Sowohl bei der Auswahl operativer Zugänge zum Bauchraum und/oder Retroperitoneum, als auch bei der rekonstruktiven Chirurgie von primären oder sekundären Bauchwanddefekten sind die Prävention von Schädigungen, bzw. die Auswahl einer optimalen operativen Technik zur Wiederherstellung der morphologischen und funktionellen Integrität der Bauchdecke vorrangiges Ziel. Voraussetzung dafür sind detaillierte Kenntnisse der chirurgisch relevanten Anatomie der anterolateralen Bauchwand.

Die anterolaterale Bauchwand überbrückt die Lacuna sceleti sternopubica und ist somit Bindeglied zwischen den knöchernen Strukturen von Thorax, Wirbelsäule und Becken. Statische und biomechanische Funktionen sind die Sicherstellung der Integrität der vorderen Bauchhöhle, sowie eine Mitwirkung insbesondere bei der Stabilisierung der Wirbelsäule, bei der Rotation und Flexion des Rumpfes, sowie bei Atmung und Bauchpresse [1].

Während der Embryogenese bildet sich ausgehend von den parietal-mesodermalen Anteilen durch craniocaudale und laterale Faltung symmetrisch ein anteriores und ein laterales, jeweils neurovaskuläre Strukturen führendes, myoaponeurotisches Bauchwandkompartiment aus [2].

Laterales Kompartiment

Myoaponeurotische Bestandteile des lateralen Kompartiments sind, von ventral nach dorsal seitengleich angelegt, der M. obliquus externus abdominis (MOEA), der M. obliquus internus abdominis (MOIA) und der M. transversus abdominis (MTA) mit ihren jeweiligen aponeurotischen Anteilen (Abb. 1; [34]).

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der Anatomie der anterolateralen Bauchwand: 1 M. obliquus externus abdominis; 2 Linea alba; 3 M. transversus abdominis; 4 M. obliquus internus abdominis; 5 M. rectus abdominis; 6 Dorsale neurovaskuläre Bündel; 7 Linea semilunaris; 8 Linea (Zona) arcuata; 9 Fascia transversalis; 10 Vordere Rektusscheide. Blau gestrichelte Linien: Querschnitt der anterolateralen Bauchwand kranial (a) und kaudal (b) der Linea arcuata (s. Abb. 2); (Illustration: E. Gollan, Aachen)

Avaskuläre Schicht zwischen MOEA und MOIA ist Dissektionsebene bei lumbalen/lateralen Bauchwandhernie

Der MOEA verläuft in schräger Faserrichtung von der 5. bis 12. Rippe zu den überwiegend aponeurotischen Insertionen im Bereich des Labium externum der Crista iliaca, des Tuberculum pubicum sowie der Linea alba. Durch eine avaskuläre, bindegewebige Verschiebeschicht getrennt, befindet sich dorsal der MOIA, der von der Linea intermedia der Crista iliaca, dem oberflächlichen Blatt der Fascia thoracolumbalis, sowie vom lateralen Anteil des Ligamentum inguinale fächerförmig nach kranial, medial und kaudal verläuft. Myoaponeurotische Insertionsstellen sind zwischen den Spitzen des 10. bis 12. Rippenknorpels, sowie ventral bzw. medial zwischen dem Tuberculum pubicum bis zur Spitze der 10. Rippe unter Einbeziehung der Linea alba. In der avaskulären Verschiebeschicht der muskulären und auch aponeurotischen Anteile des MOEA und des MOIA erfolgt die Dissektion zur morphologischen und funktionellen Bauchwandrekonstruktion bei lumbalen bzw. lateralen Bauchwandhernien, wobei diese Schicht als Netzlager dient.

