Sowohl beim Ösophaguskarzinom als auch beim Magenkarzinom stellt der Lymphknotenstatus den wesentlichen Prognosefaktor nach kompletter Tumorresektion (R0-Resektion) dar. Nach wie vor wird bei diesen Tumorentitäten die ausgedehnte Lymphadenektomie jedoch kontrovers diskutiert. Ursache hierfür ist, dass nur eine Subgruppe von Patienten von der ausgedehnten Lymphadenektomie zu profitieren scheint [15]. Keines der derzeit verfügbaren bildgebenden Verfahren kann jedoch das tatsächliche Vorliegen von Lymphknotenmetastasen mit hoher Zuverlässigkeit präoperativ vorhersagen, so dass die Lymphadenektomie in der Regel „en principe“ bei allen potenziell R0-resektablen Tumoren erfolgt. In unerfahrenen Zentren ist die ausgedehnte Lymphadenektomie beim Ösophagus- und Magenkarzinom mit einer deutlich erhöhten postoperativen Morbidität und Mortalität verbunden, welche den möglichen Prognosegewinn wieder zunichte macht [16, 19]. Ein individualisierter und selektiver Einsatz der Lymphadenektomie wäre daher sowohl beim Magenkarzinom als auch beim Ösophaguskarzinom wünschenswert.

Individualisierte Indikationen zur Lymphadenktomie basierend auf dem Konzept des Sentinel-Lymphknotens gelten beim Mammakarzinom und beim malignen Melanom bereits als etabliert. In den letzten Jahren erfolgte zunehmend auch die Überprüfung der Validität des Sentinel-Lymphknoten-Konzepts bei gastrointestinalen Tumoren. Der derzeitige Stand des Sentinel-Lymphknoten-Mappings beim Ösophagus- und Magenkarzinom wird nachfolgend diskutiert.

Sentinel-Lymphknoten-Mapping beim Ösophaguskarzinom

Im Vergleich zu anderen gastrointestinalen Tumoren hat die Evaluierung des Sentinel-Lymphknoten-Mappings beim Ösophaguskarzinom erst spät begonnen. Ursache dafür ist das aus anatomischen Studien bekannte, komplexe Lymphabflusssystem des Ösophagus. Die ersten Studien zum Sentinel-Lymphknoten-Mapping beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus stammen aus Japan [1, 11, 26]. Die publizierten Patientenkollektive sind jeweils klein und meist gemeinsam mit anderen Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts dargestellt (Tabelle 1).

Tabelle 1 Ergebnisse des Sentinel-Lymphknoten-Mappings beim Ösophaguskarzinom

Kitagawa et al. [12] beschrieben als erste an einem Kollektiv von 16 Patienten die Markierung von Sentinel-Lymphknoten mittels eines Radiokolloids. Die Detektionsrate der Sentinel-Lymphknoten betrug 88% mit gleicher Sensitivität. Kato et al. untersuchten ebenfalls an einem kleinen Patientenkollektiv (n=25) mit Plattenepithelkarzinom des Ösophagus die Sentinel-Lymphknoten-Markierung mittels Radiokolloidtechnik. Die Detektionsrate betrug 92% [9]. Es existiert noch eine Arbeit von Yasuda et al., die ebenfalls bei 23 Patienten mit einem Ösophaguskarzinom die Sentinel-Lymphknoten-Markierung mittels Radiokolloid durchführten. Auch sie untersuchten die Ösophaguskarzinome in einer Gruppe gemischt mit Magenkarzinomen wie in der Arbeit von Kitagawa et al. und machten aber weder eine genaue Angabe zur Detektionsrate noch zur Sensitivität.

Dies zeigt deutlich, dass das Sentinel-Lymphknoten-Konzept am Ösophagus wesentlich schwieriger anzuwenden ist, dass die Lernkurve erheblich länger ist und die erst kleinen Patientenkollektive noch keinerlei zuverlässige Aussagen über die Anwendbarkeit möglich machen.

Platteneptihelkarzinom

Beim Platteneptihelkarzinom des Ösophagus besteht das Problem, dass bereits bei frühen Tumorstadien häufig eine Lymphknotenmetastasierung vorliegt und die Lymphabflüsse von makroskopisch infiltrierten Lymphknoten und Lymphbahnen (Lymphangiosis) sich nicht mehr mittels Sentinel-Lymphknoten-Mapping darstellen lassen. Damit gestaltet sich nicht nur die Markierungstechnik, sondern auch die Detektionstechnik am Thorax aufgrund der anatomischen Verhältnisse schwieriger. Eine Farbstoffmarkierung ist nicht sinnvoll anwendbar, da hier innerhalb eines kurzen Zeitfensters die Lymphabflusswege dargestellt werden müssten und dies nicht ohne Zerstörung der Lymphabflusswege beim Ösophaguskarzinom möglich ist.

