlung des akuten Hörverlusts richtet sich in Deutschland nach der Leitlinie „Hörsturz“ der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde [9]. Diese Empfehlungen lassen Raum für vielfältige Modifikationen, sodass aktuell keine allgemein einheitliche Behandlung des Hörsturzes festzustellen ist.

In den letzten Jahren ist der Einsatz von selektiven Verfahren der therapeutischen Apherese in Form der Fibrinogen-LDL-Apherese als Therapieoption des akuten Hörverlusts diskutiert und untersucht worden. Die Fibrinogen-LDL-Apherese umfasst für die Indikation Hörsturz die Rheopherese und die HELP-Apherese. In nunmehr 2 kontrollierten randomisierten klinischen Studien mit jeweils über 200 Patienten wurde – verglichen mit einer leitliniengerechten Infusionstherapie – für die Fibrinogen-LDL-Apherese übereinstimmend die Wirksamkeit der Therapie des Hörsturzes gezeigt [24, 30].

Patienten mit rezidivierenden Hörsturzereignissen können sich als gegenüber der Infusionstherapie refraktär erweisen. In der dieser Arbeit zugrunde liegenden Patientenpopulation konnte zudem beobachtet werden, dass die Stärke der Hörminderung dabei bei aufeinanderfolgenden Ereignissen zunimmt. Die Fibrinogenabsenkung durch Apherese bei Patienten, die auf eine Therapie nach dem Stennert-Schema – bestehend aus einer Hämodilutionstherapie oder einer Behandlung mit Glukokortikoiden – nicht ansprechen [23], ist in diesen Fällen eine leitliniengerechte Alternative [9]. Bislang gibt es kaum systematische Untersuchungen an einer solchen Patientengruppe. In der vorliegenden retrospektiven Analyse wurden Patienten, die wiederholt einen Hörsturz erlitten hatten und gegenüber dem Behandlungsschema nach Stennert refraktär waren, untersucht, um Hinweise für die Wirksamkeit bei diesem Patientenkollektiv zu erlangen.

Patienten und Methoden

Stichprobe

Retrospektiv wurden die Daten von Patienten ausgewertet, die sich zwischen August 1999 und August 2005 im Klinikum Lüdenscheid einer Hörsturzbehandlung mittels Rheopherese unterzogen. Die stationäre Aufnahme erfolgte bei allen Patienten aufgrund einer wiederholten plötzlichen ein- oder beidseitigen Hörminderung. Sämtliche Patienten waren in der HNO-Abteilung des Klinikums Lüdenscheid aufgrund eines früheren Hörsturzes in einem Zeitraum von 2 Monaten bis zu 8 Jahren (im Mittel 30,0±21,6 Monate) zuvor erfolgreich im Sinne einer Restitutio ad integrum mittels einer Infusionstherapie nach Stennert [23] behandelt worden. Bei dem nun vorliegenden Hörsturz stellte sich nach wiederholter Stennert-Infusionstherapie im Gegensatz zur früheren gleichen Behandlung nur eine geringfügige oder keine Verbesserung ein. Alle Patienten wiesen zudem eine oder mehrere der in Tab. 2 aufgeführten Begleiterkrankungen auf und/oder hatten einen Fibrinogenspiegel von mehr als 350 mg/dl.

HNO-ärztliche Untersuchungen

Zur Beurteilung des Therapieerfolgs wurden Aufnahme- und Entlassungsbefunde bzw. -audiogramme verglichen und 4 Kategorien gebildet: Vollremission (Restitutio ad integrum) bei einer Hörerholung bis zur Hörschwelle der Gegenseite, Teilremission (Verbesserung) bei einer Absenkung der Hörschwelle um mindestens 10 dB in 2 oder mehr Frequenzen, keine Veränderung sowie Verschlechterung bei einem Anstieg der Hörschwelle um mindestens 10 dB in 2 oder mehr Frequenzen [23]. Patienten mit einer Voll- oder Teilremission wurden als Responder, Patienten ohne Veränderung oder mit einer Verschlechterung des Hörvermögens als Nonresponder zusammengefasst.

