Einleitung

Die S3-Leitlinie zur Vermeidung unbeabsichtigter perioperativer Hypothermie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI) initiiert und aktiv von Mitgliedern der Fachgesellschaften für Chirurgie, Kinderchirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste sowie der Schweizerischen und der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin in ihrer Entstehung unterstützt [22].

Die Leitlinie wurde nach der S3-Methodik gemäß Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) entwickelt. Dies beinhaltet eine systematische Suche nach wissenschaftlichen Arbeiten und Leitlinien zum Thema und die Erstellung von sogenannten Evidenztabellen zur systematischen Darstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Weiterhin wurden auf der Grundlage der gefundenen Daten Empfehlungen durch strukturierte Konsensfindung in Konferenzen mit Anwesenheit der Leitlinienmitarbeiter (sogenannter nominaler Gruppenprozess) erarbeitet und nach dem Delphi-Verfahren konsentiert. Zu jeder Empfehlung wurden von den Mitgliedern der Leitliniengruppe der Evidenz- sowie der Empfehlungsgrad bestimmt. Die verwendeten Bezeichnungen und das Schema zur Überleitung von Evidenz- und Empfehlungsgraden sind in Tab. 1 und 2 zusammenfassend und vereinfacht dargestellt.

Tab. 1 Oxford-Schema zu den Stärken der Evidenz
Tab. 2 Empfehlungsgrade und deren Beschreibung

Als sogenannte Quellleitlinien wurden die NICE-Guideline aus Großbritannien [15] sowie drei weitere Leitlinien aus Australien, Kanada und den USA berücksichtigt [4, 8, 14].

Kürzlich wurden von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und dem Berufsverband der Deutschen Anästhesisten (BDA) Qualitätsindikatoren zur Optimierung der perioperativen Qualität und Patientensicherheit bei ambulanten und stationären Operationen erstellt [23]. In Konsensustreffen der Arbeitsgruppe wurden zehn Qualitätskriterien mithilfe von drei Delphi-Umfragen konsentiert. Das „Qualitätskriterium V“ zielt auf die Vermeidung der perioperativen Hypothermie ab und bezieht sich im Wesentlichen auf die 2014 veröffentlichte S3-Leitlinie für den deutschsprachigen Raum [22]. Damit liegt eine praktikable Empfehlung zur Umsetzung der Leitlinie zur Vermeidung der perioperativen Hypothermie vor, die als Auftrag an Anästhesisten und Operateure verstanden werden kann, diese Empfehlungen umzusetzen.

Körperkerntemperatur, Normalwert, Hypothermie

Um eine perioperative Hypothermie zu erkennen, muss die Körperkerntemperatur gemessen werden und deren Normalbereich bzw. die Schwelle zur Hypothermie definiert werden.

  • Der normale Bereich der Temperatur des Körperkerns liegt beim erwachsenen Menschen zwischen 36,0 °C und 37,5 °C (LoE IIa).

  • Perioperative Hypothermie besteht bei einer Körperkerntemperatur <36 °C.

Patientenindividuell existieren unterschiedliche Schwellenwerte im Rahmen einer Hypothermie für periphere Vasokonstriktion oder die Auslösung von Muskelzittern (Shivering). In Übereinstimmung mit den aktuellen Leitlinien und der Mehrzahl der durchgeführten Studien wurde die Schwelle zur Hypothermie bei 36 °C festgelegt.

Perioperative Temperaturmessung

Da bei jedem Patienten, der eine Anästhesie für eine Operation erhält, grundsätzlich das Risiko für eine Hypothermie besteht, sollte an jedem anästhesiologischen Arbeitsplatz die Option zur Temperaturmessung vorhanden sein.

  • Die Möglichkeit zur Messung der Körpertemperatur soll zur Grundausstattung jedes Arbeitsplatzes der Anästhesie gehören (Expertenkonsensus).

