Ziel der vorliegenden Arbeit war es, durch ein Expertentreffen mithilfe eines sich an der Evidenz palliativer Notfälle orientierten Themenkatalogs die Problematik in der Versorgung palliativmedizinischer Akutsituationen und sterbender Patienten durch Notfallmediziner zu erarbeiten und auf Basis expertenabhängiger Erfahrungen, bestehender Studien sowie wissenschaftlicher Untersuchungen Lösungs- und Handlungsvorschläge zu erarbeiten. Diese sollen in der Folge durch weitere Projekte umgesetzt und klinisch auf ihre Praktikabilität sowie Förderung der Versorgung palliativer Notfälle untersucht werden.

Palliative Notfälle

Die Verbesserung häuslicher Versorgungsstrukturen und der Ausbau der allgemeinen sowie der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (AAPV und SAPV) ermöglichen es national und international, dass Palliativpatienten und Patienten im weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium in häuslicher Umgebung betreut werden können [5, 15, 23, 33]. Symptomexazerbationen sind jedoch gerade in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien häufig und können in der Folge zu einer Alarmierung und Inanspruchnahme notfallmedizinischer Versorgungsstrukturen führen. Insgesamt beträgt der Anteil palliativer Notfälle am Gesamteinsatzaufkommen zwischen 3 und 10% [3, 21, 30, 41, 49, 51]. Hierdurch kommt es im Rahmen palliativer Notfälle häufig zu Therapiemaßnahmen, die weder vom Patienten noch von seinen betreuenden Angehörigen gewünscht sind (z. B. klinische Einweisung durch den Notarzt, Reanimation; [32, 39, 40]). Ein besonderer Aspekt ergibt sich für Therapieentscheidungen bei Reanimationssituationen, da genaue Vorgaben für die Notfallmedizin nicht existent sind und auch notfallmedizinische Leitlinien nur sehr begrenzt solche Situationen beinhalten [12, 16, 53]. Notfallmedizinische Einsätze sind bei Palliativpatienten und Patienten am Lebensende oftmals durch fehlende Ansprechpartner, durch nichtausreichende Angehörigenschulung, durch fehlende Zielvereinbarungen und durch psychosoziale Überlastungen der den Patienten betreuenden Personen und Institutionen begründet [22, 47, 48]. Die Handlungsweisen von Notfallmedizinern sind gerade in palliativmedizinisch motivierten Akutsituationen von rettungsmedizinischen Algorithmen geprägt und von der palliativmedizinischen sowie rechtlichen Expertise des Notfallteams abhängig [49, 50, 51]. Diese therapeutischen Handlungen stehen jedoch nicht immer im Sinne palliativmedizinischer Therapieprinzipien und bilden somit oftmals einen Konflikt zwischen den beiden medizinischen Fachbereichen [13, 14, 40].

Im Spannungsfeld von Palliativ- und Notfallmedizin und den Schnittmengen beider Disziplinen werden oftmals unterschiedliche Behandlungsziele definiert [51]. So gilt in der Palliativmedizin der Grundsatz, das Sterben als Teil des Lebens zu akzeptieren und/oder die individuelle patientenbezogene Lebensqualität durch gute symptomkontrollierte Therapie zu erhalten bzw. wiederherzustellen. In der Notfallmedizin gilt es primär, das Leben zu bewahren und möglichst im weiteren klinischen Verlauf die Gesundheit des Patienten mithilfe kurativer Therapieansätze wiederherzustellen. Gerade bei palliativen Notfällen besteht häufig ein „indirekter Angehörigenauftrag“ zur Behandlung, da der Auftraggeber nicht der Patient selbst, sondern der betreuende Angehörige ist. Dieser zusätzliche „Druck“ in der Akutsituation kann bei Notfallmedizinern vermehrt invasive Maßnahmen zur Folge haben. Folglich wird der Ort der endgültigen Therapieentscheidung vom Notfallort in die Klinik verlegt.

Konsensuskonferenz/Methoden zur Erhebung

Die Ergebnisse/Empfehlungen wurden im Rahmen eines Expertentreffens erarbeitet. Hierzu wurden 12 palliativ- und notfallmedizinische Experten eingeladen. Alle Teilnehmer weisen eine hohe praktische bzw. wissenschaftliche anästhesiologische, intensiv-, notfall- und palliativmedizinische Expertise auf. Weiterhin sind alle Experten durch ihre praktische Tätigkeit (hier insbesondere in der Notfallmedizin und auf Intensivstationen) mit der Betreuung von Palliativpatienten und Therapieentscheidungen am Lebensende bestens vertraut. Vorab erhielten die Teilnehmer postalisch einen, sich an evidenzbasierten Empfehlungen orientierenden Thesen-/Fragenkatalog. Dieser wurde während des Treffens bearbeitet und diskutiert. Folgende Bereiche wurden erfasst:

  • Definitionen: Palliativmedizin, Palliativpatient, sterbender Patient, palliatives Krankheitsstadium,

  • Therapieziele und Handlungsoptionen: Notfall- vs. Palliativmedizin,

  • psychosoziale Komponente und Bedeutung von Angehörigen in der palliativen Notfallsituation,

  • Möglichkeiten für den Notarzt, einen Palliativpatienten bzw. einen sterbenden Patienten als solchen zu erkennen,

  • Reanimation eines Palliativpatienten: Indikation zu Beginn, Fortsetzung und Abbruch,

  • Entscheidungsträger für notfallmedizinische Maßnahmen (z. B. Reanimation),

  • Transparenz von Entscheidungskriterien,

  • „Palliativtelefon“ analog zum Notruf,

  • Stellenwert des Sterbens in der Notfallmedizin.

