Einleitung

Wochenbettdepressionen, die überwiegend innerhalb der ersten 3–5 Wochen nach der Geburt auftreten und in der Regel mehrere Wochen andauern, klingen bei der Hälfte der Erkrankten nach 1–3 Monaten wieder ab, bei einem Viertel jedoch erst nach 3–6 Monaten, bei einem weiteren Viertel noch später. Auch bei den schneller gesundeten Müttern fanden sich bei 40 % nach 12 Monaten noch depressive Symptome, sodass von einer längerfristigen Belastung der frühen kindlichen Entwicklung auszugehen ist. Kinder depressiver Mütter und Väter tragen ein hohes Risiko für soziale, emotionale und kognitive Probleme [1]. Demgegenüber nennt die psychologische Forschung den Aufbau einer positiven Mutter-Kind-Beziehung als einen wesentlichen Resilienzfaktor für die kindliche Entwicklung. Die mütterliche Feinfühligkeit im Umgang mit dem Säugling gilt dabei als eine Schlüsselvariable der Mutter-Kind-Interaktion und der kindlichen Bindungsentwicklung [2,3,4]. So werden eine gute Eltern-Kind-Beziehung und eine sichere kindliche Bindung als Moderatoren einer gesunden psychischen und physischen Entwicklung eines Kindes benannt [4].

Als häufige Faktoren für eine belastete Eltern-Kind-Beziehung gelten Stress, psychische Belastungen und auch Störungen. Solche Faktoren schränken die elterliche Fähigkeit ein, Signale des Kindes feinfühlig wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und angemessen zu beantworten [2, 5]. Ferner beeinflussen diese Belastungsfaktoren die reflexive Fähigkeit der Eltern sich in die Gefühle und Bedürfnisse ihres Kindes hineinzuversetzen und diese von ihren eigenen inneren Zuständen zu differenzieren [6]. Sind die elterliche Mentalisierungsfähigkeit und die Feinfühligkeit beeinträchtigt, etablieren sich negative Interaktionskreisläufe, die erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung von Regulationsstörungen, unsicheren Bindungsmustern, kindlichen Verhaltensauffälligkeiten und Psychopathologien haben [7,8,9].

Viele Eltern erleben nach der Geburt ihres Kindes eine besondere Stresssituation. Die Prävalenzraten für postpartale Depressionen werden mit ca. 15–20 %, für postpartale Angst- und Zwangserkrankungen mit ca. 21 % und mit 0,1 % für postpartale Psychosen angegeben [10]. Dabei sollten betroffene Eltern und Kinder nicht getrennt voneinander betrachtet werden. So zeigen bis zu 18 % der Säuglinge und Kleinkinder ebenfalls psychische und/oder psychosomatische Symptome in Form frühkindlicher Regulationsstörungen [11, 12]. Frühkindliche Regulationsstörungen umfassen als Sammelbegriff entwicklungsbedingte Schwierigkeiten eines Kindes bei der Regulation von Verhalten sowie bei seinen physiologischen, sensorischen, aufmerksamkeitsbezogenen, motorischen oder affektiven Prozessen. Sie äußern sich in alters- und entwicklungstypischen Symptomen wie Schlafstörungen, exzessiven Schreistörungen, Fütterstörungen, exzessivem Trotzen oder einer depressiven Symptomatik [12]. Sind somatische Ursachen ausgeschlossen, werden Regulationsstörungen im Kontext einer belasteten Eltern-Kind-Beziehung gesehen [12, 13]. Für fast alle der späteren psychischen Störungen werden die Ursachen in frühkindlichen Erfahrungen diskutiert, seien es Angst- und Panikstörungen [14], Depressionen [15], Hypochondrie, Zwänge, narzisstische oder Borderlinestörungen [9]. Ferner stellt eine ungünstige Eltern-Kind-Beziehung einen Risikofaktor für Kindeswohlgefährdung dar [16]. Neben epigenetischen Einflussfaktoren, welche die Entstehung einer psychischen Störung begünstigen können, werden in der Forschung verschiedene Umwelteinflüsse genannt, die als Resilienzfaktoren eine schützende Rolle einnehmen können [17, 18]. Dazu zählen neben einer positiven Eltern-Kind-Beziehung besonders auch frühe Interaktionserfahrungen im Alter von 2 Jahren [19].

