Einleitung

Die Atemwegssicherung ist eine zentrale Maßnahme in der prähospitalen und innerklinischen Notfallmedizin. Eine Verlegung der Atemwege mit konsekutivem Erliegen der Ventilation hat unvermeidlich den Tod des Patienten zur Folge, wenn diese nicht ausreichend therapiert wird. Nicht zuletzt deshalb hat sich international das ABCDE-Schema durchgesetzt, bei dem die Atemwegssicherung oberste Priorität hat [5]. Die Atemwegssicherung birgt jedoch zeitgleich die höchsten Komplikationsraten [67]. Neben dem klassischen Endotrachealtubus haben in den letzten Jahren zahlreiche alternative Methoden zum Atemwegsmanagement Einzug in die prähospitale Notfallmedizin gehalten. Die Empfehlungen aus nationalen und internationalen Leitlinien basieren jedoch bisher größtenteils auf (tier-)experimentellen Studien oder Studien am Atemwegsphantom [33, 63, 73, 73]. Neuere Publikationen aus Registern und Fallserien zeigen, dass das Atemwegsmanagement am realen Notfallpatienten weitere Fallstricke und Gefahren birgt, die nicht allein aus experimentellen Studien ableitbar sind [4, 62].

Die Registerforschung hat in der Notfallmedizin in den letzten Jahren zunehmende Bedeutung erlangt. So konnten aus deutschen Reanimationsregistern und aus dem TraumaRegister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) mittlerweile mehrere, wegweisende Studien publiziert werden [3, 22, 70, 74]. Auch zum Atemwegsmanagement existieren bis dato zahlreiche Publikationen aus lokalen, nationalen und internationalen Registern [1, 54]. International bestehen jedoch unterschiedliche rettungsdienstliche Systeme. Während im amerikanischen und im asiatischen Raum die prähospitale Patientenversorgung vorwiegend durch „paramedics“ erfolgt, hat sich in Deutschland ein ergänzendes System mit Rettungsdienstfachpersonal und Notärzten etabliert. Dagegen sind in Notaufnahmen im angloamerikanischen Raum primär Fachärzte für Notfallmedizin tätig, während in Deutschland vorwiegend Anästhesisten, Internisten und Chirurgen die Erstversorgung in den Notaufnahmen übernehmen. Daneben gibt es möglicherweise – auch aufgrund der unterschiedlichen Kompetenzen der im prähospitalen Rettungsdienst beteiligten Berufsgruppen – signifikante Unterschiede in der Vorgehensweise des erweiterten Atemwegsmanagements. Analysen aus Registern sind deshalb nicht problemlos auf andere Notfallversorgungssysteme extrapolierbar.

In der vorliegenden Arbeit sollen daher anhand einer systematischen Literaturrecherche die aktuell existierenden notfallmedizinischen Atemwegsregister zusammenfassend dargestellt, analysiert und miteinander verglichen werden.

Methoden

Es erfolgte eine systematische Literaturrecherche mittels PubMed unter der Verwendung folgender Suchstrategien: („Airway“ AND „Emergency“ AND „Registry“) sowie („Prehospital“ AND „Airway“). Alle Suchergebnisse aus den kompletten Jahren 2007 bis 2017 wurden berücksichtigt. Eingeschlossen wurden ausschließlich Publikationen, die sich mit der Atemwegssicherung in der Notaufnahme oder in der prähospitalen Notfallmedizin befassen und in deutscher oder englischer Sprache verfasst wurden. Da schwer erkrankte Kinder häufig direkt auf eine pädiatrische Intensivstation aufgenommen werden, wurden Daten aus pädiatrischen Intensivstationen ebenfalls berücksichtigt, sofern sich diese mit der notfallmäßigen Atemwegssicherung befassten. Alle Publikationen mit Daten aus einem lokalen oder regionalen Register sowie aus registerähnlichen Erfassungen wurden in die weitere Analyse eingeschlossen. Darüber hinaus erfolgte der Einschluss weiterer Literatur nach händischer Suche aus den Quellenangaben der analysierten Publikationen, sofern die oben genannten Einschlusskriterien erfüllt waren.

Retrospektive Beobachtungsstudien oder randomisierte Studien und Editorials wurden in der vorliegenden Publikation nicht berücksichtigt. Ebenfalls ausgeschlossen wurden sämtliche Publikationen, die sich mit der notfallmäßigen Atemwegssicherung außerhalb der prähospitalen Notfallmedizin, der Notaufnahme oder pädiatrischer Intensivstationen beschäftigen.

