Die postoperative Agitation (PA) ist eine wichtige Komplikation nach Kindernarkosen, die nicht nur zu einer Verlängerung der Verweildauer im Aufwachraum führt und personelle Ressourcen bindet, sondern auch in Eigen- und Fremdgefährdung resultieren kann. Um dieser Komplikation adäquat begegnen zu können, ist es wichtig, in einem 1. Schritt klinische Routinemaßnahmen hinsichtlich der pädiatrischen PA wie Dokumentation, Prämedikation und Narkoseführung bis hin zum postoperativen Umgang zu erfassen. Im 2. Schritt könnten dann einheitliche Empfehlungen formuliert werden, um die standardisierte Prävention und Behandlung der PA zu etablieren.

Hintergrund

Bei der PA handelt es sich um eine kognitive oder eine emotionale Beeinträchtigung nach einer Allgemeinanästhesie, die sich im Aufwachraum sehr unterschiedlich manifestieren kann. Die PA kann in ihrer schwersten Form klinisch als Delir imponieren und wird daher in der englischsprachigen Literatur als „postoperative delirium“ oder „emergence delirium“ bezeichnet. Das postoperative Delir kann mit Halluzinationen, Wahrnehmungsstörungen und Aggressivität einhergehen.

Sikich u. Lerman [31] definierten 2004 das pädiatrische postoperative Delir als eine postoperative Bewusstseins- bzw. Aufmerksamkeitsstörung hinsichtlich der unmittelbaren Umgebung, gepaart mit Verwirrtheit und Wahrnehmungsstörungen, die mit einer Überempfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen und motorischer Hyperaktivität einhergeht. Anhand dieser Definition erarbeitete die Arbeitsgruppe eine Skala zur Beurteilung der PA: die „Pediatric Anesthesia Emergence Delirium Scale“ (PAED Scale [31]). Hierbei führt die Einschätzung von „fehlendem Augenkontakt“, „ungezielten Bewegungen“, „fehlender Wahrnehmung der Umgebung“, „Ruhelosigkeit“ und „fehlender Reaktion auf Trost“ zur Diagnose der PA. Diese 5 Verhaltenszüge werden anhand einer Punkteskala von 0–4 (Tab. 1) bewertet. Die meisten Autoren definieren eine PA ab einer Gesamtpunktezahl von 12 Punkten.

Tab. 1 Pediatric Anesthesia Emergence Delirium Scale. (Nach Sikich u. Lerman [31])

Eine Differenzierung hinsichtlich des Auslösers der PA lässt die Skala jedoch nicht zu. So können Schmerz, Hunger, Durst, Doppelbildersehen, Kälte und Angst, die als Auslöser auch infrage kommen und tendenziell therapierbar wären, von einem durch Narkosemittel verursachten Delir anhand dieser Skala nicht differenziert werden. Die Differenzierung hinsichtlich der Ursache ist aber durchaus wünschenswert, da das weitere Vorgehen bzw. die Therapie maßgeblich von der Ursache abhängt [24, 33].

Das Auftreten einer PA nach Kindernarkosen ist ein derzeit ungelöstes Problem im klinischen Alltag und führt dazu, dass Eltern verunsichert werden und die Qualität der Narkose anzweifeln. Zum einen wird das Vollbild der PA von Eltern als sehr beängstigend empfunden, zum anderen führt es zu einer Verlängerung der Verweildauer im Aufwachraum, bindet personelle Ressourcen und stellt mitunter eine Gefahr für den Patienten und das operative Ergebnis dar [37]. Die Pathophysiologie der PA ist nicht eindeutig geklärt. Eine Rolle spielt möglicherweise der Einfluss von volatilen Anästhetika auf die Aktivität des Zentralnervensystems (ZNS), indem das Gleichgewicht zwischen neuronaler synaptischer Inhibition und Exzitation beeinträchtigt wird. Erst kürzlich konnte in einer Untersuchung an 5 Kindern mit PA nach Sevoflurannarkose eine charakteristische Veränderung im Elektroenzephalogramm (EEG, [25]) während der Aufwachphase nachgewiesen werden.

Der Zusammenhang zwischen Inzidenz der PA und dem operativem Eingriff, dem Alter des Patienten und dem Anästhesieregime ist in der Literatur gut belegt [4, 16, 17]. Als Risikofaktoren wurden insbesondere Vorschulalter, männliches Geschlecht, Sevofluran- oder Desflurannarkosen sowie Eingriffe im Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Bereich beschrieben [14]. Daher wird die Inzidenz der PA in der Literatur abhängig von diesen Faktoren und abhängig von der Erfassungsmethode mit 10–80 % sehr unterschiedlich angegeben [14].

