Mit der Einführung des „Diagnosis-related-group- (DRG-)Systems“ gewinnt die Entwicklung neuer Konzepte mit dem Ziel, die Patientenbehandlung unter effizientem Einsatz der verfügbaren Ressourcen zu optimieren, eine besondere Bedeutung. Durch die Erarbeitung von „standard operating procedures“ (SOPs) soll eine Prozessoptimierung erreicht werden.

Im Rahmen der Erstellung von SOPs im Bereich Hals-Nasen-Ohren (HNO) unserer Klinik, in dem ein zunehmender Anteil der Patienten ambulant operiert wird, sollte die vorliegende Studie prüfen, ob durch den Einsatz von Propofol eine Optimierung von Narkose und postoperativem Verlauf für typische HNO-Eingriffe im Kindesalter möglich wird. Dies sollte unter dem Aspekt der Reduktion von Anästhesiekosten bei Narkosen für Patienten mit altersbedingt gesteigertem Anästhetikabedarf sowie der Erfordernis höherer Frischgasflüsse bei Anwendung ungeblockter Tuben (und z. T. halb offener Narkosesysteme) betrachtet werden.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Es handelt es sich um eine prospektive, randomisierte klinische Studie, die von der Ethikkommission der Universität Leipzig positiv bewertet wurde. Die Eltern der Patienten gaben nach umfassender Aufklärung ihre schriftliche Einwilligung.

In die Studie wurden 103 Kinder mit einem Körpergewicht bis 20 kg (Altersbereich 1–5 Jahre) der American-Society-of-Anesthesiologists- (ASA-)Klassifizierung I–III, die eine Narkose zur elektiven Adenotomie/Adenotonsillektomie mit/ohne Parazentese erhalten sollten, aufgenommen (demographische Daten in Tab. 1).

Tab. 1 Demographische Daten: Alter, Gewicht, Geschlecht, Operations- und Anästhesiedauer sowie Art der Operation in den 4 untersuchten Gruppen

Alle Kinder erhielten zur Prämedikation 30 min präoperativ 0,35 mg/kgKG Dormicum-Saft p.o., des Weiteren 60 min präoperativ 40 mg/kgKG Paracetamol p.o. sowie EMLA-Salbe auf eine geeignete Vene. Diese wurde 5–10 min vor der Narkoseeinleitung entfernt. Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose erfolgten nach Randomisierung durch Losverfahren entsprechend der Gruppenzugehörigkeit.

Die Patienten der Gruppe 1 wurden inhalativ mit einem Sevofluran-Sauerstoff-Gemisch eingeleitet (Sevofluran-Verdampfereinstellung initial 8 Vol.-% für die ersten 2 Atemzüge, dann Reduktion auf 3–5 Vol.-%). Nach Beendigung der Exzitationsphase erfolgte die Anlage des i.v.-Zugangs. Die Intubation wurde dann nach manuell kontrollierter normokapnischer Beatmung mit Sevofluran-Sauerstoff bis zum vollständigen Sistieren der Spontanatmung ohne zusätzliche Applikation von Opioiden oder Relaxanzien durchgeführt. Zur Aufrechterhaltung erhielten die Patienten ein Sevofluran-Lachgas-Sauerstoff-Gemisch (endexpiratorische Sevoflurankonzentration 2–3 Vol.-%, inspiratorischer Lachgasanteil 60%, manuelle Beatmung).

Bei den Patienten der Gruppe 2 erfolgten inhalative Einleitung mit einem Sevofluran-Sauerstoff-Gemisch, Anlage des i.v.-Zugangs und kontrollierte Beatmung mit Sevofluran-Sauerstoff analog Gruppe 1, die Intubation aber erst nach zusätzlicher Applikation von 20 µg/kgKG Alfentanil. Zur Aufrechterhaltung wurden die Patienten mit einem Sevofluran-Sauerstoff-Luft-Gemisch (endexpiratorische Sevoflurankonzentration 2–3 Vol.-%) beatmet. Alfentanil wurde bolusweise entsprechend den klinischen Erfordernissen verabreicht (Boluseinzeldosis von 10 µg/kgKG bei Blutdruckanstieg über den Ausgangsmesswert, Husten, Spontanbewegung, Maximaldosis 100 µg/kgKG/h).