Alle Publikationen aus den Suchergebnissen wurden zunächst anhand der Abstracts auf die Ein- und Ausschlusskriterien geprüft. Erfüllten die Abstracts keine Ausschlusskriterien, erfolgte in der zweiten Stufe eine genauere Prüfung des Volltextes. Passende Publikationen wurden für die spätere Analyse bibliografisch in einer deskriptiven Excel-Tabelle (Microsoft Excel 2016®, Microsoft Corp, Redmond, WA, USA) mit den wesentlichen Kenngrößen sowie berichteten Komplikationsraten erfasst.

Die klinischen Registerdaten wurden primär aus derjenigen Publikation entnommen, das das größte Patientenkollektiv umfasst. Waren die Daten der entsprechenden Originalpublikation nicht vollständig zu entnehmen, wurden die übrigen Daten aus der Publikation mit dem nächst kleineren Datensatz entnommen. Da es sich um eine systematische Literaturrecherche bestehender Daten handelte, wurde auf die Einholung eines Ethikvotums verzichtet.

Ergebnisse

Insgesamt erbrachte die systematische Literaturrecherche 717 Treffer für potenzielle Publikationen. Definierte Ausschlusskriterien wiesen 474 Publikationen bei Sichtung des Abstracts auf. Nach näherer Analyse des Volltextes wurden weitere 166 Publikationen ausgeschlossen (Abb. 1). In die primäre Analyse konnten 136 Publikationen aufgenommen wurden, aus denen 11 Datenbanken identifiziert werden konnten, die nach Beurteilung der Autoren die Kriterien für ein etabliertes Atemwegsregister erfüllen. Den 11 identifizierten Atemwegsregistern waren insgesamt 54 Publikationen zuzuordnen [1, 2, 6,7,8,9,10,11,12, 14, 16,17,18, 20, 21, 25,26,27,28,29, 31, 32, 34,35,36,37,38,39, 41, 43,44,45,46,47,48,49, 52,53,54,55,56,57,58,59,60,61, 64, 66, 68, 69, 71]. Die Charakteristika der identifizierten Atemwegsregister, inklusive Anzahl der teilnehmenden Institutionen, sowie die geografische Zuordnung wurden zusammengefasst (Tab. 1; Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

PRISMA-Chart der Literaturrecherche

Tab. 1 Basischarakteristika der einzelnen Register
Abb. 2
figure 2

Geografische Verteilung der identifizierten Atemwegsregister. Blinder Fleck Deutschland. (Weltkarte von: Pingebat/Getty Images/iStock, modif.)

Charakteristika der identifizierten Register

Bei 9 der 11 identifizierten Atemwegsregister handelt es sich um multizentrische Erfassungen. In 4 der 11 Atemwegregister werden multinationale Daten erfasst. Acht der 11 Register beziehen sich auf das Atemwegsmanagement in der Notaufnahme. Das Australian and New Zealand Emergency Department Airway Registry (ANZEDAR) umfasst mit derzeit 43 teilnehmenden Institutionen unter den Notaufnahmeregistern die meisten Kliniken [1]. Das National Emergency Airway Registry III (NEAR III) mit Daten aus Nordamerika, Kanada und Australien umfasst mit ca. 21.500 registrierten Patienten den derzeit größten Datensatz [6].

Zwei der 11 Register analysieren ausschließlich Daten zum prähospitalen Atemwegsmanagement. Die Daten entstammen bei dem Flying Doctor Emergency Airway Registry und dem NEAR VI jeweils der australischen bzw. nordamerikanischen Luftrettung [38, 68]. Im australischen Atemwegsregister erfolgt die Atemwegssicherung durch Ärzte, während beim NEAR VI die Atemwegssicherung „flight paramedics and nurses“ obliegt.

Eine systematische Erfassung des pädiatrischen Atemwegsmanagements erfolgt seit Januar 2007 im NEAR4KIDS („National Emergency Airway Registry for Kids“) [25]. Dieses multizentrische, internationale Register umfasst 36 teilnehmende Institutionen aus den USA, Kanada, Singapur, Japan und Neuseeland. Die größte Publikation analysiert Daten von insgesamt 11.220 Atemwegsinterventionen [25].