Interessanterweise scheint auch der Zeitpunkt des Erwachens aus der Narkose Einfluss auf die PA zu haben. In der Studie von Cole et al. [10] lag die Inzidenz für die PA unmittelbar nach der Operation mit 13 % deutlich höher als in allen darauf folgenden Untersuchungszeitpunkten.

Neben der PA werden bei Kindern nach operativen Eingriffen in Narkose auch Verhaltensstörungen beschrieben, wie neu aufgetretenes Einnässen, unruhiger Schlaf oder Wutanfälle, die bis zu 2 Wochen postoperativ nachweisbar sein können [21, 30, 32]. Zum jetzigen Zeitpunkt existieren aber keine Studien, die den kausalen Zusammenhang zwischen PA und mehrere Wochen anhaltenden Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern belegen.

Ziel der vorliegenden Untersuchung zur PA ist es, einen Überblick über die klinische Praxis erfahrener Kinderanästhesisten in Deutschland zu erhalten.

Onlinebefragung

Die Datenerhebung erfolgte mithilfe eines 3-teiligen Onlinefragebogens (s. Anhang: Abb. 3) im Zeitraum vom 12.02.2014 bis zum 12.04.2014. Hierfür wurden insgesamt 33 Fragen erarbeitet. Im 1. Teil des Fragebogens wurden allgemeine Informationen über die Teilnehmer und ihre klinischen Einrichtungen abgefragt. Hierzu zählten: Größe der Einrichtung, Anzahl der Kindernarkosen in dieser Einrichtung pro Woche, Anzahl persönlich erbrachter Kindernarkosen pro Woche, allgemeine Berufserfahrung und Berufserfahrung in der Kinderanästhesie, operatives Spektrum und Alter der Patienten.

Im 2. Teil des Fragebogens wurden Angaben zu Inzidenz und Dauer der PA, zu präoperativer Aufklärung über das Krankheitsbild und Verwendung von Scores abgefragt. Im weiteren Verlauf wurden Daten zu prä-, intra- und postoperativen Routinemaßnahmen erhoben sowie Strategien zur Vermeidung einer PA ermittelt. Diesbezüglich wurde nach der intra- und der postoperativen Verwendung sowie der Bewertung der Wirksamkeit verschiedener Medikamente gefragt.

Im 3. Teil wurden Zusammenhänge hinsichtlich der Inzidenz der PA und Auffälligkeiten in der Anamnese ermittelt sowie ein Freitextfeld für eine „Expertenmeinung“ zur Verfügung gestellt.

Der Fragebogen wurde den Teilnehmern auf der Online-Plattform http://www.soscisurvey.com zugänglich gemacht. Es musste nicht zwingend jede Frage beantwortet werden, sodass auch unvollständig ausgefüllte Fragebogen resultieren konnten. Hinsichtlich der Fragetypen gab es sowohl Fragen mit einer Einfachauswahl als auch mit einer Rangfolgenauswahl, die im Fragentext spezifiziert wurden.

Die Aufforderung zur Teilnahme an der Befragung erfolgte über den E-Mail-Verteiler des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Kinderanästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI) gezielt an die Mitglieder dieses Arbeitskreises. Eine Erinnerung per E-Mail wurde nicht versendet.

Ergebnisse

Teil I

Teilnehmende Anästhesisten

Von 525 zur Teilnahme per E-Mail aufgeforderten Mitgliedern des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Kinderanästhesie beantworteten 156 den Fragebogen ganz oder teilweise. Dies entsprach einer Rücklaufquote von 30 %. In die Auswertung wurden nur die 143 vollständig beantworteten Fragebogen aufgenommen (27 %), sodass sich prozentuale Angaben im Folgenden auf eine Gesamtzahl von 143 Teilnehmern beziehen.

Es gaben 72 % der Teilnehmer an, über eine mehr als 8-jährige Berufserfahrung als Facharzt zu verfügen. Eine über 6-jährige Berufserfahrung in der Kinderanästhesie wiesen 77 % der Antwortenden auf, und 32 % gaben an, über 20 Narkosen/Woche bei Kindern durchzuführen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Auswertung der Onlinebefragung bezüglich Berufserfahrung der teilnehmenden Anästhesisten in der Kinderanästhesie (a) und Kindernarkosen pro Woche (b)

Patientenkollektiv und Klinikcharakteristika

Hinsichtlich der Patientenstruktur zeigte sich für die Angabe des Alters der Kinder bei den durchgeführten Narkosen ein eindeutiger Gipfel bei 3 bis 6 Jahren (77 %), gefolgt von 1 bis 2 Jahren (29 %) und jünger als ein Jahr (13 %). Um einen evtl. doppelten Altersgipfel abzubilden, war bei dieser Frage eine Mehrfachnennung zulässig.