Patienten der Gruppe 3 wurden inhalativ mit einem Sevofluran-Sauerstoff-Gemisch eingeleitet, danach erfolgte die venöse Kanülierung (Vorgehen analog der Gruppen 1 und 2). Nach Sicherung des i.v.-Zugangs wurde die Sevofluranapplikation beendet. Die Patienten erhielten 20 µg/kgKG Alfentanil sowie 2 mg/kgKG 1%iges Propofol. Die Intubation erfolgte in Apnoe ohne zusätzliche Gabe von Relaxanzien. Zur Aufrechterhaltung wurde Propofol kontinuierlich über eine Spritzenpumpe verabreicht: beginnend mit 15 mg/kgKG/h zur Prävention von Hustenstößen bei Platzierung des Mundsperrers, anschließend mit 10 mg/kgKG/h und zum Operationsende (Blutstillung) mit 5 mg/kgKG/h. Bei Blutdruckanstieg über den Ausgangsmesswert, Husten oder Spontanbewegung erfolgte die Applikation von 10 µg/kgKG Alfentanil und 1 mg/kgKG Propofol (Alfentanilmaximaldosis 100 µg/kgKG/h).

In Gruppe 4 erhielten die Kinder nach Anlage des venösen Zugangs zur Narkoseeinleitung 20 µg/kgKG Alfentanil sowie 60 s danach 5 mg/kgKG 1%iges Propofol. Die Intubation erfolgte in Apnoe ohne zusätzliche Gabe von Relaxanzien. Zur Aufrechterhaltung wurde Propofol kontinuierlich über eine Spritzenpumpe verabreicht: beginnend mit 15 mg/kgKG/h, nach Platzierung des Mundsperrers mit 10 mg/kgKG/h und zum Operationsende (Blutstillung) mit 5 mg/kgKG/h. Bei Blutdruckanstieg über den Ausgangsmesswert, Husten oder Spontanbewegung erhielten die Patienten 10 µg/kgKG Alfentanil und 1 mg/kgKG Propofol (Alfentanilmaximaldosis 100 µg/kgKG/h). Bei der Festlegung der oben genannten Propofoldosierung orientierten wir uns an den in der Arbeit von Strauß u. Giest [36] sowie Powers et al. [27] angeführten Untersuchungsergebnissen, den Dosisempfehlungen von Steur et al. [35] und auch eigenen Erfahrungen unter Einsatz des Bispektralindex- (BIS-)Monitorings bei identischem Patientengut.

Es erfolgten eine Einschätzung und die Dokumentation der Prämedikationswirkung durch den Anästhesisten: beim Eintreffen des Kindes im OP-Saal, bei der Anlage des Venenzugangs und zur Narkoseeinleitung (Tab. 2). Zur Erfassung des Auftretens von Injektionsschmerzen nach der Propofolinjektion durch den Anästhesisten lag die von Cameron et al. [2] eingesetzte Verhaltensskala vor (1: kein Schmerz, keine Reaktion; 2: leichter Schmerz, Grimassieren; 3: mäßiger Schmerz, Grimassieren und Schreien; 4: starker Schmerz, Schreien und Armwegziehen). Die Intubationsbedingungen wurden mit den Rängen 1–4 bewertet (1: „exzellent“, Stimmlippen, SL, maximal offen und ohne Bewegung; 2: „gut“, SL ausreichend geöffnet und ohne Bewegung; 3: „unbefriedigend“, SL schließen sich; 4: „schlecht“, SL geschlossen/Abwehr/Husten; Tab. 2). Zusätzlich zur automatischen Dokumentation der Standardwerte [Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz, nichtinvasive Blutdruckmessung (NIBP) 5-minütlich] wurden Blutdruck und Herzfrequenz vor und nach Narkoseinduktion sowie zu Operationsbeginn und -ende protokolliert.