Die Bearbeitung der Fragestellungen und möglicher Schnittstellenprobleme erfolgte auf der Basis praktischer Expertenerfahrungen und entsprechender Untersuchungen in der Literatur. Die Literaturbasis bezog sich auf eine Datenanalyse (Medline, PubMed, Embase) der Jahre 1990 bis 2010. Diese Analyse wurde durch einen Teilnehmer vorab durchgeführt, um so entsprechend des Thesenkatalogs eine evidenzbasierte Basis zur Diskussion und Konsensfindung zu ermöglichen. Als Suchbegriffe wurden „palliative emergency“, „palliative medicine“ and „emergency medicine“, „emergency medicine“ and „end-of-life care“, „paramedics“ and „palliative emergency“ definiert. Es wurden zur Konsensfindung alle Originalarbeiten des oben genannten Zeitraums berücksichtigt und z. T. in die vorgestellte Untersuchung inkludiert (englisch- und deutschsprachig). Außerdem wurden Übersichtsarbeiten, Kasuistiken, Kommentare und Abstracts zur Thematik berücksichtigt. Querverweise in Medline bzw. PubMed wurden ebenfalls in die Literatursuche integriert.

Geleitet wurde das Treffen durch 2 Kursleiter mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Leitung von Expertenrunden und Konsensusgesprächen. Die primären Aussagen und Kommentare der Experten wurden anhand der vorherigen Thesen und des Fragenkatalogs protokolliert sowie in der Folge kategorisiert. Die einzelnen Kategorien wurden hiernach erneut diskutiert, die weiteren Ergebnisse protokolliert, kategorisiert und entsprechend der Kategorien ausgewertet. Es erfolgte eine Konsensfassung bezüglich der im Ergebnisteil dargestellten Lösungsansätze und Vorschläge zur Erfassung der Problematik. Dieser Konsens enthält Vorschläge zu einer möglichen Optimierung der Patientenversorgung in palliativmedizinisch motivierten Notfalleinsätzen.

Die Ergebnisse des Expertentreffens wurden kategorisch und statistisch deskriptiv dargestellt. Eine spezielle statistische Auswertung entsprechend einzelner biometrischer Daten der Experten (z. B. demografische Daten und/oder berufliche Qualifikation, berufliche Stellung) war kein Bestandteil der Untersuchung und hat somit nicht stattgefunden. Die Experten erklärten sich sämtlich mit einer Darstellung der Ergebnisse und den daraus resultierenden Forderungen für die Versorgungsverbesserung palliativer Notfälle in der präklinischen Notfallmedizin einverstanden. Einzelne Thesen und Ergebnisse lassen sich nicht auf einzelne Personen des Expertentreffens zurückführen, sodass die Gesamtergebnisdarstellung als Konsens zu werten ist. Einzelmeinungen werden somit in der vorliegenden Untersuchung nicht dargestellt.

Ergebnisse

Palliativmedizin beinhaltet eine symptomkontrollierte Therapie, die keinem kurativen Therapieansatz bei Patienten mit lebenslimitierenden Erkrankungen folgt. Der Palliativpatient kann sich in unterschiedlichen Krankheitsstadien befinden, sodass er nicht in jeder Situation mit einem sterbenden Patienten gleichzustellen ist. Der sterbende Patient kann ein Palliativpatient sein, der Palliativpatient muss aber nicht zwangsläufig ein sterbender Patient sein.

Aus dem Expertengespräch, den praktischen Kenntnissen und nationalen sowie internationalen Publikationen zur Thematik konnten zu den einzelnen Bereichen die im Folgenden vorgestellten Lösungsvorschläge und Ideen zur Optimierung der notfallmedizinischen Therapie erarbeitet werden.

Palliativmedizin als Lehrinhalt für die notfallmedizinische Ausbildung

Die Integration palliativmedizinischer Ausbildungsinhalte in notfallmedizinische Curricula für Notärzte und Rettungsdienstmitarbeiter, einschließlich des palliativen Verstehens in die Notfallmedizin, ist wünschenswert. Weiterhin sollten Zusatzkurse und spezielle Fortbildungsveranstaltungen/Kongressangebote (z. B. bereits erfolgt auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Kongressen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, z. B. Deutscher Anästhesiecongress, dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Palliativmedizin) angeboten werden, um auch ein Forum für interessierte Notfall- und Palliativmediziner zu schaffen.

Ambulante Palliativversorgung und Notfallmedizin

Die Erweiterung der allgemeinen und der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (AAPV und SAPV) sowie die Integration palliativmedizinischer Versorgungssysteme in notfallmedizinische Strukturen sollten angestrebt werden.

Kooperationen und Prävention

Eine Kooperation zwischen Notfallmedizinern sowie Rettungsdienstmitarbeitern und Palliativmedizinern / „palliative care team“ (beispielsweise über Palliativnotfalltelefone) ist erstrebenswert. Die Darstellung unterschiedlicher Intuitionen, Wahrnehmungen und Erfahrungen für das jeweilige Handeln sollte erfolgen. Notfallmedizin kann in Form von präventiver Unterstützung palliativmedizinischer Akutsituationen durch Hilfe in der Vorbeugung ausgeführt werden.

Psychosoziale Aspekte

Kriseninterventionskonzepte (beispielsweise das BELLA-Kriseninterventionskonzept, mod. nach Sonneck; Tab. 1; [42]) sollten in die notfallmedizinische Palliativversorgung integriert werden. Dieses Konzept erfolgt in Anlehnung an notfallseelsorgerische Maßnahmen und ist somit auch in der Praxis der Notfallmedizin bereits mehrfach etabliert. In diesem Zusammenhang gilt es auch, die speziellen psychosozialen Komponenten und die Bedeutung von Angehörigen in der palliativen Notfallsituation zu erkennen und zu akzeptieren.