  • Die Köpertemperatur soll 1–2 h vor Beginn der Anästhesie durch die vorbereitende Organisationseinheit gemessen werden (Expertenkonsensus).

  • Intraoperativ soll die Körpertemperatur kontinuierlich oder mindestens alle 15 min gemessen werden (Expertenkonsensus).

Die Empfehlung, möglichst 1–2 h vor Einleitung der Anästhesie die Körpertemperatur des Patienten zu messen, basiert auf der Erkenntnis, dass bei einigen Patienten schon präoperativ die Körpertemperatur unterhalb von 36 °C liegt. Damit obliegt es dem operativen Team, schon bei der präoperativen Visite durch Temperaturmessung die Patienten mit einer bereits bestehenden Hypothermie zu erkennen. Diese können dann ausreichend lange vor Einleitung der Anästhesie bis zum Erreichen von Normothermie, z. B. auf der Normalstation, aktiv gewärmt werden.

Die kontinuierliche perioperative Temperaturüberwachung wird empfohlen, um eine Hypothermie frühzeitig prä- und intraoperativ zu erkennen.

Ort der Messung der Körpertemperatur

Der ideale Ort zur nichtinvasiven Messung der perioperativen Körperkerntemperatur ist nicht definiert, sodass in dieser Hinsicht differenzierte Bewertungen und Empfehlungen nötig sind.

Wichtig für die Praxis ist, dass die Infrarotmethodik am Ohr nicht eingesetzt werden soll, weil die Geräte in der Regel methodenbedingt keine zuverlässige Körpertemperaturmessung gewährleisten.

  • Perioperativ sollte die Körpertemperatur möglichst am gleichen Ort und mit der gleichen Methode gemessen werden (Expertenkonsensus).

  • Die orale Temperaturmessung ist zur Erfassung der Körpertemperatur perioperativ geeignet (LoE Ib, Empfehlungsgrad A).

  • Die nasopharyngeale Temperaturmessung ist zur Erfassung der Körpertemperatur perioperativ geeignet (Expertenkonsensus).

  • Die ösophageale, vesikale und die direkte tympanale Temperaturmessung sind in Abhängigkeit vom OP-Gebiet perioperativ zur Erfassung der Körpertemperatur geeignet (LoE IIa, Empfehlungsgrad A).

  • Bei Erwachsenen ist die rektale Temperaturmessung zur Erfassung der perioperativen Körpertemperatur weniger gut geeignet (LoE IIb, Empfehlungsgrad B).

  • Die Infrarotohrtemperaturmessung und die axillare Temperaturmessung sind zur Erfassung der perioperativen Körpertemperatur ungeeignet (LoE Ib, Empfehlungsgrad A).

Die stärkste Empfehlung zur perioperativen Erfassung der Körperkerntemperatur wird für die sublinguale Messung in der hinteren sublingualen Tasche ausgesprochen (Abb. 1), obwohl diese Methodik im deutschsprachigen Raum derzeit wenig eingesetzt wird [21]. Diese verlässliche, nichtinvasive Messmethode ist einfach, kostengünstig und korreliert gut mit der Körperkerntemperatur [7]. Die Methode kann intraoperativ bei intubierten Patienten und beim Einsatz einer Larynxmaske angewandt werden [6]. Wichtig für eine korrekte Messung ist, dass die Sonde tatsächlich in der hinteren sublingualen Tasche positioniert wird.

Abb. 1
figure 1

Temperaturmessung durch Einführen einer Sonde in die hintere sublinguale Tasche

Ob zukünftig Klebeelektroden im Bereich der A. temporalis, z. B. nach der „Zero-Heat-Flux-Technik“ oder der „Doppelsensor-Methodik“ eine Alternative zur einfachen und exakten Erfassung der Körperkerntemperatur darstellen, ist noch nicht absehbar [12].

