Entwicklungsbedarf der Prävention: die Aufgabenstellung

Prävention und Gesundheitsförderung (PGF) haben im Versorgungswesen Deutschlands eine Sonderstellung. Ihre Interventionen sind – anders als Behandlung oder Rehabilitation – nach dem zweimaligen Scheitern eines Bundespräventionsgesetzes gesetzlich nur zu kleinen Teilen geregelt. Den Krankenkassen wird ein Blick auf die Wirksamkeit primärpräventiver Maßnahmen abverlangt (§ 20 SGB V), dessen Sorgfalt und Objektivität aber niemand systematisch prüft, und viele haben ihre PGF kurzerhand dem Marketing beigeordnet. PGF ist im deutschen Gesundheitswesen mit vergleichsweise geringen Honoraren und Budgets ausgestattet [1, 2, 3]. Die Krankenkassen geben je Versichertem im Jahr knapp 5 Euro für PGF aus [4]. Das ergibt – zusammen mit Rehabilitation – 2,44 Milliarden Euro im Jahr, verglichen mit 55,98 Milliarden Euro für Krankenhausbehandlungen, 25,86 Milliarden Euro für ärztliche Behandlung und 30,7 Milliarden Euro für Arzneimittel; selbst Fahrtkosten (3,5 Milliarden Euro) kosteten die Krankenkassen mehr als Prävention und Rehabilitation zusammen [5]. Das sind Gründe für die strukturelle Unterentwicklung von PGF in Deutschland. Der Sachverständigenrat beschreibt die PGF als eine schwer überschaubare, von zahlreichen Einzelprogrammen bestimmte Landschaft [6]. Die 59 Projekte im Förderschwerpunkt Präventionsforschung des BMBF stellen seit 2004 unter Beweis, dass wirkungsvolle, evidenzbasierte PGF auch in Deutschland zur Verfügung steht (www.knp-forschung.de). Das garantiert jedoch nicht deren hochwertige, breite Umsetzung. Das Auslaufen des Förderschwerpunkts stellt zudem die Kapazität des Forschungsfeldes neuerlich infrage.

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, vor diesem Hintergrund Anforderungen an die Qualitätssicherung (QS) der PGF zu identifizieren, um dann verfügbare OS-Verfahren und deren Entwicklungsperspektiven für PGF zu diskutieren.

Vorgehen

QS muss den Rahmenbedingungen des jeweiligen Versorgungsfeldes gerecht werden, um realistisch zur Verbesserung professioneller Versorgungsleistungen beizutragen. QS für PGF muss also zu den angesprochenen Finanzierungs-, Honorar- und Angebotsstrukturen passen. Der Stand von QS für die PGF in Deutschland wird im Folgenden in drei Schritten bestimmt.

1. Schritt: Experten- und literaturgestützte Bestandsaufnahme von Strukturmerkmalen der PGF in Deutschland

Datenbasis

2009 fand im Auftrag der Landesgesundheitsbehörde eine expertengestützte Bestandsaufnahme präventiver Versorgungsstrukturen in Hamburg statt. 158 PGF-Fachleute wurden in leitfadengestützten Interviews befragt [7]. Sie kamen aus Fachbehörden auf Landes- und Kommunalebene, aus Krankenversicherungen, Krankenkassen und deren Verbänden, Kliniken und deren Verbänden sowie ärztlichen und psychotherapeutischen Fachverbänden, Koordinationsplattformen der PGF und der gesundheitlichen Versorgung, Erwachsenenbildung, Forschung, Unternehmen, Handels- und Handwerkskammern, Innungen, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, darunter deren Landesarbeitsgemeinschaft, Freiwilligen- und Beratungsstellen, Sportvereinen und -verbänden, Massenmedien (BILD, dpa, RTL, Morgenpost, NDR) und Stellen zur Durchführung einzelner PGF-Programme. In allen Bereichen waren Leitungs- und Fachebenen beteiligt. Die Befragten wurden nach Recherchen und per Schneeballverfahren ausgewählt. Ergänzend wurden Dokumentenanalysen und Internet- und Literaturrecherchen durchgeführt.

Design

Der Forschungsplan und die Auswertung folgten der Methodik der Entdeckenden Heuristik [8], die Kodierung wurde unter MaxQDA vorgenommen. Herausgearbeitet wurden das Grundverständnis für anstehende Aufgaben, Arbeitsbedingungen, Leistungen und Hürden sowie empfohlene PGF-Entwicklungsansätze. Zur Kommunikativen Validierung [9] wurden Zwischenergebnisse in sieben Fokusgruppen der Befragten diskutiert und geprüft.

Einteilung der Teilfelder

Die Befragten ließen sich 20 gesonderten PGF-Teilfeldern zuordnen (siehe Abschnitt „Struktur und Prozessmerkmal der Prävention in Deutschland). Das Vorgehen bei der Einteilung war angelehnt an das „Stakeholder mapping“ der Governance-Forschung, das der Analyse politischer Entscheidernetze dient [10].

Externe Validität

Um die Ergebnisse bundesweit zu verallgemeinern, wurden erstens Teilbefunde weggelassen, die nach Einschätzung der befragten Experten nur die Lage im Stadtstaat Hamburg charakterisierten, darunter alle Angaben über Teilfelder und einzelne Aktivitäten. Zweitens wurden die Ergebnisse der Expertenbefragung an Befunden aus Überblicksarbeiten und Versorgungsstudien geprüft [11]. Die Vergleichsstudien bestätigten alle Befunde der Expertenbefragung, jedoch immer nur einzelne Aspekte, da bislang keine ähnlich umfassende PGF-Strukturanalyse vorlag.

2. Schritt: Entwicklung eines Beschreibungsrasters für QS-Verfahren

Angelehnt an die Institutionenvergleichung der Comparative Politics [12, 13] wurde ein typologisches Schema für QS-Verfahren entwickelt. Ausgangspunkt war die Bestimmung sogenannter funktionaler Äquivalente. Dies sind Struktur-Prozess-Anordnungen, mit denen Institutionen auf unterschiedliche Weise ihre Leistungen (Output und Outcomes) realisieren. Für QS-Verfahren ergaben sich drei grundlegende funktionale Dimensionen: ihre Verbindlichkeit (Folgenreichtum), die Regelmäßigkeit ihrer Durchführung sowie ihre Aussagekraft (Datengüte). Diese drei Aspekte beschreiben einzelne QS-Verfahren und machen sie vergleichbar. Durch die Zusammenfassung dieser Beschreibungen ergibt sich ein Überblick über den QS-Stand in einem Versorgungsfeld. Sie charakterisieren QS-Verfahren aber selbstverständlich nicht erschöpfend; vielmehr sind sie durch Brauchbarkeitskriterien und deren Operationalisierungen zu spezifizieren [14].

3. Schritt: Untersuchung exemplarischer QS-Verfahren für PGF

Anhand von Dokumenten-, Literatur- und Internetanalysen wurden Verfahren recherchiert und im Beschreibungsraster eingeordnet. Einschlusskriterien waren:

  • das Erbringen von QS-Leistungen, also von Beurteilungen über das Erreichen von Sollwerten für Interventionen oder Anbieter,

  • ihre bundesweite Zugänglichkeit (also nicht landesspezifische Aktivitäten, wie zum Beispiel das Zertifikat „Gesundheitsfördernde Schule“ des Hessischen Kultusministeriums oder die QS für „Gesund. Leben. Bayern“ [15]),

  • ihre fachliche Fundierung für PGF (also nicht allgemeine Managementverfahren wie DIN-EN-ISO, EFQM oder Balanced Score Card),

  • ihre Ausrichtung auf PGF und nicht nur auf spezifische Teilziele und Felder (also nicht die Qualitätskriterien für gesunde Schulkost, Bewegte Kita, Wellness- oder Seebäder-Hotels),

  • ihre wissenschaftliche Begleitung, also Teilveröffentlichung oder Diskussion in der wissenschaftlichen Gemeinde (nicht allein kommerzielle Konzepte wie etwa das Gütesiegel für gesundheitsfördernde Sonnenstudios von deren Unternehmensverbänden),

  • das Vorliegen eines ausformulierten Modells aus Qualitätskriterien und Erhebungsverfahren (also nicht nur Durchführungsanweisungen für spezifische Diagnostik, wie zum Beispiel Screenings).