Therapieleitlinien

Notfallpläne als Therapiehinweis und Notfallmedikamentenboxen zur Vorhaltung entsprechender, für die Akutsituation notwendiger Medikamente (beispielsweise Opioidanalgetika in besonderer Applikationsform) sollten erstellt werden.

Schriftliche Stellungsnahme des Patienten

Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Notfallbögen (z. B. „Göttinger/Regensburger Palliativkrisenbogen“, Abb. 1; Mainzer „PALMA Formular“, „Do not attempt resuscitation order“, „Allow-natural-death“-Verfügungen“ [18, 52]) durch den Patienten betreuende Ärzte sollten erstellt werden.

Definition von zu behandelnden Palliativpatienten

Vorabdefinition und Klassifizierung des Patienten und seiner speziellen/individuellen palliativen Erkrankungssituation durch vorbehandelnde Ärzte sollten erfolgen. Hierbei sollten eine Differenzierung zwischen „sterbenden Patienten“ und Palliativpatienten (Patientenebene) unter Berücksichtigung der Schnittmenge zwischen Palliativmedizin und Sterbebegleitung sowie die Definition der Betreuungsstruktur (palliativmedizinisch betreuter vs. palliativmedizinisch nicht betreuter Patient) vorgenommen werden.

Handlungskette

Handlungsketten zugunsten der Optimierung einer angemessenen Patientenversorgung in der Folge des Akutereignisses (beispielsweise weitere Versorgung des Patienten auf einer Palliativstation bzw. in einem stationären Hospiz) sollten definiert werden.

Tab. 1 BELLA-Kriseninterventionskonzept. (Mod. nach [42])
Abb. 1
figure 1

Palliativnotfallbogen (Version 9.09/2010)

Diskussion

Die vorgestellte Arbeit berichtet über Empfehlungen zur Optimierung der Versorgung von ambulanten Palliativpatienten bzw. Patienten am Lebensende durch Notfallmediziner. Diese stellen den Konsens eines Expertentreffens dar, das einerseits qualitativ kategorisch ausgewertet wurde und andererseits die Empfehlungen mit in der nationalen sowie internationalen Literatur bereits beschriebenen Modellen zur ambulanten Palliativversorgung bzw. zur ambulanten Versorgung palliativer Notfälle berücksichtigt.

Palliativmedizinische Ausbildungsinhalte in notfallmedizinische Curricula

Ein wesentlicher Punkt des Konsenses bezog sich auf die Empfehlung, die Aus-, Fort- und Weiterbildung notfallmedizinischen Personals in palliativmedizinischen Fragen (medizinisch, rechtlich, ethisch und psychosozial) anzuraten. Die notfallmedizinischen Ausbildungscurricula beinhalten zurzeit keine palliativmedizinischen Themen [6]. Die Integration wird aber in zahlreichen Publikationen empfohlen und auch durch Notfallmediziner und Rettungsassistenten zu großen Teilen für notwendig erachtet sowie gewünscht [17, 48, 49]. In diesem Zusammenhang konnte in vorherigen Untersuchungen gezeigt werden, dass zwischen palliativmedizinisch ausgebildeten und palliativmedizinisch unerfahrenen Notärzten statistisch signifikante Unterschiede in der notfallmedizinischen Versorgung palliativmedizinisch begründeter Notfallsituationen bestehen [49, 51]. So werden durch palliativmedizinisch ausgebildete Notärzte mehr Patienten in häuslicher Umgebung im Sinne einer symptomkontrollierten Therapie versorgt bzw. stationären Strukturen zugeführt, die für den Palliativpatienten und/oder für den Patienten am Lebensende geeignet sind. In weiteren Untersuchungen wurde deutlich, dass Palliativpatienten von palliativmedizinisch ausgebildetem Rettungsdienstpersonal seltener reanimiert werden und somit eine mögliche Verlängerung des Sterbeprozesses nicht stattfindet [21, 49, 51]. Palliative Notfälle sind auch bezüglich der notfallmedizinischen Indikation anders zu bewerten als Notfallsituationen anderer Ursache. Die Haupteinsatzindikationen palliativmedizinisch begründeter Einsätze und von Symptomexazerbationen bei Palliativpatienten bzw. Patienten am Lebensende sind die Dyspnoe, Krampfleiden, Bewusstlosigkeit mit Reanimation und akute Schmerzexazerbationen [30, 32, 51]. Besonders bei Reanimationen infolge eines palliativen Notfalls müssen Notfallmediziner in der Kürze der Situation eine Entscheidung treffen, die einen Erhalt des Lebens zur Folge haben und damit aber auch eine Verlängerung des Sterbeprozesses bedeuten kann. Aus diesem Grund sind nicht nur die technischen Kenntnisse einer Reanimation, sondern auch ethische und rechtliche Entscheidungsprozesse in die Ausbildung zu integrieren [4, 20, 27, 31, 51].

Wichtige palliativmedizinische Themen in der notfallmedizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung sind nach dem hier vorliegenden Expertenkonsens:

  • Definition Palliativmedizin (einschließlich der Abgrenzung zur „Sterbemedizin“), Palliativpatient vs. sterbender Patient, Betreuungsstrukturen (palliativmedizinische Versorgung des Patienten),

  • Behandlung von Palliativpatienten bzw. Patienten am Ende des Lebens,

  • palliativmedizinische Therapieprinzipien (z. B. symptomkontrollierte Therapie),

  • Umgang mit Patientenverfügungen, Notfallbögen, „Do-not-attempt-resuscitation-order“- und „Allow-natural-death“-Verfügungen,

  • ethische und rechtliche Fragen am Lebensende,

  • Unterlassen von Therapiemaßnahmen (z. B. Reanimation) / Überbringen schlechter Nachrichten,

  • palliativmedizinische und hospizliche Organisationsstrukturen (stationär und ambulant),

  • Symptomexazerbationen bei Palliativpatienten bzw. bei Patienten am Lebensende (besondere palliativmedizinische Notfallsituationen),

  • Erkennen des Sterbens als Prozess des menschlichen Lebens.