Relevante Kenngrößen der Intubationspraxis sowie Informationen zu den in den Registern erfassten Patientenkohorten sind in Tab. 2 zusammengefasst. Bei 8 der 11 Register erfolgt eine Atemwegssicherung primär durch Ärzte. Der berichtete Anteil an Intubationen, bei denen eine Muskelrelaxierung erfolgt, variiert in den einzelnen Registern zwischen 28 % (JEAN I/II, „Japan Emergency Airway Network“) [19] und 99 % (NEAR VI) [68]. Die beschriebenen „First-pass-success“(FPS)-Raten variieren ebenfalls zwischen 69 % (JEAN I/II) und 89 % (Royal North Shore Emergency Airway Registry) [14, 15]. Eine hohe Variabilität zeigt sich auch in der Rate an „rapid sequence inductions“ (RSI): Während für das Royal North Shore Register eine RSI-Rate von 100 % berichtet wird [14, 15], zeigt sich diese in den asiatischen Registern KEAMR („Korean Emergency Airway Management Registry“) und JEAN I/II mit 25–27 % am niedrigsten [8, 19]. Erhebliche Unterschiede bestehen außerdem bei den betrachteten Patientenkollektiven: Während der Anteil an Traumapatienten im prähospitalen NEAR VI mit 66 % hoch ist [68], beträgt dieser Anteil im pädiatrischen NEAR4KIDS lediglich 2 % ([25]; Tab. 2).

Tab. 2 Berichtete Intubationspraxis der einzelnen Register

Zusammenfassend stellt Abb. 3 die publizierten Beobachtungszeiträume dar. Die Beobachtungszeiträume variieren von minimal 18 Monaten im „Royal North Shore Emergency Airway Registry“ [15] bis zu maximal 156 Monaten im Emergency Department Intubation Registry (EDIR) [34]. Chronologisch besteht ebenfalls eine Staffelung der Beobachtungszeiträume; so wurde die Datenerfassung im NEAR II bereits im Juni 2002 mit Start des NEAR III abgeschlossen, während das jüngste ANZEDAR im Juli 2013 initiiert wurde.

Abb. 3
figure 3

Publizierte Beobachtungszeiträume der einzelnen Register. ANZEDAR Australia and New Zealand Emergency Department Airway Registry, KEAMR Korean Emergency Airway Management Registry, JEAN Japanese Emergency Airway Network, EDIR Emergency Department Intubation Registry, NEAR National Emergency Airway Registry, NEAR4KIDS National Emergency Airway Registry for Kids

Definition der erhobenen Komplikationen

Die Definitionen der einzelnen Register zu den erhobenen Komplikationen sind zusammenfassend in Tab. 3 aufgeführt.

Tab. 3 Definition von Komplikationen

Es wurden unterschiedliche Definitionen eines „attempt“ zur Atemwegssicherung in den verschiedenen Registern identifiziert: Fünf der 11 Register definieren einen Versuch der Atemwegssicherung, wenn der Laryngoskopspatel die Lippen bzw. Zähne passiert hat. Im Tucson-Register sowie im NEAR4KIDS ist ein Versuch durch Insertion des Laryngoskops in den Oropharynx definiert. Keine genaue Definition findet sich hingegen im EDIR und in den NEAR.

Auch die Grenzwerte für eine Desaturation unter endotrachealer Intubation sind in einzelnen Registern unterschiedlich definiert. Während das ANZEDAR und das Royal North Shore Register eine Desaturation generell als eine pulsoxymetrisch gemessene Sättigung <93 % definieren, wird im schottischen EDIR lediglich eine Sättigung <90 % registriert, wenn diese nicht vorbestanden hat. Das NEAR4KIDS definiert eine Desaturation als Abfall der pulsoxymetrisch gemessenen Sättigung <80 %, wenn die arterielle Sauerstoffsättigung >90 % nach Präoxygenierung war.

Eine Hypotonie im Rahmen der Notfallnarkose wird in den meisten Registern unscharf definiert und lediglich dann erfasst, wenn eine Volumen- oder Katecholamingabe zur Therapie der Hypotonie notwendig war. Lediglich das JEAN- und das Tucson-Register legen sich auf einen festen Grenzwert des systolischer Blutdrucks <90 mm Hg fest. Darüber hinaus existieren variable Altersgrenzwerte für den Einschluss von Kindern (Tab. 2).

