In den letzten Jahrzehnten ist die Letalität nach Polytrauma kontinuierlich gesunken und liegt in einigen Traumazentren bereits bei unter 10 % [1]. Mit den verbesserten Überlebenschancen Polytraumatisierter haben sich auch die wissenschaftlichen Fragestellungen gewandelt. In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt der klinischen Traumaforschung in der Ermittlung von Überlebensraten und Komplikationen. Das ist weiterhin wichtig, aber der Wert solcher Zahlen ist beschränkt und nur im Falle hoher Sterblichkeitsraten sinnvoll. Dieser Umstand rückt nun vermehrt die Frage nach der erreichbaren Lebensqualität polytraumatisierter Patienten, und wie diese beeinflusst werden kann, in den Mittelpunkt des Interesses.

Es stellt sich nun nicht mehr nur die Frage, ob ein Patient einen schweren Unfall überlebt. Diese kann sehr häufig mit ja beantwortet werden. Entscheidend ist, wie das Polytrauma überlebt wird. Die posttraumatische Lebensqualität und der Integrationserfolg werden zu entscheidenden Variablen, an denen sich der Erfolg der gesamten Behandlung, vom Schockraum bis zur Wiedereingliederung, messen lassen muss. Viele Faktoren nehmen dabei Einfluss auf die Lebensqualität nach Polytrauma. Neben körperlichen Behinderungen müssen auch psychische und soziale Folgen beachtet werden.

Über das langfristige Outcome sehr schwer verletzter Patienten gibt es nur vereinzelt Berichte. Wir gingen deshalb im Rahmen einer retrospektiven Studie der Frage nach, wie sich die Lebensqualität viele Jahre nach dem Unfallereignis darstellt und welche Faktoren hierauf einen Einfluss haben. Neben prätraumatischen Variablen, wie Alter, Geschlecht oder vorbestehende chronische Erkrankungen, wurden auch traumabedingte und posttraumatische Einflussfaktoren untersucht. Insbesondere letztere sollten im Rahmen der Früh- und Postakutrehabilitation identifiziert werden, um dann auf die Steuerung des weiteren Heilprozesses und der Durchführung rehabilitativer Maßnahmen Einfluss nehmen zu können.

Patienten und Methodik

In das Untersuchungsprotokoll wurden alle polytraumatisierten Patienten im Alter zwischen 16 und 60 Jahren mit einem Injury Severity Score (ISS) von 25 und höher aufgenommen, die in den Jahren 2000 bis 2005 an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau (BGU Murnau) behandelt und lebend entlassen wurden.

Patienten mit Rückenmarksverletzungen und Patienten, die aufgrund einer schweren neurologischen/psychiatrischen Erkrankung (z. B. Demenz, apallischem Syndrom, schweren Wahrnehmungsstörungen, Schizophrenie) nicht in der Lage waren, an der Studie teilzunehmen, wurden von der Studie ausgeschlossen.

Insgesamt erfüllten 298 Patienten die Einschlusskriterien. 86 Patienten wurden von der Studie ausgeschlossen, davon 42, weil sie entweder unbekannt verzogen waren oder im Ausland lebten (Abb. 1). An 212 Patienten wurde unser Fragebogen versandt. Von 5 Patienten erhielten wir nicht das notwendige Einverständnis, 80 Patienten antworteten nicht. 127 Fragebögen konnten ausgewertet werden, was einer Rücklaufquote von 60 % entspricht. Die Gruppe der Nonresponder unterschied sich hinsichtlich der vorhandenen soziodemographischen Daten und der Verletzungsschwere nicht signifikant von der Studienpopulation.

Abb. 1
figure 1

Insgesamt erfüllten 298 Patienten die Einschlusskriterien. 86 Patienten wurden von der Studie ausgeschlossen. 127 von 212 versandten Fragebögen konnten ausgewertet werden(Rücklaufquote 60 %). BGU Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik, ISS Injury Severity Score

Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkommission der Bayerischen Landesärztekammer geprüft (Nr. 09006). Jeder Teilnehmer gab seine Einwilligung gesondert zur Studie neben der Rücksendung der Fragebögen.