Die genannten Ausbildungsinhalte werden z. T. auch in der internationalen Literatur als Inhalte für mögliche palliativmedizinische Kolloquien im Bereich der Notfallmedizin empfohlen [13, 19, 24, 46].

Allgemeine und spezialisierte ambulante sowie stationäre Palliativversorgung

Bei Palliativpatienten im weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium kann es vermehrt zu Akutsituationen kommen, die eine schnelle und kompetente Intervention erforderlich machen [22, 30, 51]. Die meisten Notfalleinsätze finden bei Patienten statt, die über keine ambulante palliativmedizinische Unterstützung mit 24-h-Erreichbarkeit verfügen [47, 51]. Eine kontinuierliche Begleitung, insbesondere während der letzten Lebensphase, in Bezug auf die Häufigkeit von Notfalleinsätzen ist aber von besonderer Bedeutung [7, 8]. Bei Fehlen eines solchen Angebots sind die Angehörigen auf sich allein gestellt, mit der häufigen Folge einer Überforderung und nichtvorhandenen Kooperationsfähigkeit. Für die Patienten und deren Angehörige ist daher ein Ansprechpartner notwendig, der jederzeit erreichbar ist. Die frühzeitige Integration der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (z. B. spezielle Pflegedienste, Hausärzte) und eine ebenfalls möglichst rechtzeitige Erweiterung dieses Angebots mit Integration ambulanter „palliative care teams“ (PCT) kann nach Meinung der Experten eine solche Funktion erfüllen und zu einer Reduzierung von notfallmedizinischen Einsätzen sowie möglicherweise resultierenden Klinikeinweisungen führen [47]. Zur Kooperation zwischen ambulanten palliativmedizinischen Strukturen (sowohl allgemein als auch spezialisiert) und Notfallmedizinern sind entsprechend des Konsenses folgende Modelle denkbar:

  • frühzeitige Integration der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung in die Patienten- und Angehörigenbegleitung;

  • Erweiterung der allgemeinen und der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, um möglichst viele Patienten in ambulante Versorgungssysteme integrieren zu können [37, 47];

  • Nachforderung und Integration ambulanter PCT in die Notfallversorgung durch den Rettungsdienst, um dadurch eine weitere ambulante Betreuung oder eine strukturierte innerklinische Versorgung zu gewährleisten [9, 10];

  • Integration von PCT in die primäre notfallmedizinische Versorgungsstruktur, sodass bei bestimmten Einsatzindikationen durch die Rettungsleitstellen sofort ein PCT alarmiert werden kann [7, 8, 9, 10, 28];

  • Aufbau und Integration weiterer stationärer Versorgungsstrukturen, um Patienten eine ihrem Willen und ihren Wünschen entsprechende stationäre Versorgung zu ermöglichen, wenn die ambulante Betreuung in der Akutsituation nicht möglich ist [51].

Die ambulante Patientenbetreuung durch ein PCT sollte damit nicht nur Notarzteinsätze bei palliativmedizinischen Patienten reduzieren, sondern auch in der Folge dazu führen, dass Patienten nicht in Kliniken eingewiesen werden müssen, in ihrer häuslichen Umgebung verbleiben und ihrem Wunsch entsprechend ggf. dort versterben können [15].

Kooperation zwischen Notfall- und Palliativmedizinern

Die Kooperation von Notfall- und Palliativmedizinern stellt einen ganz wesentlichen Aspekt der optimierten Versorgung palliativmedizinisch begründeter Notfallsituationen dar. Hierzu ist es wichtig, dass beide medizinischen Fachdisziplinen die Möglichkeiten, aber auch die Probleme des jeweils anderen Bereiches kennen, um daraus Optionen zu entwickeln, die eine Optimierung der Patientenversorgung am Ende des Lebens zur Folge hat [35, 47]. Die Kooperation kann einerseits in Form gemeinsamer Fortbildungen und andererseits auch während spezieller Einsatzsituationen stattfinden. Erste Projekte sind in diesem Zusammenhang auf Basis von Kooperationsverträgen zwischen spezialisierten ambulanten Palliativversorgern und Rettungsdienstträgern bereits entstanden und werden derzeit bezüglich ihrer Funktionalität ausgewertet [43]. Die Kooperation zwischen beiden Disziplinen sollte auch die Erläuterung unterschiedlicher struktureller Vorgehensweisen beinhalten. So sind häufig Intuition und Wahrnehmung als handlungsbestimmende Komponenten durch professionelle und persönliche Erfahrungen dominiert (z. B. „Ich habe da schon einmal erlebt, dass …“). Hierbei muss auch dann die interprofessionelle Frage geklärt werden, was einen Menschen/Arzt der jeweiligen Disziplin möglicherweise in der akuten Situation davon abhalten kann, den Sterbeprozess eines Patienten zuzulassen. Die Bereitschaft, mithilfe der Kooperation das Resultat des eigenen Handelns in der Situation selbst zu tragen, kann größer und auch zu einem Wegweiser für geeignete therapeutische Entscheidungen werden. Die Kooperation kann aber auch bedeuten, dass es möglicherweise in einer Situation unterschiedlichen Handelns zu einer Entscheidungsverlagerung und somit zu einer Abgabe der Verantwortung an eine ggf. besser geeignete Entscheidungsinstanz kommt (beispielsweise Verlegung des Patienten auf eine Palliativstation, um hier einen geeigneten Entscheidungsansatz ohne den „Druck“ der Notfallsituation zu erreichen).

