Der epidermale Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) spielt eine Schlüsselrolle in der Entstehung und Progression verschiedener maligner Tumore, so beim kolorektalen Karzinom. Die Aktivierung des EGFR auf Karzinomzellen führt zu Entdifferenzierung, gesteigerter Proliferation und Metastasierung, Neoangiogenese und Apoptoseinhibition [2, 7]. Die Expression von EGFR geht bei vielen soliden Tumoren mit einer schlechten Prognose, fortgeschrittenen Tumorstadien und erhöhten Resistenzen gegenüber Chemotherapien einher [9].

Cetuximab (Erbitux®) ist ein monoklonaler, chimärer IgG1-Antikörper, der selektiv den EGFR bindet. Er blockiert die Bindung der endogenen EGFR-Liganden EGF und TGF-α [4]. Cetuximab wurde 2004 in Kombination mit Irinotecan (Campto®) in Deutschland zugelassen zur Behandlung von Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinomen, die den EGFR exprimieren und bei denen eine vorherige Irinotecan-basierte Chemotherapie versagt hatte.

Eine häufige, die Patienten stark belastende Nebenwirkung sind akneiforme Exantheme [1]. Wir berichten über ein neues Therapieschema bei ausgeprägtem akneiformen Exanthem nach Gabe von Cetuximab aus oralen Retinoiden, topischem Antibiotikum und Steroidexternum.

Fallbericht 1

Anamnese

Bei einem 62-jährigen Patienten manifestierte sich 7 Jahre nach Erstdiagnose eines Kolonkarzinoms ein erneutes lokoregionäres Rezidiv mit zusätzlicher hepatischer Metastasierung. Nachdem der Patient im Laufe seiner Erkrankung schon verschiedene Chemotherapien erhalten hatte, wurde eine Therapie mit Irinotecan und Cetuximab eingeleitet. Vier Tage nach Beginn der Therapie traten Papeln und Pusteln an den Nasenflügeln auf, die sich innerhalb 1 Woche auf restliches Gesicht, Capillitium und Stamm ausbreiteten. Die Therapie mit Cetuximab und Irinotecan wurde in wöchentlichen Abständen fortgeführt. Eine auswärtige Behandlung mit Erythromycin extern hatte zu keiner Befundbesserung geführt.

Hautbefund

Bei Erstvorstellung fanden sich im Gesicht und am Capillitium multiple Papeln, Papulopusteln und Pusteln sowie ausgeprägte gelbliche Krusten v. a. an beiden Nasenflügeln. An Brust, oberer Rückenpartie und Hals zeigten sich multiple, teils konfluierende, dicht stehende erythematöse Papeln, Papulopusteln und Pusteln in symmetrischer Anordnung (Abb. 1). Auf mikrobiologische Untersuchungen wurde bei Erstvorstellung aufgrund des fehlenden Nachweises in der Literatur [1] verzichtet. Im weiteren Verlauf entnommene Abstriche zeigten lediglich koagulasenegative Staphylokokken. Pityrosporum ovale konnte nicht nachgewiesen werden.

Abb. 1a–f
figure 1

Klinischer Befund des Patienten 1 am Aufnahmetag (a, b), nach 1 (c, d) und nach 4 Wochen (e, f) Therapie mit Isotretinoin 20 mg systemisch, Nadifloxacin und Prednicarbat lokal

Therapie und Verlauf

Unter systemischer Therapie mit Isotretinoin 20 mg (Roaccutan®, 0,25 mg/kg Körpergewicht) pro Tag und einer topischen Therapie mit Nadifloxacin (Nadixa®) und Prednicarbat Creme (Dermatop®) kam es zu einer raschen Besserung des Hautbefundes. Schon nach 1 Woche fanden sich nur noch Papeln und erythematöse Makulae. Die systemische Therapie mit Isotretinoin wurde gut toleriert, lediglich Lippentrockenheit trat auf. Innerhalb der nächsten 3 Behandlungswochen kam es zu einer weiteren Besserung mit Abflachung und Rückgang der Papeln bis auf Resterytheme (Abb. 1), sodass die lokale Steroidtherapie reduziert werden konnte. Bei einer Nachuntersuchung 2 Monate nach Therapiebeginn zeigte sich eine partiale Remission der Tumorerkrankung.