Da derzeit Dutzende von Zertifikate in den Markt drängen, ist die Liste vorgestellter QS-Verfahren zwar nach diesen Kriterien vollständig; sie lässt aber zahlreiche hochspezifische Verfahren aus (zum Beispiel Gütesiegel der Hotels für Übergewichtige oder die Mitgliedschaft im „Interessenverband für Prävention in der Kosmetik“). Auch nicht berücksichtigt sind Handreichungen zum Qualitätsmanagement, zum Beispiel Ablaufdiagramme, Planungshilfen, Checklisten und Formulare, Planungsgespräche, Kalkulationen, Projektabläufe und Abschlussberichte der Suchtprävention [16].

Abschließend werden Empfehlungen zur Weiterentwicklung der PGF abgeleitet.

Struktur- und Prozessmerkmale der Prävention in Deutschland

Die Bestandsaufnahme – also sowohl die Hamburger Expertenbefragung als auch verfügbare Versorgungsstudien und Veröffentlichungen zu präventiven Teilfeldern [1, 2, 4, 6, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28] – zeigten übereinstimmend die nachfolgend dargelegten charakteristischen Merkmale des Versorgungsfeldes PGF.

Die Grundlagen sind gelegt

Die wichtigsten Voraussetzungen für eine wirkungsvolle PGF sind in Deutschland mittlerweile gefestigt. PGF-Fachkräfte haben in den letzten Jahren ein überdisziplinäres Grundverständnis für anstehende Aufgaben herausgebildet, das heißt unter anderem für die Notwendigkeit früh einsetzender Interventionen, die präventive Begleitung der gesamten Lebensspanne, die gezielte Bearbeitung gesundheitlicher Ungleichheit und die systematische Verknüpfung von Verhaltens- und Verhältnisprävention umfasst. Auf Bundes- und auch auf Landesebene arbeiten kontinuierlich PGF-Koordinationsorgane: die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung als Fachbehörde (www.bzga.de), die Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung (www.bv-praevention.de) und die Landesvereinigungen für Gesundheit als zivilgesellschaftliche Plattformen. Zahlreiche Vorgehensweisen wurden erprobt, evidenzbasierte präventive Interventionen stehen zur Verfügung (zum Beispiel www.knp-forschung.de), ein breites Spektrum von Methoden deckt praktisch alle Zielgruppen, Gesundheitsthemen und Settings ab.

Nachfrage- und bedarfsorientierte Versorgungsformen

Zwei wesentliche Versorgungsformen haben sich herausgebildet: (a) offene und in der Fläche breit verfügbare Angebote, (b) gezielte Projekte für besondere Teilgruppen und Settings. Erstere erreichen mit Gesundheitsangeboten Millionen von Menschen. Zu nennen sind hier die Präventionskurse der Krankenkassen, die Bewegungs-, Ernährungs- und Entspannungsangebote der Erwachsenenbildung (Volkshochschulen, Seniorenbildungseinrichtungen und so weiter), die organisierte Bewegungsförderung durch Sportvereine und -verbände, die Angebote zur PGF in zahlreichen Großbetrieben mit funktionsfähigem Gesundheitsmanagement, die Kompetenzvermittlung in Elternschulen und Beratungsstellen, die Kurzinterventionen und Frühuntersuchungen durch ärztliche Praxen und Krankenhäuser. Als Einzelprojekt durchgeführte Maßnahmen konzentrieren sich hingegen auf die gesundheitsgerechte Umgestaltung von Lebenswelten und das Erreichen besonderer Zielgruppen, die in den Nachfrage getragenen Angeboten des ersten Versorgungstyps relativ selten zu finden sind, da diese bereits Gesundheitskompetenzen und -motivation sowie Ressourcen (Geld, Wissen über Versorgungsangebote, Selbstwirksamkeit) voraussetzen. Typ (a) folgt also mit seinen Kommstrukturen der Nachfrage, den individuell selbst festgelegten Versorgungsbedürfnissen der Teilnehmenden oder Patienten; Typ (b) geht hingegen auf den anhand von Public-Health-Überlegungen festgestellten Gesundheitsbedarf ein.

Beide Versorgungsformen haben ihre Stärken und Schwächen. Nachfragegetragene Angebote folgen Vorlieben, Moden und Vorurteilen, und sie bedienen zuvorderst Menschen mit Gesundheitsmotivation und -wissen, also nicht Ressourcenschwache. Nachfrage und Bedürftigkeit divergieren meist. Eine Versorgung in Form von Projekten bringt einen erheblichen Akquise- und Organisationsbedarf mit sich, muss mit der Abwanderung erfahrener Fachkräfte rechnen und weist eine Sollbruchstelle zur Verstetigung auf, die auch hochwertige Projekte trifft.

Heterogenität der Handlungsfelder, Anbieter und Vorgehensweisen

PGF zerfällt in etwa 20 Teilfelder mit jeweils eigenen Anbietern, Zielgruppen, Umsetzungsbedingungen, Programmen, Arbeitsformen, Expertisen und Netzwerken. Dies war ein Teilergebnis der Hamburger Expertenbefragung. Die 20 Handlungsfelder bilden geradezu „Subkulturen“: Sie haben untereinander meist wenig Kontakt, konzipieren und implementieren ihre Maßnahmen unabhängig voneinander. Sie unterscheiden sich durch Rechtsrahmen, Aufgaben, Zielgruppen, Arbeitsformen, Finanzierungsweisen, Träger, Berufsgruppen und auftretende Schwierigkeiten. Die „PGF-Subkulturen“ unterscheiden sich in jeweils folgenden Merkmalen:

  • PGF durch breit verfügbare, nachfragegestützte Kommstrukturen: (1) Ehrenamtlichkeit, (2) Erwachsenenbildung, (3) Klinische Versorgung, einschließlich indizierter Krankheitsprävention und Selbsthilfe, (4) Organisierte Bewegungsförderung Sport, (5) Suchtprävention, (6) Beratungsstellen.

  • PGF in Settings: (7) Betriebliche Gesundheitsförderung, (8) Kitas, (9) Schulen, (10) Hochschulen, (11) Wohnquartiere.

  • PGF für besondere Zielgruppen: (12) Kinder und Jugendliche, (13) Familien, (14) Senioren, (15) Migranten.

  • PGF durch übergreifende Akteure: (16) Gesundheitsforschung, (17) Kommunen, (18) Krankenkassen, (19) Massenmedien als wichtige Multiplikatoren, (20) Wohlfahrtsverbände.