Tab. 2 Prämedikationseffekt beim Eintreffen des Kindes in den OP, Abwehr bei Einleitung der Narkose und Intubationsbedingungen

Es wurde ein halb geschlossenes Narkosesystem für Kinder (Ulmer-Set) mit dem Ziel der Frischgasflussreduktion (Reduktion bis minimal 1,5 l/min nach Intubation und Rachentamponade, Einsatz des Excel 210, Fa. Ohmeda, als Narkosegerät) verwendet. Jede Neueinstellung des Frischgasflusses und der Sevoflurankonzentration am Verdampfer wurde dokumentiert. Zur Ermittlung des Narkosemittelverbrauches wurde der Sevofluranbedarf kalkuliert (Sevofluranverbrauch [ml/h]=Frischgasfluss*Vol.-%*3) sowie die für den Patienten bereitgestellte Propofol- und Alfentanilmenge notiert. Zusatzkosten durch Perfusorleitung und Spritzen wurden berücksichtigt.

Postoperativ erfolgte die Beobachtung der Patienten im Aufwachraum insbesondere hinsichtlich des Auftretens von Unruhezuständen und Erbrechen sowie bei ausreichender Vigilanz/vorhandenem Verständnis Beurteilung der Schmerzintensität durch Befragung mithilfe der Smiley-Skala (0–4) durch die Schwester. Wurde der Schmerz als mäßig oder schlimmer eingeschätzt (Smiley-Wert mindestens 2) erhielten die Patienten eine Dosis von 0,05 mg/kgKG Dipidolor i.v.; Injektionszeitpunkt und Dosis wurden protokolliert. Postoperative Agitiertheit wurde mit Rängen bewertet: 0: „stark“, Kind sehr unruhig, durch die Schwester nicht zu beruhigen; 1: „leicht“, Kind unruhig, durch die Schwester leicht zu beruhigen; 2: „keine“, Kind ruhig bzw. schläft (Tab. 3).

Tab. 3 Postoperative Unruhezustände, Erbrechen und Dipidolorbedarf

Die Entlassung der ambulanten Patienten erfolgte nur beim Sistieren des postoperativen Erbrechens („postoperative vomiting“, POV) und Toleranz von Flüssigkeit per os, frühestens 4 h nach Operationsende. Das Auftreten von POV nach mehr als 4 h postoperativ wurde nur bei den stationär aufgenommenen Patienten hinterfragt (aufgrund der geringen Patientenzahl keine Berücksichtigung).

Für die statistische Analyse wurde das Programm SPSS für Windows Version 11,5 verwendet. Die Prüfung der quantitativen Daten auf signifikante Gruppenunterschiede wurde mit dem Kruskal-Wallis-Test vorgenommen, zur Gewinnung detaillierter Aussagen wurde zusätzlich der Mann-Whitney-U-Test hinzugezogen. Alle qualitativen Daten wurden mit dem ϰ2-Test analysiert. Die Prozentangaben in Text und Tabellen sind aufgrund der geringen Patientenzahl (Pilotstudie zur SOP-Erstellung) als Trend zu sehen.

Ergebnisse

Bezüglich Alter, Gewicht, Operations- und Anästhesiezeiten fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den untersuchten Gruppen (Tab 1).

Prämedikationseffekt

Bei 13% aller Patienten war die Prämedikationswirkung beim Eintreffen im OP-Saal unzureichend. Von den für die i.v.-Einleitung randomisierten Patienten wurden 12% wegen Unkooperativität/Unruhe inhalativ eingeleitet und Gruppe 3 zugeordnet. Eine eingeschränkte Maskenakzeptanz mit deutlichem Abwehrverhalten während der inhalativen Narkoseinduktion fand sich bei fast 50% der Kinder. Die venöse Kanülierung wurde von 96% der Patienten ohne Abwehr toleriert. Bei 6% der für die i.v.-Einleitung randomisierten Patienten misslang die venöse Kanülierung beim ersten Versuch; die Patienten wurden inhalativ eingeleitet. Die i.v.-Narkoseinduktion verlief in allen Fällen unproblematisch und ohne Hinweise für das Auftreten von Injektionsschmerzen nach der Propofolinjektion, objektiviert durch das Ausbleiben von Grimassieren, Tränen/Weinen, Schreien, Armwegziehen, verbale Angaben/Laute (Tab. 2).