Markierungs- und Detektionstechnik sind am Thorax aufgrund der anatomischen Verhältnisse schwierig

Als weitere Markierungsmöglichkeit bietet sich die präoperative endoskopische Markierung mit Technetium-99m-Nanokolloid an. Dieser Markierungsstoff wandert innerhalb von 2 h in die Sentinel-Lymphknoten und verbleibt dort über 20 h stationär.

Da die Lymphknoten Technetium speichern, auch wenn zur Darstellung des Lymphknoten der Lymphabfluss durchtrennt werden muss, ist dies sicher die Methode der Wahl. Allerdings bestehen international Unterschiede in der Partikelgröße, welches die Vergleichbarkeit der Markierungstechnik einschränkt. Neuste Untersuchungen aus Japan zeigen, dass technetium tin colloid mit einer Partikelgröße von ca. 100 nm die höchste Speicherung in den Sentinel-Lymphknoten aufweist und damit die genaueste Detektionsrate hat [25]. Hilfreich ist beim Patienten mit einem Ösophaguskarzinom auch eine präoperative Szintigraphie nach Markierung mit Technetium-99m-Nanokolloid, um tumorferne Lymphknotenmetastasen darzustellen und gegebenenfalls sowohl das Resektionsausmaß als auch das Bestrahlungsfeld bei einer Radiochemotherapie individuell zu ändern.

Barrett-Frühkarzinom

Ein attraktiveres Modell stellt das Sentinel-Lymphknoten-Mapping bei der Behandlung des Barrett-Frühkarzinoms (Adenokarzinoms) im distalen Ösophagus dar [20, 21]. Eigene Untersuchungen haben gezeigt, dass beim Barrett-Karzinom im Gegensatz zum Plattenepithelkarzinom die Lymphknotenmetastasierung erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt, Lymphknotenmetastasen bei Frühkarzinomen damit seltener vorliegen und meist lokoregional gelegen sind [4]. Zudem bietet das Sentinel-Lymphknoten-Konzept hier auch die Möglichkeit, aberrante Lymphabflusswege vom Primärtumor nach retroperitoneal zu identifizieren.

Eigene Ergebnisse

Die eigenen Erfahrungen zeigen, dass aufgrund der besonderen anatomischen Gegebenheiten am ösophagokardialen Übergang und der häufigen Adipositas bei Patienten mit einem distalen Barrett-Karzinom, eine Doppelmarkierung mit einem Radiokolloid und Blaufarbstoff erfolgen sollte.

Häufig ist eine Doppelmarkierung mit Radiokolloid und Blaufarbstoff sinnvoll

Die ersten eigenen Ergebnisse zeigen bei insgesamt 20 Patienten, die am präoperativen Tag endoskopisch mit Technetium-99m-Nanokolloid markiert wurden, dass das Sentinel-Konzept anwendbar ist. Insgesamt wurden 10 Patienten mit einem AEG Typ I, 6 Patienten mit einem AEG Typ II und 4 Patienten mit einem AEG Typ III markiert und die Sentinel-Lymphknoten mittels γ-Sonde untersucht. Die untersuchten Tumorstadien zeigten 12 Patienten mit einer pT1-Kategorie, 7 Patienten mit einer pT2-Kategorie und einen Patienten mit einer pT3-Kategorie. Keiner der Patienten erhielt eine neoadjuvante Vorbehandlung. In 17 dieser 20 Patienten konnte mindestens ein Sentinel-Lymphknoten gefunden werden (85%). Davon konnte in 9 von 10 Patienten (90%) mit einem AEG I und pT1-Kategorie ein Sentinel-Lymphknoten dargestellt werden, ebenso war es in 8 von 10 (80%) der AEG-Typ-II- und -III-Patienten möglich, einen Sentinel-Lymphknoten zu detektieren. Bei fortgeschrittenen Tumoren mit bereits makroskopisch auffälligen Lymphknoten konnte meist kein Sentinel-Lymphknoten gefunden werden. Im Median konnten 2 Sentinel-Lymphknoten dargestellt werden (Range 1–7).