Kreuzungsstelle von Linea semilunaris und Linea arcuata ist Prädilektionsstelle für eine Spieghel-Hernie

Wiederum dorsal entspringt der MTA an den 6 unteren Rippen, vom tiefen Blatt der Fascia thoracolumbalis, dem Labium internum der Crista iliaca, der Pars psoatica der Fascia iliopsoas, sowie dem lateralen Rand des Ligamentum inguinale ausgehend, und verläuft in horizontaler Faserrichtung zu den Insertionsflächen an der Linea alba, am Processus xiphoideus, an der kranialen Masse der Symphysis pubica und dem medialen Anteil des Pecten ossis pubis. Dazwischen liegt eine, die neurovaskulären Strukturen der anterolateralen Bauchwand führende, Verschiebeschicht. Mit Ausnahme des kaudalen Anteils zieht die Muskulatur in eine Insertionsaponeurose. Den Übergang vom muskulären zum fibrösen Anteil bildet hier die Linea semilunaris, die an der Kreuzungsstelle mit der Linea arcuata einen anatomisch präformierten Locus minoris resistentiae (Prädilektionsort einer Spieghel-Hernie) bedingt (Abb. 1; [3, 5]).

Durch ansatznahe Fusion der Aponeurosen der lateralen Muskelgruppe resultiert die mediale Begrenzung des lateralen Kompartiments mit Übergang in das anteriore, myoaponeurotische Kompartiment. Dabei kommt es zur Ausbildung eines aponeurotischen Muskelfachs, der Vagina musculi recti abdominis, mit einem vorderen (Lamina anterior) und einem hinteren Blatt (Lamina posterior). Beide Blätter fusionieren in der Mittellinie unter Ausbildung der Linea alba [4, 6].

Vagina musculi recti abdominis

Die Vagina musculi recti abdominis umschließt den MRA sowie den MP und besteht aus einem vorderen und einem hinteren Rektusscheidenblatt (RSB). Das vordere RSB wird im Ober- und Mittelbauch aus den Fasern der Aponeurose des MOEA sowie den ventralen Faseranteilen des MOIA gebildet. Im Unterbauch fusionieren mit diesen Strukturen zusätzlich die dorsalen Faseranteile des MOIA sowie die Aponeurose des MTA, und bilden die Linea arcuata oder, aufgrund des häufig sukzessiven Übergangs, die Zona arcuata (Abb. 1 und 2).

Abb. 2
figure 2

Querschnitt der anterolateralen Bauchwand kranial (a) und kaudal (b) der Linea arcuata: 1 Parietales Peritoneum; 2 Fascia transversalis (ventraler und dorsaler Anteil); 3 M. transversus abdominis mit Aponeurose (a); 4 M. obliquus internus abdominis mit Aponeurose (a); 5 M. obliquus externus abdominis mit Aponeurose (a); 6 M. rectus abdominis; 7 Vordere Rektusscheide; 8 Hintere Rektusscheide; 9 A. und V. epigastrica inferior; (Illustration: E. Gollan, Aachen)

Kaudal der Linea arcuata besteht kein aponeurotisches, hinteres Rektusscheidenblatt.

Konsekutiv besteht das hintere RSB kaudal der Linea arcuata, also im Unterbauch, aus der Fascia transversalis (FT) eng verbunden mit dem Peritoneum, die nach kaudal an Konsistenz zunimmt, und in der Mittellinie mit der Linea alba verwachsen ist. Diese setzt sich auf der Hinterfläche, also retromuskulär, in das Adminiculum lineae albae (Lig. triangulare) bis zum Ansatz am Os pubis fort. Daraus resultiert ein von Fettgewebe ausgefülltes Cavum submusculare zwischen FT und MRA (Abb. 2).

Ausgehend von der Linea arcuata bis in Höhe des 9. Rippenbogenknorpels wird das hintere RSB aus der FT, der Aponeurose des MTA und den dorsalen Fasern der Aponeurose des MOIA gebildet. Kranial davon besteht das hintere RSB fast ausschließlich aus der Aponeurose des MTA sowie der FT, und ist im Bereich der Insertion des MRA am Thorax auslaufend (Abb. 2; [3, 4]).