Organisationsstrukturen, Notfallplänen und Notfallmedikamentenboxen

Zahlreiche Patienten wünschen sich eine Betreuung am Ende des Lebens in häuslicher Umgebung. Hierzu bedarf es allerdings einer guten, bereits während z. B. eines Klinikaufenthalts beginnenden, ambulanten Versorgungsstruktur. Nur eine solche Struktur, in Kombination mit entsprechenden Ansprechpartnern, erscheint den Experten geeignet, in der Folge eine psychosoziale Überlastung im ambulanten Setting zu vermeiden. Eine häufige Einsatzindikation für die Notfallmedizin basiert genau auf einer solchen psychosozialen Überlastung in einer Akutsituation, in der bei guter Vorbereitung eine häuslich durchführbare Therapie möglich wäre [51]. Die Optimierung der inner- und außerklinischen Patientenvorbereitung ist zur Reduktion einer für den Patienten und insbesondere für seine Angehörigen unklaren und belastenden weiteren häuslichen Betreuung wichtig. Diese Vorbereitung sollte u. a. folgende Aspekte beinhalten:

  • Kommunikation mit weiterbehandelnden Ärzten und Pflegediensten/Pflegestrukturen (Übergabegespräche),

  • Organisation der Pflegestufe,

  • Organisation eines geeigneten Pflegedienstes,

  • Organisation allgemeiner und ggf. spezialisierter ambulanter Palliativversorgung,

  • Organisation von Pflegehilfsmitteln,

  • Absprache und schriftliche Fixierung des Patientenwillens (z. B. mithilfe eines Notfallbogens),

  • Erstellung eines allgemeinen Medikamentenplans,

  • Sicherstellung der weiteren medikamentösen Therapie (Apothekenabsprache bezüglich Bereithaltung und Ausgabe von z. B. Opioiden),

  • Erstellung eines Notfallmedikamentenplans mit Bereitstellung entsprechender Medikamente und dem Umgang mit solchen,

  • Schulung der an der Betreuung des Patienten beteiligten Personen (z. B. subkutane Medikamentenapplikation, Umgang mit Port-Systemen),

  • rechtzeitige Information ambulanter Institutionen über den Krankheitszustand und über die Entlassung des Patienten).

Betreuende Angehörige und Vertraute des Patienten können gerade aufgrund einer häuslichen Notfallsituation sowohl psychisch als auch physisch stark belastet sein. Diese psychosoziale Überlastung kann beim Auftreten eines palliativen Notfalls schnell in einer Alarmierung des Notarztes resultieren, obwohl zumeist nur ein Ansprechpartner in einer persönlich nicht mehr überschaubaren Situation gesucht wird. Trotzdem sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass bei Palliativpatienten auch lebensbedrohliche Zustände auftreten können (z. B. akute Blutungen, Erstickungsanfälle), die ggf. einer umgehenden, fachbezogenen Therapie bedürfen [30]. Solche Exazerbationen bereits bestehender Symptome kündigen sich aber oftmals frühzeitig an, sodass eine Therapieplanung und eine entsprechende Vorbereitung antizipierend erfolgen können.

Zur optimalen Versorgung der Palliativpatienten und der Patienten am Lebensende in häuslicher Umgebung sollten auch Vorbereitungen für Notfallsituationen getroffen werden. Durch gezielte Maßnahmen können die oftmals bestehenden Informationslücken im Versorgungsgefüge der Patienten geschlossen werden. Neben dem Einfluss von Informationen auf die Therapieentscheidung in Notfallsituationen hat sich auch die Vorbereitung von Notfallmedikamenten in „Notfallmedikamentenboxen“ bewährt. Die Angehörigen werden im Rahmen eines solchen Modells einerseits psychosozial und andererseits im Umgang mit Medikamenten in genau definierten Situationen geschult, um so in einer Notfallsituation dem Willen und Wunsch des Patienten entsprechend zielgerichtet und symptomlindernd handeln zu können [26].

Psychosoziale Krise, Krisenmanagement und Bedeutung der Angehörigen

Wenn für einen Patienten der Notarzt gerufen werden muss, ist dies meist bereits der Höhepunkt der Krise und die Alarmierung die Ultima Ratio. In der Regel stehen die pathophysiologischen Symptome im Vordergrund der Behandlung, wobei häufig sicherlich auch Akzeleration und Kulmination lebensbedrohlicher Ängste mit die Hauptauslöser für die Krise gewesen sind.

Der Patient wird durch das Notarztteam versorgt. Oftmals erhalten jedoch die Angehörigen nicht die entsprechenden Informationen oder die Zuwendung, die sie in dieser Situation bräuchten. Nachfolgend wird die Situation von Angehörigen skizziert, die in diese Krisensituation involviert sind. Sie kann mit dem Suffix „-losigkeit“ charakterisiert werden: Hilflosigkeit, Ratlosigkeit, Ruhelosigkeit, Fassungslosigkeit, Sprachlosigkeit, Ausweglosigkeit.

Angehörige befinden sich in einem Chaos der Gefühle, die sie im Tempo einer Achterbahnfahrt Verzweiflung, Verlustängste, Sich-im-Stich-gelassen-Fühlen, Schuldgefühle und Versagensängste spüren lassen. Das Notarztteam muss sich auf den Patienten konzentrieren und in oft knapper Zeit wesentliche Behandlungsmaßnahmen durchführen. Selbstverständlich ist das Team dabei auch auf Auskünfte von den Angehörigen angewiesen. In der Dichte des Geschehens kann das Notfallteam oft nicht die Schwierigkeiten innerhalb eines Familiensystems erkennen, die da sind: zum einen der Schrecken angesichts der Notfallsituation, der Schutzreflex für den Patienten, Schuldgefühle, Schüchternheit, Scham, der Status „Schwieger…“ und die Tatsache, dass Angehörige oft erschöpft sind und eigentlich dringend Schonung bräuchten. Das Team kennt nicht das intrafamiliäre „Problemfeld“, das oft zentrale Konflikte birgt wie beispielsweise unterschiedliche Haltungen zu lebenserhaltenden Maßnahmen, Sterben, Tod. Beziehungsmuster innerhalb einer Familie bzw. Verwandtschaft, tabuisierte Konflikte, ungelöste Themen und unausgesprochene Störungen, sie alle wirken im Hintergrund und können den persönlichen Zugang zu Angehörigen und eine tragfähige Kommunikation erschweren. In der Notfallsituation werden v. a. Angehörige (aber auch Mitarbeiter des Pflegeteams oder des Altenheims) mit eigenen Ängsten konfrontiert: ureigenste Ängste schlechthin, Ängste, etwas falsch zu machen oder gemacht zu haben, oder Ängste, etwas unterlassen zu haben, das nicht mehr wieder gutzumachen ist.