Grundsätzlich kann bei jedem operativen Patienten eine perioperative Hypothermie auftreten. Zusätzliche Risikofaktoren sind:

  • präoperative Körperkerntemperatur unter 36 °C,

  • Alter über 60 Jahre,

  • ASA-Risikoklasse >I,

  • erniedrigtes Körpergewicht,

  • Diabetes mellitus mit diabetischer Neuropathie,

  • Kombination aus Allgemein- und Regionalanästhesie,

  • Anästhesiedauer über 2 h,

  • hohe spinale Blockade bei rückenmarksnaher Regionalanästhesie,

  • hohe Infusionsvolumina,

  • große und längere chirurgische Eingriffe,

  • hohe Volumina ungewärmter abdomineller Spülflüssigkeit,

  • Transfusion von nichtgewärmten Erythrozytenkonzentraten.

Die Liste der Risikofaktoren wurde aus der NICE-Leitlinie übernommen [15].

In der Praxis spielen Risikofaktoren zur Entscheidung zum Einsatz wärmeerhaltender Maßnahmen eine untergeordnete Rolle. Besonders gefährdet sind allerdings Patienten mit Untergewicht unterhalb eines BMI von 19, weil sie häufig trotz prophylaktischer Maßnahmen zur Vermeidung der Hypothermie auskühlen.

Raumtemperatur des OP-Saales

Grundsätzlich kühlen Patienten in OP-Sälen aus, wenn die Umgebungstemperatur deutlich niedriger als 28 °C ist. Der Kompromiss zur Vermeidung perioperativer Hypothermie einerseits und der allgemeinen Akzeptanz durch die OP-Teams andererseits liegt in der Regel bei OP-Raumtemperaturen zwischen 21 °C und 24 °C. Der Effekt der OP-Raumtemperatur auf die Körpertemperatur der Patienten ist bei Allgemeinanästhesie stärker ausgeprägt als bei Regionalanästhesie [15].

  • Ein Risikofaktor für die Entwicklung einer perioperativen Hypothermie ist eine niedrige Raumtemperatur im Operationssaal (<21 °C).

  • Die Raumtemperatur des Operationssaales soll bei Erwachsenen mindestens 21 °C und bei Kindern mindestens 24 °C betragen (Expertenkonsensus).

Pharmakologische Risikofaktoren

Das Risiko einer perioperativen Hypothermie ist nicht wesentlich durch die Wahl des Verfahrens der Anästhesie bzw. einzelner Anästhetika beeinflussbar.

  • Hinsichtlich unterschiedlicher Ausprägung einer perioperativen Hypothermie liegen für Anästhetika, Sedativa und Opioide keine Daten vor (Expertenkonsensus).

Folgen einer perioperativen Hypothermie

Die wesentlichen vermeidbaren Folgen einer perioperativen Hypothermie betreffen kardiale Komplikationen, einen höheren Transfusionsbedarf in direkter Abhängigkeit von der Dauer der intraoperativen Hypothermie [20] und vor allem die Erhöhung der Inzidenz von Wundinfektionen.

Wesentliche Folgen einer perioperativen Hypothermie

  • Kardiale Komplikationen (LoE Ib) [4, 17]

  • Gerinnungsstörungen mit vermehrten Blutverlusten (LoE Ia) [16]

  • Wundheilungsstörungen (LoE Ia) [4]

  • Postoperatives Kältezittern (Shivering) (LoE Ia)

Subjektiv fühlen sich die Patienten bei Hypothermie unterkühlt und unwohl. Auch die Verlängerung der Wirkdauer von Anästhetika inklusive Sedativa und Muskelrelaxantia und die periphere Vasokonstriktion mit Abnahme des subkutanen Sauerstoffpartialdrucks sind bekannte Nebenwirkungen der perioperativen Hypothermie [19].

Kältezittern (Shivering) tritt in Abhängigkeit des Ausmaßes der perioperativen Hypothermie postoperativ bei zunehmendem Wirkungsverlust der Anästhetika bzw. Opioide auf und ist als physiologische Reaktion zur Wärmeproduktion anzusehen. Shivering wird von den Patienten häufig als sehr unangenehm empfunden und erhöht den Sauerstoffverbrauch um ca. 40 %.