Die Sentinel-Lymphknoten lagen in 8 von 17 Fällen (47,1%) parakardial, in 8 von 17 Fällen (47,1%) im Bereich der kleinen Magenkurvatur, in 2 Fällen (11,7%) wurde der Sentinel-Lymphknoten paraösophageal gefunden und ein Sentinel-Lymphknoten fand sich im Bereich der Arteria hepatica (5,9%). Bei einem Patienten wurde sowohl ein Sentinel-Lymphknoten im Bereich der kleinen Kurvatur und als auch parakardial gefunden (Abb. 1, 2).

Abb. 1
figure 1

Lokalisation der Sentinel-Lymphknoten intraoperativ nach Markierung mit Technetium-99m-Nanokolloid

Abb. 2
figure 2

An einem Patienten wurde intraoperativ mittels γ-Sonde ein Sentinel-Lymphknoten parakardial rechts detektiert und das Präparat szintigraphisch kontrolliert

Von den 9 Patienten mit AEG Typ I zeigte ein Patient eine singuläre Lymphknotenmetastase; der befallene Lymphknoten wurde mit der Sentinel-Markierung korrekt als Sentinel-Lymphknoten erkannt. Die weiteren Lymphknoten wurden entsprechend als tumorfrei bewertet.

Bei den 8 Patienten mit AEG-Typ-II- und -III-Tumoren zeigte ein Sentinel-Lymphknoten eine Tumorinfiltration und die weiteren Sentinel-Lymphknoten waren tumorfrei. Die histologische Aufarbeitung zeigte in 3 Patienten Lymphknotenmetastasen. In einem dieser Patienten zeigte der Sentinel-Lymphknoten Metastasen, in 2 dieser Patienten waren die lokalisierten Sentinel-Lymphknoten tumorfrei.

Insgesamt war es bei 85% der Patienten möglich, eine Sentinel-Lymphknoten-Markierung durchzuführen. In 9 von 9 Patienten (100%) mit einem AEG Typ I wurde der Lymphknotenstatus korrekt (einmal positiv, 8-mal negativ) beschrieben. In 6 der 8 Patienten mit AEG Typ II und III konnte ebenfalls der Lymphknotenstatus mit dieser Methode erkannt werden (einmal positiv, 5-mal negativ).

Zusammenfassend wurde der Lymphknotenstatus mit der Sentinel-Lymphknoten-Markierung in 15 von 17 Patienten (88, 2%) mit erfolgreich durchgeführter Markierung korrekt wiedergegeben. Sicherlich haben die ersten Studienergebnisse, die auch Patienten mit einem lokal fortgeschrittenem Karzinom (T3-Kategorie) einschlossen und bei denen aufgrund einer Lymphgefäßinfiltration falsch negative Ergebnisse auftraten, die anfängliche Detektionsrate reduziert [3].

Sentinel-Lymphknoten-Mapping beim Magenkarzinom

Die Lymphknotendissektion beim Magenkarzinom erfolgt in der Regel gemäß der Kompartment-Klassifikation der Japan Gastric Cancer Association. Der Lymphabfluss beim Magenkarzinom scheint individuell jedoch unterschiedlich und nicht schematisch von proximal nach distal zu verlaufen, welches die Beschreibung so genannter Skip-Metastasen begründen könnte. Skip-Metastasen wurden als solche Metastasen beschrieben, die eine Metastasierung im D2- oder D3-Kompartment aufwiesen ohne einen Befall des D1-Kompartments. Da es selbst bei Magenfrühkarzinomen mit Infiltration der Submukosa in bis zu 25% zu Lymphknotenmetastasen kommen kann, profitieren diese Patienten von einer D2-Lymphadenektomie [17]. Das Sentinel Lymph Node Mapping beim Magenkarzinom würde damit beim Magenfrühkarzinom durch Darstellung des funktionellen Lymphabflusses, welcher sich durchaus vom anatomischen Lymphabfluss unterscheiden kann, eine individuelle Lymphknotendissektion ermöglichen.

Es besteht ein nicht unerheblicher Zusammenhang zwischen Erfahrung und Detektionsrate