Die Versorgungsdichte liegt unter dem gesellschaftlichen Versorgungsbedarf

Gesundheit als Ziel rückt bei Entscheidungen in Politik und Organisationen meist an zweite Stelle, etwa gegenüber Bildungsleistungen oder Gewinnmaximierung als Hauptaufgaben. In praktisch keinem Feld werden deshalb die Potenziale der Prävention breit genutzt; so fehlt zum Beispiel bislang in den meisten Einrichtungen eine PGF für Erzieher, Schüler und Lehrkräfte. Für die wachsenden Gruppen der Senioren und ressourcenschwachen Personen ist langfristig mit einem weiter wachsenden Bedarf zu rechnen. PGF deckt deshalb nach Einschätzung der befragten Experten bei Weitem nicht den Bedarf an hochwertiger Gesundheitsförderung und Vorsorge, insbesondere nicht bei ressourcenschwachen Gruppen.

Unübersichtlichkeit

Allein die vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) zusammengestellten 419 PGF-Programme [6] sind kaum mehr zu überschauen. Hinzu tritt eine erhebliche Zahl an fachlichen und regionalen Plattformen (zum Beispiel in einem Bundesland allein fünf für Betriebliche Gesundheitsförderung) mit unterschiedlichen Akzenten. Den Landesvereinigungen für Gesundheit, der Koordinationseinrichtung auf Landesebene, fällt die extrem aufwendige Informationssammlung und -sichtung zu (bei dürftiger Personalausstattung kaum zu leisten). Zudem konkurrieren verschiedene Plattformen und Anbieter um Sichtbarkeit bei durchführenden Einrichtungen und Multiplikatoren (zum Beispiel Behörden, Unternehmen, Schulen). Ergebnis ist Intransparenz der Interventionen und Angebote für die Nutzer.

Schwächen der Wirkungssicherung

Die belastbaren Wirkungsbelege sind zu lückenhaft, um Transparenz zu schaffen. Vielen Programmen fehlen sie; namentlich gesundheitsökonomische Abschätzungen sind selten [26, 29]. Darüber hinaus reichen Efficacy-Nachweise nicht, um Effectiveness sicherzustellen. Vielmehr müssen Programme passend zum Umfeld ausgewählt und in hoher Qualität umgesetzt werden, wofür in der Regel eine Manualisierung des Interventionskerns und Schulungen der Nutzer sinnvoll sind. Diese QS-Ebene fehlt überwiegend. Eine selektive, stark veränderte Umsetzung von Programmen vor Ort, zum Beispiel in der schulischen Suchtprävention, bringt indes Wirkungslosigkeit oder unberechenbare Effekte mit sich [30].

Inter- und intrasektorale Abstimmungserfordernisse

Da Gesundheit eine Querschnittsaufgabe vieler Einrichtungen ist, hat ein arbeitsteiliges Vorgehen große Bedeutung. Die PGF muss hierfür Entscheidungsträger und Multiplikatoren zahlreicher Einrichtungen gewinnen (zum Beispiel Schulen, Unternehmen, Kitas, Behörden, Praxen). Fast alle Absprachen beruhen bislang auf freiwilligen Selbstverpflichtungen. In vielen Teilfeldern herrscht aber Wettbewerb sowohl zwischen Anbietern als auch zwischen Geldgebern. Erstere konkurrieren um knappe Projektmittel, Letztere um die Sichtbarkeit ihrer Logos, um Imageverbesserung, Kunden- und Mitarbeiterbindung sowie – in manchen Behörden – um Einfluss und Medienwirksamkeit. Die Konkurrenz wirkt auch auf die präventiven Programme zurück (zum Beispiel werden Gesundheitsreisen trotz fachlicher Vorbehalte der Experten von vielen Krankenkassen unter dem Druck des Marktes erstattet).

Die Koordinationseinrichtungen, vor allem die Landesvereinigungen für Gesundheit, haben unter diesen schwierigen Bedingungen die anspruchsvolle Aufgabe, extrem heterogene Akteure und Interventionen zu motivieren, zu qualifizieren und für ein abgestimmtes Vorgehen zu gewinnen. Dafür reichen ihre knappen Ressourcen aber nur selektiv aus. Neben sie treten regionale und funktionale Expertennetze, zum Beispiel Netze zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) in Klein- und Mittelunternehmen, zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt, sowie themenspezifische bundesweite Plattformen wie der nationale Aktionsplan für Ernährung und Bewegung (www.in-form.de) oder eine Gemeinschaftsinitiative für die Arbeitswelt aus Bund, Ländern, Sozialpartnern, Sozialversicherungsträgern, Stiftungen und Unternehmen (www.inqa.de). Eine Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungsarten (zum Beispiel zwischen Kliniken, Praxen, Kitas und Schulen, Öffentlicher Gesundheitsdienst, Sportvereinen und so weiter) ist selten, schon aus Zeitmangel. Die 20 Teilfelder der PGF (siehe oben) folgen somit keiner gemeinsamen Strategie.

Trotz des bestehenden Koordinationsbedarfs hat der Gesetzgeber die Errichtung einer bundesweit wirkenden Koordinationsstelle nach dem zweimaligen Scheitern des Präventionsgesetzes zunächst aufgegeben. Nun hat eine Diskussion auf Landesebene über geeignete Fachorgane begonnen, die ein abgestimmtes Vorgehen vermitteln können zwischen Ebenen (zum Beispiel Land, Kommune; Steuerungs-, Fachebenen), Ämtern (zum Beispiel Sozial-, Kultus- und Gesundheitsbehörden), Fächern (zum Beispiel Pädiatrie, Sozialpädagogik, Schulpsychologie und Städteplanung), Einrichtungsarten (Beratungsstellen, Schulen, Kitas, Praxen, Stadtteilbüros) und Querschnittsakteuren (zum Beispiel Gesundheitsforschung, Krankenkassen, Stiftungen).

Keine evidenzbasierte Versorgungssteuerung

Die erläuterten Rahmenbedingungen führen auch dazu, dass institutionelle Mechanismen zur Ausrichtung von PGF nach einem sozialräumlich oder sonst wie bestimmten Gesundheitsbedarf in Deutschland fehlen, zum Beispiel zur Unterstützung von Kitas in besonders belasteten Stadtteilen [18]. Prinzipiell könnte die Versorgungsplanung auf Basis von Informationen über Bedarf, Wirksamkeit und Kontexte der PGF rationalisiert werden [31]. Politik und Träger begünstigen hingegen nicht selten Projekte, deren Gesundheitseffekte nicht belegt sind [29], die aber Marketingvorteile für Träger versprechen (zum Beispiel Pressefotos). So bieten viele Kliniken zur Tabakprävention für Schulklassen Vorführungen von Präparaten schwarzer Raucherlungen und von Lungenkrebspatienten an. Die Furchtappellforschung beurteilt solche Ansätze ungünstig [32]. Vorteile liegen für die Kliniken gleichwohl im kostengünstigen Aufbau von Bekanntheit und Reputation, für die Lehrkräfte in einer erleichterten Unterrichtsvorbereitung.

Auch in Krankenkassen ist der Einfluss der Marketingabteilungen nach Beobachtungen der Experten nicht gering, und noch immer fallen manche Finanzierungsentscheidungen unter § 20 SGB V trotz einheitlicher, fachlich gut begründeter und ausgezeichnet strukturierter Kriterien der Krankenkassen [33] zwischen einzelnen Kassen oder Bundesländern unterschiedlich aus. Zur Vereinheitlichung der Zuwendungen privater Geldgeber hat die – in der QS für das Gesundheitswesen unter anderem mit der Entwicklung von Zertifizierungen für niedergelassene Praxen und Medizinische Versorgungszentren aktive – Bertelsmann-Stiftung ein Qualitätssiegel für Kinder- und Jugend-Projekte entwickelt, das auch PGF adressiert (www.bertelsmann-stiftung.de, Unterseite Kinder.Stiften.Zukunft). Es beruht allerdings auf methodisch wenig belastbaren, intransparent erstellten Einschätzungen der Stärken, Eignung und Wirksamkeit der geförderten Maßnahmen.