Aktive Wärmezufuhr in der präoperativen Phase

Die aktive Wärmezufuhr bei den Patienten vor Einleitung einer Allgemeinanästhesie kann eine perioperative Hypothermie effizient verhindern [3]. Physiologisch besteht zwischen dem Körperkern (∼37 °C) und der Körperperipherie (∼32 °C) des Menschen eine Temperaturdifferenz. Durch die Einleitung einer Anästhesie kommt es rasch durch Vasodilatation zur Umverteilung peripheren kühlen Blutes in den Körperkern und damit zu einer zentralen Unterkühlung. Durch Erwärmung der Haut bzw. des subkutanen Gewebes kann dieser Effekt gemildert werden bzw. die Wärmezufuhr zur Vermeidung einer Hypothermie beitragen.

Die präoperative Wärmeperiode sollte möglichst 20–30 min betragen, aber auch 10 min sind effektiv (Abb. 2). Bei Operationen bis zu 60 min Dauer kann eine 20-minütige präoperative Wärmung ausreichen, sodass intraoperativ der Patient nicht unbedingt aktiv gewärmt werden muss [9].

  • Patienten sollen vor Einleitung einer Allgemeinanästhesie zur Vermeidung einer perioperativen Hypothermie aktiv gewärmt werden (Prewarming) (LoE Ia, Empfehlungsgrad A) [3].

  • Konvektive Wärmung soll für ca. 20–30 min, mindestens aber 10 min vor Einleitung einer Allgemeinanästhesie erfolgen (LoE Ib, Empfehlungsgrad A) [9].

  • Patienten sollten vor Anlage einer Epidural- oder Spinalanästhesie aktiv gewärmt werden (LoE Ib, Empfehlungsgrad B).

Abb. 2
figure 2

Präoperatives Wärmen eines Patienten mit konvektiver Luftwärmung in der Holding Area (Mit freundlicher Genehmigung aus [24])

In der deutschsprachigen Leitlinie wird in Analogie zur kanadischen Leitlinie [4] die besondere Wirkung des Vorwärmens vor Einleitung der Anästhesie herausgestellt, da deren Effizienz besonders hoch ist. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass bei sehr großen Operationen ohne Vorwärmung eine perioperative Hypothermie schwer zu vermeiden ist [10].

Organisatorische Abläufe und Maßnahmen sowie Bereitstellung und Nutzung von Ressourcen (Personal, Wärmegeräte etc.) zur Anwendung eines suffizienten Vorwärmens müssen entsprechend der individuellen krankenhausinternen Voraussetzungen mit einem lokal angepassten Konzept erfolgen [1].

Aktive Wärmezufuhr in der operativen Phase

Konvektive Luftwärmung ist ein etabliertes effektives Verfahren und es stehen Einmalwärmedecken unterschiedlicher Größen und Hersteller zur Verfügung. Nachteilig können der Geräuschpegel des Gerätes und die Abstrahlwärme der Wärmedecke sein. Wichtig für die tägliche Praxis ist die Empfehlung, dass von Beginn der Anästhesie an aktiv gewärmt werden soll und nicht erst ab dem Beginn des operativen Eingriffs.

  • Während der operativen Phase von Beginn bis Ende der Anästhesie sollen Patienten mit einer Anästhesiedauer >30 min aktiv gewärmt werden (LoE Ib, Empfehlungsgrad A) [4, 15].

  • Bei den Patienten, die vorgewärmt wurden, kann bei einer Anästhesiedauer unterhalb von 60 min auf die aktive intraoperative Wärmung verzichtet werden (Expertenkonsensus).