Datenerhebung

Die möglichen Teilnehmer an der Fragebogenerhebung wurden anhand der Daten aus dem Traumaregister der BGU Murnau erfasst. Die Befragung der Patienten erfolgte mit dem POLO (Polytrauma Outcome)-Chart und einem zusätzlichem Fragenkatalog, die zusammen mit einer schriftlichen Patienteninformation, einer Einverständniserklärung und einem portofreien Rückkuvert Anfang 2009 verschickt wurden. Die schriftliche Einwilligung des Patienten zur Teilnahme an der Studie war Voraussetzung für die Auswertung des Fragebogens.

Demographische Daten wie Alter, Geschlecht oder Kostenträger sowie die Verletzungsmerkmale wie Verletzungsregion, Abbreviated Injury Score (AIS) und Injury Severity Score (ISS) oder Unfallzeitpunkt wurden dem Traumaregister der BGU Murnau entnommen.

Outcome-Messungen

Als validiertes Erhebungsinstrument wurde der POLO-Chart [2] eingesetzt, der sich unter anderem aus folgenden Fragebögen zusammensetzt:

  • European Quality of Life Index (EuroQoL/EQ-5D; [3]) zur Erhebung des aktuellen Gesundheitszustandes,

  • Short Form Health Survey (SF-36; [4]) zur Erfassung der globalen gesundheitsbezogenen Lebensqualität,

  • Modul Trauma Outcome Profile (TOP; [5]) zur Erhebung der traumaspezifischen Lebensqualität.

Ergänzt wurde der POLO-Chart durch zusätzliche Fragen, z. B. zur weiteren medizinischen und beruflichen Rehabilitation oder der Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit.

Statistische Analysen

Die Outcome-Daten wurden mittels Papierfragebogen erhoben und zusammen mit den vorliegenden Daten aus dem Traumaregister nach Pseudonymisierung in eine gemeinsame EDV-Datenbasis überführt. Bei stetigen Variablen erfolgte zur Bestimmung des Signifikanzniveaus die Korrelation nach Pearson, bei ordinalen Variablen die Korrelation nach Spearman. Bei nominalen Variablen wurden die Mittelwerte mittels t-Test verglichen. Zur Erfassung der Determinanten der Lebensqualität nach Polytrauma wurde eine multiple schrittweise Regression durchgeführt. Hierfür wurden Variablen ausgewählt, die in der Korrelationsanalyse ein Signifikanzniveau p < 0,2 erreichten. Für die statistischen Analysen wurde das Programm SPSS Statistics 17.0 genutzt.

Ergebnisse

Allgemeine Faktoren

Das Durchschnittsalter der 127 Patienten lag bei 36 Jahren. Die 31 Frauen (24 %) und 96 Männer (76 %) konnten im Schnitt 70 Monate (38 bis 108 Monate) nach dem Trauma befragt werden.

Insgesamt 39 Patienten (31 %) wurden sekundär zuverlegt, 88 (69 %) primär in unserer Klinik versorgt. Dies hatte auf die Dauer der stationären Akutbehandlung allerdings keinen wesentlichen Einfluss, die im Mittel bei 79,2 Tagen lag (primär versorgt: 79,3 Tage, sekundär zuverlegt: 78,3 Tage), davon auf Intensivstation 21,1 Tage (primär versorgt: 20,8 Tage, sekundär zuverlegt: 22,1 Tage). Sämtliche Patienten waren schwerstverletzt mit einem mittleren ISS von 35,6 (26–75). Durchschnittlich waren 3,8 (2–7) Körperregionen betroffen.

Der Kostenträger der primären Akutbehandlung war in 33 Fällen (26 %) eine gesetzliche Unfallversicherung, bei 94 Verletzten (74 %) eine Krankenversicherung (88 gesetzlich, 6 privat krankenversichert).