Intubationsbedingungen

Beste Intubationsbedingungen bestanden nach Sevofluraneinleitung mit zusätzlicher Gabe von Alfentanil und Propofol (Gruppe 3). Nach i.v.-Einleitung (Gruppe 4) lagen lediglich bei einem Patienten eingeschränkte Intubationsbedingungen vor, als „exzellent“ bewertete Bedingungen fanden sich jedoch nur noch in 55% der Fälle. Beim Verzicht auf die Propofolapplikation vor der Intubation wurden die Intubationsbedingungen häufiger als „unbefriedigend“ und „schlecht“ eingestuft; die Anzahl der Intubationsversuche nahm zu (Tab. 2).

Hämodynamische Stabilität

Die prozentualen Abweichungen von Herzfrequenz und Blutdruck in Bezug auf den Ausgangswert lagen bei allen Narkoseverfahren im Mittel innerhalb des 20%-Niveaus; eine medikamentöse Korrektur musste bei keinem Patienten vorgenommen werden. Signifikante Gruppenunterschiede waren nur zum Operationsbeginn nachweisbar: Die Patienten der Gruppen 3 und 4 hatten zu diesem Zeitpunkt im Mittel eine niedrigere Herzfrequenz im Vergleich zum Ausgangswert als die Patienten der Gruppen 1 und 2 (p=0,03).

Postoperative Unruhezustände

Starke Unruhezustände fanden sich in den Gruppen 1 und 2 signifikant häufiger als in den Gruppen 3 und 4 (p<0,001). In Gruppe 4 zeigten mehr als 50% der Patienten postoperativ überhaupt keine Unruhezustände (Tab. 3).

Postoperativer Analgetikabedarf

Die i.v.-Applikation von Dipidolor erfolgte in den Gruppen 1 und 2 signifikant häufiger (p<0,001) sowie signifikant früher (p<0,001) als in den Gruppen 3 und 4. Der körpergewichtsbezogene Dipidolorbedarf war in Gruppe 4 signifikant niedriger (p=0,012) als in den anderen Gruppen (Tab. 3).

Postoperatives Erbrechen

In den Gruppen 1 und 2 trat POV signifikant häufiger (p<0,001) auf als in den Gruppen 3 und 4. Mehr als die Hälfte der Patienten von Gruppe 1 sowie ein Drittel der Kinder von Gruppe 2 erbrachen innerhalb der ersten 4 h postoperativ (mehrfaches Erbrechen bei 4 Patienten in Gruppe 1 und bei 2 Patienten in Gruppe 2). Dagegen trat POV in den Gruppen 3 und 4 nur bei jeweils einem Kind auf (Tab. 3). Bei keinem Patienten führte POV zur Verzögerung der Entlassung oder zur Wiederaufnahme in die Klinik.

Kosten

Die errechneten Kosten (Narkosemittel und Zusatzkosten für Material) lagen bei der Anwendung von Sevofluran für die Einleitung und die Aufrechterhaltung der Narkose (Gruppen 1 und 2) signifikant (p<0,001) über den Kosten sowohl bei rein i.v.-Narkoseführung (Gruppe 4) als auch bei i.v.-Narkoseerhaltung nach inhalativer Einleitung mit Sevofluran (Gruppe 3). Der Kostenaufwand in Gruppe 4 war signifikant (p<0,001) geringer als in allen anderen Gruppen.

Der Vergleich des Zeitbedarfes für die Narkoseein- und -ausleitung ergab keinen signifikanten Gruppenunterschied (Tab. 4).

Tab. 4 Kosten (Euro/Narkoseminute [EUR/Nmin]), Sevofluran- und Propofolverbrauch sowie Anästhesiezeitbedarf

Diskussion

Im Rahmen der Erstellung von SOPs im Bereich HNO unserer Klinik sollte die vorliegende Studie prüfen, ob durch den Einsatz von Propofol für typische HNO-Eingriffe im Kindesalter eine Optimierung von Narkose und postoperativem Verlauf sowie gleichzeitig die Reduktion der Anästhesiekosten möglich wird.