Konduktive Verfahren zur Patientenwärmung

Die konduktive Wärmung von Patienten ist von der physikalischen Wärmeübertragung her ein sehr effektives aktives Verfahren der Wärmezufuhr. Es setzt jedoch den direkten flächenhaften Kontakt der Wärmematte mit der Haut des Patienten voraus und zeigt daher in der praktischen Anwendung nicht immer die erhoffte Effektivität. Verschiedene konduktive Wärmeverfahren wurden als gleich effektiv bewertet [3]. Nachteilig sind die hohen Anwendungskosten zur konduktiven Patientenwärmung.

  • Konduktive Wärmeverfahren können zur perioperativen Wärmeerhaltung alternativ zu konvektiven Verfahren eingesetzt werden (LoE Ia, Empfehlungsgrad B) [3].

  • Bei konduktiver Wärmung sollen Matten, die auf den Körper gelegt werden, verwendet werden. Heizmatten, die unter den Rücken gelegt werden, sollten nur als Ergänzung eingesetzt werden (LoE Ia, Empfehlungsgrad A) [3, 5].

  • Konduktive sogenannte Wassermattenanzüge sind effektiver als konvektive Verfahren. Aufgrund des hohen Preises sollten sie nur bei Spezialindikationen sinnvollerweise eingesetzt werden (LoE Ia, Empfehlungsgrad A).

Sicherheit bei der Patientenwärmung

Patientenwärmung mit den von der Industrie vorgehaltenen konvektiven und konduktiven Geräten und Decken ist insgesamt sicher und mit niedriger Komplikationsrate versehen. Thermische Schäden an der Haut können bei falscher Anwendung, z. B. bei direkter Anwendung eines Wärmeluftschlauches unter einer Bettdecke, entstehen und sollten unbedingt vermieden werden. Die Überwärmung eines Patienten kann durch konsequente Überwachung der Körpertemperatur vermieden werden, stellt allerdings auch kein großes Problem dar, da nach Beendigung der Anästhesie der Patient überschüssige Wärme durch Schwitzen rasch wieder abgibt.

Wärmung von Infusionen, Blutprodukten und Spüllösungen

Infusionswärmer sind bei niedrigen Flüssigkeitsumsätzen ineffektiv [18]. Deshalb sollte dieses Verfahren bei Operationen mit größeren Infusionsmengen (über 500 ml/h) bzw. bei Transfusionsbedarf eingesetzt werden.

  • Bei Infusionsraten über 500 ml/h sollte die Wärmung von Infusionen und Blutprodukten intraoperativ eingesetzt werden (Expertenkonsensus).

  • Die Wärmung von Infusionen mit Inline-Wärmung sollte bevorzugt eingesetzt werden (LoE II, Empfehlungsgrad B).

  • Intraoperativ sollten Spüllösungen auf 38–40 °C vorgewärmt werden (LoE Ib, Empfehlungsgrad A) [13, 15].

  • Spüllösungen für Gelenkspülungen müssen nicht vorgewärmt werden (Expertenmeinung).

Bei der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten (EK) gelten die Richtlinien der Bundesärztekammer. Eine körperwarme Erwärmung von EK ist vor Transfusion nicht grundsätzlich erforderlich. Grund dieser Empfehlung ist, dass nach Erwärmung eines EK die Qualität des Produktes durch Reduktion funktionsfähiger Erythrozyten rasch abnimmt. Auf der anderen Seite führt die intraoperative Transfusion mehrerer 4–6 °C kalter EK rasch zur Hypothermie. Sinnvoll ist somit die Erwärmung von EK direkt vor der intraoperativen Transfusion. Bei Patienten mit Kälteantikörpern kann dies eine ausgeprägte Hämolyse der Erythrozyten verhindern.

Die Wärmung von Infusionslösungen ist mittels Inline-Erwärmung besonders effektiv [4, 15].

Isolation der Haut

  • Zusätzlich zur aktiven Wärmung sollte die größtmögliche nicht aktiv gewärmte Körperoberfläche isoliert werden (Expertenkonsensus).