Vor jeder Behandlung erfolgte eine Otoskopie mit dem Untersuchungsmikroskop, um Trommelfelldefekte oder Mittelohrpathologika auszuschließen. Um ein Lärmtrauma nicht zu induzieren, erfolgte eine tympanometrische Untersuchung erst ab dem 7. Tag gemäß den Leitlinien der deutschen HNO-Gesellschaft. Zur Untersuchung des Hörvermögens der Patienten vor und nach Behandlung wurde jeweils ein Tonschwellenaudiogramm bei den Frequenzen 0,25, 0,5, 1, 2, 3, 4, 6 und 8 kHz (entsprechend ISO 7029; [13]) sowie ein Sprachaudiogramm (Freiburger Sprachtest; [7]) durchgeführt. Die Ermittlung des prozentualen Hörverlusts aus den tonaudiometrisch oder sprachaudiometrisch ermittelten Werten erfolgte mittels Standardwertetabellen [10]. Das Gesamtwortverstehen wurde durch Addition der Verständlichkeitswerte bei 60, 80 und 100 dB Lautstärke berechnet, das gewichtete Gesamtwortverstehen durch Division dieser Werte durch 2 [10].

Infusionsbehandlung

Die antiinflammatorische antiphlogistische Behandlung wurde nach dem Stennert-Schema [22, 23] gemäß den Leitlinien der Deutschen HNO-Gesellschaft durchgeführt [9]. Dieses Schema besteht aus einer Kombinationstherapie mit Kortikosteroiden und Infusionen mit Pentoxifyllin und Hydroxyethylstärke bzw. Dextran an 10 aufeinanderfolgenden Tagen. Abweichungen im Zeitablauf ergaben sich, wenn das vorgegebene Schema aufgrund einer verzögerten Hörerholung vorzeitig unterbrochen wurde.

Rheopherese

Die Rheopherese ist ein Verfahren zur extrakorporalen Blutreinigung, das speziell zur Behandlung von Störungen der Mikrozirkulation entwickelt wurde (Abb. 1). Bei der Rheopherese wird ein exakt definiertes Spektrum hochmolekularer Substanzen aus dem Blutplasma herausgefiltert. Hierzu zählen Fibrinogen, α2-Makroglobulin, LDL-Cholesterin, von-Willebrand-Faktor und IgM. Dies bewirkt eine Absenkung von Blut- und Plasmaviskosität sowie der Aggregation von Erythrozyten und Thrombozyten. Das Ergebnis ist eine Verbesserung des Blutflusses und der Mikrozirkulation [17, 18, 19].

Die Rheopherese wurde mit der Gerätetechnik Octo Nova (SW 4.27) in Kombination mit der Heizung Octo Therm und dem Schlauchsystem MF-430 durchgeführt (Fa. Diamed Medizintechnik, Köln). Die Auftrennung in Plasma und zelluläre Blutbestandteile erfolgte mittels des Polyethylen-Plasmaseparators OP-05 W (Fa. Asahi Kasei Kuraray Medical, Tokio, Japan) mit einem kontinuierlichen Blutfluss von 60–90 ml/min. Die zellulären Blutbestandteile wurden dem Patienten unmittelbar zurückgegeben. Die Plasmafiltration zur Entfernung hochmolekularer Plasmaproteine erfolgte durch den Rheofilter (Filteroberfläche 1,7 m2; Fa. Asahi Kasei Kuraray Medical, Tokio, Japan) mit einem Plasmafluss von 10–30 ml/min. Der Gefäßzugang erfolgte durch die Punktion peripherer Unterarmvenen. Ziel war die Behandlung von 100% des Plasmavolumens je Rheopheresesitzung. Die Antikoagulation erfolgte mit unfraktioniertem Heparin (bis zu 5000 IE initial, anschließend 1000–2500 IE/h kontinuierlich).

Abb. 1
figure 1

Extrakorporaler Kreislauf der Rheopherese

Vor und nach den Rheopheresebehandlungen wurden Laborparameter bestimmt, darunter die Konzentrationen von LDL-Cholesterin, Fibrinogen, Homocystein und Lipoprotein(a).