Bisher liegen für Deutschland nur wenige bevölkerungsbasierte Daten zur Häufigkeit von psychischen Belastungen und Regulationsstörungen sowie zur Inanspruchnahme psychotherapeutischer Versorgungsangebote in den ersten Jahren nach der Geburt vor (vgl. KiD 0–3 [20]). Um mehr Wissen über die Häufigkeit psychosozialer Belastungen in der Postpartalzeit und deren sozioökonomische Auswirkungen sowie Wissen zur Wirksamkeit bindungsorientierter Interventionen für das deutsche Versorgungssystem bereitzustellen, werden im Projekt SKKIPPI (Evaluation der Eltern-Säugling-Kleinkind-Psychotherapie mittels Prävalenz- und Interventionsstudien) die im Folgenden beschriebene Kohortenstudie sowie zwei randomisiert kontrollierte Interventionsstudien durchgeführt.

Versorgungsstand

Obwohl die negativen Auswirkungen von elterlichen Belastungen und Regulationsstörungen bei Säuglingen/Kleinkindern vielfach belegt sind, gibt es in Deutschland bei Weitem nicht ausreichend viele Behandlungsmöglichkeiten [21]. Diesen hohen Prävalenzraten stehen derzeit bundesweit nur ca. 71 vollstationäre Behandlungsplätze [22, 23] mit spezifischen Eltern-Kind-Behandlungsangeboten gegenüber, welche bis zu 545 PatientInnen jährlich behandeln können. Dies unterschreitet die geschätzten Fallzahlen für stationäre Behandlungen etwa um den Faktor 10 [23] und dürfte bei ca. 788.000 Geburten pro Jahr [24] in Deutschland von einer ebenfalls eklatanten Unterversorgung im ambulanten Bereich begleitet sein. Sowohl in der Prävention als auch für die akute psychotherapeutische Versorgung betroffener Eltern und Kinder gibt es nur wenige evidenzbasierte Interventionsangebote ([25,26,27,28], siehe Tab. 1). Es muss daher angenommen werden, dass ein Großteil der betroffenen Mütter, Väter und Kinder keine wirksame Behandlung in Anspruch nehmen bzw. erhalten. Auch die Wege, auf denen Eltern von therapeutischen Hilfsangeboten erfahren und Zugang finden, sind unklar.

Tab. 1 Übersicht über vorhandene Versorgungsangebote in Deutschland für psychosozial belastete Eltern und Kinder im Alter von 0–3 Jahren

Versorgungsangebote für belastete Eltern und Kinder im Alter von 0–3 Jahren

Der Forschungsfokus auf Kindergesundheit und Frühe Hilfen hat in den letzten Jahren starke Impulse für eine integrierte Versorgung belasteter Eltern und ihrer Kinder angestoßen und zu einer Entwicklung verschiedener Präventions- und Interventionsangebote im deutschen Gesundheitssystem geführt (von Begleitung über Beratung bis zu psychotherapeutischen Maßnahmen). Entsprechend der aktuellen Forschung liegt der Fokus dieser Angebote auf der Verbesserung elterlicher Kompetenzen und der Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung (Tab. 1). Während für beratende präventive Angebote und einfache Interventionen für die Zeit nach der Geburt des Kindes die Wirksamkeit in Bezug auf die mütterliche Symptomreduktion nachweisbar ist, sind meist nur geringe bis keine Effekte auf die Bindungsentwicklung der Kinder bekannt [29,30,31]. Um über die Symptomreduktion hinaus eine transgenerationale Weitergabe von psychischen Erkrankungen zu verhindern, wurden spezifische Eltern-Säugling-Kleinkind-Psychotherapien entwickelt (ESKP; engl. Parent-Infant-Psychotherapy, PIP [27, 32, 33]).

Ziele des SKKIPPI-Projektes

Das Ziel des SKKIPPI-Projektes ist es, mittels der Evaluation der integrierten psychologisch-psychiatrischen Versorgung von Mutter/Vater und Kind in den ersten Lebensjahren einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungssituation zu leisten. SKKIPPI ist ein multizentrisches Forschungsprojekt mit Standorten in Berlin, Flensburg, Hamburg und Leipzig (siehe Abb. 1) und umfasst eine epidemiologische Kohortenstudie, zwei kontrolliert randomisierte Interventionsstudien (RCTs) und eine qualitative Studie. Ziel der epidemiologischen Kohortenstudie ist die Erhebung der Häufigkeit postpartaler psychopathologischer Störungen der Mütter und Väter und der Regulationsstörungen bei Kindern im ersten Jahr nach der Geburt, deren protektive Faktoren und Risikofaktoren sowie eine (gesundheitsökonomische) Analyse der Versorgungslage (inkl. Inanspruchnahme, Bedarfsanalyse und Kosten). In den beiden RCTs wird die Wirksamkeit einer manualisierten fokussierten Eltern-Säugling-Kleinkind-Psychotherapie (ESKP; [34]) in der Erwachsenen- und Kinderpsychiatrie untersucht. Die qualitative Studie hat die Zielsetzung, Perspektiven der Betroffenen auf das Hilfesystem und Ursachen für mangelnde Inanspruchnahme zu explorieren.