Einschränkungen von PGF im klinischen Bereich

Nur ein kleiner Teil der Interventionen für PGF wird im klinischen Bereich durchgeführt, also durch Krankenhäuser, niedergelassene Praxen oder Apotheken, und ist in deren QS einbezogen. Namentlich in niedergelassenen Praxen bestehen erhebliche Hürden für eine systematische PGF, darunter anders gerichtete Patientenerwartungen, geringe Möglichkeiten der Erfolgskontrolle, eine ungünstige Vergütung ärztlicher Beratungsleistungen und erforderliche Zusatzkompetenzen [34]. Generell fallen in die Zuständigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses (GB-A) Früherkennungsmaßnahmen für Erkrankungen, die (a) bei frühzeitigem Erkennen wirksamer therapiert werden können, (b) im Vor- oder Frühstadium diagnostisch möglichst eindeutig erfassbar sind und (c) bei Verdacht von einer hinreichenden Zahl an Ärzten und Einrichtungen eingehend diagnostiziert und behandelt werden können [35]. Ärztliches Handeln ist durch die QS der spezifischen Versorgung abgesichert, zum Beispiel durch Behandlungs- und Prozessleitlinien der Rehabilitation [36] oder einzelner Indikationsfelder wie etwa der Adipositasversorgung [37].

Doch weist auch diese QS Schwachstellen auf: Erstens sind ihre Anweisungen für PGF häufig unspezifisch, sobald es um Interventionen für Lebensstilveränderungen geht, weil diese mit klinischen Anweisungen allein meist nicht herbeigeführt werden können. Zweitens ist die Methodik „fairer Vergleiche“ zwischen unterschiedlichen Einrichtungen anspruchsvoll und noch immer verbesserungsbedürftig [38]. Drittens treten bei einer übergreifenden Beurteilung von QS-Ansätzen nicht selten Kontroversen auf, zum Beispiel zwischen Disziplinen [39, 40].

Ein Grund hierfür ist die schwache Evidenz für QS im Gesundheitswesen [41, 42]: Sie bringt häufig dürftige Effekte, verbessert vor allem Prozesse und nicht Gesundheitsoutcomes und bestimmt diese Prozesse zudem anhand von Kriterien niedriger Evidenz, nämlich anhand von Experteneinschätzungen. Beispiele günstiger Effekte verdeutlichen, dass QS feldgerecht konzipiert und hochwertig durchgeführt werden muss [43]. Valide, Outcome-bezogene QS-Methoden sind indes rar, und noch scheint zweifelhaft, dass sie sich auf langfristig angelegte, ergebnisoffene, notwendig zielgruppen- bzw. kontextsensible Formen der PGF anwenden lassen [25].

Ein weiterer Grund sind Evidenzlücken hinsichtlich verschiedener Interventionstypen, da hochwertige Studien eng definierte, einfache, stark strukturierte und vorab festgelegte Interventionen am besten erfassen [44]. Reviews beleuchten typischerweise Früherkennungsuntersuchungen und Programme für spezifische Zielgruppen mit eingegrenzten Zielen, wie zum Beispiel zur Nikotinentwöhnung in der Schwangerschaft [45]. Für solche Interventionstechnologien können nach transparenten Regeln [46] griffige QS-Verfahren mit gut begründeten Erfolgsparametern aufgebaut werden, zum Beispiel für das Mammographie-Screening [47]: Eine Analyse von 77 Screeningeinheiten (2005 bis 2007) zeigte eine hohe Erfüllung präziser Erfolgsparameter. So werden durch das Mammographie-Screening wesentlich häufiger kleine Tumoren aufgespürt. Der Anteil an erkannten invasiven Karzinomen von einer Größe bis zu 10 Millimeter lag im Screening bei gut 30% (vor Einführung des Screenings nur bei etwa 14%). Bei 76,7% der entdeckten invasiven Karzinome waren die Lymphknoten noch nicht befallen (vor Einführung des Screenings 49%). Für Frauen mit kleinen Tumoren, die nicht gestreut haben, sind die Heilungsaussichten am besten, sie profitieren außerdem von einer schonenderen, meist Brust erhaltenden Therapie.

Kurz, zwischen PGF und anderen Versorgungsfeldern bestehen erhebliche strukturelle Unterschiede, auch wenn PGF als Querschnittsaufgabe in allen Feldern verankert sein sollte und in einigen – etwa der Rehabilitation – bereits breit verankert ist [48].

Hürden für QS

QS-Schwierigkeiten bei der PGF werden in zahlreichen Expertenauskünften deutlich. Sie wurden zum Beispiel für die Betriebliche Gesundheitsförderung erkundet, weil hier die Wirksamkeit hochwertiger Interventionen belegt ist [49] und dennoch erhebliche Hürden die Umsetzung behindern [50]. Zu den Schwierigkeiten zählen – neben Informationsdefiziten infolge Unübersichtlichkeit (siehe oben) – der Zeitbedarf für die Dokumentation und Wirkungsbeobachtung, die Angst vor externer Kontrolle und dem Ausufern von Marketing in PGF, aber auch die erfahrungsgestützte Befürchtung von Einsparungen unter dem Vorwand von Qualitätsforderungen. Hinzu treten unerfreuliche Fragen nach der Wirksamkeit der Interventionen, die QS aufwirft, und der Aufwand für die Kooperation mit anderen Einrichtungen, den sie aus fachlichen Gründen oft fordert.

Verfahrensmerkmale von Qualitätssicherung in der Prävention

Um all diesen Feldmerkmalen gerecht zu werden, muss ein QS-Verfahren der PGF also ein höchst heterogenes Spektrum an Interventionen, Zielgruppen und Arbeitsfeldern berücksichtigen – vom Settingansatz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Programme der Gesundheitserziehung für alle Altersgruppen bis hin zu Kampagnen (sowohl Medienkampagnen als auch gesellschaftliche Bündnisse wie zum Beispiel zur Krebs- oder Depressions- und Suizidprävention). Es muss zudem für unterschiedliche Einrichtungsarten und Disziplinen geeignet sein. Um nicht mit bestehenden Management- und QS-Systemen zu kollidieren, muss es sich auf fachlich begründete Kriterien zur Interventionsqualität beschränken, statt ganze Einrichtungen zu beurteilen (wie DIN-EN-ISO oder EFQM). Die unten vorgestellten Verfahren genügen diesen Anforderungen überwiegend. Doch reichen diese allgemeinen Überlegungen noch nicht aus, um QS-Verfahren systematisch zu vergleichen. Hierzu sind ihre Profile in grundlegenden funktionalen Leistungen zu charakterisieren.

Vergleichsfähige Merkmale für die Leistung von QS-Verfahren sind in drei funktionalen Dimensionen zu suchen, für die alle QS-Ansätze Lösungen finden müssen (Abb. 1):

  1. 1.

    Datengüte. Diese Dimension beschreibt die Validität, basierend auf Objektivität und Reliabilität, zusammen also die Datengüte der Qualitätsbefunde. Auf ihr beruhen die Aussagekraft und damit der sachliche Orientierungswert der QS-Befunde. Ergebnisse der QS sollten – so die idealen Anforderungen – nachweislich gültige, somit auch unparteiliche und zuverlässige Aussagen über Qualität liefern. Hier lassen sich die gängigen Datenerhebungsmethoden einordnen: selbst entwickelte, punktuelle Verfahren ohne ausgewiesene oder erprobte Güte, Werkzeuge zur Planungshilfe (die keine gesicherte Reliabilität benötigen), Selbsteinschätzung, Fremdeinschätzung durch Audit und Feedback und zuletzt genuine Messverfahren mit ausgewiesener Messungsqualität.

