Zusammenfassung
Der Lupus erythematodes ist eine prototypische Autoimmunerkrankung, die durch genetische Prädisposition und durch Umweltfaktoren induziert werden kann. Pathomechanistisch besteht eine unkontrollierte Aktivierung des Immunsystems, das fälschlicherweise körpereigene Strukturen erkennt und eine schubweise Entzündung induziert. Die multifaktorielle Genese basiert zumeist auf einem polygenen Vererbungsmodell, bei dem mehrere, häufige Genvarianten das Risiko der Krankheitsentstehung erhöhen. Viele dieser Polymorphismen sind erst in den letzten Jahren durch genomweite Assoziationsstudien identifiziert worden. Monogene Formen des Lupus erythematodes sind sehr selten. Ihre pathogenetische Aufklärung ist wesentlich für die Identifikation der Erkrankungsmechanismen, wie die Geschichte der Entdeckung von Komplementdefekten bei Patienten mit Lupus erythematodes zeigt. Der monogen autosomal-dominant vererbte familiäre Chilblain-Lupus ist durch kälteinduzierte Infiltrate an den Akren charakterisiert, die sich in der frühen Kindheit manifestieren. Die molekulare Aufklärung der Erkrankung zeigte, dass Defekte in der intrazellulären Elimination von Nukleinsäuren durch eine Typ-IFN-abhängige Aktivierung des angeborenen Immunsystems Autoimmunität und speziell einen Lupus erythematodes verursachen können. Dieser Mechanismus erweitert das Konzept der Lupuspathogenese: Nicht nur extrazelluläre, sondern auch intrazelluläre Defekte der Antigenelimination können zur Aktivierung des angeborenen und adaptiven Immunsystems führen.
Abstract
Lupus erythematosus is a prototypic autoimmune disease that can be triggered in genetically predisposed individuals by environmental exposures. The disease is based on an uncontrolled activation of the immune system that recognizes self antigens and induces inflammatory disease flares. The multifactorial pathogenesis is based on a polygenic model of inheritance with multiple various susceptibility genes elevating the disease risk. Many of these polymorphisms have been recently identified by genome-wide association studies. Monogenic forms of lupus erythematosus are rare. The identification of their underlying pathogenesis is important for the recognition of main mechanistic pathways in lupus as demonstrated by the history of defects in the complement system. The monogenic, autosomal dominant inherited familial chilblain lupus is characterized by cold-induced infiltrates on acral locations occurring in early childhood. Molecular exploration of the disease pathogenesis revealed that autoimmunity and especially lupus erythematosus can be induced by defects in intracellular elimination of nucleic acids and the subsequent type I-IFN-dependent activation of the innate immune system. This mechanism extends the concept of lupus pathogenesis: both defects in the extra- and intracellular elimination of autoantigens can lead to activation of the innate and adaptive immune system
Avoid common mistakes on your manuscript.
Lernziele
Nach der Lektüre des Beitrags
-
haben Sie einen Überblick über wesentliche genetische Einflussfaktoren, die für die Pathogenese des Lupus erythematodes relevant sind,
-
kennen Sie Beispiele für genetische Varianten, die für einen multifaktoriellen Lupus erythematodes prädisponieren,
-
kennen Sie seltene monogene Formen des Lupus erythematodes, insbesondere den familiären Chilblain-Lupus.
Einleitung
Der Lupus erythematodes ist eine Autoimmunerkrankung mit breitem klinischem Spektrum, die durch eine polygene genetische Prädisposition bestimmt wird. Genetische Varianten in zahlreichen verschiedenen Genen beeinflussen die komplexe Pathogenese und können jeweils das Erkrankungsrisiko erhöhen. Seltene monogene Formen des Lupus erythematodes hingegen basieren auf einer genetischen Veränderung in einem einzelnen Gen. Ihre Aufklärung ermöglicht ein besseres Verständnis neuer Pathomechanismen.