Abb. 1
figure 1

Schematische Struktur der Hauptstudien des SKKIPPI-Gesamtprojektes (E klinische Entscheidung, R Randomisierung, ESKP-Psychotherapie ESKP(Eltern-Säugling-Kleinkind-Psychotherapie)-Interventionsgruppe, RCT Randomisiert kontrollierte Interventionsstudie [randomized controlled trial])

Eltern-Säugling-Kleinkind-Psychotherapie

ESKP ist eine wissenschaftlich begründete Methode zur Behandlung von Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren, ihren Eltern und anderen Bezugspersonen [33]. Sie dient der Besserung von psychischen und/oder somatischen Störungen von Säuglingen, Kleinkindern und ihren Bezugspersonen sowie der Behandlung der daraus resultierenden belasteten Eltern-Kind-Beziehung und der Förderung einer sicheren kindlichen Bindung [35, 36]. Schwerpunkt der ESKP ist das Erkennen und Bearbeiten der Beziehungsthemen, die der Symptomatik von Eltern und/oder Kind zugrunde liegen [35, 37]. Psychodynamische Methoden, verhaltenstherapeutische und psychoedukative Elemente werden integriert genutzt, um Eltern darin zu unterstützen, Zusammenhänge zu erkennen, und um zu verstehen, wie eigene und kindliche psychische Zustände besser reguliert werden können [27]. Die gemeinsame Betrachtung von videografierten Alltags- und Spielsequenzen ermöglicht es konkret am Bild, ressourcenorientiert relevante Eltern-Kind-Interaktionen zu betrachten und Lösungsansätze für ungünstige Verhaltensweisen zu erarbeiten [35]. Eine solche individuumspezifisch angewendete methodische Vielfalt hilft dabei, besonders auf die Ebene der elterlichen Repräsentanzen und die Interaktion in der Zweierbeziehung (Dyade) einzugehen [12, 27]. Ziel ist die Verbesserung der elterlichen Feinfühligkeit und die Stärkung reflexiver Funktionen, welche zu einer Verbesserung der dyadischen Interaktion und somit zum Abbau der Belastungssituation beitragen und die Entstehung einer sicheren kindlichen Bindung fördern.

In internationalen Studien konnte die Wirksamkeit der ESKP im Vergleich zu Kontrollgruppen (und anderen Interventionen wie Edukation, Unterstützung und Medikation) bereits nachgewiesen werden [32, 38]. Auch werden hohe Effektstärken für die positive Beeinflussung der Bindungsentwicklung berichtet [31]. Bestehende Studien unterscheiden sich allerdings stark in ihrer methodischen Qualität. Bisher stand der Fokus meist auf spezifischen Risikogruppen und ambulanten Versorgungsformen. In den wenigsten dieser Studien war eine abgesicherte Diagnose von Mutter und/oder Kind als Einschlusskriterium gefordert [33, 36, 38,39,40]. Eine abschließende Bewertung ist somit derzeit nicht möglich und weitere randomisiert kontrollierte Interventionsstudien mit hoher methodischer Qualität und großen Stichproben werden angemahnt [33, 41]. Eine Evaluation der Wirksamkeit von ESKP im stationären Setting und in Form einer aufsuchenden Behandlung zu Hause ist daher Gegenstand der im Folgenden vorgestellten klinischen Interventionsstudien.