  2. 2.

    Verbindlichkeit. Diese Dimension spricht die Konsequenzen und Folgen von QS an. Sie erfasst also die Stärke der Veränderungsimpulse, die von QS ausgehen. Diese reichen von geringem Umsetzungsdruck infolge schwacher Konsequenzen (bei rein interner Information) über Umsetzungspflichten bis hin zur Offenlegung der QS-Ergebnisse vor Geldgebern und Öffentlichkeit, zum Beispiel als Krankenhaus-Leistungskennziffern.

  3. 3.

    Regelmäßigkeit. Schließlich unterscheiden sich QS-Verfahren in der Häufigkeit ihrer Anwendung. Diese Dimension ist entscheidend für die zeitliche Dichte der Qualitätsinformationen und damit für die Kontinuität und Feinsteuerung der Qualitätsentwicklung. Manche QS-Verfahren werden punktuell eingesetzt, zum Beispiel bei Bewilligungen, andere unregelmäßig auf Nachfrage, gut etablierte Verfahren schließlich regelmäßig als Qualitätsmonitoring.

Abb. 1
figure 1

Strukturmerkmale von Qualitätssicherungsverfahren

Die drei Dimensionen haben den Charakter von Ordinalskalen. Die Abfolge der Stufen stellt einen diskussionsbedürftigen Operationalisierungsvorschlag dar. Zur Spezifikation eignen sich Nebengütekriterien von QS-Verfahren, die aus Evidenz und Expertenvalidierung hervorgehen [14, 51]: Aussagebreite, unmittelbar einleuchtender Nutzen, Augenscheinvalidität, Durchführungsökonomie und so weiter. Die drei Dimensionen „Datengüte“, „Verbindlichkeit“ und „Regelmäßigkeit“ fassen demgegenüber die funktionalen Grundaufgaben von QS zusammen (siehe Methodenbeschreibung): Orientierung über die Angebotsqualität zu liefern, die Optimierung dieser Qualität zu unterstützen und die Steuerung und Optimierung der Qualitätsentwicklung kontinuierlich zu begleiten.

Das Schema macht verständlich, warum die systematische Klassifikation von QS im Gesundheitswesen bislang schwierig war (zum Beispiel [43, 52]). Erstens weisen QS-Ansätze wie Selbstevaluation, Audit und Feedback, strukturierte Begutachtung, Akkreditierung, interne Beurteilung klinischer Standards, Behandlungsleitlinien, veröffentlichte Leistungsindikatoren, Patientenbefragungen und so weiter einen unterschiedlichen Aufbau auf. Dennoch können ihre Ausprägungen auf den Dimensionen verglichen werden. So kann ein QS-Verfahren eine hohe Datengüte, aber eine geringe Verbindlichkeit und Regelmäßigkeit besitzen, ein anderes hohe Verbindlichkeit, aber niedrige Aussagekraft und so weiter. Für vergleichsfähige Bewertungen von QS-Systemen sind Präzisierungen des Verfahrenscharakters erforderlich. Zweitens kann ein QS-Verfahren durch strukturelle Veränderung auf nur einer Dimension seinen Charakter wandeln. So kann die Veröffentlichung bislang nur dem Träger zugänglicher Performanzdaten von Kliniken der Rentenversicherung die Entscheidungen des Trägers selbst unter neuartige Begründungszwänge setzen. Während Datengüte und Frequenz der QS in diesem Fall konstant bleiben, verändert sich die Verbindlichkeit des Verfahrens. Die gesonderte Beschreibung der funktionalen Grunddimensionen bildet also die Voraussetzung für einen systematischen Verfahrensvergleich.

Das strukturfunktionale Schema ermöglicht die Beurteilung des Entwicklungsstandes von QS-Verfahren und QS in Versorgungsfeldern. Es verdeutlicht auch Handlungsbedarf: Die fachlichen und wissenschaftlichen Akteure sind in Deutschland für eine Dimension weitgehend allein verantwortlich, nämlich für die Datengüte. Sie sollen möglichst aussagekräftige QS-Verfahren entwickeln. In den beiden anderen Dimensionen können sie, auf sich allein gestellt, allenfalls die unteren Ausprägungsstufen gestalten. Für die Implementation der höheren Stufen von Verbindlichkeit und Regelmäßigkeit sind aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen Entscheidungen der Politik, der Selbstverwaltung und der Träger erforderlich.

Wichtige exemplarische Qualitätssicherungsverfahren für Prävention und Gesundheitsförderung

Nun können einzelne QS-Verfahren für PGF systematisch verglichen werden. Der Auswahl liegt die Achse der Datengüte zugrunde, weil sie, wie eben erläutert, von Fachakteuren allein gestaltet werden kann.

Stufe 1: Selbsteinschätzung

Zu diesem Zweck stehen seit den 1990er-Jahren verschiedene Materialien zur Verfügung. Deren Aufbau ist jeweils ähnlich: Vermittlung von Grundlagenwissen zur Qualitätsentwicklung, zum Beispiel zur Projektplanung und ihren Teilaufgaben, zum Beispiel Anforderungen an die Zieldefinition, Schritte zur Ableitung und Operationalisierung von Zwischenzielen. Dann folgen Anwendungsbeispiele und Kriterienlisten zur Beurteilung von Interventionen und ihren Teilschritten seitens der durchführenden Fachkräfte, häufig als Fragenkataloge abgefasst.

Die ersten Materialien dieser Art wurden im Auftrag des Bundesfamilienministeriums für die Kinder- und Jugendhilfe entwickelt und sind zum Beispiel für Suchtprävention und ressourcenorientierte Methoden einschlägig [53]. Spätere Selbsteinschätzungsinstrumente haben das Grundprinzip spezifischer auf PGF ausgerichtet. So steht ein gegliederter Katalog der Landesvereinigungen und der Bundesvereinigung für Gesundheit zur Verfügung [54]. Die Qualitätskriterien sind meist als offene Fragen formuliert, also nur teilweise operationalisiert. Aktualisierte Unterlagen speziell für PGF in Städten und Wohnquartieren hat „Gesundheit Berlin 2008“ für Projekte zur Bearbeitung gesundheitlicher Ungleichheit erarbeitet (www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/?id=toolbox). Auf etwa 100 Seiten werden Strategien für gesunde Lebenswelten, Problemanalysen und Bedarfsermittlung, Projektkonzeption, -steuerung und -finanzierung sowie Vorgehensweisen zur gezielten Verbesserung von Ernährungs-, Bewegungs- und Stressbewältigungsverhalten vorgestellt.

Stufe 2: Strukturierte Planungshilfe

Eine höhere Verbindlichkeit als Selbsteinschätzungsinstrumente erreichen Systeme, die die gesamte Entwicklung und Umsetzung von Interventionen unterstützen und zusätzlich durch Selbstbewertung steuern und auf diese Weise zur Einhaltung von Qualitätsanforderungen anleiten, international zum Beispiel das Interactive Domain Model [55].