Statistische Auswertung

Der Hörverlust in dB wurde für die Frequenzen 500 Hz, 1000 Hz, 2000 Hz und 4000 Hz audiometrisch ermittelt und daraus der mittlere Hörverlust berechnet. Die prozentuale mittlere Hörverbesserung wurde aus der Differenz zu den Ausgangshörverlusten berechnet. Weiter wurden sprachaudiometrische Werte wie der mittlere Hörverlust für Zahlenverständnis in dB, das gewichtete Gesamtwortverständnis sowie das mittlere prozentuale Einsilberverständnis gegenüber den Ausgangswerten berechnet. Hörverlustdifferenzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten wurden mit dem Wilcoxon-Test für Paardifferenzen überprüft. Zusammenhänge zwischen metrischen Variablen wurden mittels des Sperman-Rangkorrelationskoeffizienten R untersucht und mit einem modifizierten t-Test auf Signifikanz überprüft.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 25 Patienten (18 Männer, 7 Frauen, Durchschnittsalter 56,6±12,3 Jahre) in die retrospektive Untersuchung einbezogen, die eine Rheopheresebehandlung erhalten hatten. Dies entspricht 4,2% aller Hörsturzpatienten, die in diesem Zeitraum im Klinikum Lüdenscheid behandelt wurden. Die Patienten hatten im Mittel 2,1±0,4 Hörsturzereignisse innerhalb von durchschnittlich 30,0±21,6 Monaten (Tab. 1). Zwei der 25 Patienten (8%) wiesen einen Tieftonhörsturz mit einem Tieftonhörverlust von 30–45 dB auf. Hörminderungen im mittelfrequenten Bereich zeigten sich bei 7 Patienten (28%) mit einem Mitteltonhörverlust um 25–70 dB, im Hochtonbereich bei 9 Patienten (36%) mit einem Hochtonverlust von 30–90 dB. Pantonale Hörminderungen zeigten 7 Patienten (28%) mit einem Hörverlust von 60–100 dB.

Tab. 1 Charakterisierung der Patienten

Nach dem zuletzt aufgetretenen Hörsturzereignis wurden die Patienten zunächst erfolglos über einen Zeitraum von durchschnittlich 6 Tagen (±1 Tag) mittels Infusionstherapie behandelt. Einen Tag (±1 Tag) nach Beendigung dieser Infusionstherapie wurde die 1. Rheopheresebehandlung und nach 9,4 Tagen (±0,7 Tage) die 2. Rheopheresebehandlung durchgeführt.

Der durchschnittliche Hörverlust betrug vor der Behandlung des ersten, im Mittel 30,0±21,6 Monate zurückliegenden Hörsturzereignisses mittels Infusionstherapie durchschnittlich 34,0 dB und wurde unter der Behandlung mittels einer Infusionstherapie nach Stennert-Schema auf 20,0 dB verbessert. Beim zweiten, zuletzt aufgetretenen Hörsturzereignis betrug der Hörverlust durchschnittlich 50,4 dB und wurde durch eine weitere Infusionstherapie nach Stennert-Schema lediglich auf 48,0 dB gesenkt. Durch 2 Rheopheresebehandlungen wurde der Hörverlust dann von 48 dB weiter auf im Mittel 34,0 dB gesenkt. Bei 17 Patienten (68%, „Responder“) verbesserte sich das Hörvermögen durch die Rheopherese um 20,0 dB, bei 8 Patienten (32%) blieb der Hörverlust nahezu unverändert (Abb. 2, Abb. 3).

Abb. 2
figure 2

Heilungsrate der Studienpatienten. Restitutio ad integrum bei einer Hörerholung bis zur Hörschwelle der Gegenseite (Vollremission), Verbesserung bei einer Absenkung der Hörschwelle um mindestens 10 dB in 2 oder mehr Frequenzen (Teilremission), keine Veränderung

Abb. 3
figure 3

Mittlerer Hörverlust der Studienpatienten vor und nach Therapie, Nonresponder/Responder bezogen auf die Wirksamkeit der Rheopherese. IT Infusionstherapie, RHEO Rheopherese. Fehlerbalken Standardabweichung

Bei den 17 Respondern fand sich ein Hörgewinn von 10–60 dB im Hochtonbreich, 10–45 dB im Mitteltonbereich und 10–35 dB im Tieftonbereich. Eine Verschlechterung des Hörkurvenverlaufs konnte in keinem Fall beobachtet werden. Unter den 17 Respondern erlangten 10 (40%) eine Restitutio ad integrum, also eine Vollremission des Hörvermögens bis zur Qualität des nichtbetroffenen oder besseren Ohres. Es trat eine durchschnittliche Verbesserung der Tonschwelle zwischen 16,5 dB (0,5 kHz) und 25 dB (4 kHz) ein. Sieben Patienten (28%) erlangten eine Teilremission mit einer Verbesserung der Tonschwelle zwischen 10,0 dB (0,5 kHz) und 24,3 dB (4 kHz) bei weiter bestehender Seitendifferenz. Der mittlere Hörgewinn bezogen auf die gemessenen Frequenzen lag in der Gesamtpopulation bei 10,6±10, 6 dB (0,5 kHz), 11,8±10,9 dB (1 kHz), 17,4±14,3 dB (2 kHz) und 18,0±18,6 dB (4 kHz; Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Mittlerer Hörverlust der Studienpatienten vor und nach Rheopherese (RHEO), bezogen auf die Hörfrequenz. Fehlerbalken Standardabweichung