Sozioökonomische Faktoren

Insgesamt 69 % der Verletzten lebten zum Zeitpunkt des Unfalls mit einem Partner zusammen, zum Follow-up-Zeitpunkt 62 %. Die Hälfte der Patienten hatte keinen Schulabschluss (3 %) oder beendete ihre Schulkarriere nach der Haupt- bzw. Volksschule (47 %). Zum Unfallzeitpunkt waren 18 % als Arbeiter (posttraumatisch 10 %), 55 % (37 %) als Angestellte oder Beamte, 8 % (7 %) selbständig und 2 % (2 %) als Hausfrau/-mann tätig. 17 % (5 %) befanden sich noch in einer Ausbildung. Zum Termin der Befragung waren 6 % arbeitslos, 2 % arbeitsunfähig, 3 % in Altersrente und 27 % Rentner bedingt durch den Unfall. 37 % der ehemals Schwerverletzten, die sich zum Zeitpunkt der Befragung noch im erwerbsfähigen Alter befanden, hatten keine bezahlte Tätigkeit. Werden die Fälle einzeln analysiert lässt sich eine Return-to-work-Rate von 60,2 % ableiten.

Outcome

Der Gesamtindex des EQ-5D lag bei 73 (Summenmodell), die VAS (visuelle Analogskala) im Mittel bei 66. 73 % der Befragten beklagten noch mäßige bis extreme Schmerzen, 44 % berichteten über mäßige bis extreme Angst. 60 % gaben keine Probleme im Bereich der Mobilität an oder bei Aktivitäten des täglichen Lebens (81 %). 61 % hatten Probleme bei allgemeinen Tätigkeiten wie Arbeit, Hausarbeit oder Freizeitaktivitäten (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Subdimensionen des EQ-5D. Gesundheitszustand der 126 ehemals polytraumatisierten Patienten ermittelt anhand der 5 Fragen des EQ-5D

Sowohl die geschlechtsspezifischen Werte der Subdimensionen als auch die körperliche und mentale Summenskala des SF-36 lagen signifikant unter den Normwerten aus dem Bundesgesundheitssurvey 1998 (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

SF-36 Subdimension (a weiblich, b männlich). Die Ergebnisse sämtlicher SF-36-Subdimensionen der Lebensqualität liegen signifikant unter den Werten aus dem Bundesgesundheitssurvey 1998. KÖFU körperliche Funktionsfähigkeit, KÖRU Rollenverhalten wegen körperlicher Funktionsbeeinträchtigung, SCHM Schmerzen, AGES allgemeiner Gesundheitszustand, VITA Vitalität und körperliche Energie, SOFU soziale Funktionsfähigkeit, EMRO Rollenverhalten wegen seelischer Funktionsbeeinträchtigung, PSYC psychische Funktionsfähigkeit, PCS Physical Health Component Summary Score (körperlicher Summenscore), MCS Mental Health Component Summary Score (mentaler Summenscore)

Die traumaspezifische Lebensqualität (TOP) zeigte sich ebenfalls deutlich reduziert. In 7 von 10 Subdimensionen wurde der festgesetzte Grenzwert nicht erreicht. In den Subdimensionen Angst, Körperbild und Zufriedenheit wurde der Grenzwert von 80 nur knapp überschritten. Personen einer Kontrollgruppe wurden als auffällig deklariert, wenn sie den Grenzwert nicht erreichten. Während in der Studienpopulation zwischen 24 und 67 % der Befragten als Auffällige zu werten waren, war dies in der Kontrollgruppe nur bei 5 bis 8 % der Fall (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Anteil „Auffällige“ in der Studienpopulation. Die traumaspezifische Lebensqualität wurde mit dem Trauma Outcome Profile (TOP) erfasst. Personen sind „auffällig“, wenn sie einen Grenzwert von 80 nicht erreichen. PTSD „posttraumatic stress disorder“

Insgesamt 58 % unserer Patienten antworteten auf die Frage: „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Fortschritt seit dem Unfall“ positiv. 49 % gaben an sehr, 9 % einigermaßen zufrieden zu sein. 38 % waren etwas unzufrieden, nur 4 % waren sehr unzufrieden mit ihrem Fortschritt. Das Ergebnis dieser Frage korrelierte signifikant mit den Summenskalen des SF-36 und allen Subdimensionen sowohl des SF-36 als auch des TOP.