Diskussion

Die klinische Forschung im Bereich der prähospitalen und frühen innerklinischen Notfallmedizin ist mit erheblichen Hindernissen verbunden. Interventionsstudien und randomisierte Studien sind aufgrund häufig mangelnder Aufklärungsfähigkeit der Patienten und der zeitkritischen Versorgung von Notfallpatienten nur schwer durchführbar. Ein Großteil des notfallmedizinischen Wissens basiert daher entweder auf Extrapolation klinischer Daten, auf retrospektiven Analysen oder auf Studien an Atemwegsphantomen [33, 51, 63, 72, 73]. Darüber hinaus werden kritische Interventionen und so auch die Atemwegssicherung im Rettungsdienst durch den einzelnen Notarzt nur vergleichsweise selten durchgeführt [24].

Die Registerforschung hat sich daher gerade in der Notfallmedizin als höchst wertvolles Instrument zur Weiterentwicklung des notfallmedizinischen Wissens erwiesen [23]. Da keine studienspezifische Intervention erfolgt, ist keine Aufklärung des Patienten notwendig, die eine evtl. zeitkritische Therapie potenziell verzögern würde. Durch eine multizentrische Erfassung der Registerdaten ist die Generierung hoher Fallzahlen mit einem standardisierten Datensatz möglich [23]. Somit können auch Komplikationen, die eine niedrige Inzidenz haben, sicher identifiziert werden. Randomisierte Studien haben in der Regel feste Ein- und Ausschlusskriterien und analysieren daher ein streng definiertes Patientenkollektiv. Diese strenge Patientenauswahl stimmt jedoch häufig nicht mit dem täglich in der Praxis zu versorgendem Patientenkollektiv überein und berücksichtigt darüber hinaus in der Regel nicht die große Heterogenität der Anwender bezüglich Ausbildung und Erfahrung. Registerdaten erfassen hingegen ein ungefiltertes Patientenkollektiv, das die tägliche klinische Praxis ohne Vorselektion bestimmter Gruppen abbildet. Somit kann eine Aussage über den Effekt oder mögliche Risiken einer Intervention auch bei einem heterogenen Patienten- und Anwendergut getroffen werden.

Neben dem Gewinn klinischer Daten für die Forschung sind Register darüber hinaus für die teilnehmenden Institutionen hervorragende Instrumente, die eigene Versorgungsqualität mit der anderer Standorte zu vergleichen (Benchmarking) und damit auch ein wertvolles Instrument der Qualitätssicherung [23].

In der vorliegenden Arbeit wurde eine vergleichende Analyse der vorhandenen Register zum Atemwegsmanagement in der prähospitalen und frühen innerklinischen Notfallmedizin durchgeführt. Insgesamt konnten in der vorliegenden systematischen Literaturrecherche letztendlich 11 Atemwegsregister oder registerähnliche Erfassungen identifiziert werden. Dabei fällt auf, dass der Großteil der Atemwegsregister und der daraus publizierten Daten aus dem angloamerikanischen sowie aus dem asiatischen Raum (Korea, Japan) stammt (Tab. 1; Abb. 2). Acht der 11 identifizierten Register beziehen sich auf das Atemwegsmanagement in der Notaufnahme, wo im Großteil der teilnehmenden Länder der primäre Arztkontakt mit dem Patienten erfolgt. Zum prähospitalen Atemwegsmanagement wurden jedoch nur 2 Register identifiziert, die vergleichsweise wenige Patienten eingeschlossen haben. Lediglich ein Register existiert zum pädiatrischen Atemwegsmanagement (NEAR4KIDS), das jedoch gemessen an der Patientenzahl gleichzeitig das bisher größte Register zum Atemwegsmanagement darstellt.

Auffällig ist, dass bisher keine Daten aus dem deutschsprachigem Raum in ein nationales oder internationales Atemwegsregister eingehen. Im internationalen Vergleich weist Deutschland jedoch eine besonders hohe Heterogenität im notfallmedizinischen Atemwegsmanagement auf: Insbesondere in der prähospitalen Notfallmedizin kann das Atemwegsmanagement situationsabhängig einerseits sowohl durch nichtärztliches als auch durch (not)ärztliches Personal erfolgen, andererseits bestehen auch unter dem im Rettungsdienst tätigen, (not)ärztlichen Personal relevante Unterschiede in der Erfahrung bezüglich des Atemwegsmanagements beim Notfallpatienten. Dies wirkt sich hypothetisch auch aufgrund des Vorhandenseins nationaler Leitlinien auf die Auswahl des „device“ und der für die Narkoseeinleitung bevorzugten Medikamente aus [67].