Das breite klinische Spektrum des Lupus erythematodes reicht von reiner Hautbeteiligung bis zur Systemerkrankung mit Beteiligung innerer Organe (systemischer Lupus erythematodes, SLE; [1]). Bevorzugt betroffen sind junge Frauen. Der kutane Lupus selbst weist wiederum eine hohe klinische Variabilität auf, die zur Einteilung in die Unterformen akuter und chronisch kutaner Lupus erythematodes führte. Akute Lupusveränderungen können bei allen Patienten auftreten und sind oft mit einer Systemerkrankung assoziiert. Chronisch kutane Formen kommen aber auch ohne nachweisbare Systembeteiligung vor. Sie sind bekannt als chronisch diskoider Lupus erythematodes, profunder Lupus erythematodes, Lupus tumidus und Chilblain-Lupus. Dem subakut kutanen Lupus erythematodes kommt insofern eine Sonderstellung zu, als die Hautveränderungen häufig mit Systemmanifestationen assoziiert sind bzw. diese Lupusform in einen SLE übergehen kann [2].
Diesem klinisch variablen Spektrum der Erkrankung liegt eine multifaktorielle Genese zugrunde. Die wesentliche Bedeutung der genetischen Prädisposition ist seit Langem durch die erhöhte Konkordanz bei eineiigen gegenüber zweieiigen Zwillingen und ein gehäuftes Vorkommen von Autoimmunerkrankungen in vielen Familien bekannt [3]. Die familiäre Prädisposition wird am besten durch ein polygenes Vererbungsmodell erklärt, demzufolge Mutationen in vielen verschiedenen Genen, die unterschiedliche pathogenetische Einflüsse haben, zur Entwicklung der Erkrankung führen können [3]. Vor allem genomweite Assoziationsstudien an sehr großen Patientenkollektiven haben in den letzten Jahren zahlreiche genetische Varianten identifiziert, die für die Entwicklung eines Lupus erythematodes prädisponieren. Dabei bedingt eine Mutation oft nur eine geringe Steigerung des Erkrankungsrisikos (Odds Ratio zwischen 1,15 und 2, Common-disease-common-variant-Hypothese; [4]). Einige dieser Polymorphismen sind nicht spezifisch für eine Lupuserkrankung, sondern erhöhen generell das Risiko einer Autoimmunität. Dies ist verständlich, da die pathogenetischen Grundlagen vieler Autoimmunerkrankungen oft ähnlich sind.
Genetische Veränderungen, die aufgrund ihres pathogenetischen Einflusses ein hohes Erkrankungsrisiko bedingen und zu monogenen Erkrankungen führen können, sind sehr selten und können aufgrund dieser Seltenheit oft nicht durch genomweite Assoziationsstudien identifiziert werden. Die Aufklärung der molekularbiologischen Auswirkung häufiger Genvarianten sowie seltener Gendefekte, die einen Lupus bedingen können, hat zu dem aktuellen Modell der Pathogenese des Lupus erythematodes geführt [1].
Pathogenese des Lupus erythematodes
Wesentlich für die Ausprägung eines Lupus erythematodes ist ein Toleranzverlust des Immunsystems gegenüber körpereigenen Antigenen (Abb. 1). Durch Defekte in der Beseitigung apoptotischen oder nekrotischen Materials sind antigene Strukturen des Zellkerns länger für das Immunsystem zugänglich und können von antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen werden. Diese induzieren eine spezifische Immunantwort und führen zur Autoantikörperbildung durch B-Zellen. Liegen Autoantikörper vor, kommt es zur Immunkomplexbildung. Diese Immunkomplexe können eine Vaskulitis auslösen, die zur Organschädigung führen kann. Immunkomplexe, die RNA oder DNA enthalten, werden auch über Fc-Rezeptoren von dendritischen Zellen aufgenommen und führen zu einer Toll-like-Rezeptor-abhängigen Sekretion von proinflammatorischen Zytokinen. Plasmazytoide dendritische Zellen sezernieren besonders hohe Mengen des Zytokins Interferon-α, während myeloische dendritische Zellen und Monozyten Tumornekrosefaktor-αsezernieren können. Beide Zytokine sind wesentlich für die Aktivierung des Immunsystems und die Aufrechterhaltung der Entzündung. Neutrophile Granulozyten tragen durch eine spezifische Form der bakteriellen Abwehr, der Sekretion fibrillärer Netze , weiter zur Verstärkung des Entzündungskreislaufes bei. Die sezernierten Netze enthalten antimikrobielle Peptide und Chromatin. Nukleinsäuren in Kombination mit antimikrobiellen Peptiden sind wie Immunkomplexe sehr starke Stimuli, die zur Toll-like-Rezeptoraktivierung in antigenpräsentierenden Zellen führen (Abb. 1; [1]).