Einflussfaktoren auf das Outcome

Insgesamt 18 verschiedene Einflussfaktoren auf das Outcome wurden untersucht, die in prä- und posttraumatische bzw. traumaabhängige Variablen untergliedert wurden (Tab. 1). Zur Bestimmung derjenigen Parameterkonstellation, die den Zusammenhang zwischen den 20 verschiedenen Outcome-Dimensionen (Gesamtindex und VAS des EQ-5D, 8 Subdimensionen des SF-36, 10 Subdimensionen des TOP) und den Einflussfaktoren am besten beschreibt, erfolgte zunächst eine Korrelationsanalyse (Tab. 2). In einem weiteren Schritt wurde eine multiple lineare Regression durchgeführt mit allen Variablen, deren Signifikanzniveau in der Korrelationsanalyse bei mindestens p < 0,2 lag (Tab. 3).

Tab. 1 Mögliche Einflussfaktoren auf das Outcome untergliedert in prä- und posttraumatische bzw. traumaabhängige Variablen
Tab. 2 Ergebnisse der Korrelationsanalyse zwischen den 20 Subdimensionen des Outcomes und 18 möglichen Einflussfaktorena
Tab. 3 p-Werte der Einflussfaktoren auf die 20 Subdimensionen als Ergebnis der multiplen linearen Regression, die mit den in der Korrelationsanalyse signifikanten Variablen sowie Variablen mit einem Signifikanzniveau p < 0,2 durchgeführt wurdea

Bei insgesamt 7 Variablen zeigte sich eine signifikante Korrelation (p < 0,05) sowohl mit dem EQ-5D-Gesamtindex als auch mit der EQ-5D-VAS. Die multiple lineare Regression erfolgte mit insgesamt 13 Variablen (Gesamtindex) bzw. 11 Variablen (VAS), von denen sich 4 bzw. 6 als relevant herausstellten.

Auch für die 8 Subdimensionen und die beiden Summenscores des SF-36 zeigten sich in der Korrelationsanalyse Zusammenhänge und Abhängigkeiten mit den oben genannten 18 Variablen. In der Regressionsanalyse zeigte sich, dass „Schwierigkeiten mit Behörden/Instituten aufgrund des Unfalls“ auf alle SF-36-Subdimensionen einen signifikanten Einfluss hatte.

Die Korrelationsanalyse zwischen den Dimensionen des TOP und den oben genannten Variablen erbrachte ähnliche Ergebnisse wie für die SF-36-Dimensionen. Während einzelne Faktoren sehr häufig signifikante Zusammenhänge mit TOP-Subskalen aufwiesen, konnte für traumabedingte Variablen kein Zusammenhang hergestellt werden. Die Regressionsanalyse zeigte ebenfalls eine lineare Beziehung zwischen vielen TOP-Subskalen und Schwierigkeiten mit Behörden oder Instituten bzw. einer Phase der Arbeitslosigkeit aufgrund des Unfalls.

Von den insgesamt 18 untersuchten möglichen Faktoren konnte für 8 verschiedene Variablen ein signifikanter Einfluss auf das Ergebnis einzelner der 20 Subdimensionen gezeigt werden (Tab. 4). Weibliches Geschlecht hatte bei 13 der 20 Subdimensionen einen signifikanten negativen Einfluss auf das Outcome. Niedrige Schulbildung, höheres Alter und chronische Erkrankungen zum Unfallzeitpunkt beeinflussten das Outcome ebenfalls negativ. Traumaabhängige Variablen führten bei den befragten Schwerstverletzten langfristig zu keiner zusätzlichen signifikanten Verschlechterung der Lebensqualität.

Tab. 4 Zusammenfassende Darstellung der Outcome-Prädiktoren, die in der multiplen linearen Regression einen signifikanten Einfluss auf einzelne der insgesamt 20 Subdimensionen des EQ-5D, SF-36 und TOP hatten

Einen entscheidenden Einfluss auf das Outcome hatten Schwierigkeiten mit Behörden oder Instituten, die bei 17 der 20 Subdimensionen zu einem signifikant schlechteren Ergebnis führten. Auch eine Phase der Arbeitslosigkeit, die auf den Unfall zurückgeführt wurde, hatte ein schlechteres Outcome zum Zeitpunkt der Befragung zur Folge (13 von 20 Subdimensionen). Auf 3 der 20 Subdimensionen hatten auch eine subjektiv unzureichende Behandlung im Krankenhaus und eine lange Gesamtverweildauer einen signifikanten negativen Einfluss.