Isolation der Haut durch Bedeckung mit unterschiedlichen Decken allein ist zur Aufrechterhaltung der intraoperativen Normothermie in der Regel nicht ausreichend, reduziert aber die radiativen und konvektiven Wärmeverluste über die Haut. Wenn es hygienisch vertretbar ist, kann das Belassen einer Bettdecke auf dem Patienten erwogen werden [2].

Nicht empfohlene Wärmeverfahren

  • Atemgaskonditionierung

  • Ösophaguswärmer

  • Erwärmung und Anfeuchtung von Insufflationsgasen

  • Wärmetherapie unter Anwendung von Unterdruck

  • Infrarotstrahler

  • Intravenöse Wärmeaustauscher

Aufgrund unzureichender Evidenz können obige Verfahren nicht empfohlen werden.

Spezielle Aspekte bei Kindern

Kleinkinder und insbesondere Säuglinge haben eine höhere Körperkerntemperatur als ältere Kinder und kühlen schneller aus. So haben z. B. Neugeborene bei Geburt durch Sectio caesarea nahezu identisch eine rektale Körpertemperatur von 37,5 °C und kühlen beim Bonding auf der Brust der Mutter im Sectio-OP-Saal ohne aktive Wärmezufuhr rasch aus [11].

  • Bei Kindern bis zum 2. Lebensjahr ist die rektale Temperaturmessung die geeignete Methode zur Erfassung der perioperativen Körperkerntemperatur (LoE Ib, Empfehlungsgrad A).

  • Die Körpertemperatur liegt bei Kindern bis zu 5 Jahren bei 36,5–38,0 °C (LoE IIb).

Die perioperative Temperaturmessung gehört regelhaft zum Monitoring einer Anästhesie bei Kindern, um eine perioperative Hypothermie zu vermeiden [15]. Bis zum zweiten Lebensjahr wird die rektale Messung der Körperkerntemperatur empfohlen. Die OP-Saaltemperatur sollte bereits bei Beginn einer Anästhesie bei Kindern mindestens 24 °C betragen.

Postoperative Phase

  • Bei Aufnahme auf die postoperativ nachsorgende Organisationseinheit (Aufwachraum, IMC- oder Intensivstation) soll die Körpertemperatur des Patienten gemessen werden (Expertenkonsensus).

  • Bei postoperativ hypothermen Patienten soll bis zum Erreichen der Normothermie die Körpertemperatur regelmäßig, z. B. alle 15 min, gemessen werden (Expertenkonsensus).

  • Die Ausleitung einer Allgemeinanästhesie sollte in Normothermie erfolgen (Expertenkonsensus).

  • Patienten, die postoperativ eine Hypothermie zeigen, sollten bis zum Erreichen von Normothermie z. B. mit einer konvektiven Wärmedecke gewärmt werden (Expertenkonsensus).

Eine Allgemeinanästhesie sollte nur bei Normothermie des Patienten ausgeleitet werden. Unterhalb einer Körperkerntemperatur von 35 °C sollte die Anästhesie solange aufrechterhalten werden, bis durch aktive Wärmezufuhr Normothermie erreicht ist.

Postoperatives Kältezittern tritt dann auf, wenn der Patient intraoperativ unterkühlt war und nach Abklingen der Anästhesie die physiologischen thermoregulatorischen Regulationsmechanismen wieder einsetzen.

  • Postoperatives Kältezittern (Shivering) soll mit aktiver Wärmung der Patienten behandelt werden (Expertenkonsensus) und kann bis zum Erreichen der Normothermie ergänzend medikamentös, z. B. mit Clonidin oder Pethidin, behandelt werden („off label use“) (LoE IIa, Empfehlungsgrad 0) [15].

  • Patienten, die postoperativ eine Hypothermie zeigen, sollten bis zum Erreichen von Normothermie z. B. mit einer konvektiven Wärmedecke gewärmt werden (Expertenkonsensus).