Genetik des multifaktoriellen Lupus erythematodes
Die Mutationen, die für einen Lupus erythematodes prädisponieren, beeinflussen meist einen dieser wesentlichen Pathomechanismen. Seit vielen Jahren ist die Assoziation bestimmter HLA-Subtypen, welche die Erkennung von Antigenen beeinflussen, mit der Ausprägung eines Lupus erythematodes beschrieben. Insbesondere DRB1*03:01, DQB1*02:01 oder DRB1*15:01, DQB1*06:02 sind bei über der Hälfte der kaukasischen SLE-Patienten nachweisbar [3]. HLA-DR3 ist mit der Ausprägung von Anti-Ro/SSA- oder Anti-La/SSB-Antikörpern assoziiert und bedingt dadurch ein besonderes Risiko für die Entwicklung eines subakut kutanen Lupus erythematodes. Andere SLE-typische Autoantikörper wie Anti-Sm oder Anti-RNP sind assoziiert mit HLA-DR4 [5].
Weitere Mutationen, die die Stimulation des Immunsystems betreffen, wurden in PTPN22 („protein tyrosine phosphatase, non-receptor type-22“) nachgewiesen und sind mit der Entwicklung von Autoimmunität assoziiert. PTPN22-Defizienz führt zu einer Überaktivierung von B-Zellen und zur vermehrten Reaktivität von Monozyten und Makrophagen auf Stimuli der Toll-like-Rezeptoren. Da PTPN22 eigentlich ein Inhibitor der T-Zell-Rezeptorübertragung ist, wird vermutet, dass Mutationen die T-Zell-Inhibition im humanen System verstärken. Zusätzlich wird ein Einfluss auf die Differenzierung im Thymus angenommen [6]. Ein anders inhibierendes Molekül ist der zur B7/CD28-Familie gehörige Rezeptor PD-1. Mutation in dem kodierenden Gen (PD-1 oder PDCD1) führen zur verstärkten T- und B-Zell-Aktivierung [4]. Eine stärkere Expression des kostimulatorischen Moleküls OX40L, das auf antigenpräsentierenden Zellen exprimiert wird und die T-Zell-Stimulation unterstützt, kann ebenfalls zur T-Zell-Überaktivierung und zu Toleranzverlust bei SLE-Patienten führen [4].
Weiterhin begünstigen Mutationen in Genen, welche die B-Zell-Aktivierung beeinflussen, die Entwicklung eines Lupus erythematodes. Dazu zählen das Adaptorprotein BANK1 („B cell scaffold protein with ankyrin repeats“) und die B-Zell-Tyrosinkinasen LYN und BLK. Die Gene beeinflussen die Entwicklung der B-Zellen, die Aktivierung und die Toleranzinduktion [4].
IL-10 ist ein bedeutendes immunregulatorisches Zytokin mit inhibierender Wirkung auf T-Zellen und antigenpräsentierende Zellen. Andererseits stimuliert es die B-Zell-Funktion. Mehrere Studien zeigten eine Assoziation von Polymorphismen im IL-10-Promotor mit dem SLE, die zu einer erhöhten Konzentration des Zytokins im Serum führten. Sie wurden mit einer stimulierenden Wirkung auf die B-Zellen in Verbindung gebracht [7].
Zu den ersten SLE-assoziierten Genen, die kurz nach der HLA-Assoziation identifiziert wurden, gehören die Komplementkomponenten C1q, C2 und C4. Die Mutationen bedingen, dass Reste abgestorbener Zellen nicht zügig und effektiv beseitigt werden können [3]. Eine ähnliche Wirkung haben Mutationen in Fc-Rezeptoren, die die Aufnahme von Immunkomplexen in die Zelle vermitteln und damit zu deren Elimination beitragen. Später wurde in genomweiten Assoziationsstudien eine Assoziation mit ITGAM gefunden, das für das Integrin CD11b kodiert. Gemeinsam mit CD18 bildet CD11b den Komplementrezeptor 3 (CR3). Das Molekül ist wesentlich für die Adhäsion und Migration von Leukozyten und deren Fähigkeit, Komplement zu binden. Einzelne Varianten bedingen einen Funktionsverlust in der Komplementbindungsfähigkeit des Moleküls und der nachfolgenden Phagozytose [8].