Anteriores Kompartiment

Das anteriore myoaponeurotische Kompartiment besteht seitengleich aus dem M. rectus abdominis (MRA) sowie dem M. pyramidalis (MP), die von der Rektusscheide umschlossen werden. Der MRA entspringt jeweils am Processus xiphoideus, an der Vorderfläche der 5. und 6. Rippe und am Rippenknorpel der 7. Rippe. Er inseriert, sich in kaudaler Richtung sukzessive verjüngend, sehnig mit einem lateralen Anteil am Ramus superior ossis pubis, sowie mit einem medialen Anteil an der medialen Fläche des Tuberculum pubicum, der Vorderfläche der Symphysis pubica und der Linea alba (Adminiculum lineae albae).

Direkt kaudal und ventral des ossären Ansatzes des MRA entspringt der, nicht regelmäßig angelegte, dreiecksförmige MP und inseriert schmalschenkelig auslaufend an der Linea alba. Der MRA wird durch quer zur Längsachse des Muskels verlaufende, in Zugrichtung gefaserte und in der Regel mit der vorderen Wand der Rektusscheide verwachsene, Sehnen (Intersectiones tendineae) untergliedert.

Das retromuskuläre Netzlager bei der Sublay-Rekonstruktion ist dorsal des M. rectus abdominis und ventral der hinteren Rektusscheide lokalisiert.

Nach dorsal, also in retromuskulärer Ebene, ist das hintere Blatt der Rektusscheide bzw. die FT, kaudal der Linea arcuata, fast immer stumpf vom MRA, unter Beachtung der inferioren, epigastrischen Gefäße, zu trennen. Dies ist die Dissektionsebene bei der Narbenhernioplastik nach Rives, wobei eine retromuskuläre Netzaugmentation (Sublay-Technik) erfolgt. Am lateralen Rand der hinteren Rektusscheide erfolgt, zwischen den aponeurotischen Fasern des MOIA sowie des MTA, der Durchtritt der versorgenden neurovaskulären Bündel des MRA in die Rektusscheide (Abb. 2; [7]).

Die Netzüberlappung wird durch neurovaskuläre Bündel am lateralen Rand der Rektusscheide begrenzt

Ist bei der Bauchdeckenrekonstruktion einer medianen Narbenhernie oder selten auch einer primären, ventralen Hernie eine ausreichende Netzüberlappung lateral, aufgrund der Dimension der Rektusscheide, nicht zu erreichen, oder erfolgt eine Rekonstruktion eines anterioren Bauchwanddefektes mit Ausdehnung in das laterale Kompartiment (transversale und paramediane Narbenhernie) wird zur Schonung der neurovaskulären Strukturen ein Wechsel der anatomischen Schichten vorgenommen. Ausgehend von der retromuskulären Präparationsebene in der Rektusscheide erfolgt durch Inzision des hinteren Blattes, medial des Durchtritts der neurovaskulären Bündel, der Zugang in eine präperitoneale Dissektionsebene, dorsal des MTA und ventral der FT des parietalen Peritoneum. Alternativ ist auch eine rein präperitoneale Netzaugmentation in Analogie zur Präparationsebene im Rahmen einer Peritonektomie in der onkologischen Chirurgie möglich (Abb. 2; [79]).

In Abhängigkeit von der Bruchpfortenausdehnung und dem daraus resultierenden Ausmaß einer Netzüberlappung kann die retromuskuläre Dissektionsebene, durch Inzision der lateralen Rektusscheide, in die avaskuläre Verschiebeschicht zwischen MOEA und MOIA verfolgt werden. Bei diesem Vorgehen ist eine Durchtrennung der den MRA versorgenden neurovaskulären Bündel notwendig, wobei maximal 2 benachbarte Bündel durchtrennt werden sollten, da es ansonsten zu einer irreversiblen, diffusen Schwäche mit Hypotrophie des MRA kommen kann [4, 7].