Allgemein gilt die Wirksamkeit einer häuslichen Behandlung oder häuslicher Interventionen zur Verbesserung der kindlichen und elterlichen Symptome im Vergleich zu stationären kinderpsychiatrischen Interventionen als gut belegt [42, 43]. Hausbesuche von Psychotherapeuten haben den Vorteil einer Intervention in der eigenen Umgebung der Patienten, was insbesondere von Müttern in der Zeit nach der Geburt als weniger belastend empfunden werden kann. Es wird angenommen, dass der Aufenthalt in der eigenen Umgebung und mit einer normalen Tagesroutine einen positiven Einfluss auf das Behandlungsergebnis hat. Für ESKP im häuslichen Umfeld konnten ebenfalls bereits positive Effekte auf die Mutter-Kind-Bindungsqualität nachgewiesen werden (z. B. [44], siehe jedoch auch [40]).

Interventionsstudien: Design und Endpunkte

SKKIPPI umfasst 2 parallel laufende Interventionsstudien (Abb. 1) mit unterschiedlichem Fokus des Zugangs zur Studie [34]. Analog zur Trennung der Behandlung im Rahmen von Kinder- und Jugendpsychiatrie bzw. Erwachsenenpsychiatrie im Deutschen Gesundheitssystem liegen den Einschlusskriterien kindliche Diagnosen von Regulationsstörungen (RCT Kinder) bzw. die Diagnose einer mütterlichen postpartalen psychopathologischen Störung zugrunde (RCT Erwachsene). Beide Studien sind 2‑armige, offene, randomisierte, kontrollierte, multizentrische Studien mit parallelen Gruppen und verblindeter Endpunkterhebung. Sie evaluieren die Wirksamkeit einer manualisierten 6‑wöchigen ESKP-Intervention in psychiatrischen Kliniken mit Mutter-Kind-Einheiten (stationäres Setting in der Kinder- bzw. Erwachsenenpsychiatrie) oder in Abhängigkeit vom Schweregrad der Beeinträchtigung in einem nichtstationären Setting (Ambulanz oder aufsuchende Behandlung zu Hause). Es werden nur Mütter mit ihren Kindern in die Interventionsstudien eingeschlossen. Im RCT Erwachsene sollen n = 140 und im RCT Kinder n = 160 Teilnehmerinnen aufgenommen werden (jeweils die Hälfte in Intervention/ESKP bzw. Routinebehandlung, ursprüngliche Planung je 180 Teilnehmerinnen pro RCT [34]). Der Zugang zu den Interventionsstudien erfolgt auf 3 möglichen Wegen: über zuweisende Gesundheitsdienste, per Selbstzuweisung oder über eine Einladung von Teilnehmerinnen der Kohortenstudie. Unmittelbar nach Einschluss in die Studie und nach der Entscheidung für stationäres oder ambulantes Setting erfolgt eine randomisierte Zuordnung zu einer der beiden Untersuchungsgruppen: einer ESKP-Interventionsgruppe und einer Routinetherapiegruppe (Kontrollgruppe; stratifizierte Randomisierung nach Setting und Studienzentrum). Die Endpunkte werden zu 3 Zeitpunkten durch unabhängige Untersucher (verblindet für die Ergebnisse der Randomisierung) erfasst: Baseline (T0), nach 6 Wochen (T1) und nach 12 Monaten (T2). Weitere Details sind unter [34] beschrieben.

Das Ziel der fokussierten ESKP in den RCTs ist die Verbesserung der mütterlichen Feinfühligkeit mit ihrem positiven, langfristigen Effekt auf die Mutter-Kind-Interaktion. Entsprechend wird erwartet, dass sich im Vergleich zu einer Routinebehandlung („care as usual“, CAU) für Mütter in den Interventionsgruppen unabhängig vom Setting oder der primären Symptomatik (Mutter oder Kind) eine Verbesserung der mütterlichen Feinfühligkeit (primärer Endpunkt in beiden RCTs) nachweisen lässt. Darüber hinaus wird angenommen, dass die ESKP-Intervention die mütterlichen psychopathologischen Symptome und das mütterliche Belastungserleben verringert sowie die mütterlichen reflexiven Funktionen verbessert (sekundäre Endpunkte). Für die kindliche Entwicklung wird ebenfalls eine Verbesserung der Symptomatik der Regulationsstörungen (besonders im RCT Kinder) sowie die Etablierung eines sicheren Bindungsstils angenommen (jeweils sekundäre Endpunkte). Sofern möglich, sollen diese Auswertungen spezifisch für die unterschiedlichen Settings (stationär und nichtstationär) vorgenommen werden und weitere Kovariaten und Moderatoren in explorativen Analysen auf ihren Einfluss hin geprüft werden (Tab. 2 und 3). In beiden Studien wird erwartet, dass auch die Routinetherapie einen positiven Einfluss auf die mütterlichen und kindlichen Symptome und das Belastungserleben hat, aber nur einen geringen oder keinen Effekt auf die mütterliche Feinfühligkeit und den Bindungsstil.