In der Kinderanästhesie, insbesondere im tageschirurgischen Bereich, hat Sevofluran aufgrund vieler positiver Eigenschaften mit deutlich kürzeren Erholungs- und Aufwachzeiten das bisher übliche Halothan weitestgehend ersetzt. Nachteilig beim Einsatz von Sevofluran sind die postoperativ häufig auftretenden Unruhezustände und die deutlich höheren Kosten beim Gebrauch im „High-flow-System“. Propofol besitzt bei Kurzzeitanwendung ähnliche klinische Effekte hinsichtlich des hämodynamischen Profils sowie der Einschlaf- u. Aufwachzeiten wie Sevofluran [19, 26, 33, 36]. Psychomotorische Agitiertheit wird nach Propofolnarkosen kaum beobachtet; die Patienten erwachen angenehm unter rascher Wiederherstellung der kognitiven und psychomotorischen Funktionen. Eine totale intravenöse Anästhesie (TIVA) mit Propofol wird vielfach als die kostenintensivere Anästhesie im Vergleich zur Inhalationsnarkose gesehen. Die körpergewichtsbezogene Medikamentenapplikation macht sie jedoch bei pädiatrischen Patienten mit entsprechend niedrigem Körpergewicht trotz gesteigertem Medikamentenbedarf in dieser Altersklasse zu einem preiswerten Verfahren [36].

Obwohl die inhalative Narkoseeinleitung immer noch als „kindgerecht“ gilt, war die Akzeptanz der Atemmaske bei unseren Patienten erstaunlich gering, häufig auch bei einem ausreichend erscheinenden Prämedikationseffekt. Eine Narkoseeinleitung per Maske kann auf Kinder möglicherweise unangenehm und bedrohlich wirken. Offen bleibt, ob die von uns gewählte Midazolamdosierung, die mit 0,35 mg/kgKG unter der allgemein üblichen Dosierung von 0,5 mg/kgKG liegt, für die Toleranz der Atemmaske unzureichend war. Kogan et al. [18] erreichten bei 1,5–5 Jahre alten Kindern, die zur Prämedikation eine höhere Midazolamdosis mithilfe eines unterschiedlichen Verabreichungsmodus erhielten, eine Akzeptanz der Maske in 77–83% der Fälle; es bestand eine als ausreichend eingeschätzte Anxiolyse bei 83–93% der Kinder. Der Einsatz von Midazolamdosen, die über den gewünschten anxiolytischen Effekt hinaus zur Amnesie mit Unterdrückung der expliziten Erinnerung führen, wird aber auch kritisch diskutiert [22]. Viitanen et al. [43] und Moore et al. [23], die bei ihren Untersuchungen zum Einschlaf- und Aufwachverhalten von Kindern mit ambulanten Eingriffen im HNO-Bereich auf eine sedierende Prämedikation vollständig verzichten, machen leider keine Angaben zur Kooperativität der Kinder bei der inhalativen Narkoseeinleitung.

Die venöse Kanülierung zur i.v.-Narkoseinduktion ist nach adäquater Prämedikation und mindestens 45-minütigem Einwirken von EMLA-Salbe beim Vorliegen akzeptabler Venenverhältnisse in der Regel gut möglich. Dies gilt v. a., wenn der Anblick der Nadel durch Ablenkungsmanöver verhindert wird. Der Einsatz von EMLA-Creme ermöglicht die Toleranz der Venenpunktion [6, 20] und bietet eine zusätzliche Option bei der Propofolschmerzprävention. Picard et al. [26], die bei 3–10 Jahre alten Kindern 60 min präoperativ EMLA-Creme applizierten und vor der Narkoseeinleitung mit Propofol eine Dosis von 20 µg/kgKG Alfentanil i.v. injizierten, beobachteten bei keinem Patienten Anzeichen für das Auftreten von Injektionsschmerzen. Die effektive Wirksamkeit von Alfentanil zur Injektionsschmerzprophylaxe bei Anwendung von Propofol konnte schon durch Nathanson et al. [25] gezeigt werden. In der eigenen Klinik haben wir bei Kindern, die für elektive Eingriffe eine Narkose benötigen, mit dem Einsatz einer Methodenkombination, bestehend aus Vorbehandlung der Injektionsstelle mit EMLA (mindestens 50 min präoperativ) und Alfentanilvorinjektion (20 µg/kgKG 60 s vor Propofolinjektion) plus Einsatz einer Propofol-MCT-Zubereitung, zur Prävention des Propofolvenenschmerzes sehr gute Erfahrungen gemacht.