Der Lupus erythematodes ist mit einer Interferonsignatur assoziiert, womit die hohe Expression Typ-I-Interferon-induzierter Gene beschrieben wird. Diese Induktion ist primär ein Instrument des angeborenen Immunsystems zur Virusabwehr und führt zur Stimulation vielfältiger Effektorwege des Immunsystems wie der Aktivierung dendritischer Zellen, der Aktivierung von B-Zellen, die T-Zell-Stimulation und Zytokinsekretion. Genetische Varianten des angeborenen Immunsystems, die eine solche Aktivierung fördern, sind mit der Entwicklung eines Lupus erythematodes assoziiert. Dazu zählen Varianten in IRF5 („IFN regulatory factor 5“), die die Interferon-α-Produktion steigern und zu den am stärksten mit SLE assoziierten Genen außerhalb des MHC-Locus gehören [4].
Weitere Gene sind IRAK1 („interleukin-1 receptor associated kinase“), eine Proteinkinase, die in der Signaltransduktion der Toll-like- und IL-1-Rezeptoren bedeutsam ist, und STAT4 („signal transducer and activator of transcription 4“), das wesentlich für die Signaltransduktion des Interferonrezeptors ist und eine Th1-Differenzierung von T-Zellen fördert [4].
Varianten im RNA-Rezeptor Toll-like-Rezeptor 7 sind besonders bei Männern und Kindern mit einem erhöhten Risiko verbunden, an SLE zu erkranken [9].
Ein weiterer wesentlicher Risikofaktor ist die reduzierte Terminierung einer NFκB-vermittelten Entzündung durch genetische Varianten in dem für das Ubiquitin editierende Zinkfingerprotein A20-kodierende Gen TNFAIP3 („tumor necrosis factor-a-induced-protein 3“). Es kommt dadurch zu einer verlängerten Wirksamkeit der durch die Rezeptoren des angeborenen Immunsystems induzierten Zytokinkaskade (Tab. 1; [4]).
Monogener Lupus erythematodes
Die ersten Beschreibungen familiärer Lupusformen gingen auf Mutationen in den Komplementkomponenten C1q, C2 oder C4 zurück [11]. Die höchste Assoziation besteht für eine C1q-Defizienz. Das Krankheitsbild beginnt in früher Kindheit mit Haut-, Nieren-, Gelenk- und ZNS-Beteiligung. Zudem leiden die Patienten an wiederkehrenden bakteriellen Infektionen (Tab. 2; [12]).
Im Jahr 2006 wurde erstmals der familiäre Chilblain-Lupus als monogene Erkrankung beschrieben [13]. Im Gegensatz zum sporadischen Chilblain-Lupus, einer Unterform des chronisch kutanen Lupus erythematodes, tritt der familiäre Chilblain-Lupus bereits in früher Kindheit auf. Er manifestiert sich mit den für einen Chilblain-Lupus typischen kälteinduzierten livid roten Infiltraten an den Akren. Diese Läsionen können stark schmerzen und sekundär ulzerieren. Die chronisch rezidivierende Entzündung der Akren kann zu Osteolysen und Teilamputation der Finger, Nase oder Ohren führen. Vernarbungen treten als Folge der chronischen Entzündung häufig auf (Abb. 2). Das klinische Bild ist bei unterschiedlichen Familien sehr ähnlich und charakteristisch. Die Hautbeteiligung ist zumeist deutlich stärker als bei Patienten mit sporadischem Chilblain-Lupus ausgeprägt [14].
Der familiäre Chilblain-Lupus wird autosomal-dominant vererbt [13, 15]. Die zugrunde liegenden heterozygoten Mutationen betreffen zumeist die intrazelluläre DNAse TREX1 („three prime exonuclease 1“) oder die Triphosphohydrolase SAMHD1 („SAM domain and HD domain containing protein 1“; [15, 16]; Tab. 3). TREX1 ist eine intrazelluläre DNA-Exonuklease mit Spezifität für einzelsträngige DNA. Eine TREX1-Defizienz führt zur Akkumulation von DNA, die von DNA-Sensoren des angeborenen Immunsystems, wie beispielsweise der zyklischen GMP-AMP-Synthase (cGAS), fälschlicherweise als Gefahrensignal erkannt wird und zur Induktion von Typ-1-Interferon führt, das die Entwicklung von Autoimmunität begünstigt [17, 18, 19]. SAMHD1 ist eine dGTP-abhängige Triphosphohydrolase, die durch Spaltung von Desoxyribonucleotidtriphosphaten in das Desoxynucleosid und das Triphosphat den Desoxyribonucleotidpool der Zelle zellzyklusabhängig reguliert [20]. Zudem verfügt das Enzym über eine Exonukleasefunktion mit Spezifität für einzelsträngige DNA und RNA [21]. Ähnlich wie die TREX1-Defizienz führt eine SAMHD1-Defizienz zu einer Störung im Nukleinsäurestoffwechsel und zur Aktivierung des Immunsystems durch fehlerhaft akkumulierende Nukleinsäuren [20].