Zur genaueren Charakterisierung des Therapieeffekts durch die Rheopherese wurden auch das Sprachverständnis, das Hörvermögen für Zahlen und das Gesamtwortverstehen untersucht. Das Einsilberverständnis verbesserte sich unter der Rheopheresebehandlung signifikant (p<0,0001), bei 60 dB um 10,4%, bei 80 dB um 9,4% und bei 100 dB um 7,2%. Das Hörvermögen für Zahlen verbesserte sich im Vergleich zum Ausgangswert um 10,6% (p<0,001). Das gewichtete Gesamtwortverstehen lag nach der 1. Rheopheresebehandlung um 24,7 Punkte über dem vorherigen Wert (p <0,001). Durch die 2. Rheopherese wurde eine Verbesserung um weitere 9 Punkte erzielt (p<0,05; Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

a Mittleres Einsilberverständnis bei 60, 80 und 100 dB, b Hörverlust für Zahlen und c gewichtetes Gesamtwortverstehen. Signifikanz p: *=0,05, **=0,01, ***=0,001. RHEO Rheopherese

Um die Auswirkung möglicher humoraler Risikofaktoren auf die Ausprägung des Hörverlusts und den Therapieerfolg durch die Rheopherese zu untersuchen, wurde eine Risikostratifikation anhand der Blutparameter Fibrinogen, LDL-Cholesterin, Homocystein und Lipoprotein(a) durchgeführt. Bei den untersuchten Patienten war nicht erkennbar, dass ein besonderes Risikoprofil dieser Parameter vorlag und damit allein als Selektionskriterium für die Therapiewahl dienen könnte. Bei 60% der Patienten lag ein Fibrinogenspiegel von mehr als 350 mg/dl vor. Bei der Untersuchung auf weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren zeigten 56% der Patienten Fettstoffwechselstörungen (Hypercholesterinämie, Lp(a)-Hyperlipoproteinämie), 28% eine arterielle Hypertonie, 12% einen nichtinsulinpflichtigen Diabetes mellitus (Tab. 2). Aufgrund der geringen Patientenzahl ist jedoch an dieser Stelle keine Schlussfolgerung möglich.

Tab. 2 Begleiterkrankungen der Patienten

Diskussion

Wirksamkeit

In der vorliegenden Untersuchung konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit rezidivierenden oder persistierenden Hörsturzereignissen, die sich als refraktär gegenüber der Standardinfusionstherapie erwiesen, mit Hilfe der Rheopherese eine deutliche Verbesserung des Hörvermögens um durchschnittlich 30% erreicht werden kann. Während der Hörverlust nach Behandlung eines wiederholten akuten Hörsturzes mittels einer antiinflammatorischen antiphlogistischen Infusionstherapie nach dem Miehlke-Stennert-Schema nahezu unverändert blieb, zeigte sich bei 68% dieser Patienten nach 2 Rheopheresebehandlungen eine rasche Verbesserung oder Wiederherstellung des Hörvermögens.

In einer ähnlichen von Canis et al. [4] untersuchten Patientengruppe, die sich ebenfalls zuvor erfolglos einer anderweitigen Hörsturzbehandlung unterzogen hatten, konnte mittels HELP-Apherese eine partielle oder vollständige Remission bei 54% der Patienten erzielt werden [4]. Dabei konnte ein Zeitfenster von etwa 6 Wochen nach dem Hörsturzereignis bestimmt werden, innerhalb dessen noch eine vollständige Remission des Hörverlusts mittels Apherese möglich ist. Mit dem zeitlichen Abstand zwischen Hörsturz und Apherese wurde die Zahl der Hörerholungen geringer.

Wirkweise

Die Rheopherese bewirkt eine sofortige und pulsartige Reduktion der Plasma- und Blutviskosität [24] und kann ein akutes Funktionsdefizit der Mikrozirkulation beim Hörsturz beheben. Bei chronischen Krankheitsprozessen wird die Mikrozirkulation dadurch nachhaltig verbessert [18, 19] Der Verlauf dieser chronischen Erkrankungen, bei denen eine Störung dieser Mikrozirkulation eine tragende Rolle spielt, kann somit positiv beeinflusst werden [17, 19]. Die Mikrozirkulation umfasst dabei nicht nur rheologische Aspekte, wie die Durchblutung der kleinsten Gefäße der Kochlea, sondern ist vielmehr als komplexes interaktives Netzwerk der Blutgefäße mit dem umgebenden Gewebe auf zellulärer und molekularer Ebene zu sehen, z. B. nachweisbar als Verbesserung der Endothelfunktion [2].