Welche Absprachen wurden in einer Familie getroffen, was will der Betroffene wirklich in der Notfallsituation? Wie belastbar sind die Angehörigen (noch)? Diese Fragen kann das Notarztteam in der Komplexität der Einsatzsituation oft nicht suffizient erfassen und klären. Auch wenn heute die Patientenverfügung als probates Mittel erscheint, Entscheidungen für Maßnahmen leichter treffen zu können, bleibt oft unklar, in welcher Situation und innerpsychischen Verfasstheit der Patient sie niedergeschrieben hat und inwieweit seine Angehörigen davon wissen bzw. sie anerkennen. Ungeachtet dessen kann ein Notarztteam auch zwischen die Fronten von Angehörigen geraten, bei denen die einen diese Intervention wollen und die anderen sie kategorisch ablehnen. Und die Frage bleibt: Wer steht dem Betroffenen am nächsten und vertritt die Bedürfnisse des Patienten in selbstloser Weise?

Aus diesen wenigen Aspekten wird die Komplexität des familiären Gefüges erahnbar, in der auch notärztliches Handeln zum Konfliktfall werden kann. Da die Notfallsituation für alle Beteiligten auch eine Stresssituation par excellence darstellt, kann in der Kommunikation mit den Angehörigen nicht davon ausgegangen werden, dass sie alles umfänglich verstehen, was ihnen gesagt wird. Für das Notfallteam heißt das, es muss in der Lage sein, eine sog. Krisenkommunikation mit einfachen, kurzen Sätzen, Wiederholungen und Rückfragen zu führen. Das Team kann dabei aber auch rasch überfordert werden, wenn es starken Handlungszeitdruck bzw. etliche Versorgungsmaßnahmen gibt.

Dem unbedingten Hilfe- und Beistandspostulat verpflichtet, sollte sich daher künftig im Rahmen der Notfallmedizin auch eine Form familiärer Krisenintervention installieren und integrieren, sodass die Betreuung von Angehörigen sichergestellt werden kann. Angehörige sind die Lamellen des Patienten, die zu schwingen beginnen, sobald der Patient in Unruhe und Hilflosigkeit gerät. Um dem Patienten angemessen helfen und beistehen zu können, brauchen auch seine Angehörigen Hilfe und Beistand.

Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Notfallbögen

Die Eruierung des Patientenwillens ist in der palliativen Notfallsituation oftmals nicht möglich. Sollte der Patient seinen Willen äußern können, ist dieser für den Notarzt verpflichtend. Eine Möglichkeit zur Sicherung einer dem Willen und Wunsch des nicht mehr kontaktierbaren Patienten entsprechenden Versorgung ist die Erstellung eines sog. Palliativnotfallbogens (Abb. 1). Dieser kann in der Notfallsituation und insbesondere bei möglichen Reanimationssituationen eine für den Notarzt sinnvolle Handlungshilfe sein [18, 52]. Bei entsprechender Abfassung und gezielter Einführung kann er entscheidenden Einfluss auf die Weiterbehandlung des Patienten nehmen [17, 29, 44]. Wichtig ist es, in diesem Zusammenhang auch auf die Besonderheiten bestehender, national unterschiedlicher Gesetzgebungen hinzuweisen. Diese gilt es, bei der Therapieentscheidung zu berücksichtigen. Auch sind Unterschiede im Notarztsystem (z. B. in Deutschland) und im „Paramedic“-System (z. B. USA) zu beachten, da die Entscheidung zur Therapiereduktion für Paramedics ungleich schwieriger ist, als dieses für Notärzte der Fall ist. International wird in diesem Zusammenhang empfohlen, unter Berücksichtigung der landesspezifischen Gesetzgebung, die Gültigkeit von „Do not attempt resuscitation orders“ bzw. „Allow-natural-death“-Verfügungen zu verbessern [21, 25, 38, 45]. Zusätzlich scheinen spezielle Palliativprotokolle für Notfallmediziner eine sinnvolle Ergänzung zu bestehenden Verfügungen zu sein [2, 29, 34].