Die ersten Erfahrungen wurden in Japan, wo weltweit die höchste Rate an Magenfrühkarzinomen therapiert wird, durch Kitagawa et al. publiziert [12]. Sie markierten die Magenkarzinome mittels eines Radiokolloids und erreichten eine Detektionsrate von 97%. Mittlerweile gibt es mehrere Studien, die sowohl nur mit Farbstoff als auch kombiniert oder nur mit einem Radiokolloid markieren. Es findet sich eine Detektionsrate von >90% mit einer hohen Sensitivität (Tabelle 2) [2, 5, 6, 7, 8, 10, 14, 18, 22, 23, 24]. Die Doppelmarkierung scheint die besten Ergebnisse zu zeigen. Allerdings zeichnet sich in allen Studien ab, dass eine nicht unerhebliche Lernkurve zum einem zur Markierungstechnik und zum anderen zur Detektionstechnik besteht. So haben die Studien mit geringer Erfahrung und geringer Patientenanzahl eine wesentlich niedrigere Detektionsrate und niedrigere Sensitivität. Die japanischen Studien zeigen hier die größte Erfahrung und die besten Studienergebnisse. Dies liegt sicherlich an der hohen Rate an Magenfrühkarzinomen als auch am Patientengut, denn die Sentinel-Lymphknoten sind an einem schlanken Patienten bei gleich guter Markierungstechnik wesentlich leichter in der Blaufärbung zu sehen und mittels der Radiokolloidtechnik leichter zu entdecken, als in einem übergewichtigen Patienten (Abb. 3).

Tabelle 2 Ergebnisse des Sentinel-Lymphknoten-Mappings beim Magenkarzinom
Abb. 3
figure 3

Blaufärbung zur Sentinel-Lymphknoten-Lokalisation

Nach exzellenten Ergebnissen mit der Sentinel-Lymphknoten-Markierung wird die laparoskopische Wedge-Resektion bei Patienten mit einem Frühkarzinom nach negativem Sentinel Lymph Node Mapping bereits von einer japanischen Gruppe im Rahmen einer prospektiv randomisierten Studie untersucht [13, 23].

Ausblick

Das Magenfrühkarzinom scheint geeignet, eine individuelle minimal-invasive chirurgische Therapie auf der Basis des Sentinel-Lymphknoten-Konzepts zu etablieren. Besonders in Japan, wo eine sehr hohe Rate an Magenfrühkarzinomen besteht, die meisten Erfahrungen in der endoskopischen Mukosektomie und der laparoskopischen Wedge-Resektionen vorhanden sind, stellt das Sentinel-Lymphknoten-Mapping die Basis dar, auf der ein akkurates Lymphknotenstaging erfolgen kann. Es zeigt sich hier eine sehr interessante Entwicklung, nachdem die Japaner die größten Verteidiger ihrer zum Teil sehr radikalen Lymphadenektomiestrategie waren. Die minimal-invasiven Verfahren sind auf die T1- oder T2-N0-Karzinome begrenzt. Sollten sich Mikrometastasen in der Aufarbeitung des Sentinel-Lymphknoten zeigen, bliebe immer noch die konventionelle radikale Gastrektomie.

Präoperativ könnten mittels Szintigramm entfernt liegende Lymphknoten erfasst werden

Beim Ösophaguskarzinom stellt sich das Sentinel-Lymphknoten-Konzept vielschichtiger dar. Bis auf das Barrett-Frühkarzinom, welches eine späte Lymphknotenmetastasierung aufweist und damit auch einer limitierten Resektion mit Sentinel-Lymphknoten-Markierung zugänglich ist, scheint sich beim Plattenepithelkarzinom eher die Tendenz zum akkuraten Lymphknotenstaging auch im Hinblick auf eine nicht chirurgische Therapie abzuzeichnen. Kitagawa berichtet in seinen neuesten Studien von der Wichtigkeit des präoperativen Szintigramms beim Ösophaguskarzinom, um entfernte, nicht im Lymphabflussgebiet liegende Lymphknoten zu erfassen und daraufhin auch das Bestrahlungsfeld im Rahmen einer RCTx individuell auszurichten. Für Tumore des oberen Gastrointestinaltrakts gilt, dass mittels des Sentinel Lymph Node Mapping nicht nur die Standardlymphadenektomie durch Erfassung atypisch gelegener Lymphknoten verbessert werden kann, sondern dass auch eine unnötige Lymphadenektomie bei Patienten mit negativem Sentinel-Lymphknoten vermieden werden kann. Damit zeigt sich aus den ersten Untersuchungen ein fließender Übergang vom eigentlichen Prinzip des Sentinel Lymph Node Mapping zur Radioimmuno-guided Surgery.

Fazit für die Praxis

Sieht man davon ab, dass große Patientenzahlen im Rahmen von Studien nur von einzelnen Institutionen kommen, so zeigt sich das Sentinel-Lymphknoten-Konzept an Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts als durchführbar. Zur Validierung dieses Konzepts werden sicherlich die Ergebnisse der laufenden Multicenterstudien abgewartet werden müssen. Mit Aussicht auf ein stadiengerechtes, akkurates Lymphknotenstaging ist die Tür zur maßgeschneiderten individuellen chirurgischen Therapie bei gastrointestinalen Tumoren geöffnet.