Diskussion

Die Studie beschreibt das langfristige Outcome nach schwerer Polytraumatisierung (ISS > 25), im Mittel fast 6 Jahre nach dem Unfall. Die medizinische und berufliche Rehabilitation ist nach diesem Zeitraum in der Regel abgeschlossen und wesentliche Änderungen der Unfallfolgen sind nicht mehr zu erwarten.

Das wichtigste Ergebnis der Untersuchung ist die nach vielen Jahren noch immer signifikant verringerte Lebensqualität, sowohl gesundheitsbezogen als auch traumaspezifisch. Dies betrifft nicht nur die Summenwerte bzw. Gesamtindices, sondern findet sich auch bei nahezu allen Subdimensionen. Besonders hervorzuheben sind hier die Dimensionen des SF-36 „Körperliche Funktion“, „Körperliche Rollenfunktion“ und „Emotionale Rollenfunktion“, bei denen sich deutlich schlechtere Werte im Vergleich zur Normalbevölkerung zeigten, vor allem bei Frauen. In Studien mit vergleichbaren Follow-up-Zeiträumen konnte diese signifikante Reduktion der Lebensqualität ebenfalls nachgewiesen werden. Insbesondere die Aspekte der körperliche Komponenten-Skala waren dramatisch reduziert. Die physische und mentale Gesundheit viele Jahre nach Polytrauma besserte sich zwar im Laufe der Zeit, sie blieb jedoch niedriger als die der Normalbevölkerung [6, 7, 8].

Auch die Ergebnisse des EQ-5D zeigen einen signifikant schlechteren selbstberichteten Gesundheitszustand als den der Normalbevölkerung. In mehreren Studien, die ebenfalls den EQ-5D verwendeten, wird schon bei deutlich kürzeren Follow-up-Zeiträumen über ähnlich schlechte Werte berichtet [9, 10, 11]. Ringburg et al. [12] berichteten über funktionale Einschränkungen in 2 oder mehr Domänen des EQ-5D bei 60 % der Studienpopulation ein Jahr nach dem Trauma.

Unsere Ergebnisse hinsichtlich der langfristig erniedrigten Lebensqualität werden von anderen Studien bestätigt. Die mit verschiedenen Assessmentinstrumenten erhobenen Score-Werte bessern sich zwar im Verlauf, erreichen jedoch nie Normalwerte. Selbst nach einem Jahrzehnt bestehen bei einigen Patienten noch deutliche Einschränkungen im Hinblick auf die Lebensqualität [13, 14, 15, 16]. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich Lebensqualität und Gesundheitszustand langfristig nicht mehr wesentlich ändern.

Bemerkenswert ist außerdem die hohe Zahl von Befragten, die noch nach vielen Jahren über mäßige oder extreme Schmerzen und körperliche Beschwerden klagen. Über anhaltende Schmerzen nach Unfällen wird häufig berichtet, insbesondere in den ersten ein bis 2 Jahren posttraumatisch [17, 18]. Auch bei den Resultaten des TOP-Moduls ist der Anteil der Auffälligen in der Subdimension Schmerz mit 52 % im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich erhöht und wird nur noch übertroffen von der Rate der Auffälligen in der Subdimension Mentale Fitness.

Schmerz ist eines der wichtigsten spezifischen Symptome nach Mehrfachverletzung.

Abhängig von der Methode berichten 46–85 % der Patienten, die ein Polytrauma überlebt haben, über langfristig bestehende Schmerzen [19, 20, 21].