Biallelische Mutationen in TREX1 oder SAMHD1 führen zur Ausprägung eines Aicardi-Goutiéres-Syndroms [22]. Das Krankheitsbild ist sehr selten und kann zusätzlich durch Mutationen in 5 weiteren Genen [„ribonuclease H2A–C (RNASEH2 A-C)“, „RNA-specific adenosine deaminase 1“ (ADAR1), „melanoma differentiation-associated protein 5“ (MDA5), auch bezeichnet als „interferon-induced Helicase C domain 1“ (IFIH1)] induziert werden [20, 23, 24, 25]. Es zeigt sich eine in utero oder in den ersten Lebensmonaten beginnende Enzephalopathie mit kranialen Verkalkungen, die zu motorischer und geistiger Retardierung führt. Die Erkrankung ähnelt klinisch einer in utero erworbenen Infektion. Ein viraler Erreger wird jedoch nie nachgewiesen. Zusätzlich leiden viele dieser Kinder unter Autoimmunität, die serologisch durch antinukleäre Autoantikörper und teilweise Doppelstrang-DNA-Antikörper charakterisiert ist [26]. Im Liquor werden erhöhte Konzentrationen von Typ-I-Interferon gefunden. Hinzu kommen Arthritis und kutane Chilblain-Läsionen an den Akren. Das Krankheitsbild kann als Form eines SLE und Modellerkrankung für systemische Autoimmunität aufgefasst werden [20].
Interessanterweise konnte bei heterozygoten Eltern der Kinder mit Aicardi-Goutiéres-Syndrom eine erhöhte Prävalenz autoimmun bedingter Erkrankungen festgestellt werden [27]. Heterozygote Mutationen in TREX1 erhöhen zudem das Risiko, an einem SLE zu erkranken [28].
In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Patienten mit familiärem Chilblain-Lupus sehr häufig klinische Symptome eines SLE aufweisen. Insbesondere finden sich Blutbildveränderungen (Lymphopenie, Anämie), Autoantikörper und eine Arthritis [28]. Dies zeigt die systemische Auswirkung der Mutation und weist auf eine gemeinsame Pathogenese des SLE und des familiären Chilblain-Lupus hin.
In den letzten Jahren wurden 2 weitere monogene Formen des SLE mit frühem Beginn in der Kindheit beschrieben, die jeweils eine autosomal-rezessive Vererbung zeigen (Tab. 2). Eine Mutation betrifft eine DNA-Nuklease, die DNASE1L3, die Spezifität für einzel- und doppelsträngige DNA hat und für die Elimination von DNA im Extrazellulärraum verantwortlich ist [29]. Die betroffenen Patienten sind durch einen frühen Beginn des Lupus, antinukleäre Autoantikörper und Doppelstrang-DNA-Antikörper gekennzeichnet.
Die zweite Mutation wurde in PKCδ (Proteinkinase Cδ) nachgewiesen [30]. Sie führt zu einer reduzierten Expression und Funktion des Enzyms in B-Zellen. Dies bewirkt eine erhöhte B-Zell-Proliferation und Resistenz gegenüber einer B-Zell-Rezeptor-vermittelten Apoptose. Die betroffenen Kinder zeigten ebenfalls einen frühen Beginn der Erkrankung mit Haut- und Organmanifestation.
Obwohl diese monogenen Formen des Lupus erythematodes insgesamt sehr selten sind und nicht die Mehrheit der Erkrankungsfälle in der Bevölkerung erklären, hat die Aufklärung der zugrunde liegenden kausalen Zusammenhänge einen wichtigen Beitrag für unser Verständnis der Pathogenese des Lupus erythematodes geleistet.