Linea alba

In der Medianebene fusionieren die Aponeurosen der lateralen Muskelgruppen und bilden die Linea alba (LA). Durch die dreischichtige Architektur von aponeurotischen Faseranteilen und -verläufen bilden sie die Grundlage für die richtungsabhängigen Elastizitätseigenschaften (Anisotropie) und für die funktionelle Integrität sowie die Compliance der Bauchdecke. Grundlegende experimentelle Arbeiten zur Biomechanik der Bauchwand sind der Arbeitsgruppe um M. Konerding zu verdanken [1012]. Der ventrale Faseranteil der LA besteht aus fusionierten, in allen Richtungen dreidimensional verlaufenden, Fasern der Aponeurosen des MOEA und MOIA (Lamina fibrae obliquae), einer intermediären Schicht aus quer zur Längsachse der Linea alba verlaufenden Fasern des MTA (Lamina fibrae transversae) und einer dorsalen Schicht aus irregulär verlaufenden Fasern von MOEA und MOIA (Lamina fibrae irregularium), (Abb. 2; [4, 13, 14]).

Im Bereich der Linea alba finden sich anatomisch präformierte Loci minorum resistentiae als Ursache für primäre Ventralhernien. Es handelt sich hierbei um Faszienlücken des Anulus umbilicalis, sowie um akzessorische, von subperitonealem Fett ausgefüllte, Foramina der LA, die kranial davon, also epigastrisch, liegen.

Das Prinzip der Hernienchirurgie der Bauchwand ist eine anatomische und funktionelle Rekonstruktion der Bauchwand selbst und damit auch der Linea alba.

Dabei ist eine Wiederherstellung der LA nach einer medianen Hernie risikoadaptiert anzustreben [15, 16]. Eine spannungsfreie Rekonstruktion der LA kann durch eine anteriore oder posteriore Komponentenseparation erfolgen, hier jedoch mit einem geringeren Gewinn an Mobilisationsstrecke. Das grundsätzliche Prinzip ist eine Medialisierung der jeweiligen Rektusscheide durch Mobilisation im Bereich des lateralen myoaponeurotischen Kompartiments. Bei der anterioren Technik wird der MOEA lateral der Rektusscheide, in Verbindung mit einer Dissektion der avaskulären Verschiebeschicht zwischen MOEA und MOIA, entweder in offener oder in endoskopischer Technik durchtrennt. Bei der posterioren Komponentenseparation erfolgt eine Inzision des hinteren RSB, medial der neurovaskulären Bündel, mit anschließender Durchtrennung des MTA [8, 17, 18].

Die Präparation des retroxiphoidalen und retropubischen Raums stellt die Grundlage für eine ausreichende Netzüberlappung dar.

Um eine allseitige, retromuskuläre und die Mittellinie überschreitende, Netzaugmentation von 5 cm zu erreichen, wird beidseits unmittelbar lateral der LA das hintere RSB inzidiert. Im Bereich der kranialen Insertion der Linea alba gelingt so die Freilegung des Ligamentum falciforme und des präperitonealen Fetts (Fatty triangle). Ferner erhält man dadurch den Zugang zur Dissektionsebene in den retroxiphoidalen Raum, der als Grundlage für eine ausreichende kraniale Netzüberlappung in retromuskulärer bzw. retroxiphoidaler Position fungiert. Eine Stoß-auf-Stoß-Rekonstruktion des hinteren RSB erfolgt aufgrund der Netzposition mit Ausnahme des kranialen Anteils, (Abb. 3). Im kaudalen Insertionsbereich der LA gelingt eine Netzüberlappung durch Eröffnen des präperitonalen Raums, mit weiterer Dissektion im Spatium Retzii, und konsekutiv retromuskulärer bzw. retropubischer Netzposition [15, 16].

Abb. 3
figure 3

Blick auf den sub- und retroxiphoidalen Raum (Fatty triangle) nach medianer Durchtrennung der Linea alba und Inzision der hinteren Rektusscheide: 1 Processus xiphoideus; 2 Präperitoneales Fett; 3 Hinteres Rektusscheidenblatt; 4 M. rectus abdominis; 5 Vorderes Rektusscheidenblatt. Pfeil: Zugang zum retroxiphoidalen Raum zwecks subxiphoidal-retromuskulärer und retroxiphoidaler Netzpositionierung; (Illustration: E. Gollan, Aachen)

