Das „akute Abdomen“ repräsentiert keine eigene Krankheitsentität, sondern steht als Oberbegriff für eine ätiologisch zunächst unklare Akutsituation im Bereich des Abdomens. Kardinalsymptome sind der akute Abdominalschmerz, die abdominelle Abwehrspannung und die partielle bis totale Kreislaufdekompensation. Um eine vitale Gefährdung des Patienten zu vermeiden, muss die Ursache rasch geklärt werden.

Die Diagnostik des akuten Abdomens ist eine Domäne der Chirurgie in interdisziplinärer Zusammenarbeit. Insbesondere die sonographische und radiologische Diagnostik besitzt einen hohen Stellenwert. Ziel ist es, die korrekte Diagnose mit intelligentem Einsatz weniger Diagnostika schnell zu stellen. Nichtoperationspflichtige Befunde, die mit dem klinischen Bild des „akuten Abdomens“ imponieren, müssen mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden (Tab. 1). In rund zwei Drittel aller Fälle besteht beim „akuten Abdomen“ die Indikation zur Operation [1].

Tab. 1 Nichtoperationspflichtige Befunde beim akuten Abdomen

Die diagnostische Laparoskopie hat in den letzten Jahren eine feste Position im Management des akuten Abdomens eingenommen. Verglichen mit allen bildgebenden Verfahren oder wiederholten klinischen Untersuchungen erlaubt die diagnostische Laparoskopie in den meisten Fällen eine definitive Diagnose. Die frühzeitige diagnostische Laparoskopie in unklaren klinischen Situationen hilft darüber hinaus, negative Laparotomien zu vermeiden und spart unnötige zeitliche Verzögerungen in der Diagnosestellung.

Historie der diagnostischen Laparoskopie

Georg Kelling, ein Chirurg aus Dresden, führte 1901 als Erster eine Bauchspiegelung am Hund durch Einbringen eines Zystoskopes in das Abdomen durch [11]. Die erste erfolgreiche Laparoskopie am Menschen wurde schließlich 1909 von Ott durchgeführt [19]. Jacobaeus aus Stockholm widmete sich in den folgenden Jahren der Weiterentwicklung dieser Technik [9]. Im Jahre 1938 publizierte Veress erstmalig die Nutzung einer Nadel, welche ursprünglich für Thoraxpunktionen genutzt wurde, zur Anlage eines Pneumoperitoneums [24]. Der Hepatologe Kalk empfahl die Nutzung mehrerer Trokare und demonstrierte den Wert der Laparoskopie in der Diagnostik von Lebererkrankungen [10]. In den 1970er Jahren beschrieben insbesondere Cuschieri in Europa und Berci in Amerika die Nutzung der Laparoskopie zur Diagnostik [2, 3]. Doch erst die Arbeiten von Semm sowie wenig später die Durchführung der ersten laparoskopischen Cholezystektomie führten zur Weiter- und Fortentwicklung der minimal-invasiven Chirurgie [22]. Heute nimmt die Laparoskopie einen festen Stellenwert in der Diagnostik und Therapie ein.

Diagnostik des akuten Abdomens

Neben der klinisch-anamnestischen Evaluation beim „akuten Abdomen“ besteht die Standarddiagnostik in einer laborchemischen Serumanalyse. Darüber hinaus sind eine Röntgenleeraufnahme sowie ein sonographisches Screening des Abdomens als obligat zu erachten [17].

Sonographische Untersuchungen zeigen eine Sensitivität von über 68% für intraabdominelle parenchymale Verletzungen mit freier Flüssigkeit [21]. Auch in der Diagnostik von Erkrankungen der Adnexe, anderer gynäkologischer Erkrankungen und deren Differenzialdiagnostik ist die Sonographie etabliert [5, 23]. Der direkte sonographische Nachweis von mehr als 50% aller perforierten Appendizitiden und Tubarrupturen verdeutlicht den Beitrag dieser Methode in der Diagnostik von Hohlorganperforationen.

Bei freier abdomineller Luft hat die Abdomensonographie jedoch Limitationen.

Nachweis von Darmwandverdickung, freier Flüssigkeit und reduzierter Peristaltik sind unspezifische Hinweise auf eine stattgehabte Perforation [7, 8]. Hier bietet das Röntgen des Abdomens eine sinnvolle Ergänzung.

Ergänzend zur Einschätzung der Vitalität von z. B. inkarzerierten Intestinalorganen wird die farbkodierte Duplexsonographie eingesetzt [14].

Computertomographie

Entscheidender Fortschritt wurde in den vergangenen Jahren durch die hohe Auflösung der Spiral-CT erreicht. Ergebnisse von Taourel bezüglich der Bedeutung der Spiral-CT zeigen eine Verbesserung der Sensitivität in der Diagnostik von Erkrankungen durch ein Abdomen-CT von 50% auf 95%. Eine Untersuchung von Rosen et al. an Patienten mit nichttraumatisch bedingtem akutem Abdomen zeigte an einem Kollektiv von 536 Patienten, dass die radiologische Diagnostik die Laparotomierate von 14% auf 5% senken kann. Die CT hilft somit, negative Laparotomien zu vermeiden, wie dies z. B. bei der Fornixruptur DD perforierte Sigmadivertikulitis sein kann.