Bei schlechtem Venenstatus oder unkooperativem Kind ist allerdings eine inhalative Narkoseeinleitung einfacher und möglicherweise schonender für das Kind.

Die Intubation ist im Kindesalter sowohl in tiefer Inhalationsanästhesie als auch nach i.v.-Applikation von Propofol und einem Opioid ohne zusätzliche Anwendung von Relaxanzien gut möglich [5, 30, 32, 47]. Dies erweist sich insbesondere bei kurz dauernden/ambulanten Eingriffen im HNO-Bereich als Vorteil.

Postoperativ auftretende Unruhezustände sind ein häufiges Phänomen nach Sevoflurannarkosen, v. a. bei Vorschulkindern [3, 4, 15, 19, 23, 26, 36, 42, 43]. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen postoperativer Agitiertheit und Auftreten von Veränderungen im Elektroenzephalogramm (EEG) während der Sevoflurannarkose, inbesondere bei der Anwendung hoher inspiratorischer Sevoflurankonzentrationen zur schnellen Narkoseinduktion, wird diskutiert [39, 41]. Vakkuri et al. [41] hatten epilepsietypische EEG-Veränderungen bei 88% 2–12 Jahre alter Kinder nach inhalativer Narkoseinduktion mit 8 Vol.-% Sevofluran unter kontrollierter Hyperventilation registriert, bei spontan atmenden Kindern waren diese Veränderungen in 20% der Fälle sichtbar. Kaisti et al. [16] fanden bei 2 Probanden pathologische EEGs mit zeitgleichen Veränderungen des zerebralen Blutflusses unter 3 bzw. 4 Vol.-% endtidalem Sevofluran. Inwiefern die zentralen Effekte von Sevofluran das Aufwachverhalten insbesondere von Klein- und Vorschulkindern beeinflussen, ist noch völlig ungeklärt [3]. Trieschmann [39] beobachtete schwere postoperative Unruhezustände trotz i.v.-Einleitung mit Thiopental und Anwendung von endtidalen Sevoflurankonzentrationen um 3 Vol.-% zur Narkoseerhaltung. Bei Viitanen et al. [43] waren postoperative Unruhezustände bei adenoidektomierten Kleinkindern nach Anwendung von Propofol zur Narkoseeinleitung und Anästhesiefortführung mit Sevofluran-Lachgas zwar seltener als bei reiner Inhalationsanästhesie mit Sevofluran-Lachgas, die Inzidenz lag aber immer noch bei 19%. Dagegen fanden Cohen et al. [3] nach Narkoseinduktion mit 8 Vol.-% Sevofluran und anschließender Propofolinfusion bei 2–36 Monate alten Kindern nur in 3,7% der Fälle schwere postoperative Agitationen.

In der Cross-over-Studie von Uezono et al. [40] waren 38% der Kinder, die eine Inhalationsanästhesie mit Sevofluran-Sauerstoff zur Durchführung einer nichtschmerzhaften Prozedur erhielten, postoperativ psychomotorisch agitiert. Dagegen erlitt keines der Kinder postoperativ Unruhezustände, wenn die gleiche Prozedur am gleichen Patienten unter Propofolapplikation nach Narkoseinduktion mit Sevofluran (5 Vol.-%) vorgenommen wurde.

Die Patienten, die nur zur Narkoseeinleitung Sevofluran erhielten (Gruppe 3), zeigten starke Unruhezustände in 12% der Fälle und damit prozentual häufiger als die Kinder mit rein i.v.-Narkoseführung (Tab. 3). Dieser Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant.

Vermutlich haben die in einem höheren Prozentsatz beobachteten Agitationen bei unseren Patienten von Gruppe 1, 2 und 3 auch zu einer häufigeren postoperativen Verabreichung von Dipidolor in diesen Gruppen geführt. Der perioperative Einsatz von Opioiden erhöht wiederum das Risiko für das Auftreten von „postoperative nausea and vomiting“ (PONV) [17].

