Seit über 20 Jahren besteht in Basel ein Hirschsprung-Kompetenzzentrum. Zwei große Übersichtsarbeiten sind in den letzten Jahren publiziert worden. In diesen Publikationen wurden sowohl die Kriterien der Hirschsprung-Diagnostik als auch eine Reihe anderer Anomalien enteraler Innervation mit chronischer Obstipation dargestellt [2, 14]

Da ein Morbus Hirschsprung eine Resektion des aganglionären Kolon erfordert, ist eine fehlerfreie pathohistologische Diagnose unabdingbar. Die klassische Paraffintechnik und die Immunohistochemie arbeitet nicht mit der gleichen Zuverlässigkeit wie die Enzymhistochemie [8, 20]. Bereits 1968 wurde auf die Zuverlässigkeit der enzymhistochemischen Steigerung der Acetylcholinesterase-Aktivität in parasympathischen Nervenfasern der Rektumschleimhaut für die Hirschsprung-Diagnose hingewiesen [10, 11]. Mehrere neuere Untersuchungen haben dies bestätigt [1, 9, 25].

Die meisten epidemiologischen Untersuchungen zur Häufigkeit des Morbus Hirschsprung basieren auf klinischen Studien und berechnen die Anzahl von Hirschsprung-Erkrankungen auf die Anzahl Lebendgeburten [7, 22, 23, 24]. Eine erste Übersicht zur Häufigkeit enzymhistochemisch, pathohistologisch diagnostizierter Aganglionosen des Rektosigmoid bei chronisch obstipierten Kindern wurde 1992 publiziert [13]

Vorliegende Publikation demonstriert die Resultate des Basler Hirschsprung Kompetenzzentrums der letzten 20 Jahre, in deren Verlauf über 19.365 Rektumschleimhautbiopsien untersucht wurden.

Methodik

Die vorliegende Zusammenstellung des Basler Hirschsprung-Kompetenzzentrums basiert auf nativen Biopsien der Rektumschleimhaut von Säuglingen und jungen Kindern. Das Gewebe wurde in der Regel von externen Kliniken auf Kohlensäureschnee (−80°C) per Intercity-Kuriergut oder DHL-Kurierdienst übersandt. Die Versandmodalitäten sind in extenso in einem Laborleitfaden dargestellt [17, 18].

Alle Biopsien wurden nativ in einem Kryostaten 15 μm dick in Serie geschnitten. Diese Schnittdicke ist mit einem 4 μm Paraffinschnitt kompatibel, da ein Kryostatschnitt beim Aufziehen und Trocknen auf einem Objektträger 70% seiner Schnittdicke verliert [18]. Eine Schnittdicke von 15 μm ist für die Vergleichbarkeit der Kryostatschnitte mit 4 μm dicken Paraffinschnitten essenziell, vor allem bei morphometrischen Vergleichsuntersuchungen. In der Regel werden 3 Biopsien der Entnahmehöhe 1. Rektoanalgrenze (Linea dentata), 2. 2 cm und 3. 4 cm und 4. 8 cm oberhalb der Linea dentata in Eppendorfröhrchen verpackt auf Kohlensäureschnee eingesandt. Alle Biopsien wurden in Serienschnitten aufgearbeitet und mit einer Acetylcholinesterase (AChE)-Reaktion zur Nervenfaserdarstellung gefärbt. Eine Lactat-Dehydrogenase (LDH)-, Succinat-Dehydrogenase (SDH)- und Nitroxid-Synthetase (NOS)-Reaktion diente zum Nervenzellnachweis des Plexus submucosus. Die Dehydrogenase-Darstellungen sind eine zweite, auf den Nervenzellnachweis des Plexus submucosus basierende Sicherung der Diagnose. Die Einführung von enzymhistochemischen Reaktions-Kits (Districhem, Hohlweg 25, CH 4104 Oberwil, E-Mail: districhem@bluewin.ch) haben zu einer erheblichen Reduzierung des Arbeitsaufwands geführt. Bei etwa einem Drittel der Hirschsprung-Diagnosen erhielten wir auch das Resektat des Rektosigmoids, welches kaudokranial aufgerollt geschnitten wurde [3]

Die Beurteilung der AChE-Reaktion erfolgte grundsätzlich am nicht mit Hämalaun gegengefärbten Schnitt. Es wurden jeweils zwei AChE-Schnitte hergestellt, wobei einer der Schnitte mit einer Hämalaun-Gegenfärbung nur der histologischen Orientierung diente.

Die zahlreichen konsiliarisch übersandten, in Paraffin eingebetteten Hirschsprung-Präparate wurden in der vorliegenden Statistik nicht berücksichtigt [19].

Ergebnisse

Die Tab. 1, Tab. 2 und Tab. 3 zeigen die pro Jahr beobachteten Frequenzen einer Aganglionose. Tab. 4 gibt eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Es wurden pro Jahr im Mittel 330 Kinder mit einer therapieresistenten, chronischen Obstipation enzymhistochemisch mit einer AChE-Darstellung (Abb. 1) und 3 Dehydrogenase-Reaktionen anhand von Rektumschleimhautbiopsien untersucht. Die LDH-, SDH- und NOS-Reaktionen dienten der Nervenzelluntersuchung des Plexus submucosus bzw. der Bestätigung einer Aganglionose (Abb. 2). Andererseits können damit Anomalen des Plexus submucosus (neuronale Dysplasie, Ganglioneuromatose, Reifungsrückstand des Plexus submucosus) diagnostiziert werden. Die Anzahl der untersuchten Biopsien betrug pro Jahr 992.