Abgesehen davon unterscheidet sich der Schwierigkeitsgrad der prähospitalen deutlich von der innerklinischen Intubation. Ungünstige Umgebungsbedingungen wie eingeschränkte Lichtverhältnisse, Platzmangel und Lärm sowie eine deutlich geringere Auswahl an alternativen Methoden zum Atemwegsmanagement sind nur einige Punkte, die eine prähospitale Atemwegssicherung erschweren können. Daten, die aus innerklinischen Registern oder aus Notaufnahmen gewonnen wurden, sind daher nicht uneingeschränkt auf die prähospitale Notfallmedizin anwendbar. Die Etablierung eines deutschen Atemwegsregisters ist daher aus Sicht der Autoren zwingend notwendig, um belastbare Daten zum notarztbesetzten Rettungsdienst zu generieren.

Atemwegsmanagement in der Notfallmedizin ist ein komplexer Prozess und das Behandlungsergebnis der Intervention wird folglich von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Neben der Kompetenz des Personals spielen patientenseitig beeinflusste Faktoren, Komorbiditäten, verfügbare Medikamente zur Narkoseeinleitung und verfügbare Hilfsmittel zum alternativen Atemwegsmanagement eine wichtige Rolle, wenn das Behandlungsergebnis der endotrachealen Intubation anderen Methoden der Atemwegssicherung gegenübergestellt werden soll. Aufgrund der bedeutenden internationalen Unterschiede in der Kompetenz und der Befugnisse des Rettungsdienstpersonals (z. B. notarztbesetzter Rettungsdienst vs. Paramedic-System, Anwendung einer neuromuskulären Blockade) sind die publizierten Studien zum Atemwegsmanagement nur bedingt miteinander vergleichbar. Ebenso sind aufgrund der hohen Heterogenität Metaanalysen schwierig durchzuführen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass nur ein Bruchteil der publizierten Studien zum Atemwegsmanagement einen hinreichend vollständigen Datensatz berichtet [13, 40]. Auch in den oben zitierten Publikationen aus den genannten Atemwegsregistern waren selbst essenzielle basisdemografische Daten nicht immer zu finden.

Die hohe Heterogenität beim Atemwegsmanagement zeigt sich auch nach Analyse der vorhandenen Atemwegsregister: Während der Anteil an berichteten Patienten, die Muskelrelaxanzien zur Intubation erhielten, im japanischen JEAN-Register bei lediglich 28 % lag, betrug diese im australisch-neuseeländischen ANZEDAR und im Royal North Shore Register jeweils über 90 %. Dies wird u. a. in der FPS-Rate reflektiert: Im JEAN-Register ist gleichzeitig die FPS-Rate mit 69 % [19] am niedrigsten, während das ANZEDAR und das Royal North Shore Register FPS-Raten von 84–89 % berichten [1, 6], Letztere gilt derzeit als Referenzbereich für die Intubation in Notaufnahmen.

Ähnlich heterogen zeigt sich der Anteil an Intubationen, bei denen die Videolaryngoskopie eingesetzt wird: Hier reicht der Anteil von 9 % im NEAR III bis zu 73 % im Royal North Shore Register. Zusammenfassend zeichnet sich ab, dass durch großzügigen Einsatz der Videolaryngoskopie und einen hohen Anteil an RSI noch höhere FPS-Raten erreicht werden können, die im Bereich der 90 %-Marke beim Royal North Shore Register liegen. Vergleichsweise niedrig ist die berichtete FPS-Rate im pädiatrischen NEAR4KIDS mit 64 % [36]. Dies ist möglicherweise darin begründet, dass das Atemwegsmanagement bei Kindern in der Regel schwieriger ist. Zukünftige Publikationen werden zeigen, ob sich durch den Einsatz der Videolaryngoskopie auch im pädiatrischen Bereich eine höhere FPS-Rate entwickelt.