Die Literaturangaben zur PONV-Inzidenz im Kindesalter reichen von 5–80% [26]; hierbei ist Übelkeit als Symptom im Kleinkindalter schwer objektivierbar. Deshalb wurde in der vorliegenden Studie nur das Symptom POV erfasst. Postoperatives Erbrechen tritt bei kinderchirurgischen Patienten mit einer durchschnittlichen Häufigkeit von 13–42% auf [28]; für POV-Ereignisse nach Tonsillektomie oder Parazentese im Kindesalter wird eine Häufigkeit von 40–70% angegeben [21]. In der Metaanalyse von Tramèr et al. [38] findet sich für die Tonsillektomie beim Kind unter Anwendung von Halothan und Lachgas zur Narkose eine POV-Inzidenz von 50%. Die Untersuchungen in der Multizenterstudie von Morton et al. [24] zeigen, dass nach Adenotonsillektomie beim Einsatz von Lachgas und volatilen Anästhetika 53% der untersuchten 2–12 Jahre alten Kinder postoperativ erbrechen.

Bei den von uns untersuchten Patienten trat POV mit 50% am häufigsten nach reiner Inhalationsanästhesie (Gruppe 1) auf. Balancierte Narkoseführung mit Sevofluran-Luft/Alfentanil (Gruppe 2) führte prozentual seltener zu POV; es fand sich aber keine statistische Signifikanz für den Unterschied in dieser Studie. Nach den Ergebnissen von 2 Metaanalysen kann jedoch der Verzicht auf Lachgas die POV-Inzidenz reduzieren [8, 38]. Bei intraoralen Eingriffen, bei denen die Stimulation von Chemorezeptoren im Magen-Darm-Trakt das Emesisrisiko durch verschlucktes Blut erhöht, sowie bei Eingriffen am Mittelohr sollte der Einsatz von Lachgas daher kritisch hinterfragt werden [21].

Die Rolle volatiler Anästhetika als Risikofaktor für POV/PONV ist durch viele Studien belegt worden [1, 17, 24]. Dagegen konnten zahlreiche Untersuchungen eine signifikante PONV-Minderung nach Propofolanwendung zeigen [14, 28, 34]. In der Metaanalyse von Sneyd et al. [34] fand sich nach kontinuierlicher Propofolapplikation zur Narkoseerhaltung eine signifikant niedrigere PONV-Rate im Vergleich zur inhalativen Narkoseführung, unabhängig von den für die Narkoseinduktion verwendeten Pharmaka, dem Einsatz von Opioiden oder Lachgas, der Wahl des volatilen Anästhetikums sowie dem Patientenalter. In unserer Studie trat nach Anwendung von Propofol zur Narkoseerhaltung (Gruppe 3 und 4) POV hochsignifikant seltener auf als nach Narkoseführung mit Sevofluran (Gruppen 1 und 2), obwohl diese Patienten der Gruppen 3 und 4 intraoperativ alle und postoperativ häufig eine Opioidmedikation erhielten. Als Wirkungsmechanismus für den antiemetischen Effekt von Propofol wird eine direkte Beeinflussung von Chemorezeptortriggerzone und Vaguskernen angenommen [10]. Im Tierexperiment führte Propofol zur Verminderung der Serotoninkonzentration in der Area postrema [7].

Der Einsatz von Propofol zur Narkoseerhaltung bei typischen HNO-Eingriffen im Kleinkind- und Vorschulalter, die mit einer erhöhten Inzidenz an POV/PONV einhergehen (s. oben; [17, 21, 24, 28, 38]), erscheint daher besonders geeignet.