Obwohl die Zufriedenheit des Patienten kein spezifisches Maß für Gesundheit oder Lebensqualität ist, scheint sie doch größer zu sein bei Patienten, die über eine gute Gesundheit berichten [22]. Patienten, die einen schweren Unfall erlitten haben, sind häufig mit ihrem Leben als Ganzes unzufrieden. Die Zufriedenheit mit dem Verlauf korreliert in unserer Studie signifikant mit der selbstberichteten Lebensqualität. Mit der Frage „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Fortschritt seit dem Unfall“ lässt sich deshalb eine zusammenfassende Bewertung der Gesamtsituation erheben. Sie fällt in unserer Studienpopulation zwiespältig aus, wobei die eher Zufriedenen überwiegen. Dennoch geben 42 % der Befragten an, mehr oder weniger unzufrieden mit dem Fortschritt zu sein. Dies ist im Mittel fast 6 Jahre nach dem Unfall unbefriedigend, sowohl für die Betroffenen als auch für diejenigen, die sich um eine vollständige Rehabilitation bemühen. Harris et al. [23] hatten in ihrer Studienpopulation eine größere Zufriedenheit nachweisen können, nur 28 % waren unzufrieden mit dem Verlauf. Dies mag an der geringen Verletzungsschwere liegen (ISS 24,3 vs. 35,6) und an dem kürzeren Follow-up-Zeitraum von 41 Monaten. Dagegen berichten Anke et al. [24] über eine Verringerung der Lebenszufriedenheit bei 87 % nach einem schweren Trauma. Berufs- und freizeitbezogene Beeinträchtigungen waren in dieser Studie wichtige Determinanten der Zufriedenheit mit dem Leben als Ganzes, auf die insbesondere ein starkes Gefühl des Zusammenhalts und ein gutes soziales Netzwerk einen signifikanten positiven Einfluss hatten.

Wir konnten 8 Einflussfaktoren identifizieren, die signifikante Auswirkungen auf den Gesundheitszustand und die langfristige Lebensqualität von Schwerstverletzten haben (Tab. 4). Während traumaabhängige Variablen bei unserer Studienpopulation zu keiner weiteren Verschlechterung der Lebensqualität führten, zeigten sich teils sehr deutliche Zusammenhänge zwischen dem weiblichen Geschlecht, einer niedrigen Schulbildung, höherem Alter sowie dem Vorliegen chronischer Erkrankungen zum Unfallzeitpunkt und einem schlechteren Outcome. Diese prätraumatischen Einflussfaktoren sind in der Rehabilitation zwar zu beachten, können aber nicht mehr verändert werden, im Gegensatz zu den posttraumatischen Variablen, die deshalb für die weitere Nachbehandlung eine entscheidende Bedeutung erlangen.

Schwierigkeiten mit Behörden beeinflussen die Lebensqualität am meisten

Den größten Einfluss auf Gesundheitszustand und Lebensqualität, den wir ermitteln konnten, hatten Schwierigkeiten des Verletzten mit Behörden oder Instituten. Auch eine Phase der Arbeitslosigkeit, die auf den Unfall zurückgeführt wurde, führte zu einem signifikant schlechteren Ergebnis. Nur auf einige wenige Subdimensionen hatten auch eine subjektiv empfundene unzureichende Behandlung und eine lange Gesamtverweildauer im Krankenhaus negative Effekte.

Die hier dargestellten Ergebnisse zeigen den großen Einfluss posttraumatischer Faktoren auf die langfristige selbstberichtete Lebensqualität Schwerstverletzter. Hieraus lassen sich einige wichtige Konsequenzen für die Rehabilitation von Unfallopfern ziehen. Es wird der Bedarf an einer langfristigen, oft jahrelangen Betreuung dieser Patienten nach einem Polytrauma deutlich und die Notwendigkeit für ein weiterführendes stationäres und ambulantes rehabilitatives Gesamtkonzept. Das Thema „Rückkehr ins Erwerbsleben“ wird angesichts des negativen Einflusses von Arbeitslosigkeit auf die Lebensqualität sowohl für den Betroffenen als auch für die Gesellschaft ein entscheidender Faktor für das Ergebnis der Rehabilitation. Ist die Rehabilitation erfolgreich, entsteht eine typische Win-Win-Situation: Der Betroffene hat einen günstigen Genesungsverlauf, er nimmt wieder aktiv am beruflichen und sozialen Leben teil, seine Lebensqualität verbessert sich. Der Kostenträger spart langfristige Behandlungskosten und Leistungsansprüche.