Fazit für die Praxis
-
Der Lupus erythematodes hat meist eine polygene Prädisposition. Dadurch werden wesentliche Mechanismen der Elimination extrazellulärer Antigene und der Aktivierung des angeborenen und adaptiven Immunsystems so beeinflusst, dass es zu Toleranzverlust und inadäquater Immunstimulation mit Spezifität für körpereigene Antigene kommt.
-
Monogene Erkrankungsformen sind extrem selten. Ihre Aufklärung kann aber sehr wichtig für den Nachweis der pathogenetischen Zusammenhänge einer komplexen Erkrankung wie dem Lupus erythematodes sein.
-
Der familiäre Chilblain-Lupus ist eine monogene Form des Lupus erythematodes, die durch Mutation in TREX1 oder SAMHD1 ausgelöst wird. Sie kann durch den frühen Beginn kälteinduzierter Infiltrate an den Akren, die zu Ulzeration neigen, und den autosomal-dominanten Erbgang klinisch identifiziert werden.
Literatur
Liu Z, Davidson A (2012) Taming lupus-a new understanding of pathogenesis is leading to clinical advances. Nat Med 18:871–882
Kuhn A, Sticherling M, Bonsmann G (2007) Clinical manifestations of cutaneous lupus erythematosus. J Dtsch Dermatol Ges 5:1124–1137
Rhodes B, Vyse TJ (2008) The genetics of SLE: an update in the light of genome-wide association studies. Rheumatology (Oxford) 47:1603–1611
Moser KL, Kelly JA, Lessard CJ et al (2009) Recent insights into the genetic basis of systemic lupus erythematosus. Genes Immun 10:373–379
Smolen JS, Klippel JH, Penner E et al (1987) HLA-DR antigens in systemic lupus erythematosus: association with specificity of autoantibody responses to nuclear antigens. Ann Rheum Dis 46:457–462
Fousteri G, Liossis SN, Battaglia M (2013) Roles of the protein tyrosine phosphatase PTPN22 in immunity and autoimmunity. Clin Immunol 149:556–565
Lopez P, Gomez J, Prado C et al (2008) Influence of functional interleukin 10/tumor necrosis factor-alpha polymorphisms on interferon-alpha, IL-10, and regulatory T cell population in patients with systemic lupus erythematosus receiving antimalarial treatment. J Rheumatol 35:1559–1566
Roberts AL, Thomas ER, Bhosle S et al (2014) Resequencing the susceptibility gene, ITGAM, identifies two functionally deleterious rare variants in systemic lupus erythematosus cases. Arthritis Res Ther 16:R114
Shen N, Fu Q, Deng Y et al (2010) Sex-specific association of X-linked Toll-like receptor 7 (TLR7) with male systemic lupus erythematosus. Proc Natl Acad Sci U S A 107:15838–15843
Ramos PS, Shaftman SR, Ward RC et al (2014) Genes associated with SLE are targets of recent positive selection. Autoimmune Dis 2014:203435
McAdam RA, Goundis D, Reid KB (1988) A homozygous point mutation results in a stop codon in the C1q B-chain of a C1q-deficient individual. Immunogenetics 27:259–264
Pickering MC, Botto M, Taylor PR et al (2000) Systemic lupus erythematosus, complement deficiency, and apoptosis. Adv Immunol 76:227–324
Lee-Kirsch MA, Gong M, Schulz H et al (2006) Familial chilblain lupus, a monogenic form of cutaneous lupus erythematosus, maps to chromosome 3p. Am J Hum Genet 79:731–737
Peschke K, Friebe F, Zimmermann N et al (2014) Deregulated type I IFN response in TREX1-associated familial chilblain lupus. J Invest Dermatol 134:1456–1459
Lee-Kirsch MA, Chowdhury D, Harvey S et al (2007) A mutation in TREX1 that impairs susceptibility to granzyme A-mediated cell death underlies familial chilblain lupus. J Mol Med 85:531–537
Ravenscroft JC, Suri M, Rice GI et al (2011) Autosomal dominant inheritance of a heterozygous mutation in SAMHD1 causing familial chilblain lupus. Am J Med Genet A 155A:235–237
Yang YG, Lindahl T, Barnes DE (2007) Trex1 exonuclease degrades ssDNA to prevent chronic checkpoint activation and autoimmune disease. Cell 131:873–886
Stetson DB, Ko JS, Heidmann T et al (2008) Trex1 prevents cell-intrinsic initiation of autoimmunity. Cell 134:587–598