Daneben führen unterschiedliche Definitionen von Komplikationen und der untersuchten Patientenkohorten zu einer eingeschränkten Datenvergleichbarkeit. Zu den zentralen Komplikationen beim prähospitalen Atemwegsmanagement zählen dabei die Hypoxie und die Hypotonie, mit jeweils einer Inzidenz bis zu 18 % [30, 42, 50, 67]. Insbesondere bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma können diese Komplikationen bekannterweise schwerwiegende Konsequenzen für das Behandlungsergebnis haben. In den 11 aufgeführten Registern ließen sich in 6 Registern insgesamt 5 verschiedene Definitionen für eine Hypoxie identifizieren. In den 6 verbleibenden Registern war eine Hypoxie als Komplikation nicht weiter anhand eines Sättigungswerts definiert. Ähnlich heterogene Definitionen finden sich für die Hypotonie: Eine relevante Hypotonie ist in 4 Registern nicht weiter definiert. In den verbleibenden 6 Registern lassen sich 4 verschiedene Definitionen identifizieren. Dabei ist die Hypotonie meistens über eine notwendige Intervention zu deren Behebung (Volumengabe und/oder Katecholamine) definiert. Dies ist insofern problematisch, als dass die Grenze des minimal zu tolerierenden Blutdruckes je nach Anwender unterschiedlich ausfallen kann.

Zur Erhöhung der Datenvergleichbarkeit wäre daher ein definierter Datensatz erstrebenswert, der sowohl wesentliche Patientencharakteristika, Komorbiditäten sowie wesentliche Vitalparameter vor und nach der Intubation erfasst. Dieser könnte sich an dem 2009 publizierten, konsensusbasierten Datensatz zum „reporting“ des prähospitalen Atemwegsmanagements orientieren (Airway-core-Variablen) [65]. Um detailliertere Analysen zum Atemwegsmanagement zu ermöglichen, sollte dieser Datensatz jedoch um einige Punkte erweitert werden. Dazu gehören beispielsweise die höchste Ausbildung des Anwenders, die genaue Anzahl der Intubations- bzw. Platzierungsversuche, inklusive der Zeitpunkt des Wechsels des Atemweg-Device, sowie eine genauere Beschreibung der beobachteten Schwierigkeiten und Komplikationen. Ebenso sollten Untergruppen für supraglottische Atemwege eingeführt werden, um mögliche Unterschiede zwischen den einzelnen Typen der Larynxmaske und des Larynxtubus beim prähospitalen Einsatz genauer beleuchten zu können.

Limitationen

Aufgrund der oben beschriebenen Methodik konnten möglicherweise nicht alle existierenden Atemwegsregister in der Notfallmedizin erfasst werden. Einschränkend muss konstatiert werden, dass die Kenndaten der Register nicht direkt aus der Registerdatenbank, sondern aus den Originalpublikationen der einzelnen Register extrahiert wurden. Dies könnte Einfluss auf die dargestellten Parameter haben, insbesondere da Daten in den Registerdatenbanken bestehen könnten, die keinen Eingang in die bisherigen Publikationen gefunden hatten. Bei einigen Registern ist die Datensammlung bereits mehrere Jahre abgeschlossen bzw. der Berichtszeitraum längere Zeit zurückliegend, sodass keine definitive Aussage über das aktuelle Atemwegsmanagement in den betroffenen Regionen gemacht werden kann. Effekte neuerer Innovationen wie die Videolaryngoskopie sind daher in den beschriebenen Daten evtl. noch nicht ausreichend erfasst. Insbesondere Unterschiede in den FPS-Raten sowie unterschiedliche prozentuale Einsatzraten der Videolaryngoskopie sind daher u. U. weniger regional als eher durch die zeitliche Differenz der publizierten Studien bedingt.

Fazit für die Praxis

  • Erfassungszeiträume, Einschlusskriterien, Definition von Komplikationen sowie Einsatz neuerer Methoden des Atemwegsmanagements der identifizierten Atemwegsregister in der Notfallmedizin unterscheiden sich bedeutend.

  • Vergleichbarkeit der berichteten Behandlungsergebnisse und FPS-Raten sind nur bedingt gegeben.

  • Aus dem deutschsprachigen Raum gehen derzeit keine Daten in eines der publizierten Atemwegsregister ein.

  • Die Autoren schlagen deshalb vor, ein nationales Atemwegsregister für die Notfallmedizin im deutschsprachigen Raum mit klaren und reliablen Definitionen zu etablieren.