Innerhalb von 20 Jahren wurden 19.365 Biopsien enzymhistochemisch beurteilt. 11,6% der untersuchten Kinder wiesen eine Aganglionose im Sinne eines klassischen Morbus Hirschsprung auf (Tab. 1), 3 Patienten (0,9%) zeigten pro Jahr im Mittel eine totale Aganglionose des Kolons und 4 Patienten (1,2%) hatten im Mittel pro Jahr einen ultrakurzen Morbus Hirschsprung (Tab. 2, Tab. 3). Die Tabellen lassen die jährliche Variabilität von Kolonaganglionosen erkennen. Im Interesse einer institutsinternen Qualitätssicherung wurden alle Befunde durch einen zweiten unabhängigen Untersucher beurteilt.

Das charakteristische Bild einer Hirschsprung-Erkrankung in einer AChE-Reaktion zeigt Abb. 1. Anhand von Dehydrogenase-Darstellungen des Plexus submucosus konnte die Diagnose einer Aganglionose des Plexus submucosus (Abb. 2) gesichert werden. Eine SDH-Reaktion erlaubt im Vergleich zur NOS- und LDH-Reaktion den Reifegrad der Nervenzellen des Plexus submucosus abzuschätzen.

Tab. 1 Häufigkeit des klassischen Morbus Hirschsprung
Tab. 2 Häufigkeit einer totalen Kolonaganglionose
Tab. 3 Häufigkeit eines ultrakurzen Morbus Hirschsprung
Tab. 4 Zusammenfassung der im Zeitraum von 20 Jahren diagnostizierten Aganglionosen bei chronisch obstipierten Kindern
Abb. 1
figure 1

a Rektumschleimhaut bei Morbus Hirschsprung mit massiv gesteigerter Acetylcholinesterase-Aktivität in den Nervenfasernetzen der Lamina propria mucosae und Muscularis mucosae. b Rektumschleimhaut mit normaler Acetylcholinestrease-Aktivität der Nervenfasernetze der Kolonmukosa. AChE-Reaktion ohne Gegenfärbung, Vergr. 1:100

Abb. 2
figure 2

a Aganglionose des Plexus submucosus. b Normaler ganglienreicher Plexus submucosus. Lactat-Dehydrogenase-Reaktion, Vergr. 1:150

Diskussion

Die Anzahl der diagnostizierten Hirschsprung-Erkrankungen ist von den diagnostischen Prinzipien der verschiedenen Kliniken abhängig. Es gibt Kliniken, die alle therapieresistenten Obstipationen bioptisch untersuchen lassen, während andere Kliniken nur Biopsien der Rektumschleimhaut entnehmen, wenn ein offensichtlicher Verdacht einer Hirschsprung-Erkrankung besteht. Trotzdem hat sich in unserem Einsendegut die jährlich Frequenz von 14% Aganglionosen als relativ konstant erwiesen (Tab. 1, Tab. 2, Tab. 3, Tab. 4).

In den Jahren 1965 bis 1974 lag die Frequenz diagnostizierter Aganglionosen, bei einer Anzahl von 354 untersuchten Kindern mit chronischer Obstipation, bei 28,8%. Diese Zahl reduzierte sich in der Dekade 1975 bis 1984 auf 20,7% [12]. Im Vergleich zu diesen Werten hat die Frequenz der Hirschsprung-Erkrankungen im vorliegenden Krankengut weiter abgenommen; dies dürfte aber sehr wahrscheinlich der aktuellen Realität entsprechen. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass Hypoganglionosen [4, 25], intestinale neuronale Dysplasien [5, 16, 21] und Reifungsrückstände des enteralen Nervensystems [14] oft mit einem dem Hirschsprung ähnlichen Krankheitsbild einhergehen können und einen Teil der 86% Biopsien ohne Zeichen einer Aganglionose betreffen, aber an Schleimhautbiopsien (Hypoganglionose) [4] oft nicht diagnostisch beweisbar sind.

In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass der ultrakurze Morbus Hirschsprung mit der klassischen Paraffintechnik in der Hämalaun-/Eosinfärbung oder immunhistochemisch diagnostisch nicht an Schleimhautbiopsien ohne Weiteres zu erfassen ist [6, 12, 13, 14, 15]. Für die Diagnose eines ultrakurzen Hirschsprung (1–4 cm proximal der Linea dentata) hat sich die Enzymhistochemie als diagnostische Methode der Wahl erwiesen.

Schlussfolgernd zeigt sich, dass in unserem untersuchten Krankengut 14 von 100 chronisch obstipierten Kindern eine Aganglionose des Kolons aufwiesen.

Fazit für die Praxis

Die enzymhistochemische Untersuchung nativer Biopsien der Rektummukosa bildet den Goldstandard in der histopathologischen Diagnostik des Morbus Hirschsprung. Mithilfe der Acetylcholinesterase-Reaktion lässt sich am nicht gegengefärbten Schnitt das charakteristische Bild der Aganglionose in der Rektumschleimhaut darstellen (Abb. 1). Mittels Succinat-Dehydrogenase-, Lactat-Dehydrogenase- und Nitroxid-Synthetase-Reaktionen wurde zusätzlich zur Sicherung der Diagnose eine Nervenzelldarstellung (bzw. Aganglionose) des Plexus submucosus (Abb. 2) durchgeführt. Letztere Reaktionen erlauben zusätzlich Anomalien des Plexus submucosus zu diagnostizieren (intestinale neuronale Dysplasie B, Ganglioneuromatose, Unreife der Nervenzellen). Mit enzymhistochemischen Reaktions-Kits (Districhem@bluewin.ch) lässt sich der Arbeitsaufwand massiv reduzieren.