Ablasser A, Hemmerling I, Schmid-Burgk JL et al (2014) TREX1 deficiency triggers cell-autonomous immunity in a cGAS-dependent manner. J Immunol 192:5993–5997
Lee-Kirsch MA, Wolf C, Gunther C (2014) Aicardi-Goutieres syndrome: a model disease for systemic autoimmunity. Clin Exp Immunol 175:17–24
Goldstone DC, Ennis-Adeniran V, Hedden JJ et al (2011) HIV-1 restriction factor SAMHD1 is a deoxynucleoside triphosphate triphosphohydrolase. Nature 480:379–382
Crow YJ, Hayward BE, Parmar R et al (2006) Mutations in the gene encoding the 3‘–5‘ DNA exonuclease TREX1 cause Aicardi-Goutieres syndrome at the AGS 1 locus. Nat Genet 38:917–920
Rice GI, Kasher PR, Forte GM et al (2012) Mutations in ADAR1 cause Aicardi-Goutieres syndrome associated with a type I interferon signature. Nat Genet 44:1243–1248
Rice GI, del Toro DY, Jenkinson EM et al (2014) Gain-of-function mutations in IFIH1 cause a spectrum of human disease phenotypes associated with upregulated type I interferon signaling. Nat Genet 46:503–509
Crow YJ, Leitch A, Hayward BE et al (2006) Mutations in genes encoding ribonuclease H2 subunits cause Aicardi-Goutieres syndrome and mimic congenital viral brain infection. Nat Genet 38:910–916
Ramantani G, Kohlhase J, Hertzberg C et al (2010) Expanding the phenotypic spectrum of lupus erythematosus in Aicardi-Goutieres syndrome. Arthritis Rheum 62:1469–1477
Schmidt JL, Olivieri I, Vento JM et al (2012) Family history of autoimmune disease in patients with Aicardi-Goutieres syndrome. Clin Dev Immunol 2012:206730
Lee-Kirsch MA, Gong M, Chowdhury D et al (2007) Mutations in the gene encoding the 3‘-5‘ DNA exonuclease TREX1 are associated with systemic lupus erythematosus. Nat Genet 39:1065–1067
Al-Mayouf SM, Sunker A, Abdwani R et al (2011) Loss-of-function variant in DNASE1L3 causes a familial form of systemic lupus erythematosus. Nat Genet 43:1186–1188
Belot A, Kasher PR, Trotter EW et al (2013) Protein kinase cdelta deficiency causes mendelian systemic lupus erythematosus with B cell-defective apoptosis and hyperproliferation. Arthritis Rheum 65:2161–2171
Gunther C, Meurer M, Stein A et al (2009) Familial Chilblain Lupus - A Monogenic Form of Cutaneous Lupus Erythematosus due to a Heterozygous Mutation in TREX1. Dermatology 219(2):162–166
Rice G, Newman WG, Dean J et al (2007) Heterozygous mutations in TREX1 cause familial chilblain lupus and dominant Aicardi-Goutieres syndrome. Am J Hum Genet 80:811–815
Tungler V, Silver RM, Walkenhorst H et al (2012) Inherited or de novo mutation affecting aspartate 18 of TREX1 results in either familial chilblain lupus or Aicardi-Goutieres syndrome. Br J Dermatol 167:212–214
Sugiura K, Takeichi T, Kono M et al (2012) Severe chilblain lupus is associated with heterozygous missense mutations of catalytic amino acids or their adjacent mutations in the exonuclease domains of 3'-repair exonuclease 1. J Invest Dermatol 132:2855–2857
Abe J, Izawa K, Nishikomori R et al (2013) Heterozygous TREX1 p.Asp18Asn mutation can cause variable neurological symptoms in a family with Aicardi-Goutieres syndrome/familial chilblain lupus. Rheumatology (Oxford) 52:406–408
Gunther C, Hillebrand M, Brunk J et al (2013) Systemic involvement in TREX1-associated familial chilblain lupus. J Am Acad Dermatol 69:e179–e181
Yamashiro K, Tanaka R, Li Y et al (2013) A TREX1 mutation causing cerebral vasculopathy in a patient with familial chilblain lupus. J Neurol 260:2653–2655
Gunther C, Berndt N, Wolf C et al (2014) Familial Chilblain Lupus Due to a Novel Mutation in the Exonuclease III Domain of 3' Repair Exonuclease 1 (TREX1). JAMA Dermatol, epub
Danksagung
Die Autorin dankt Frau Prof. Dr. Min Ae Lee-Kirsch für die Diskussion und die konstruktiven Hinweise bei der Erstellung des Manuskriptes.