Die Umfrageergebnisse zeigten, dass über 80 % der von den Befragten durchgeführten Narkosen Eingriffe in der Kinderchirurgie (53 %) und der HNO-Heilkunde (32 %) darstellten.

Die Frage nach Art der klinischen Einrichtung führte zu einer relativ homogenen Verteilung zwischen Krankenhäusern der Regelversorgung (18 %), der Maximalversorgung (20 %), Universitätskliniken (25 %) und Kinderkrankenhäusern (18 %). Es gaben 11 % der Teilnehmer an, in einer Praxis (ein OP) oder in einem ambulanten OP-Zentrum zu arbeiten.

Teil II

Inzidenz

87 % der befragten Anästhesisten sahen die PA als ein klinisch relevantes Problem an. Die Inzidenz bei ihrem Patientenkollektiv gaben 56 % mit 1–10 % an, und weitere 20 % sahen die Inzidenz bei 11–20 %. Bei den Angaben der Befragten handelte es sich jedoch um eine „gefühlte Inzidenz“; nur 11 % nahmen tatsächlich eine Dokumentation (z. B. PAED Score) und eine Auswertung von Daten vor. Die überwiegende Mehrheit gab die Dauer einer PA bei Kindern mit 30–60 min (49 %) bzw. < 30 min an (41 %).

Präoperatives Vorgehen

Auf die Frage: „Womit werden die Kinder überwiegend prämediziert?“ antworteten 89 % der Anästhesisten mit „Midazolam“. Vereinzelt wurde Ketamin, Clonidin oder eine Kombination aus mehreren Medikamenten ausgewählt. Von den Befragten wählten 7 %: „Eine medikamentöse Prämedikation findet nicht statt“.

Intraoperatives Vorgehen

Auf die Frage, womit die Narkoseeinleitung überwiegend erfolgt, wurde als Antwort am häufigsten Propofol ausgewählt (66 %), gefolgt von Sevofluran (29 %). Zur Narkoseaufrechterhaltung wurde von den befragten Anästhesisten überwiegend Sevofluran mit 46 %, gefolgt von Propofol mit 34 % eingesetzt.

Prävention

Als präventive Maßnahme der 1. Wahl für das intraoperative Vorgehen zur Vermeidung einer PA gaben 56 % der Befragten die Durchführung einer totalen intravenösen Anästhesie (TIVA) an. Die intraoperative Clonidingabe erfolgte von 30 % der Studienteilnehmer als präventive Maßnahme der 1. Wahl. Die präemptive intraoperative Ketamingabe spielte eine untergeordnete Rolle und wurde als 1. Wahl von nur 5 % der Antwortenden genannt, während Dexmedetomidin keine Anwendung fand.

Therapie

Als Medikament der 1. Wahl zur Therapie der PA im Aufwachraum verwendeten 56 % der Anästhesisten Propofol, 26 % Clonidin, 14 % Opioide und 10 % Ketamin. Eine sehr gute oder gute Wirkung wurde Propofol von 72 %, Clonidin von 53 %, Opioide von 22 % und Ketanest® (Ketamin) von 29 % der Befragten zugesprochen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Medikamentöse Therapie der postoperativen Agitation

Abb. 3
figure 3

Dreiteiliger Onlinefragebogen. PAED Pediatric Anesthesia Emergence Delirium Scale, TIVA totale intravenöse Anästhesie

Anwesenheit der Eltern

Im postoperativen Verlauf konnten bei 62 % der Umfrageteilnehmer die Eltern bereits vor dem Erwachen ihres Kindes im Aufwachraum hinzukommen. Bei 16 % war die Anwesenheit der Eltern im Aufwachraum erst nach dem Erwachen des Kindes möglich; bei weiteren 15 % waren die Eltern erst auf Normalstation anwesend.

Bemerkenswert ist, dass 82 % der Anästhesisten die postoperative Anwesenheit der Eltern als wichtig bzw. sehr wichtig einschätzten.