Zusätzlich zu den vaskulären und rheologischen Effekten der Rheopherese zeigen aktuelle pathogenetische Erkenntnisse weitere mögliche Wirkmechanismen der Fibrinogen-LDL-Apherese auf. Neuere tierexperimentelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass der Gehalt an Cholesterin in den äußeren Zellmembranen der Haarsinneszellen in der Kochlea die Steifheit und damit die Funktionalität dieser Sinneszellen beeinflusst. Das Cholesterin in den Haarzellmembranen und im Plasma befindet sich in einem dynamischen Gleichgewicht. Eine pulsartige Eliminierung von Plasmaproteinen durch die Fibrinogen-LDL-Apherese (Rheopherese und HELP-Apherese) könnte eine Reduktion dieser Proteine in den äußeren Haarzellmembranen und damit auch eine Verbesserung ihrer Motilität („electro motility“) bewirken [12, 25, 28].

Patientenauswahl

Die Wirksamkeit der Fibrinogen-LDL-Apherese konnte in 2 randomisierten, kontrollierten Studien mit jeweils über 200 Patienten sowie in der vorliegenden, retrospektiven Untersuchung belegt werden [24, 30]. Die Fibrinogen-LDL-Apherese eliminiert effektiv Plasmaproteine und senkt die Plasmaviskosität. Folglich wurde in allen bisherigen Untersuchungen nach Patientengruppen gescreent, die sich aufgrund ihrer Blut- oder Plasmaparameter besonders für die Fibrinogen-LDL-Apherese eignen. In der vorliegenden retrospektiven Analyse konnte, möglicherweise aufgrund der kleinen Patientenanzahl, kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Konzentration von LDL-Cholesterin, Fibrinogen, Lipoprotein(a) oder Homocystein und dem Therapieergebnis gezeigt werden. In anderen Untersuchungen konnte ein zeitlicher Vorteil für Hörsturzpatienten bei der Genesung nach Behandlung mittels Fibrinogen-LDL-Apherese festgestellt werden, wenn diese erhöhte Fibrinogenwerte (>295 mg/dl), ein Gesamtprotein von mehr als 74 g/l oder eine erhöhte Plasmaviskosität von mehr als 1,8 Millipascalsekunden (mPas) aufwiesen [24, 30].

Maas [21] konnte zeigen, dass eine erhöhte Blutviskosität und Koagulabilität pathogenetische Faktoren bei der Entstehung eine Hörsturzes darstellen. Auch eine Korrelation zwischen der Blut- oder Plasmaviskosität und dem Ausmaß und der Schwere eines Hörsturzereignisses konnte bereits nachgewiesen werden [26]. Suckfüll et al. konnten einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein eine Hyperfibrinogenämie und dem Eintreten eines Hörsturzereignisses zeigen [30]. Trotz dieser Beobachtungen konnte bislang jedoch keine Gruppe von Hörsturzpatienten identifiziert werden, die sich allein aufgrund ihrer Blutparameter besonders für die Fibrinogen-LDL-Apherese eignen würde. Ein Grund hierfür könnte die hohe Heterogenität dieser Patientengruppe sein. Eine Abwägung der Therapiewahl ausschließlich aufgrund von Blutparametern ist daher derzeit nicht sinnvoll.

Die Ergebnisse dieser retrospektiven Analyse und der Untersuchung von Canis et al. [4] zeigen, dass Patienten, die nach rezidivierenden Hörsturzereignissen refraktär gegenüber einer anderweitigen leitliniengerechten Hörsturzbehandlung sind, von der Fibrinogen-LDL-Apherese profitieren können. Das Konzept der HNO-Leitlinien, das die Fibrinogenabsenkung durch Apherese als Therapieoption neben dem Behandlungsschema nach Stennert vorsieht, wird damit bestätigt. Diese Ergebnisse der Fibrinogen-LDL-Apherese bei rezidivierendem therapierefraktärem Hörsturz können dazu beitragen, eine Erstattung nach Prüfung des Einzelfalls zu begründen.

Fazit für die Praxis

Die Wirksamkeit der Fibrinogen-LDL-Apherese, die als Therapie des Hörsturzes Rheopherese und HELP-Apherese umfasst, wurde in 2 großen kontrollierten randomisierten Studien im Vergleich zur Infusionstherapie bestätigt. Innerhalb der aktuellen Leitlinien zur Behandlung des Hörsturzes stellt die Fibrinogen-LDL-Apherese eine Therapieoption dar [9], die insbesondere auch bei rezidivierendem Hörsturz, der sich gegenüber einer anderweitigen Behandlung als refraktär erweist, erwogen werden könnte.