Der Verbrauch volatiler Anästhetika wird maßgeblich durch den Frischgasfluss bestimmt, die benötigte Menge i.v.-Hypnotika und Analgetika dagegen ist vom Körpergewicht des Patienten abhängig. Aus diesem Grund ist bei Kindern mit entsprechend kleinem Körpergewicht eine TIVA mit Propofol und Alfentanil kostengünstiger als eine Inhalationsanästhesie mit Sevofluran. Unsere Berechnungen beziehen sich auf den derzeitigen Klinikkaufpreis von 157,44 EUR/250 ml Sevofluran (Sevorane Quickfill Pen Inhalationslösung von Abbott GmbH & Co.KG) bzw. 1,69 EUR für 200 mg Propofol (Propofol, 1%ig, MCT Fresenius). Vor allem bei kurzer Operationsdauer wird die inhalative Einleitung teurer als die gesamte rein i.v.-Narkose [36]. Kostenkalkulationsstudien, die i.v.-Anästhesieverfahren als kostenintensiver im Vergleich zur Inhalationsnarkose eruieren, beziehen sich meist auf Patientengruppen mit höherem Körpergewicht, d. h. Erwachsene oder ältere Kinder [33, 37].

Durch eine rein i.v.-Narkoseführung können die potenziellen Risiken für die Manifestation einer malignen Hyperthermie und anderer Komplikationen während inhalativer Einleitung umgangen werden. Propofolanwendung reduziert die Häufigkeit von Laryngospasmen [13, 19, 36]. Epilepsietypische EEG-Veränderungen, die während inhalativer Einleitung mit Sevofluran auftreten können, wurden unter Propofolapplikation nicht gefunden [26, 31, 42].

Ein weiterer Vorteil einer i.v.-Narkoseführung ist die fehlende Raumluftkontamination. Insbesondere bei intraoralen Eingriffen können die Anwendung von Inhalationsanästhetika und der gleichzeitige Gebrauch cuffloser Tuben oder gar halb offener Systeme zur Belastung des OP-Personals führen, v. a. bei unzureichender Klimatechnik [11, 12, 21, 28]. Die Bemühung um eine geringstmögliche Raumluftkontamination ist auch im Hinblick auf die Problematik möglicher Gesundheitsrisiken bei chronischer Exposition gegenüber volatilen Anästhetika zu bedenken [9, 46].

Kontrovers wird das Auftreten von „Awareness-Phänomenen“ diskutiert, deren Häufigkeit sich durch den Verzicht auf volatile Anästhetika bei Erwachsenen erhöht. Sandin et al. [29], die 11.785 erwachsene Patienten mit Allgemeinanästhesie prospektiv untersuchten, eruierten Wachheitszustände in 0,18% der Fälle beim Einsatz von Muskelrelaxanzien bzw. 0,1% bei einer Narkoseführung ohne Relaxanzien. Über das Auftreten von Wachheit während i.v.-Anästhesie bei Kindern finden sich gegenwärtig keine verlässlichen Angaben; Fallberichte über Wachheit von Kindern in Narkose fehlen [36]. Das Monitoring der Schlaftiefe mithilfe des EEG bzw. evozierter Potenziale bei Kleinkindern und Säuglingen befindet sich noch im Anfangsstadium. Powers et al. [27], die die adäquate Sedierung während 212 kleinerer Prozeduren (Endoskopie, Punktion, Katheteranlage) bei 154 nichtprämedizierten Kindern verschiedenen Alters mithilfe der BIS-Überwachung untersuchten, erreichten mit einer durchschnittlichen Propofoldosis von 0,51 mg/kgKG/min die Aufrechterhaltung eines BIS-Werts von 45. Unsere Patienten erhielten eine Dosis von durchschnittlich 0,49 mg/kgKG/min Propofol und zusätzlich Alfentanil zur Narkose. Mit diesem Vorgehen konnte in einer Anwendungsbeobachtung ein BIS-Wert zwischen 30 und 45 aufrechterhalten werden [44].

Fazit für die Praxis

Der Einsatz von Propofol zur Narkoseführung bei typischen HNO-Eingriffen im Kleinkind- und Vorschulalter bietet aufgrund des antiemetischen Effektes sowie der Reduktion von Unruhezuständen und Opioidbedarf postoperativ Vorteile für die Aufwachphase und ist kostengünstiger als eine Inhalationsanästhesie mit Sevofluran. Bei intraoralen Eingriffen kann die bei Anwendung ungeblockter Tuben erhöhte Narkosegasbelastung, v. a. des Operateurs, vermieden werden.