Implementierung der Leitlinie

Die Unkenntnis der Folgen einer ungewollten perioperativen Hypothermie bei Patienten und den an der Operation beteiligten Berufsgruppen sind Gründe dafür, dass nicht konsequent an deren Vermeidung gearbeitet wird. Deshalb sollen Patienten im Vorfeld der Operation und das Personal über die perioperative Hypothermie, deren Ursachen und Folgen sowie über die Maßnahmen zur Prophylaxe und Therapie z. B. mithilfe einer Checkliste informiert werden (Tab. 3).

  • Patienten sollen über die Risiken einer unbeabsichtigten perioperativen Hypothermie präoperativ informiert werden (Expertenkonsensus) (Abb. 2).

  • Das perioperativ eingesetzte Team sollte in Hinblick auf die perioperative Hypothermie geschult und das vorhandene Wissen regelmäßig evaluiert werden (Expertenkonsensus).

Tab. 3 Checkliste perioperatives Wärmemanagement für Pflegepersonal

Qualitäts- und Erfolgskontrolle

Die Leitliniengruppe empfiehlt, innerhalb einer OP-Einheit alle 3–6 Monate stichprobenartig (z. B. für alle Patienten eines OP-Tages) die Inzidenz postoperativer Hypothermie anhand der Körperkerntemperatur des Patienten bei Eintreffen im Aufwachraum zu dokumentieren und die Werte im OP-Team zu kommunizieren. Zusätzliche Parameter müssen nicht erhoben werden.

  • Die Inzidenz postoperativ aufgetretener unbeabsichtigter Hypothermie sollte innerhalb einer OP-Einheit alle 3–6 Monate stichprobenartig evaluiert werden, um die Qualität des Wärmemanagements zu beurteilen (Expertenkonsensus).

Die nach Erscheinen der Leitlinie erstellten Qualitätskriterien in der Anästhesie empfehlen die Erfassung der intraoperativen Körperkerntemperatur bei Operationen über 30 min Dauer und definieren eine gute Qualität, wenn bei mindestens 80 % aller operativen Patienten die Körperkerntemperatur gemessen wird. Ein Standard (SOP) zum Wärmemanagement soll für die operative Einheit erstellt werden und die Körperkerntemperatur sollte bei >70 % der Patienten am OP-Ende >36 °C liegen [23].

Neue Daten zeigen, dass nicht nur die postoperative Hypothermie, sondern auch die Vermeidung von intraoperativen hypothermen Phasen wichtig ist. Schon nach einer kurzzeitigen Hypothermie steigt das Risiko, eine Transfusion erhalten zu müssen, signifikant [20].

Fazit für die Praxis

Folgende Empfehlungen für die Praxis werden ausgesprochen:

  • Messung der Körpertemperatur 1–2 h vor Beginn der Anästhesie,

  • intraoperativ kontinuierlich oder alle 15 min die Körpertemperatur messen,

  • Körpertemperatur perioperativ möglichst oral, alternativ nasopharyngeal, ösophageal oder vesikal messen,

  • Patienten präoperativ 20–30 min (mindestens 10 min) aktiv wärmen,

  • Patienten bei Anästhesiedauer >30 min intraoperativ aktiv wärmen,

  • OP-Saaltemperatur mindestens bei 21 °C, bei Kindern mindestens 24 °C,

  • Infusionen und Blutprodukte ab Infusionsraten >500 ml/h wärmen,

  • perioperativ größtmögliche nicht aktiv gewärmte Körperoberfläche isolieren,

  • Allgemeinanästhesie nur bei Normothermie ausleiten,

  • Shivering mit aktiver Wärmung therapieren und ggf. medikamentös ergänzen,

  • postoperative Hypothermie bis zum Erreichen von Normothermie mit konvektiver Wärme therapieren,

  • Inzidenz postoperativer Hypothermie regelmäßig evaluieren.