Eine aktuelle Studie [15] an 91 Patienten mit nichttraumatischem akutem Abdomen zeigt sogar, dass ähnlich hohe Genauigkeiten der Spiral-CT auch ohne Kontrastmittelgabe mit einer Sensitivität von 96% und einer Spezifität von 95,1% zu erreichen sind.

Wichtig ist bei der Diagnosefindung die enge Kooperation von Chirurg und Radiologe, um eine sinnvolle diagnostische Prozedur festzulegen. Ergibt sich aus den bisher geschilderten Untersuchungstechniken keine wegweisende Diagnose, so sollte als weiteres Hilfsmittel die diagnostische Laparoskopie erwogen werden.

Indikation zur diagnostischen Laparoskopie

Die Indikation zur diagnostischen Laparoskopie besteht dann, wenn durch die vorangegangenen klinischen, laborchemischen und bildgebenden Verfahren ein akutes Krankheitsbild im Abdomen hinreichend bestätigt wurde oder eine vitale Gefährdung des Patienten nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (Abb. 1). Trotz verbesserter Diagnostik ist in rund 25% keine korrekte präoperative Diagnose zu stellen. Wie aus Tab. 2 hervorgeht, ist durch die diagnostische Laparoskopie eine Diagnosesicherung mit einer Sensitivität bis zu 99% erreichbar und der Patient somit auch einer spezifischen Therapie zuzuführen. Durch die Weiterentwicklung der Laparoskopie können in annähernd 75% der Fälle die Patienten schließlich auch laparoskopisch therapiert werden.

Abb. 1
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Algorithmus von Diagnostik und Therapie des akuten Abdomens

Tab. 2 Diagnostische Laparoskopie beim akuten Abdomen – Literaturübersicht

Kontraindikation der diagnostischen Laparoskopie

Eine absolute Kontraindikation zur diagnostischen Laparoskopie besteht bei Patienten mit Zwerchfellruptur und hämodynamisch instabilen Patienten. Relative Kontraindikationen stellen die manifeste Gerinnungsstörung, generalisierte Peritonitis, große axiale Hiatusgleithernien, schwere kardiopulmonale Erkrankungen und Bauchdeckeninfektionen mit einer Gefahr der Keimverschleppung dar. Bei voroperierten Patienten können ausgedehnte intraabdominelle Verwachsungen 3. Grades die Anlage eines Pneumoperitoneums sowie das Agieren mit dem MIC-Instrumentarium technisch unmöglich machen. Im massiven mechanischen Ileus mit hohem Abdomen und stark dilatierten Darmschlingen besteht die Gefahr, den Darm zu verletzen.

Eine Kontraindikation der diagnostischen Laparaskopie bei Schwangerschaft besteht nicht

Die in früheren Arbeiten beschriebene Kontraindikation bei Schwangerschaft und auch das prinzipiell offene Vorgehen nach stattgehabten Voroperationen sind aus unserer Sicht nicht mehr gegeben.

Technik der diagnostischen Laparoskopie

Voraussetzung zur kompletten Exploration der Abdominalhöhle ist die optimale Lagerung des Patienten. Zur Inspektion aller Quadranten und des kleinen Beckens sind Schulter- und Seitenstützen unverzichtbar. Alternativ kann eine Vakuummatratze verwendet werden. Ein Harnblasenkatheter sollte aus anästhesiologischer Sicht beim akuten Abdomen immer gelegt werden, erleichtert er doch die Inspektion des kleinen Beckens bei entleerter Harnblase. Die Steinschnittlagerung ermöglicht rektale Maßnahmen und die in Einzelfällen notwendige Endoskopie. Bei Befunden im Oberbauch hat der Operateur zusätzlich die Möglichkeit, zwischen den Beinen des Patienten zu stehen und den Situs in ergonomischer Körperhaltung zu explorieren.

Der infraumbilikale Hautschnitt bietet die beste Umsicht im Abdomen

Die diagnostische Laparoskopie ist prinzipiell in Lokalanästhesie durchführbar, jedoch sollte beim akuten Abdomen die Indikation zur Intubationsnarkose gestellt werden. Auch kardiopulmonal kompromittierte Patienten (ASA III und höher) können in der Regel laparoskopiert werden. Hier muss jedoch eine enge Kommunikation mit dem Anästhesieteam gewährleistet sein. Die Anlage des Pneumoperitoneums kann nach Setzen des ersten Trokars via Minilaparotomie oder mittels Verres-Nadel erfolgen. In der eigenen Klinik wird ausschließlich die Minilaparotomie angewandt. Der infraumbilikale Hautschnitt („smiling incision“) bietet dabei die beste Umsicht im Abdomen, und es besteht die Möglichkeit weitere Trokare zu setzen und unter Sicht eine laparoskopische Therapie anzuschließen.