Aufgrund des guten Ansprechens der Therapie wurde nach 1 1/2 Monaten die Roaccutandosis auf 10 mg pro Tag reduziert. Insgesamt konnte Roaccutan nach 4 1/2 Monaten abgesetzt werden. Der Hautzustand ist darunter stabil, vereinzelte Pusteln und Erytheme lassen sich mit einer lokalen Nadifloxacinbehandlung gut beherrschen. Die Cetuximab-Therapie wird inzwischen seit 7 Monaten durchgeführt, wobei keine weiteren Nebenwirkungen auftraten.

Fallbericht 2

Anamnese

Ein 59-jähriger Patient entwickelte 8 Jahre nach primärer Diagnose eines Rektumkarzinoms ein Rezidiv, das operativ sowie chemotherapeutisch und strahlentherapeutisch behandelt wurde. Im Laufe der Behandlung erfolgte eine Umstellung der Therapie auf Cetuximab und Irinotecan. Ungefähr 1 Woche nach Therapiebeginn traten zahlreiche Papeln und Pusteln im Gesicht und am Oberkörper auf, wobei Juckreiz und Spannungsgefühl beklagt wurden. Eine auswärts eingeleitete Therapie mit Doxycyclin bzw. Isotretinoin systemisch (2-mal 20 mg bzw. später 4-mal 20 mg) sowie Fusidinsäure lokal erbrachte keine Besserung.

Hautbefund

Bei Erstvorstellung, die ca. 5 Monate nach Therapiebeginn mit Cetuximab erfolgte, fanden sich v. a. im Gesicht, in geringerem Maß auch am Oberkörper und an den Beinen disseminiert multiple, teilweise konfluierende erythematöse Papeln und Papulopusteln auf erythematösem Grund sowie Exkoriationen und gelbliche Krusten. Besonders oberhalb der Oberlippe fand sich ein flächiges livides infiltriertes Erythem mit multiplen, z. T. konfluierenden Pusteln (Abb. 2). Mikrobiologische Untersuchungen erbrachten nativ vermehrt Pityrosporumhefen sowie in der Kultur Staphylococcus aureus.

Abb. 2a–f
figure 2

Klinischer Befund des Patienten 2 am Aufnahmetag (a, b), nach 1 (c, d) und nach 4 Wochen (e, f) Therapie mit Isotretinoin 20 mg systemisch, Nadifloxacin und Prednicarbat lokal

Therapie und Verlauf

Unter Reduktion der systemischen Therapie auf 20 mg Isotretinoin (Roaccutan®) pro Tag und einer topischen Therapie mit Nadifloxacin (Nadixa®) und Prednicarbatcreme (Dermatop®) kam es schon nach 1 Woche Therapie zu einer deutlichen Besserung des Hautzustandes. Die Pusteln im Gesicht trockneten weitgehend aus, das flächige violett imponierende Erythem mit vereinzelten Papeln und Papulopusteln blieb noch bestehen. Auch am restlichen Integument fanden sich keine frischen Pusteln mehr, sondern disseminiert erythematöse Makulae und Plaques mit zentralen eingetrockneten teils gelblichen, teils schwärzlich hämorrhagischen Krusten (Abb. 2). Als Nebenwirkung der systemischen Isotretinointherapie trat eine geringe Trockenheit der Schleimhäute auf, die jedoch unter pflegenden Maßnahmen gut tolerabel war. Im Verlauf kam es zur weiteren Besserung der Hautveränderungen ohne das Auftreten neuer Pusteln (Abb. 2). Das Integument zeigte eine ausgeprägte Xerosis, die jedoch im weiteren Verlauf deutlich rückläufig war. Etwa 1 Monat nach Beginn der Therapie mit Cetuximab traten Paronychien an beiden Großzehen auf, die sich mit konservativen Maßnahmen nur schwer behandeln ließen.