Im deutschen Sprachraum hat Gesundheit Schweiz mit dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich das System „Quint-essenz“ entwickelt (www.quint-essenz.ch); Nutzerseminare unterstützen – auch in Deutschland – dessen Verbreitung. Das System umfasst sechs Hauptdimensionen – Gesundheitsförderung, Projektbegründung, Projektplanung, Projektorganisation, Projektsteuerung und Wirkungen, mit je drei bis fünf Qualitätskriterien, zusammen 24 Kriterien, mit wiederum je etwa zwei bis fünf Indikatoren. Deren Umsetzung unterstützen zahlreiche Vorlagen für Projektskizze und Konzept (Strukturplan der beteiligten Akteure und ihrer Rollen, Wirkungs- und Ergebnismodell des Vorgehens, Planungs- und Evaluationstabelle der Ziele und Strategien und ihrer Erreichung, Checklisten und Kalkulationshilfen zur Feinplanung und Umsetzung, organisiert von einem Online-Projektmanagement-Tool). Die Nutzung umfasst auch (freiwillige) Selbstbewertungen. Qualitätskriterien können dabei nach Ermessen weggelassen werden, die übrigen werden auf einer vierstufigen Skala bewertet [56].

Stufe 3: Fremdeinschätzung

Die Krankenkassen haben sich auf ein Bewilligungsverfahren für PGF nach § 20 SGB V verständigt, das auf einer Beurteilung des ausführlichen Antragsformulars durch ihre Fachkräfte beruht [33]. Individualansatz (Gesundheitskurse), betriebliche Gesundheitsförderung sowie Settingansatz in weiteren Lebenswelten – vor allem in Kita, Schule und Wohnquartier – folgen eigenen Anforderungen. Einzelne Kassen aktualisieren ihre Bewilligungen; so beginnt der Bundesverband der Betriebskrankenkassen 2011 mit der Rezertifizierung der Gesundheitskurse in seiner Datenbank im Rhythmus von drei Jahren (www.easy-praeventionskurse.de).

Die Fremdeinschätzung bildet auch die wichtigste Grundlage von Zertifizierung und Akkreditierung. Ein wichtiges allgemeines PGF-Gütesiegel in Deutschland ist die Benennung von „Modellen guter Praxis“ bei sozial Benachteiligten [57]. Dieser 2001 initiierte Kooperationsverbund der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), der Bundes- und der Landesvereinigungen für Gesundheit, der Spitzenverbände der Krankenkassen und anderer Verbände bestimmt in einem mehrstufigen Verfahren Interventionen, die auf beispielhafte Weise zwölf Hauptkriterien genügen: Präventionsbezug in Konzept und Zielsetzung, Eingehen auf die Zielgruppe der sozial Benachteiligten, innovative Problemlösungen unter Beachtung der Nachhaltigkeit, Einbindung von Multiplikatoren, Niedrigschwelligkeit, Partizipation, Empowerment, Setting-Ansatz der WHO, Vernetzung und Kooperation, Qualitätsmanagement, Dokumentation und Evaluation sowie günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis. An der Qualitätsentwicklung der Projekte arbeiten „Regionale Knoten“, das gesamte Feld ist in einer Projektdatenbank erschlossen (http://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de).

Zertifikate dienen in PGF ansonsten dazu, die Integration von Gesundheit als Querschnittsaufgabe bestimmter Einrichtungen zu bescheinigen. So gehören zum Deutschen Netzwerk gesundheitsfördernder Krankenhäuser zirka 70 Kliniken, die sich einer Darlegung ihrer gesundheitsfördernden Aktivitäten und Projekte mit Visitation unterzogen haben (www.dngfk.de). Die Standards prüfen unter anderem Strategien von Empowerment und Partizipation für Patienten und Personal. Das „Audit Gesunde Kita“ und das „Audit Gesunde Schule“ der Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt (www.lvg-mv.de/projekte.html) nutzen Erfahrungen der Betrieblichen Gesundheitsförderung und des WHO-Setting-Ansatzes für Bildungseinrichtungen [58, 59]. Sie werden in mehreren Bundesländern eingesetzt (dreistellige Zahl von Einrichtungen). Die Zertifizierung für drei Jahre umfasst die Ausbildung von Qualitätsbeauftragten, die Erstellung einer Selbstbewertung mit Qualitätsbericht der Kita beziehungsweise Schule, eine Fremdbewertung mit Visitation, gegebenenfalls Auflagen.

Hinzu treten zahlreiche Gütesiegel für einzelne Gesundheitsdimensionen und Anbietersparten, zum Beispiel „die Bewegungskita“ (www.markenzeichen-bewegungskita.de), „Sport pro Gesundheit“ für Sport- und Fitnessangebote (www.sportprogesundheit.de) oder der „Pluspunkt Gesundheit“ des Deutschen Turnerbunds für hochwertige Gesundheitssport-Angebote (www.dtb-online.de).

Stufe 4: Qualitätsmessung

Diese Stufe erfordert

  • ein übertragbares Messverfahren aus Datenerhebung, Analyse und Befundinterpretation, also eine genaue Operationalisierung valide begründeter Qualitätskriterien,

  • nachgewiesene Gütekriterien des Instrumentariums und

  • zu diesem Zweck eine methodenkritische Systemprüfung im Feldtest.

In der Rehabilitation benötigte die Erstellung eines solchen Instrumentariums über ein Jahrzehnt [60]. In der PGF erfüllen wenige Verfahren diese Voraussetzungen: international das niederländische PREFFI, allerdings mit sehr kleiner Testung durch interne Experten [61], in Deutschland das BZgA-Informationssystem QIP („Qualität in der Prävention“) [62]. Alleinstellungsmerkmale von QIP sind (a) evidenzgestützt entwickelte, wirkungsoptimierende Qualitätskriterien, (b) Prüfung der Gütekriterien (vor allem der Reliabilität) in einem umfassenden Feldtest mit 61 Projekten und Programmen und drei Gutachtergruppen, (c) Aussagen über den Durchführungsaufwand.

QIP wurde von 2003 bis 2006 entwickelt. Die Datengrundlage bildet ein 24-seitiger Dokumentationsbogen über Einzelmaßnahmen, Programme, Projekte oder Kampagnen der PGF, begleitet von Unterlagen über die Intervention (zum Beispiel Antrag oder Projektbericht). Die Daten werden von mindestens drei geschulten Gutachtern einer kriteriengeleiteten, strukturierten Analyse unterzogen und nach 28 Qualitätsdimensionen auf einer Skala von null bis drei Punkten beurteilt. Der Wert 2 („Standard“) markiert die nach Evidenz für Gesundheitseffekte zu fordernden Interventionsmerkmale. Die Gutachter müssen neben einem Fachabschluss Arbeitserfahrungen im jeweiligen Feld mitbringen und verpflichten sich auf ethische Prinzipien (Verschwiegenheit, Offenlegung von Interessenkonflikten usw.). Die Projekte erhalten als Rückmeldungen die eigenen Werte der 28 Dimensionen, die Vergleichswerte ähnlicher Interventionen (mittlere, beste und schlechteste Werte) sowie Empfehlungen und Hinweise der Experten. Der Durchführungsaufwand beläuft sich auf zwei bis zwölf Stunden für die Datenerhebung bei den Projekten und auf Kosten von 300 bis 1200 Euro für die strukturierte Qualitätsanalyse. Ein solches System eignet sich nicht nur zur Selbstbeurteilung, sondern kann auch zur Prozessevaluation, zur Abschätzung erwartbarer Gesundheitseffekte und zur belastbaren Qualitätssicherung dienen.