Mit der Kamera wird nun das Abdomen quadrantenweise inspiziert. Im rechten Oberbauch die Leberoberfläche, die Gallenblase, das Querkolon, im linken Oberbauch die Magenvorderwand, Querkolon und linke Flexur. Die Milz ist nicht immer darstellbar und kann ggf. durch das Omentum majus überdeckt sein. Im linken Unterbauch ist das Deszendens und das Sigma zu inspizieren, im rechten Unterbauch die Appendix und das Zökum. Bei Frauen sind die inneren Genitale (Tuben, Ovarien) sowie das kleine Becken auf Qualität und Quantität intraperitonealer Flüssigkeit zu inspizieren. Der gesamte Dünndarm sollte im Idealfall in „Hand-over-hand-Technik“ systematisch dargestellt werden. Dies gelingt in einigen Fällen jedoch nur durch zusätzliche Arbeitstrokare.

Eine Übersicht über die häufigsten Laparoskopiediagnosen beim akuten Abdomen sind in (Tab. 3) dargestellt. Während die Appendizitis, die akute Cholezystitis, die Sigmadivertikulitis und das perforierte Vorderwandulkus des Magens meist auch laparoskopisch in gleicher Sitzung therapiert werden können, stellen z. B. das komplizierte Hinterwandulkus und das Duodenalulkus größere Herausforderungen an den Operateur.

Tab. 3 Diagnosensicherung durch diagnostische Laparoskopie in abnehmender Häufigkeit (adapt. nach [18])

Trokarhernien müssen mittels einer abschließenden Fasziennaht bei der Benutzung von 10-mm-Trokaren vermieden werden.

Möglichkeiten und Grenzen der Laparoskopie beim akuten Abdomen

Prinzipiell sind die Möglichkeiten und Grenzen der diagnostischen und ggf. therapeutischen Laparoskopie eng mit der Erfahrung des Operateurs verknüpft. Unumstrittenes Ziel ist die Klärung der definitiven Diagnose. In der Literatur ist hier eine diagnostische Sensitivität bis zu 99% angegeben. Dies setzt eine adäquate Lagerung mit Seiten- und Armstützen voraus, um ggf. laparoskopisch-therapeutisch tätig werden zu können. Die akute Appendizitis, die akute Cholezystitis und die (gedeckt) perforierte Sigmadivertikulitis ohne ausgedehnte Peritonitis sind laparoskopisch zu behandeln. Der Subileus und Ileus kann durch dilatierte Darmschlingen die Übersicht verhindern und stellt deshalb meist eine Indikation zur offenen Operation dar. Ulzera der Magenvorderwand sind normalerweise gut operativ zu versorgen. Bei Magenhinterwand- oder Duodenalulzera ist die Eröffnung der Bursa omentalis, respektive die Mobilisierung des Duodenums mit hohem technischem Aufwand verbunden. Man sollte daher rechtzeitig konvertieren, wenn die Übersicht fehlt oder die technischen Anforderungen nicht zu meistern sind.

Unumstrittenes Ziel ist die Klärung der definitiven Diagnose

Der Stellenwert der diagnostischen Laparoskopie zur Beurteilung der Darmdurchblutung wird im internationalen Schrifttum kontrovers beurteilt. Daten zur objektiven evidenzbasierten Beurteilung liegen nicht vor. Bei dem dringenden Verdacht auf eine mesenteriale Ischämie muss sich die diagnostische Laparoskopie mit der Sensitivität der Angiographie und der CT-Angiographie und schließlich der diagnostischen Laparotomie messen lassen. Da das Übersehen eines frühen Darminfarktes erhebliche Konsequenzen für den Patienten hat, sollten unserer Meinung nach, sofern Angiographie bzw. Computertomographie verfügbar sind, diese auch genutzt werden. Steht bei Verdacht auf eine mesenteriale Ischämie keine apparative Diagnostik zur Verfügung oder ist die radiologische Abklärung nur mit erheblichem Zeitverzug möglich, kann die Laparoskopie diese diagnostische Lücke schließen (Abb. 2). Der radiologischen Diagnose einer mesenterialen Ischämie schließt sich die Laparotomie zur differenzierten chirurgischen Therapie an [13].

Abb. 2
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Diagnostische Laparoskopie bei einer 79-jährigen Patientin mit einem akuten Abdomen und einer ausgeprägten Leukozytose von 33.000/µl. Der intraoperative Befund zeigte einen Dünndarmvolvulus mit einer Nekrose von 1,5 m Ileum. Es erfolgte eine Laparotomie mit Dünndarmteilresektion und End-zu-End-Anastomosierung

Fazit für die Praxis

Die diagnostische Laparoskopie ist als feste Größe im Behandlungskonzept des akuten Abdomens zu sehen. Sie ermöglicht nicht nur die schnelle und genaue Diagnostik, sondern bietet in vielen Fällen auch die Möglichkeit einer weiterführenden Therapie. Darüber hinaus vermag sie unnötige Laparotomien zu vermeiden und trägt somit zu einer gesteigerten Patientensicherheit bei.