C. Günther erhielt eine Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (GU1212/1-1 und GU 1212/1-2).
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
C. Günther gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Patienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberechtigten oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor.
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
Bei den meisten betroffenen Patienten ist der Lupus erythematodes …
autosomal-dominant vererbt.
autosomal-rezessiv vererbt.
multifaktoriell bedingt.
monogen bedingt.
nur durch Umweltfaktoren bedingt.
Monogene Erkrankungen …
basieren auf Mutation in einem Gen.
sind aufgrund der Seltenheit klinisch uninteressant.
sind oft weniger schwer als polygene Formen.
sind häufiger als polygene Formen.
sind genetisch schwerer aufzuklären als polygene Formen.
Folgende Aussage zu genomweiten Assoziationsstudien bei Lupuspatienten trifft nicht zu:
Folgende Aussage zu genomweiten Assoziationsstudien bei Lupuspatienten trifft nicht zu:
Sie werden an sehr großen Patientenkollektiven durchgeführt.
Durch sie können vor allem sehr seltene monogene Erkrankungsformen identifiziert werden.
Durch sie identifizierte Mutationen bedingen oft nur eine geringe Steigerung des Erkrankungsrisikos.
Durch sie konnten in den letzten Jahren zahlreiche genetische Varianten identifiziert werden, die für die Entwicklung eines Lupus erythematodes prädisponieren.
Die identifizierten Polymorphismen sind nicht immer spezifisch für den Lupus erythematodes.
Folgende Aussage zum klinischen Spektrum des Lupus erythematodes trifft nicht zu:
Akute kutane Lupusveränderungen sind oft mit einer Systembeteiligung assoziiert.
Der monogene familiäre Chilblain-Lupus tritt bereits in früher Kindheit auf.
Der subakut kutane Lupus erythematodes kann nicht in einen systemischen Lupus erythematodes über gehen.
Der sporadische Chilblain-Lupus ist eine Unterform des chronisch kutanen Lupus erythematodes.
Der monogene familiäre Chilblain-Lupus weist sehr häufig Symptome eines systemischen Lupus erythematodes auf.
In der Pathogenese des Lupus erythematodes sind nicht wichtig:
Toleranzverlust des Immunsystems gegenüber körpereigenen Antigenen
Defekte in der Beseitigung apoptotischen oder nekrotischen Materials
Immunkomplexbildung
Sekretion des Zytokins Interferon-α
Verminderte Sekretion von Defensinen
Sie haben den Verdacht, dass Ihr Patient an einem subakut kutanen Lupus erythematodes leiden könnte. Welcher HLA-Typ ist mit dieser Erkrankung assoziiert und kann diagnostisch bestimmt werden?
HLA-DR3
HLA-B27
HLA-cw7
HLA-B*1502
HLA-B*5701
Bereits seit vielen Jahren bekannte, monogene Lupusformen basieren auf Mutationen …
im Gerinnungssystem.
in den Komplementkomponenten.
im IL-2-Rezeptor.
in Filaggrin.
in Defensinen.
Zu den monogenen Lupusformen gehören nicht Erkrankungen mit Mutation in …
TREX1.
C1q.
DNASE1L3.
NFkB.
Proteinkinase Cδ
Ein Patient mit narbigen Veränderungen der Finger und lividen, ulzerierenden Infiltraten an den Akren im Winter berichtet über den Beginn dieser Veränderungen seit früher Kindheit. Seine Mutter und Großmutter seien ebenfalls betroffen gewesen, und seine Schwester leidet an ähnlichen Kälte-getriggerten Hautveränderungen an Zehen, Fingern und Ohren. Welche seltene Erkrankung sollten Sie differenzialdiagnostisch erwägen?
Systemische Sklerodermie
Familiärer Chilblain-Lupus
Raynaud-Syndrom
Lupus vulgaris
PAPA-Syndrom
Der familiäre Chilblain-Lupus kann ausgelöst werden durch Mutation in …
PTPN22.
OX40L.
TREX1.
IL-10.
TNF-α.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Günther, C. Genetik des Lupus erythematodes. Hautarzt 66, 121–130 (2015). https://doi.org/10.1007/s00105-014-3570-0
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00105-014-3570-0