Aus der Grundlagenforschung entwickeln sich zunehmend klinisch relevante neue Therapieansätze, bei deren Einsatz dann aber neue unerwünschte Nebenwirkungen auftreten können. Ein gutes Bespiel dafür ist der EGF-Rezeptor, der in der Pathogenese vieler Karzinome eine Rolle spielt. In den letzten Jahren wurden mehrere Strategien der EGF-Rezeptor Blockade in der Tumortherapie im Rahmen klinischer Studien getestet. Dabei traten bei der Mehrzahl der Patienten kutane Nebenwirkungen auf, insbesondere akneiforme Läsionen, seltener eine Xerosis cutis, Paronychien und Alopezie. Die Kenntnis und Behandlung dieser Nebenwirkungen ist insbesondere deshalb wichtig, da ihr Schweregrad mit dem Ansprechen des Tumors auf die EGF-Rezeptor-Blockade zu korrelieren scheint.

Der Rezeptor für den „epidermal growth factor“ (EGF) wird von vielen Karzinomen überexprimiert, z. B. in bis zu 80% von Kolorektalkarzinomen und bis zu 93% von nichtkleinzelligen Bronchialkarzinomen [5]. Zahlreiche Studien konnten einen Zusammenhang mit der Überexpression bzw. Deregulation des EGF-Rezeptors und der Tumorentstehung bzw. -progression zeigen [12]. Der EGF-Rezeptor stellt damit auch eine attraktive Zielstruktur in der Therapie metastasierter Karzinome dar. In den letzten Jahren wurden mehrere Strategien zur Blockade des EGF-Rezeptors entwickelt, von denen blockierende Antikörper wie Cetuximab [9, 23] und niedermolekulare Tyrosinkinaseinhibitoren wie Gefitinib (ZD1839) und Erlotinib (OSI-744) [2, 20, 21, 26] mittlerweile im klinischen Einsatz sind.

Der EGF-Rezeptor wird nicht nur auf neoplastischen Zellen, sondern auch in normaler Epidermis exprimiert [30]. Nebenwirkungen einer EGF-Rezeptor-Blockade an der Haut wurden in den klinischen Studien in der Mehrzahl der Patienten beobachtet [9, 23] und treten sowohl bei antikörpervermittelter Blockade als auch bei den niedermolekularen Tyrosinkinaseinhibitoren auf [12]. Der Schweregrad der kutanen Nebenwirkungen scheint mit dem Ansprechen des Tumors auf die EGF-Rezeptor-Blockade zu korrelieren [20, 21, 23, 27]. Schwere kutane Nebenwirkungen motivieren daher zu einer Fortsetzung der Therapie und erfordern ein gutes dermatologisches Management. Im Folgenden werden diese spezifischen kutanen Nebenwirkungen, die auf der EGF-Rezeptor-Blockade beruhen, erläutert und Vorschläge zu deren Management gemacht. Daneben treten auch anaphylaktische Reaktionen, wie z. B. Urtikaria und Angioödeme auf. Schwere anaphylaktische Reaktionen sind selten und treten z. B. bei Cetuximab bei etwa 2% der behandelten Patienten auf [18]. Sie werden durch Immunreaktionen gegen Fremdproteine erklärt. So lassen sich bei etwa 4% der mit Cetuximab behandelten Patienten Antikörper gegen den chimären humanen-murinen Cetuximab-Antikörper nachweisen [18].

Follikuläre Arzneimittelreaktionen

Follikuläre Arzneimittelreaktionen (auch häufig als „akneiforme Hautveränderungen“ bezeichnet) sind die häufigsten kutanen Nebenwirkungen einer EGF-Rezeptor-Blockade. Sie treten bei Cetuximab bei 80–90% der Patienten auf [9, 23], bei Gefitinib bei 39–75% [2, 17], bei Erlotinib bei 79% [26] und bei ABX-EGF, einem vollständig humanen anti-EGF-Rezeptor-Antikörper, bei 68–100% [22]. Interessanterweise zeigte der humanisierte anti-EGF-Rezeptor-Antikörper h-R3 in einer 1. Studie keine kutanen Nebenwirkungen [8]. Es wurde darüber spekuliert, dass dafür die Epitopspezifität oder die Affinität im Vergleich zu anderen EGF-Rezeptor-Blockern verantwortlich ist.