In diesem Zusammenhang ist die Erstellung von Notfallplänen oder die Einrichtung einer Kopie der Krankenakte beim Patienten vorgeschlagen worden, um in Notfallsituationen für den dann akut behandelnden Arzt Informationen über Erkrankung, Verlauf und Therapieabsprachen bereitzustellen [26, 30, 49]. Das Schließen von Informationslücken wird für die Verbesserung der Qualität der Versorgung am Lebensende als essenziell angesehen, da unangemessene Entscheidungen gerade hier oftmals durch solche Defizite ausgelöst werden [11]. Die besondere Problematik des neuen Betreuungsgesetzes (§§ 1901, 1902, 1904 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) für die Notfallmedizin konnte in der vorgestellten Untersuchung nicht abschließend geklärt werden, da hierzu auch eine besondere Rechtsexpertise notwendig gewesen wäre. Lösungsvorschläge hierfür bleiben weiteren Studien vorbehalten. Ein zusätzliches Problem für Notfallmediziner besteht in der Stärkung des Betreuers bzw. Vorsorgebevollmächtigten durch das neue Betreuungsgesetz zur Patientenverfügung. Gerade im Notarztdienst sind Konstellationen denkbar, in denen der Betreuer nicht verfügbar ist und somit nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen werden kann oder aber der Betreuer selbst den Rettungsdienst alarmiert hat und der Wille des Patienten aufgrund möglicher psychosozialer Überlastung durch den Betreuer nicht unbedingt vertreten sowie umgesetzt wird. Hierdurch können Konflikte entstehen, die die Therapie beeinflussen. Der eigene Wille des Betreuers und nicht der des Patienten kann dann vordergründig werden und den Notfallmediziner in seinem therapeutischen Vorgehen „manipulieren“. An dieser Stelle wird auch auf die medizinische Indikation zur Therapie oder aber eben zur Therapielimitierung verwiesen. Durch diese wird der Wille des Patienten bzw., wie hier dargestellt, des Betreuers sekundär und dem Notfallmediziner gesetzlich erlaubt, entsprechend der ärztlichen Heilkunst zu handeln. Diese Indikationsstellung wird sicherlich auch in der notfallmedizinischen Akutentscheidung eine zunehmende Bedeutung für das Handeln erfahren.

Vorabdefinitionen und Differenzierung zwischen einem „sterbenden Patienten“ und einem Palliativpatienten

Ein wichtiger Aspekt für die Notfallmedizin ist die Definition eines Palliativpatienten bzw. einer palliativen Erkrankungssituation. Hierzu kann die Einteilung des individuellen Krankheitsstadiums durch an der Therapie des Patienten beteiligte Institutionen für weitere Therapieentscheidungen hilfreich sein (z. B. Palliativphase, Terminalphase, Finalphase der Erkrankung). Im Rahmen der Benennung eines beispielsweise rein palliativmedizinischen, weiteren Versorgungsansatzes sollte dieses nicht nur mit dem Patienten und den betreuenden Angehörigen besprochen, sondern auch schriftlich fixiert und dokumentiert werden. Die Definition des Neologismus Palliativpatient und Handlung entsprechend einer solchen Klassifizierung des Patienten erscheint den Experten in der Akutsituation durch den Notfallmediziner nur bedingt durchführbar. Die Verständigung auf den Terminus „Mensch in existenzieller Krise“ wird jedoch der besonderen Situation des Palliativpatienten und auch des sterbenden Patienten nicht alleingültig für die Palliativmedizin gerecht und kann ebenso durch die Notfallmedizin erfolgen. Somit werden auch durch dieses Konstrukt der Palliativpatient und seine besondere Situation nicht ausreichend für den Notfallmediziner fassbar und kenntlich gemacht. In diesem Zusammenhang wurde sich auf die Definition „palliative Krankheitssituation“, die durch Vorbehandler und den Patienten als existent bezeichnet wird, als hilfreich und ggf. wegweisend für die weitere Therapie geeinigt. Weiterhin sind die Zielsetzungen und die Erwartungen des Patienten an mögliche weitere therapeutische Verfahren und Möglichkeiten bei bestimmten Symptomexazerbationen kurz und prägnant schriftlich sowie für den Notfallmediziner ersichtlich zu dokumentieren. Dieses erscheint den Experten wichtig, da ein palliativmedizinisches Krankheitsstadium nicht auch gleichbedeutend mit einem sterbenden Patienten ist und ebenfalls nicht in jedem Fall zu einer Therapiebegrenzung führen muss. Die notfallmedizinische Handlung kann somit entsprechend vorab definierter Vorgaben erfolgen [36]. Die Autonomie des Notfallmediziners wird hierdurch jedoch nicht außer Kraft gesetzt.

Notfallmedizin als präventive Unterstützung palliativmedizinischer Akutsituationen

Im Jahr 2008 wurde in den USA eine neue Begrifflichkeit, die palliative Notfallmedizin/der palliative Notfall, implementiert [32]. In Deutschland werden diese Situationen als palliativmedizinisch begründete Notfallsituationen bezeichnet [47]. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den USA und Deutschland besteht in der Art des notfallmedizinischen Systems. So sind palliative Notfälle überwiegend auf Patienten bezogen, die Notfallambulanzen („emergency departments“) aufsuchen, d. h., der Patient kommt zum Arzt. In Deutschland dagegen kommt der Arzt in der Akutsituation zum Patienten (arztbasiertes vs. Paramedic-basiertes Notfallsystem). Die Probleme, die in der Patientenversorgung bestehen, sind allerdings ähnlich, sodass auch die Lösungsvorschläge vergleichbar sind. Wichtig ist für die Experten der vorgestellten Untersuchung, dass nicht nur die Notfallmedizin von der Palliativmedizin lernt, sondern auch der umgekehrte Prozess stattfindet. So sind für zahlreiche Palliativmediziner die Interessen und Belange, aber auch die Probleme der Notfallmediziner nur begrenzt nachvollziehbar, da die Kombination aus Notfall- und Palliativmediziner nur selten als Expertise vorhanden ist [50, 51]. Aus diesem Grund wird auch seitens der Experten empfohlen, Palliativmediziner an die Besonderheiten der Notfallmedizin heranzuführen und ggf. auch die Notfallmedizin als präventive Vorsorge zu nutzen. Hierbei ist z. B. die Nutzung notfallmedizinischer Leitstellen sinnvoll, um eine zielgerichtete Versorgung des Patienten bereits mit dem Notruf beginnen zu lassen [9, 10]. Ein Überlegungsansatz ist, dass bei Notfallanrufen durch Angehörige von Palliativpatienten im fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung, die über die jeweilige Rettungsleitstelle bearbeitet werden, auch ein PCT in die Primärversorgung integriert wird. Dieses könnte dann primär die entsprechenden Patienten zu Hause besuchen und ggf. therapieren. Durch die Integration des PCT in die speziellen notfallmedizinischen Strukturen ist auch eine palliativmedizinische symptomorientierte Therapie in Notaufnahmen denkbar und sinnvoll [36, 39]. Als Einsatzstichwort für die Leitstellendisponenten könnte hierbei „Tumorpatient/Palliativpatient“ dienen. Allerdings sind Meldebilder in der Notfallmedizin oft vage. Erfahrene und entsprechend ausgebildete Leitstellenmitarbeiter könnten jedoch anhand des Meldebilds eine mögliche Palliativsituation abfragen und somit schon im Vorfeld ein PCT in die weitere Versorgung einbinden. Eine mögliche Hilfe könnte, nach Einverständnis durch den Patienten, die Hinterlegung der Besonderheiten dieses Patienten in der jeweiligen Leitstelle sein. Zur Nutzung dieser Strukturen müssen aber auch Palliativmediziner in die Besonderheiten der notfallmedizinischen Handlungsabläufe eingewiesen werden.