Tab. 2 Endpunkte und Messinstrumente der Interventionsstudien
Tab. 3 Darstellung des Ablaufs und der Methoden der Kohortenstudie

Kohortenstudie: Design und Endpunkte

Das Design der prospektiven bevölkerungsbasierten Kohortenstudie sieht ein mehrstufiges Verfahren vor (siehe Abb. 2). In Berlin, Flensburg und Leipzig wird über die Einwohnermeldeämter eine Zufallsstichprobe von insgesamt 30.000 Eltern mit Säuglingen im ersten Jahr nach der Geburt zur Teilnahme an der Studie eingeladen. In einer 1. Screeningstufe werden soziodemografische Variablen, Symptome psychischer Belastung der Eltern und Regulationsstörungen der Kinder per Onlinefragebogen erhoben. Weiter werden Fragen zur Schwangerschaft, Geburt und zum sozioökonomischen Hintergrund gestellt.

Abb. 2
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Design der Kohortenstudie

Aufgrund der publizierten Prävalenzraten [10] wird angenommen, dass bis zu 1500 TeilnehmerInnen als potenziell auffällig eingeschätzt werden (ca. 25 % der bis zu 6000 erwarteten Rückmeldungen). Während in diesem Screening sowohl Väter als auch Mütter teilnehmen können, liegt in der 2. Screeningstufe der Fokus auf den Müttern, da diese oft die Hauptbezugsperson der Säuglinge in den ersten 12 Monaten sind. Bei positivem 1. Screening von Mutter oder Säugling wird in einem 2. Screening ein detailliertes Telefoninterview durchgeführt, um psychiatrische Störungen der Mutter sowie Regulationsstörungen des Kindes und mögliche Risikofaktoren wie die sozioökonomische Lage und die Inanspruchnahme von Versorgungsangeboten detailliert zu erfassen. Erhoben werden ein psychiatrisch diagnostisches Interview (Mini-international neuropsychiatric interview, M.I.N.I.), depressive Symptomatik, das elterliche Belastungserleben und Daten zur Soziodemografie sowie Leistungsinanspruchnahme (als Basis für Bestimmung der Versorgungkosten), Versorgungslage, wirtschaftliche Situation und Versorgungsverläufe. Nach 6 Monaten erfolgt eine Follow-up-Befragung derjenigen Teilnehmerinnen der Kohortenstudie mit positivem 2. Screening. Die Datenerhebung erfolgt analog zum 1. Screening, ergänzt um zusätzliche Daten zur Inanspruchnahme von gesundheitlichen Leistungen und amtlichen Unterstützungsangeboten in den vergangenen 6 Monaten (Abb. 2, Tab. 3).

Qualitative Substudie

Mit einer Auswahl von 30 Müttern, die nach den Kriterien der 2. Screeningstufe der Kohortenstudie als belastet gelten, werden im Rahmen einer qualitativen Substudie leitfadengestützte, semistrukturierte Interviews durchgeführt. Erhoben werden subjektive Sichtweisen auf psychische Belastung und psychosozialen Hilfebedarf sowie Erfahrungen bezüglich Nachfrage und Inanspruchnahme bzw. Vermeiden von psychotherapeutischen oder anderen Frühen Hilfen.

Diskussion und Ausblick

In Deutschland ist die Studienlage zum Bedarf und zur Versorgung bei psychopathologischen Störungen in der Postpartalzeit unübersichtlich. Mit ihrer Verzahnung qualitativer und quantitativer Daten und den hohen Stichprobengrößen wird die SKKIPPI-Initiative einen breiten Überblick über die derzeitige Versorgungslage liefern und erste gesundheitsökonomische Bewertungen erlauben. Die beiden Interventionsstudien sollen alternative Behandlungswege, wie sie dyadische, bindungsorientierte ESKPen darstellen, untersuchen, um langfristig eine Weiterentwicklung der aktuellen Leitlinien für diese Störungsbilder anzuregen.