Fascia transversalis

Die Fascia transversalis (FT) verläuft als fibröse Schicht auf der Rückseite des MTA und des anterioren Kompartiments. Kaudal der Linea arcuata ist die Gewebetextur und damit auch die Stabilität der FT von kranial nach kaudal zunehmend, sodass insbesondere im Bereich der Inguinalregion morphologische und funktionelle Eigenschaften einer Aponeurose bestehen. Morphologisch besteht die FT aus einer fibrösen, straffen anterioren und einer lockeren posterioren Schicht. Dazwischen verlaufen die jeweiligen inferioren epigastrischen Gefäße. Nach dorsal wird die FT durch präperitoneales Fettgewebe vom Peritoneum getrennt [3, 4]. Diese lockere Verschiebeschicht stellt die extraperitoneale Dissektionsebene bei endoskopischen (Totale extraperitoneale Plastik, TEP; Transabdominelle präperitoneale Netzplastik, TAPP) und offenen (Bauchwandverstärkung nach Wanz/Stoppa) Leistenhernienreparationen, sowie bei präperitonealen Netzimplantationen im Rahmen der Narbenhernienreparation dar. In dieser Dissektionsebene gelangt man in das Spatium Retzii, und erreicht so, bei medianen Narbenhernien des Unterbauchs, eine ausreichende Netzüberlappung mit präperitonealer und retromuskulärer Netzposition [15, 16].

Vaskularisation und Innervation

Die arterielle Gefäßversorgung der anterolateralen Bauchwand erfolgt über eine ventrale (anteriores Kompartiment) und eine dorsale (laterales Kompartiment) Gefäßachse, die jeweils durch Anastomosen untereinander kommunizieren. Ventral ist das Leitgefäß die seitengleich angelegte A. epigastrica inferior, die aus der A. iliaca externa entspringt, und nach kranial retromuskulär, also dorsal des MRA, aszendiert. Im Verlauf erfolgt häufig eine Aufteilung in einen medialen und lateralen Ast. Aus diesen zweigen durch den MRA und das vordere RSB muskulokutane Perforansgefäße in regionäres subkutanes Fettgewebe und die Haut der vorderen Bauchdecke ab. Selten kommen auch nichtobliterierte oder wiedereröffnete Umbilikalgefäße im Ligamentum teres hepatis und der Plica umbilicalis mediana vor, die zum Nabel ziehen.

Unregelmäßig bestehen Anastomosen zum Stromgebiet der A. epigastrica superior, die aus der A. thoracica interna entspringt und dorsal des MRA verläuft. Sie versorgt den kranialen Anteil des anterioren Kompartiments (Regio epigastrica). Grundsätzlich besteht eine überlappende arterielle Versorgung der paarig angelegten ventralen Gefäßachse mit dem jeweils kontralateralen Stromgebiet über die Mittellinie hinaus [3, 4, 19, 20].

Es können kritische Durchblutungsstörungen von Haut und subkutanem Gewebe bei epifaszialer Dissektion mit Durchtrennung von Perforansgefäßen entstehen.

Die tiefen arteriellen Gefäße der dorsalen Gefäßachse verlaufen überwiegend in der Verschiebeschicht zwischen MOIA und MTA. Von kranial nach kaudal handelt es sich um die A. musculophrenica, die aus der A. thoracica interna entspringt, um die aus der Pars thoracica aortae entspringenden Aa. subcostales und Aa. intercostales posteriores VII–XI, sowie um die Aa. lumbales, die aus der Pars abdominalis aortae entspringen, und um den R. abdominalis der A. circumflexa iliaca profunda. Das subkutane Gewebe und die Haut der lateralen Bauchdecke werden über muskulokutane Perforansgefäße der oben genannten Arterien der tiefen dorsalen Gefäßachse, sowie über die oberflächliche dorsale Gefäßachse, bestehend aus der A. epigastrica superficialis und der A. circumflexa superficialis, die beide aus der A. femoralis entspringen, arteriell versorgt. Hier bestehen Anastomosen mit den muskulokutanen Perforansgefäßen der ventralen Gefäßachse. Bei epifaszialer Dissektion im Rahmen einer Narbenhernioplastik, von Abdominoplastiken oder bei anteriorer Komponentenseparation kann es, insbesondere bei kompletter Durchtrennung der Perforansgefäße, aus der ventralen und/oder dorsalen Gefäßachse zu einer kritischen arteriellen Durchblutungsstörung im Bereich des subkutanen Fettgewebes und der Haut kommen (Abb. 2; [15]).