Teil III

Anamnese

Widersprüchliche Auffassungen existierten zu der Frage, ob allein die inhalative Narkoseeinleitung mit Sevofluran zu einer erhöhten Inzidenz der PA führt. Ein Zusammenhang wurde von ungefähr gleich vielen Befragten verneint (40 %) und bejaht (44 %). Eine fast ähnlich große Diskrepanz fand sich bei der Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Lautstärke im Aufwachraum und dem Auftreten einer PA. Während 33 % der Studienteilnehmer diesen Zusammenhang als gering einstuften, stellten 46 % einen großen Zusammenhang fest.

Allgemeine Fragen zur Anamnese in Bezug auf das vermehrte Auftreten einer PA wurden von den befragten Anästhesisten sehr unterschiedlich beantwortet (Tab. 2).

Tab. 2 Koinzidenzen hinsichtlich des gehäuften Auftretens einer postoperativen Agitation (PA) und anderer Faktoren

Auf die Frage hin, ob während des Prämedikationsgesprächs über eine evtl. PA aufgeklärt wird, gingen die Angaben auseinander: Es beantworteten 26 % der Studienteilnehmer diese Frage mit „ja“, während 13 % mit „nein“ antworteten. Dass die Aufklärung nur in besonderen Fällen erfolge bzw. abhängig vom prämedizierenden Anästhesisten sei, gaben 61 % an.

Diskussion

Die vorliegende Untersuchung hatte zum Ziel, Daten unter pädiatrisch erfahrenen Anästhesisten zu bisherigen Strategien hinsichtlich der Dokumentation, Risikoevaluation, Prämedikation, Narkoseführung und des postoperativen Umgangs bei PA zu erheben.

Von den befragten Kinderanästhesisten hielten 87 % diese Thematik für ein klinisch relevantes Problem. In den 3 Behandlungsbereichen prä-, intra- und postoperatives Vorgehen konnten wichtige Aussagen hinsichtlich der klinischen Praxis erhoben werden. Von den Umfrageteilnehmern verwendeten 89 % Midazolam zur medikamentösen Prämedikation. Als präemptiven, intraoperativen Ansatz zur Vermeidung einer PA überwog die Durchführung einer TIVA. Bei Vorhandensein einer PA verwendeten 56 % der Befragten Propofol als Medikament der 1. Wahl, gefolgt von Clonidin mit 26 %, während Opioide nur bei 14 % der Befragten die primäre Behandlungsoption darstellte.

Präoperatives Vorgehen

Die Datenlage zu der Frage, ob Midazolam als Auslöser einer PA bei Kindern gelten kann, ist uneinheitlich [12, 14, 38]. Bei Erwachsenen existiert bereits seit Langem die Erkenntnis, dass Benzodiazepingaben das Risiko eines Delirs im Krankenhaus erhöhen [27].

Dennoch ist eine medikamentöse Prämedikation mit Midazolam im klinischen Setting unter den Befragten als Standard im Rahmen der Narkosevorbereitung von Kindern anzusehen. Laut der Studie von Cole et al. [10] erhöhte jedoch die Prämedikation mit Midazolam die Inzidenz der PA um den Faktor 8,8. Bei der Beurteilung dieses Ergebnisses muss allerdings berücksichtigt werden, dass es sich nicht um eine randomisierte Studie handelte, sondern dass der Anästhesist sich nach eigenem Ermessen für oder gegen eine Prämedikation entscheiden konnte und somit ggf. eine präoperative Selektion innerhalb der Patientenkollektive erfolgte. Clonidin als Medikament zur Prämedikation wählten in der vorliegenden Umfrage lediglich 2 Teilnehmer aus. Diesbezüglich konnte zuvor in Studien gezeigt werden, dass Clonidin in einer Dosierung von 4 µg/kgKG zur medikamentösen Prämedikation im Vergleich zu Midazolam nicht nur eine bessere sedative Wirkung aufweist [2, 11], sondern auch die Inzidenz einer PA senkt [2, 7, 34]. Hinsichtlich der ausreichenden sedierenden Wirkung von Clonidin bei Kindern existieren jedoch widersprüchliche Publikationen, die möglicherweise durch die erst verzögert einsetzende Wirkung nach 60 min erklärt werden können [13, 28, 34].