Eine solche Bewertung kann nur unter der Voraussetzung der Verfügbarkeit abgesicherter Diagnosen erfolgen. Die Entscheidung, sich nicht auf eines oder wenige Störungsbilder zu beschränken, entspricht dem Fokus der ESKP, welche besonders auf die Bindungsentwicklung der Dyade abzielt. Während durch diesen Fakt die Generalisierbarkeit der Ergebnisse für die Interventionsstudien hoch ist, da die Teilnehmerinnen die Breite der Störungsbilder widerspiegeln, senkt eine solche Heterogenität gleichzeitig die statistische Power. Die hochgradig parallele Planung der Wirksamkeitsstudien ermöglicht explorative Analysen mit der Gesamtzahl eingeschlossener Fälle aus beiden RCTs, welche dieser Powerreduktion entgegenwirken kann. Eine gezielte Auswertung von Teilstichproben einzelner Diagnosen kann nur stattfinden, falls hinreichend große Fallzahlen für diese Teilstichprobe vorhanden sind. Auch wenn bei der Planung der Studien eine Repräsentativität der Stichproben angestrebt wurde, indem zum Beispiel städtische (Berlin, Leipzig) und eher ländlich geprägte Einzugsgebiete (Flensburg) einbezogen wurden sowie durch Berücksichtigung verschiedener Störungsbilder, ist die Repräsentativität sowohl in der Kohortenstudie als auch in den Interventionsstudien stark eingeschränkt. Aufgrund weiterer Aspekte, insbesondere der hier untersuchten psychosozialen und weiteren Belastungen der Postpartalzeit, ist das Erreichen einer repräsentativen Stichprobe schwer möglich. Ein Vergleich der StudienteilnehmerInnen mit der Bevölkerung hinsichtlich soziodemografischer Parameter ist jedoch geplant.

Ein oft kritisiertes Grundproblem vieler Studien im Bereich der frühen Kindheit ist, dass Väter kaum bis gar nicht berücksichtigt werden. Während Väter im 1. Screening der Kohortenstudie eingeladen sind teilzunehmen und somit auch erstmals Daten zu möglichen Erkrankungen von Vätern ausgewertet werden, ist eine Teilnahme von Vätern weder im weiteren Verlauf der epidemiologischen Studie noch im Rahmen der Interventionsstudien vorgesehen [29, 37]. Im Rahmen der SKKIPPI-Studie wurde bewusst der Fokus auf die Mütter gelegt, da die vermutete Fallzahl der Väter keine robuste statistische Aussage erlauben würde. Dies gilt ebenso für Großeltern oder Pflegeeltern als primäre Bezugspersonen des Kindes. Grundsätzlich kann die ESKP mit allen primären Bezugspersonen durchgeführt werden. Für die vorliegenden Wirksamkeitsstudien besteht die Beschränkung jedoch auf Mütter, die gleichzeitig die primäre Bezugsperson darstellen. Alternativ hätte die Rekrutierungsstrategie verändert werden müssen und wäre aufwendiger geworden. Durch die Befragung und Untersuchung dieser Mütter sollen valide Ergebnisse erlangt werden, auf denen nachfolgende Projekte aufbauen können und dann zukünftig untersucht werden kann, ob und gegebenenfalls wie sich die Ergebnisse bei Vätern unterscheiden würden.

Eine weitere Limitation der Interventionsstudien ist die Heterogenität der Behandlung der Kontrollgruppen. Aufgrund ethischer Bedenken ist ein Vergleich mit einer Kontrollgruppe ohne Behandlung bzw. mit Wartezeit nicht durchführbar. Des Weiteren kann im Rahmen einer multizentrischen Interventionsstudie nur schwer die Ausgestaltung der Routinebehandlung kontrolliert werden. Die teilnehmenden klinischen Studienzentren haben als Routinebehandlung ein eigenes psychotherapeutisches Eltern-Kind-Angebot. Im nichtstationären Setting kann dies auch niederschwellige Angebote für Mütter und Kinder umfassen. Um diese Unterschiede zwischen den stationären und nichtstationären Interventionen aufzufangen, wird das Setting als Stratifizierungsvariable in den Analysen berücksichtigt.

Erhobene Endpunkte wie mütterlicher Bindungsstil, die familiäre Belastung oder auch das Geschlecht des Kindes werden in der Resilienzforschung oft als protektive Mechanismen genannt [54]. Im Ausblick erscheint es daher wünschenswert, dass weitere längsschnittliche Erhebungen stattfinden, welche die Langfristigkeit der angestoßenen Entwicklungen der Mutter-Kind-Interaktion auch mit Blick auf spätere Belastungen des Kindes untersuchen.