Die venöse Drainage der Bauchwand erfolgt über die gleichnamigen Venen der arteriellen Gefäßversorgung mit Ausnahme der Vv. paraumbilicales, die vom Nabel aus, im Ligamentum teres hepatis verlaufend, in das Pfortadersystem drainieren.

Wichtig ist die Prävention von Seromen bei epifaszialer Dissektion.

Der Lymphabfluss erfolgt im kranialen und anterioren Anteil über intrathorakale, im kaudalen Anteil über inguinale und im lateralen Anteil über lumbale Lymphknotenstationen. Bei ausgedehnter epifaszialer Dissektion wie bei Onlay-Netzaugmentation, offener anteriorer Komponentenseparation oder Abdominoplastiken erforderlich, kann es konsekutiv zur Ausbildung von Seromen kommen, sodass neben einer subtilen Präparationstechnik ein passageres Unterdruckwunddrainagesystem (z. B. Redon) indiziert ist [16, 21].

Das Augenmerk liegt hier auf der Vermeidung der Dissektion im Bereich der Verschiebeschicht zwischen M. obliquus int. abdominis und M. transversus abdominis, die die neurovaskulären Bündel der anterolateralen Bauchwand führt.

Die anterolaterale Bauchwand wird segmental, mit geringer Überlappung, durch den 7. bis 12. Interkostalnerven, den N. subcostalis sowie den N. iliohypogasticus und den N. ilioinguinalis, die in der Verschiebeschicht zwischen MOIA und MTA verlaufen, sensibel und motorisch innerviert. Die Interkostalnerven sowie der N. subcostalis teilen sich in ihrem Verlauf jeweils in einen lateralen Ast, zur motorischen und sensiblen Innervation der lateralen Bauchwand, und einen anterioren Ast mit Eintritt am lateralen Rand des hinteren RSB zur Innervation des MRA [4, 7, 18]. Eine Dissektion dieser Verschiebeschicht sollte zur Prävention von Schädigungen der neurovaskulären Bündel vermieden werden, und ist Ausnahmefällen vorbehalten. Ist eine Dissektion im lateralen Kompartiment, wie beispielsweise bei der anterioren Komponentenseparation nach Ramirez, erforderlich, erfolgt die Präparationsebene in der avaskulären, „nervenschonenden“ Präparationsebene zwischen MOEA und MOIA (Abb. 2; [17, 18]).

Fazit für die Praxis

  • Die Kenntnis der Anatomie der anterolateralen Bauchwand ist die Grundlage für operative Zugangswege zum Abdomen, für rekonstruktive Eingriffe und für die Vermeidung von chirurgischen Komplikationen.

  • Grundlage der morphologischen und funktionellen Reparation der Bauchwand ist die Rekonstruktion der Linea alba.

  • Eine ausgedehnte epifasziale Dissektion mit Durchtrennung von Perforansgefäßen kann eine kritische Durchblutungsstörung von Haut und subkutanem Gewebe bedingen.

  • Die avaskuläre Schicht zwischen M. obliquus externus abdominis und M. obliquus internus abdominis gilt als „nervenschonende“ Dissektionsebene bei lumbalen/lateralen Bauchwandhernien.

  • Eine Dissektion zwischen M. obliquus internus abdominis und M. transversus abdominis sollte zur Vermeidung von Läsionen der neurovaskulären Bündel vermieden werden.

  • Limitieren die neurovaskulären Bündel am lateralen Rand der Rektusscheide die Netzüberlappung bei retromuskulärer Augmentation, erfolgt über Inzision des hinteren Rektusscheidenblattes ein Wechsel in die präperitoneale Schicht.

  • Die Präparation des retroxiphoidalen und retropubischen Raums ermöglicht eine ausreichende kraniale und kaudale Netzüberlappung bei retromuskulärer Netzaugmentation.