Präventive Maßnahmen

Die Verwendung von Inhalationsanästhetika korreliert mit dem erhöhten Auftreten einer PA [36]. Insbesondere für Sevofluran, das häufig zur Narkoseeinleitung und auch zur Narkoseaufrechterhaltung verwendet wird, gibt es eine Vielzahl an Hinweisen in der Literatur [12]. So konnte gezeigt werden, dass die Narkoseführung als TIVA das Risiko eines „emergence delir“ gegenüber einer Sevoflurannarkose mehr als halbiert [9]. Diesbezüglich erscheinen die Ergebnisse der Umfrage widersprüchlich. Während 56 % der Befragten als präventive Maßnahme eine TIVA durchführen, geben 46 % an, überwiegend Sevofluran zur Narkoseaufrechterhaltung zu verwenden. Aus den Daten lässt sich nicht schlussfolgern, warum allgemein die TIVA nur in 34 % der Fälle zur Narkoseaufrechterhaltung genutzt wird. Möglicherweise setzen die befragten Anästhesisten die TIVA gezielt präemptiv, beispielsweise bei Adenotomien im Vorschulalter ein, während sie bei der Zirkumzision eine balancierte Narkose mit Sevofluran bevorzugen.

Bereits intraoperativ verabreichen 30 % der befragten Anästhesisten Clonidin zur Vermeidung einer PA. In einer aktuellen Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass die intraoperative Gabe von α2-Agonisten die Inzidenz der PA signifikant reduzieren kann, ohne die Aufwachzeit des Patienten klinisch relevant zu verlängern [29]. Dexmedetomidin scheint im Vergleich zu Clonidin bisher keine Rolle unter den befragten Kinderanästhesisten zu spielen, obwohl in der Literatur eine deutliche Reduktion in der PA-Inzidenz nach dessen Gabe nachgewiesen werden konnte [12, 16]. Aus der Literatur ist zudem bekannt, dass ein Propofol- oder ein Ketaminbolus zum Ende der Operation die Inzidenz der PA nach Sevofluran- oder Desflurannarkosen senken kann [12, 16]. Es gaben 5 % der befragten Anästhesisten an, Ketamin intraoperativ als Medikament der 1. Wahl zur PA-Prävention zu verwenden.

Ungeklärt bleibt, ob bereits die alleinige Narkoseeinleitung mit Sevofluran zu einer erhöhten Inzidenz der PA führt. Anästhesisten beantworteten diese Frage zu 44 % mit ja und zu 40 % mit nein. Eine Untersuchung von Auerswald et al. [6] lässt die Vermutung zu, dass bereits die Narkoseeinleitung mit Sevofluran zu einer Erhöhung der Inzidenz der PA führen kann. Die Autoren verglichen u. a. die Daten von 25 Kindern nach Sevofluraneinleitung und TIVA mit denen von 27 Kindern nach Propofoleinleitung und TIVA bei HNO-Eingriffen. Während es in der Propofol-TIVA-Gruppe in 59 % der Fälle zu keinen Unruhezuständen kam, war dies in der Sevofluran-TIVA-Gruppe nur in 36 % der Fall.

Postoperatives Vorgehen

Die 1. Wahl hinsichtlich einer medikamentösen Therapie der PA stellten der Umfrage zufolge bei 56 % der Befragten Propofol, bei 26 % Clonidin, bei 14 % ein Opioid und bei 10 % Ketamin dar. Obwohl häufig eine mangelnde Analgesie als ursächlich für die PA angesehen wird, spiegelt dies nicht die Realität wider. Insbesondere wird dies deutlich, wenn die Zufriedenheit der Befragten bezüglich der Gabe eines Opioids zur Therapie der PA betrachtet wird. In nur 22 % der Fälle wurde die Zufriedenheit mit gut oder sehr gut angegeben. Geht man an dieser Stelle davon aus, dass der Pathomechanismus für eine PA ein „zu frühes“ oder unphysiologisches Erwachen ähnlich wie beim „Nachtschreck“ (Pavor nocturnus, [26]) ist, könnte man weiterhin annehmen, dass ein geringerer Analgesiespiegel (oder auch ein erhöhter Lärmpegel im Aufwachraum) ein frühzeitiges Erwachen begünstigt. Ist jedoch das Kind erst einmal erwacht, kann die erneute Sedierung sehr viel effektiver durch Propofol als durch ein Opioid erzielt werden. Ein kausaler Zusammenhang zwischen PA und unzureichender Analgesie wird zudem infrage gestellt, wenn man bedenkt, dass es auch nach Narkosen bei nichtschmerzhaften Eingriffen zur Agitation kommen kann (Magnetresonanztomographieuntersuchungen, [1]).