Handlungsketten zugunsten der Optimierung einer angemessenen Patientenversorgung

Die Förderung der Integration vorhandener palliativmedizinischer und hospizlicher stationärer Strukturen in die bestehenden notfallmedizinischen Bereiche muss ein wesentlicher Bestandteil einer optimierten und bedürfnisorientierten Therapie von palliativen Notfällen sein [50]. In diesem Zusammenhang erscheint den Experten v. a. die Präsentation der Möglichkeiten individuell für den einzelnen Rettungsdienstbereich von besonderer Bedeutung. International werden für Notfallaufnahmestationen solche Vorgehensweisen bereits empfohlen [1, 36]. Der Notfallmediziner und der Rettungsdienstmitarbeiter müssen die entsprechenden stationären palliativmedizinischen Versorgungsmöglichkeiten kennen. Der Notfallmediziner kann somit den Patienten nach Rücksprache einer geeigneten weiteren stationären Versorgung zuführen. Ein solches Konzept ist u. a. bei kardiologischen, traumatologischen, neurologischen und pädiatrischen Notfällen bereits gängige Praxis in der Notfallmedizin. Allerdings muss eine enge Absprache zwischen den entsprechenden, an der Patientenbetreuung beteiligten Institutionen erfolgen, da auch im stationären palliativmedizinischen und insbesondere hospizlichen Bereich Bereitschaft bzw. die Möglichkeit zur Aufnahme des Patienten bestehen und Vorsorge getroffen werden muss. Hier soll als mögliches hilfreiches Beispiel ebenfalls die Integration von Rettungsleitstellenstrukturen genannt sein, die durchaus auch Palliativbetten in den Kliniken bereits während der notärztlichen Therapie abfragen und somit zur weiteren Versorgung der Patienten beitragen können.

Limitationen der Untersuchung

Das Untersuchungsdesign weist einige Limitationen auf. Durch ein Expertengespräch können lediglich Meinungen einzelner Experten in der Gruppe zu einem Konsens geführt werden. Aufgrund der Auswahl der Teilnehmer ist ein Bias in der Selektion sicher nicht auszuschließen. Diese Limitation kann insofern bedingt entkräftet werden, da die Teilnehmerauswahl von einer bezüglich des Konsenses unabhängigen Person erfolgt ist, sodass kein eigenständiger Zusammenschluss möglich war. Es kann sich bei den Ergebnissen nur um Empfehlungen handeln, die von den entsprechenden Gremien der Fachgesellschaften weiter bearbeitet und ggf. in der Folge umgesetzt werden müssen. Aktive Handlungsweisen können nicht entstehen. Weiterhin weist eine solche Zusammenkunft einen Bias bezüglich der Empfehlungen auf, da im Fall der vorgestellten Untersuchung überwiegend in der Notfall- und Palliativmedizin tätige Ärzte zur Thematik geladen waren. Meinungen anderer Experten (beispielsweise Medizinethiker, Juristen, Geistliche, Pflege sowie weiterer medizinischer Fachdisziplinen), die im Kontext der Palliativmedizin und der Betonung des interdisziplinären sowie multiprofessionellen Handelns unabdingbar sind, waren an der Erarbeitung der Empfehlungen nicht beteiligt. Inwieweit sich die Empfehlungen in die gängige Versorgungspraxis integrieren lassen bzw. überhaupt integrierbar sind, kann ebenfalls an dieser Stelle nur bedingt auf Basis bereits bestehender Ansätze dargestellt werden. Der klinische Nutzen für den Patienten ist allerdings durch die Erstellung der Empfehlungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzubilden und bedarf weiterer Untersuchungen.

Fazit für die Praxis

Akute häusliche Notfallsituationen bei Palliativpatienten im weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium stellen in Deutschland keine Seltenheit dar. Durch Änderungen bzw. Verbesserungen der Vorsorgestrukturen lassen sich einerseits Notarzteinsätze bei dieser Patientengruppe reduzieren und andererseits Klinikeinweisungen vermeiden. Insgesamt ist durch die Verbesserungen ebenfalls eine dem Patientenwillen adaptierte Therapie bzw. Therapielimitierung denkbar. Nach Expertenmeinung als Konsens dieser Untersuchung dienen folgende Lösungsansätze dazu, mögliche Konfliktfelder zwischen einer palliativ- und notfallmedizinischen Akuttherapie zu reduzieren.

Inwieweit sich diese Vorschläge in die präklinische und klinische Struktur integrieren lassen, muss in weiteren Untersuchungen geklärt werden. Ob hierdurch eine qualitative Verbesserung der Patientenversorgung am Lebensende resultiert, muss ebenfalls Inhalt zukünftiger Studien sein.