Mischformen

Selbstverständlich lassen sich diese Stufen kombinieren, zum Beispiel Selbst- und Fremdbeurteilung. So wurde die partizipative Qualitätsentwicklung [63] seit etwa 2003 am Wissenschaftszentrum Berlin entwickelt und in der HIV-/Aids-Versorgung erprobt. Es dient der Prozessevaluation und Selbstbeurteilung und enthält auch Elemente von Fremdbeurteilung, nämlich ein „Qualitätskolloquium“ aus internen und externen Fachkräften. Partizipation ist Ziel, nicht nur Methode, der gemeinsamen Bestimmung von Qualitätskriterien anhand lokaler Erfahrungen durch Praktiker und Zielgruppe(n) und anhand „lokaler Evidenz“ unter wissenschaftlicher Begleitung. Arbeitsmethoden sind zum Beispiel Nutzerbeirat, moderierte Arbeitsgruppe mit den Zielgruppen, Open Space, Fokusgruppe, Anhörung, Blitzbefragung, Rollenspiel und Erarbeitung lokaler Theorien (Handbuch: http://www.partizipative-qualitaetsentwicklung.de). Allerdings sind bei dieser und anderen Mischformen der methodische Status der Ergebnisse und ihre Bedeutung für die Fremdeinschätzung teilweise unklar. Zwar sollen lokale Lernprozesse im Mittelpunkt stehen, nicht die Anpassung an Standards, doch können auf dieser Grundlage die Validität und Übertragbarkeit der Qualitätskriterien schwerlich begründet werden, was die Qualitätsentwicklung zu einer zeit- und ressourcenintensiven Daueraufgabe allerorten macht. Infolge dieser Mängel würde man diese Mischform in der Typologie als Selbstbewertung einstufen, bis Merkmale der Fremdbewertung (Qualitätskriterien, Prozess) transparent und einheitlich festgelegt sind.

Eine andere Mischform verknüpft QS mit einer Outcome-Evaluation, so zum Beispiel das in mehreren Bundesländern verbreitete Schulentwicklungsprogramm der Bertelsmann-Stiftung (www.anschub.de). Es setzt die Instrumente zur Selbstevaluation in Schulen (SEIS) ein, neben Strukturanalysen der Einrichtungen umfangreiche Zielgruppenbefragungen, die Gesundheit als Querschnittsaufgabe aller Hauptleistungen und Funktionsbereiche der Schule untersuchen. Zudem sind Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahme für Schüler, Lehrkräfte, Schulleitungen und Eltern integriert, zum Beispiel Seminare und Trainings für Stressbewältigung, Zeit- und Personalmanagement, Kooperation mit den Familien, Schülerpartizipation, Arbeitsorganisation und Teamentwicklung. Das System wurde in mehreren hundert Schulen eingesetzt, die aber auch wieder aussteigen können. Auch die Website von LIGA NRW zur Qualitätsentwicklung führt Instrumente der QS und der Evaluation gemischt an. Vorteilhaft ist an dieser Vermischung die Betonung von Gesundheits-Outcomes als eigentlichem QS-Ziel, problematisch hingegen die Verwirrung der Funktionen sowie die Intransparenz, mit der einzelne Evaluationsinstrumente ausgewählt und bestimmte Outcomes auf diese Weise favorisiert werden.

Die Qualität der Qualitätssicherung – ein Fazit

Eine unübersichtliche, wettbewerbsbestimmte PGF-Versorgungslandschaft bringt eine Vielzahl unregelmäßig genutzter und unverbindlicher QS-Verfahren von zweifelhafter Aussagekraft hervor. Hinsichtlich der QS-Datengüte bleiben die meisten Verfahren bei Einschätzungen fraglicher Unparteilichkeit (Selbstbewertungen) und Zuverlässigkeit (ungeprüfte Interrater-Reliabilität). Mit Blick auf Verbindlichkeit und Anwendungshäufigkeit erreicht allein das Bewilligungsverfahren der Krankenkassen [33] einen regelmäßigen Einsatz, nämlich für alle Maßnahmen der Krankenkassen, aber nur einmalig zur Projektbewilligung. Allerdings werden auch hier ungleiche Interpretationen der Kriterien berichtet (siehe oben). Die Audits „Gesunde Kita“ und „Gesunde Schule“ sehen Rezertifizierungen nach drei Jahren vor, sind aber bislang nur in einem Bruchteil der Einrichtungen verbreitet, und diese verfügen bislang nur deshalb über die dafür erforderlichen Mittel, weil diese QS-Verfahren politisch gewollt und finanziell unterstützt werden.

Auch eine Verbindlichkeit der QS über den freiwilligen Einsatz innerhalb von Einrichtungen oder Interventionen hinaus hat nur das Verfahren der Krankenkassen erreicht. Allerdings nutzen immer mehr Einrichtungen einige der in der Regel durch Fremdbeurteilung erworbenen Gütesiegel zur öffentlichen Darstellung ihrer Leistungen (zum Beispiel auditierte Schulen oder „Bewegte Kitas“). Hinsichtlich dieser Leistung zeichnen sich Entwicklungspotenziale der QS für PGF ab.

Hochwertige, anspruchsvollere QS-Verfahren können unter dem Marktdruck interessegeleiteter, leicht zugänglicher verbandlicher Gütesiegel kaum auf große Verbreitung hoffen. Die Betrachtung der Einzelverfahren bestätigt somit die an der Typologie angestellten Überlegungen, dass Träger und Politik entscheidende Verantwortung für die Qualität der PGF tragen.

Diskussion

Gesamtbild

Herausforderungen für die QS der PGF liegen also in den besonderen Merkmalen dieses Versorgungsfeldes: Es existieren Subkulturen, Angebote und Vorgehensweisen sind höchst heterogen, und die Versorgungsdichte, die Wirkungssicherung, die Kooperationen, die Versorgungssteuerung und die QS weisen Schwachstellen auf. Einerseits arbeiten erfolgreiche Kooperationsplattformen, doch andererseits stehen Anbieter und Träger im Wettbewerb, die vielen Angebote sind unübersichtlich, die Akteure finden nur schwer zu einem arbeitsteiligen Vorgehen. Diesen Schwierigkeiten versucht eine große Zahl unterschiedlicher QS-Verfahren gerecht zu werden, doch leiden fast alle unter Schwächen in den zentralen funktionalen QS-Dimensionen: Ihre Datengüte, Regelmäßigkeit und Verbindlichkeit sind gering.

Limitationen

Hier sind mehrere Einwände möglich. Die Beschreibung des Versorgungsfeldes PGF bewegte sich erstens auf einer niedrigen Evidenzstufe (Experteneinschätzung). Allerdings sind bislang keine Studien höherer Güte verfügbar. Zudem konnten die Experteneinschätzungen wenigstens punktuell durch andere Datenquellen gestützt und damit auf Ergebnisebene trianguliert werden (Versorgungsanalysen, Expertisen, Überblicksarbeiten).

Zweitens ist die reale Nutzung von QS in der PGF unklar, denn Daten waren nicht erhältlich oder von ungesicherter Aussagekraft. Abweichungen in der Triangulation ergaben sich nämlich hinsichtlich einer positiveren Darstellung der PGF-Qualität und des QS-Standes in einem Bundesland und einem Arbeitsfeld [19, 28]. Hier sind verschiedene Erklärungen möglich, unter anderem selektive Erfassung oder Darstellung von Aktivitäten, Verwechslung von QS und allgemeinen Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung sowie Unterschiede zwischen Bundesländern und Teilfeldern. Generell wird man eine höhere Verbreitung leicht erhältlicher, öffentlich verwendbarer Zertifikate annehmen dürfen. Eigenangaben zu einigen Verfahren wirken optimistisch (die Web-Anmeldung reicht, um als Nutzer zu gelten), zwischen der Zahl ihrer angeblichen Nutzer und tatsächlich veröffentlichten QS-Daten aus Einzelprojekten besteht bislang ein Missverhältnis. Die Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung hat soeben eine bundesweite Verbandsbefragung zur Nutzung von QS durchgeführt, doch sind Verbandsangaben schwer zu validieren, weil sie einem institutionellen Selbstdarstellungsdruck unterliegen, da Verbände mit den Praktiken einzelner Einrichtungen nicht unbedingt gut vertraut sind und die Kenntnis eines Verfahrens noch nicht dessen reale Nutzung nach sich zieht. Laut Veröffentlichungslage kommen QS-Verfahren in der PGF in diesen Jahren erst auf, in der Vergangenheit wurden sie nicht einmal von größeren Forschungs- und Interventionsprojekten verwendet [26]. Man kann also davon ausgehen, dass außer in einzelnen Feldern erst ein Bruchteil der Anbieter und Interventionen in der PGF systematisch und kontinuierlich aussagefähige QS-Methoden heranzieht. Über den Implementationsumfang und die Implementationsgüte der PGF liegen also unzureichende Erkenntnisse vor; in den kommenden Jahren sind vertiefende Erhebungen in den einzelnen Bundesländern zu erwarten. Bis dahin bietet das hier entworfene Bild eine empirisch begründete Orientierung.