Vergleichende Studien zur medikamentösen Therapie (im Gegensatz zur Prävention) der PA existieren fast nicht. Aufgrund von Freitextangaben in dieser Umfrage und Angaben in der Literatur kann aber die PA – falls erforderlich – mit 0,5–1 mg/kgKG Propofol erfolgreich therapiert werden [15, 18]. Zudem entnehmen die Autoren der Umfrage und persönlichen Mitteilungen, dass einige Zentren bzw. Anwender Droperidol, Chloralhydrat oder Nalbuphin zur PA-Therapie verwenden.

Unabhängig von medikamentösen postoperativen Strategien zur Therapie der PA halten 82 % der befragten Anästhesisten die postoperative Anwesenheit der Eltern für wichtig oder sehr wichtig, wenngleich die Erfahrung einer PA für die Eltern sicherlich sehr belastend sein kann. In der Literatur wird die „parental presence“ jedoch unterschiedlich beurteilt. Unstrittig ist wohl, dass die postoperative Anwesenheit der Eltern eine PA nicht verhindern kann [8, 35]. Der Einfluss der Eltern während der Narkoseeinleitung auf die Inzidenz der PA wird jedoch unterschiedlich beurteilt. Während Arai et al. [5] nach Anwesenheit der Eltern während der Narkoseeinleitung niedrigere PA-Skalen-Werte im Vergleich zur Nichtanwesenheit der Eltern nachwiesen, konnten Kazak et al. [23] dies nicht bestätigen. In einer Untersuchung von Kain et al. [20] konnte jedoch mithilfe der Anwesenheit der Eltern während der Narkoseeinleitung, verbunden mit einer vorherigen Schulung von Eltern und Patienten, unter dem Verzicht auf eine Prämedikation mit Midazolam die PA-Inzidenz von 20 auf 10 % gesenkt werden.

Koinzidenzen

In vorherigen Studien konnte gezeigt werden, dass ein Zusammenhang zwischen präoperativer Angst und dem Auftreten einer PA besteht [3, 19]. Diese Ergebnisse decken sich mit dem Ergebnis der vorliegenden Umfrage, in der 63 % der Teilnehmer diesen Zusammenhang im klinischen Alltag bestätigten. Die präoperative Angst muss dennoch nicht ursächlich für die PA sein, jedoch scheint beides miteinander assoziiert zu sein [22].

In einer aktuellen Metaanalyse zum Effekt von Sevofluran und dem Auftreten einer PA, in der 158 Studien analysiert wurden, kamen die Autoren zu dem Schluss, dass verschiedene Medikamente die Inzidenz der PA reduzieren können und daher unterschiedliche Strategien in Betracht zu ziehen sowie möglicherweise auch ein multimodaler Ansatz sinnvoll sein könnte [12].

Aus Sicht der Autoren des vorliegenden Beitrags sollten einheitliche Empfehlungen geschaffen werden, um eine standardisierte Prävention und Behandlung der PA zu etablieren und so in der Folge auch die Datenlage zu verbessern, um weiterführende Erkenntnisse zu gewinnen.

Fazit für die Praxis

  • Es geben 56 % der befragten Kinderanästhesisten die Inzidenz der PA mit 1–10 % an, während weitere 20 % diese mit 11–20 % einschätzen. Aus der Literatur ist jedoch bekannt, dass Risikofaktoren wie HNO-Eingriffe, Vorschulalter, männliches Geschlecht und Sevofluran- oder Desflurannarkose das Risiko für eine PA deutlich erhöhen.

  • Mitglieder des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Kinderanästhesie verwenden mit großer Mehrheit zur Prämedikation ihrer Patienten Midazolam (89 %). Kleinere Studien und Metaanalysen legen jedoch nahe, dass eine Prämedikation mit Clonidin oder Dexmedetomidin (anstelle von Midazolam) die Inzidenz der PA senkt.

  • Mittel der 1. Wahl zur Prävention einer PA ist laut dieser Umfrage die Durchführung einer TIVA, gefolgt von der intraoperativen Clonidingabe. Diese Vorgehensweise deckt sich mit Empfehlungen der aktuellen Literatur.

  • Die medikamentöse Therapie der PA im Aufwachraum erfolgt nach Ausschluss kausaler Behandlungsmöglichkeiten am häufigsten mit Propofol (0,5–1 mg/kgKG).

  • Die postoperative Anwesenheit der Eltern wird von 82 % der befragten Anästhesisten als wichtig oder sehr wichtig angesehen. Dies sollte bei der zukünftigen Planung von Prozessen und Räumlichkeiten in Krankenhäusern bzw. OP-Zentren berücksichtigt werden.