Von der Lokalisation und Morphologie sind die Hautveränderungen, die durch die verschiedenen EGF-Rezeptor-Inhibitoren verursacht werden, ähnlich. In einem Vergleich von Cetuximab und Gefitinib scheint Cetuximab jedoch ausgeprägtere und großflächigere Läsionen hervorzurufen [14].

Innerhalb der ersten 1–3 Therapiewochen kommt es zu einem abrupten Auftreten monomorpher, follikulärer Pusteln und Papeln (Abb. 1; [4, 16]), Komedonen finden sich nicht. Diese Effloreszenzen beginnen häufig im Gesicht und der behaarten Kopfhaut und können hier Aspekte einer Rosazea (Abb. 2) oder eines seborrhoischen Ekzems (Abb. 3; [15]) zeigen. Eine großflächige Ausbreitung auf Stamm und Extremitäten ist möglich (Abb. 1). In den Pusteln lassen sich bei einigen Patienten Demodex-Milben oder Sprosszellen nachweisen, der Nachweis von Bakterien ist selten [6]. Histologisch findet sich eine superfizielle Perifollikulitis um hyperkeratotische und ektatische follikuläre Infundibula [6, 28].

Abb. 1
figure 1

Der Patient wurde aufgrund eines metastasierenden Sigmakarzinoms mit Cetuximab behandelt. Nach 17 Therapiewochen fanden sich multiple erythematöse Papeln und Pusteln im Gesicht, an Capillitium und Oberkörper

Abb. 2
figure 2

Die Patientin wurde aufgrund eines metastasierenden Kolonkarzinoms mit Cetuximab behandelt. Nach 4 Therapiewochen fanden sich Teleangiektasien, Erytheme, Pusteln und Erosionen im Gesichtsbereich

Abb. 3
figure 3

Der Patient wurde aufgrund eines metastasierenden Kolonkarzinoms mit Cetuximab behandelt. Nach 3 Therapiewochen fanden sich z. T. schuppende, z. T. lichenifizierte Ekzeme im Gesichtsbereich

Die follikulären Arzneimittelreaktionen nehmen in der Regel während der Fortsetzung der Therapie ab [13, 14]. Nach Absetzen des EGF-Rezeptor-Blockers kommt es innerhalb von wenigen Wochen zu einem vollständigen Rückgang der Hautveränderungen [2, 6, 10, 19, 26, 28].

Gering oder mäßig ausgeprägte follikuläre Läsionen werden in der Regel von den Patienten gut toleriert [13]. Hier bietet sich eine topische Therapie (Tabelle 1) analog der Aknebehandlung mit Antibiotika- oder Benzoylperoxid-haltigen Externa an [6, 13, 14, 28]. Dabei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass die EGF-Rezeptor-Blockade zusätzlich zu einer Austrocknung der Haut führt (s. unten). Wir haben mit Metronidazol-haltigen Externa gute Erfahrungen gemacht, bei dem Nachweis von Demodex-Milben oder Sprosszellen kann auch der lokale Einsatz von Permethrin oder Goldgeist erwogen werden.

Tabelle 1 Häufige kutane Nebenwirkungen einer EGF-Rezeptor-Blockade mit Cetuximab, Gefitinib und Erlotinib

Etwa 10–15% der Patienten [9, 21] entwickeln schwere follikuläre Arzneimittelreaktionen, die die onkologische Therapie limitieren können [5, 15], wobei diese Patienten am meisten von der EGF-Rezeptor-Blockade profitieren sollen [20, 27].

Bei diesen Patienten kann eine systemische Therapie mit Antibiotika erwogen werden wie die Gabe von Minocyclin (100 mg/Tag) [28, 29].