Drittens waren Liste und Beschreibungstiefe der QS-Verfahren lückenhaft. Auf der anderen Seite scheint eine eingehende Bilanz einzelner Verfahren beim jetzigen Erkenntnisstand und den raschen Entwicklungen der Zertifikate, Datenbanken und Instrumente wenig sinnvoll. Eine Übersicht über die Verfahren im Internet bereitet die Plattform IN FORM vor. Zielsetzung dieses Beitrages war es, Merkmale zu identifizieren, mit denen sich QS-Verfahren systematisch vergleichen lassen. Damit wird es möglich, Stand und Entwicklungsbedarf der QS für PGF zu beurteilen.

Viertens könnte die funktionale Schwäche der QS-Verfahren eine Stärke für ihre Implementation darstellen: Unverbindliche, unregelmäßig durchgeführte und aussageschwache Verfahren finden möglicherweise bessere Akzeptanz, weil sie den Status quo kaum infrage stellen. Eine Wertung der funktionalen Dimensionen von QS wäre demnach problematisch, und die Nebengüte- oder Brauchbarkeitskriterien [51] wären für die Nutzung von QS-Verfahren wichtiger als die QS-Leistungen. Das funktionale Beschreibungsraster darf somit nur deskriptiv verwendet werden. Dies ändert jedoch nichts an der Aussagekraft der drei Dimensionen für den Vergleich von QS-Verfahren.

Fünftens sind die drei zur Beschreibung von QS herangezogenen Dimensionen nicht die einzigen Merkmale von QS-Verfahren, und sie wurden hierzu bislang allenfalls isoliert und selten herangezogen [25]. Der Vergleich von QS-Verfahren steht jedoch weltweit noch am Anfang, eine Integration der Konzepte und Terminologien steht aus, allenfalls zeichnen sich mögliche Stärken breiter QS-Ansätze ab [64]. Die hier genutzten Grundfunktionen ermöglichen in dieser Lage gleichwohl einen systematischen Vergleich der QS-Verfahren.

Fazit für die Qualitätsentwicklung in der Prävention

Die QS in der PGF kommt nur zäh voran. Kein Akteur scheint so einflussreich zu sein, dass er ihre systematische Verwendung durchsetzen könnte. Anbieter und Träger, allen voran die Krankenkassen, stehen im Wettbewerb, und auch Behörden unterliegen Zwängen öffentlicher Sichtbarkeit ihrer Leistungen. Fachkräfte erleben QS häufig als sachfremde Zusatzlast, als Bedrohung ihrer Gestaltungsfreiheit oder als Vorwand für Einsparungen, und sie suchen sie zu umgehen, zumal dort, wo dafür keine Mittel bereitstehen. Sie arbeiten damit unbedacht Bestrebungen in die Hand, die geringe Wirksamkeit und Qualität der Maßnahmen als Rechtfertigung für eine schlechte Ausstattung der PGF nutzen.

Auf der anderen Seite sind wesentliche Voraussetzungen geschaffen, um QS in der PGF für verschiedene Zielsetzungen heranzuziehen. Die Forschung hat hierfür Verfahren mit unterschiedlicher Datengüte entwickelt. Die Verfahren entsprechen zwei sinnvollen Anforderungen an QS der PGF: Sie sind fachlich fundiert, also auf die Gesundheit und nicht unspezifisch auf Management-Aufgaben bezogen, und sie sind überwiegend auf Interventionen gerichtet, konkurrieren also nicht mit der QS auf Einrichtungsebene. Der Förderschwerpunkt Präventionsforschung (BMBF) stellt neue Evidenz für PGF bereit, deren hochwertiger Praxistransfer durch QS gestützt werden sollte (www.knp-forschung.de).

Die Länder könnten – nach dem zweimaligen Scheitern des Bundespräventionsgesetzes – wenigstens für ihre Aktivitäten Maßstäbe setzen, ebenso die Krankenkassen. Die für die Versorgungssteuerung entscheidenden Akteure kommen aber trotz dieser günstigen Voraussetzungen ihrer Verantwortlichkeit für die Strukturachsen „Verbindlichkeit“ und „Regelmäßigkeit“ der QS zur Absicherung ihrer hochwertigen Implementation und Breitenwirksamkeit bislang nicht nach.

Derzeit entstehen Websites mit Arbeitshilfen zur QS in der PGF, damit jede Einrichtung und jedes Projekt sich geeignete Instrumente aussuchen kann (zum Beispiel www.liga.nrw.de, Unterseite: Qualität in der Gesundheits- und Bewegungsförderung). Da wichtige Verfahren seit Jahren im Internet kostenfrei zugänglich sind, ist von weiteren Informationen keine wesentlich breitere QS-Nutzung zu erwarten. Mindestens zur Ergänzung von Aufklärungsbemühungen sind daher andere Ansätze aussichtsreich:

Anbieter und Fachkräfte der PGF

  • können mit unterschiedlichen QS-Verfahren experimentieren,

  • sollten QS-Verfahren mit hoher Aussagekraft (Datengüte) bevorzugen,

  • sollten die Instrumente möglichst schon zur Interventionsplanung nutzen,

  • sollten QS regelmäßig einsetzen, um die Qualität und Wirksamkeit ihrer Arbeit zu belegen.

Träger der PGF

  • sollten Maßnahmen der PGF streng nach wahrscheinlicher Wirksamkeit für die breite Einführung und Finanzierung auswählen, also nach Evidenz und Qualität,

  • sollten Verbindlichkeit und Regelmäßigkeit der QS in drei Schritten ausbauen: 1. die Bedeutung hochwertiger QS für PGF klar kommunizieren, 2. Ressourcen für QS bereitstellen, um Zusatzbelastungen der Praktiker auszuräumen, 3. ein Repertoire aussagefähiger QS-Verfahren für alle geförderten Maßnahmen verbindlich machen.

Die Forschung und die Verfahrensentwickler sollten

  • die Ein- und Durchführungskosten, den Schulungsbedarf und die erforderlichen Arbeitszeiten für Projekte beziehungsweise Fachkräfte sowie alle anderen Brauchbarkeitskriterien der QS-Verfahren transparent machen.

QS könnte dann die empirischen Argumente für PGF wesentlich stärken. Sie belegt ein professionelles, also aussichtsreiches und hochwertiges Vorgehen, sie kann das Konzept, die Durchführung und Effektivität der Maßnahmen schon ab der Planungsphase optimieren. Verfahren, die auch die Outcomes erfassen, können für kleinere Maßnahmen an die Stelle aufwendiger Evaluationen treten. QS verbessert auf diese Weise langfristig die Gesundheitswirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Interventionen, die innerorganisatorische und gesellschaftliche Bedeutung der PGF.