Nach 3-monatiger Therapie wurde aufgrund des guten Hautzustandes die Isotretinoindosis auf 10 mg reduziert, weitere 2 Monate später 10 mg Isotretinoin jeden 2. Tag gegeben und nach insgesamt 6 Monaten Therapie Isotretinoin abgesetzt. Die lokale Therapie mit Nadifloxacin und Prednicarbat konnte schrittweise reduziert werden und wird derzeit bei gelegentlichem Auftreten neuer Papeln und Pusteln bei Bedarf mit gutem Erfolg eingesetzt.

Die Cetuximab-Therapie wird inzwischen seit knapp 1 Jahr durchgeführt, regelmäßige onkologische Nachuntersuchungen ergaben stets eine Stabilisierung der Tumorerkrankung.

Diskussion

Etwa 80% der mit Cetuximab behandelten Patienten entwickeln – zumeist in den ersten Therapiewochen – akneiforme Exantheme [3, 10]. Auftreten und Ausprägung dieser Exantheme korrelieren positiv mit dem therapeutischen Ansprechen der Tumorerkrankung [3].

Die Behandlung der akneiformen Cetuximab-Exantheme folgt unstandardisiert den Therapieprinzipien bei Akne und Rosazea [11]. Leichte Formen werden üblicherweise topisch mit Antibiotika oder Benzoylperoxid behandelt. Topische Retinoide wurden versucht, bei Fehlen von Komedonen und wegen möglicher Xerosis oder gar Ekzementwicklung von einigen Autoren abgelehnt [11, 12]. Mittelgradige Exantheme werden häufig zusätzlich mit Tetrazyklinen oral sowie zur Juckreizlinderung mit Antihistaminika behandelt. Schwere Formen wurden zusätzlich mit feuchten Kompressen lokal therapiert.

Der Einsatz oraler Retinoide wird kontrovers diskutiert, ist selten beschrieben und wird von manchen Autoren wegen einer möglichen Exazerbation von Xerosis oder Paronychien, der von Acne vulgaris unterschiedlichen Pathogenese der Cetuximab-Exantheme bzw. eventueller Interaktion mit den therapeutisch bedeutsamen antineoplastischen Eigenschaften der EGFR-Inhibition nicht empfohlen [6, 11, 12]. Andere Autoren sehen hingegen einen potenziellen synergistischen Effekt beider Substanzen [6] und berichteten kürzlich über gute Retinoidwirksamkeit ohne Nebenwirkungen [5]. Zur endgültigen Einordnung möglicher Interaktionen zwischen Retinoiden und Cetuximab sind allerdings weitere Untersuchungen notwendig.

In unserer Klinik wurden weitere 3 Patienten mit Cetuximab-induzierten, schweren akneiformen Exanthemen mit obiger Tripeltherapie behandelt. Trotz klinisch guter Besserung des Hautzustandes haben wir jedoch wegen sich verschlechternder Leberwerte bzw. Nierenversagens durch die Grundkrankheit die Behandlung ausgesetzt.

Wir wählten Nadifloxacincreme, da die Substanz neben ihrer antibiotischen Wirkung auch die antigenpräsentierende Funktion von Langerhans-Zellen und Keratinozyten herabsetzt [8]. Steroidexterna wurden wegen der ekzematoiden Komponente unbehandelter und insbesondere retinoidbehandelter Exantheme hinzugenommen.

Unsere Patienten zeigten unter Isotretinoin 0,25 mg/kg Körpergewicht, Nadifloxacin extern und Steroid extern einen raschen Wirkungseintritt und gute Besserung nach kurzer Zeit, wobei insbesondere die Hautveränderungen im Gesicht sehr rasch ansprachen und der Befund am Stamm etwas in der Besserung hinterherhinkte. Die Nebenwirkungen sind mit Lippen- und womöglich Schleimhauttrockenheit gering und gut beherrschbar. Gegebenenfalls ist aufgrund der Vorerkrankungen wie hepatischer Metastasierung mit vorbestehend erhöhten Leberwerten ein Therapieabbruch oder eine engmaschige Laborüberwachung der Patienten angezeigt.

Fazit für die Praxis

Schwere akneiforme Cetuximab-Exantheme lassen sich, wie hier bei 2 Patienten gezeigt, durch eine Tripeltherapie aus oralem Isotretinoin, topischem Nadifloxacin und Steroidexternum schnell und wirkungsvoll behandeln.