Die Gabe von (topischen und systemischen) Retinoiden wird kontrovers diskutiert [24], über ihren Einsatz bei den follikulären Läsionen im Rahmen der EGF-Rezeptor-Blockade wird bislang kaum berichtet. Dabei bestehen insbesondere Bedenken, dass die mit EGF-Rezeptor-Blockern assoziierte Xerosis cutis und Paronychien durch Retinoide exazerbieren können. Wir haben kürzlich über 2 Patienten berichtet, die schwere follikuläre Arzneimittelreaktionen unter einer Cetuximab-Therapie entwickelt hatten [11]. Beide Patienten sprachen gut auf eine systemische Therapie mit Isotretinoin an, ohne dass andere Probleme auftraten. Aus unserer Sicht sind Retinoide auch deshalb in Kombination mit EGF-Rezeptor-Inhibitoren interessant, da Retinoide die EGF-Rezeptor-Aktivierung herunterregulieren [25] und somit beide Ansätze einen synergistischen Effekt in der Tumortherapie haben könnten [1]. Um diese Fragestellung zu klären, wären Studien sinnvoll.

Steroidhaltige Externa und Interna haben keinen zuverlässigen Effekt, steigern aber das Risiko der bakteriellen Superinfektion und sollten daher vermieden werden [6, 15, 24].

Paronychien

Etwa 10% der Patienten entwickeln unter einer Therapie mit EGF-Rezeptor-Inhibitoren Paronychien, d. h. Entzündungen der Nagelränder, die z. T. mit Granulationsgewebe einhergehen können und dann einem Granuloma pyogenicum ähneln [7, 17, 23]. Diese treten nach dem 1. Therapiemonat oder später auf und betreffen häufig Großzehen- oder Daumennagel (Abb. 4; [3, 6, 19]). Zur Therapie werden desinfizierende Externa z. B. auf Jodbasis empfohlen, wir haben gute Erfahrungen mit Externa gemacht, die ein lokales Antiseptikum und ein Klasse-I- oder -II-Steroid kombinieren.

Abb. 4
figure 4

Der Patient wurde aufgrund eines metastasierenden Sigmakarzinoms mit Cetuximab behandelt. Nach 12 Therapiewochen fanden sich Paronychien der 1. und 3. Zehen beidseits

Xerosis cutis

Bei etwa einem Drittel der Patienten kommt es zu der Entwicklung eines trockenen und schuppigen Integuments, welches sich als Pulpitis sicca an den Finger- und Zehenkuppen [6] oder als Exsikkationsekzematid [2, 17, 28] manifestieren kann. Hier ist die rückfettende Hautpflege z. B. mit harnstoffhaltigen Externa sehr wichtig, weiterhin sollte eine zusätzliche Austrocknung der Haut z. B. durch übertriebene Hygienemaßnahmen vermieden werden.

Weitere Hautveränderungen

Bei wenigen Patienten wurde das Auftreten von Aphthen im Mundschleimhautbereich berichtet [6, 17], sodass nicht klar ist, ob es sich um eine zufällige Koinzidenz oder um eine Nebenwirkung der EGF-Rezeptor-Blockade handelt.

Das Auftreten einer Alopezie wurde ebenfalls berichtet [28], wobei es mit zunehmender Therapiedauer zur Entwicklung dünner, brüchiger Kopfhaare kommen kann.

Bei etwa 10% der Patienten wurden im Anschluss an akneiforme Hautveränderungen über postinflammatorische Hyperpigmentierungen berichtet, daher sollten während der Therapie mit EGF-Rezeptor-Blockern Lichtschutzmaßnahmen durchgeführt werden [7].

Fazit für die Praxis

Die meisten Patienten, die mit EGF-Rezeptor-Blockern behandelt werden, haben kutane Nebenwirkungen. Diese sind in der Regel dermatologisch gut beherrschbar. Besonders schwere kutane Nebenwirkungen, insbesondere der akneiformen Läsionen, motivieren zu einer Fortsetzung der Therapie, da sie häufig mit einem Ansprechen des Tumors korrelieren. Bei diesen Patienten ist ein konsequentes dermatologisches Management besonders wichtig, wobei insbesondere auch eine systemische Therapie z. B. mit Antibiotika und Retinoiden erwogen werden kann.