Die venöse Punktion beim wachen Kind ist für die kleinen Patienten ein sehr unangenehmer Teil der Narkoseeinleitung. Allerdings ist diese Prozedur oft unumgänglich, wenn keine inhalative Einleitung durchgeführt werden kann. Zur Schmerzreduktion wird in diesen Fällen oft ein Lokalanästhetikumpflaster eingesetzt. Die vorgestellte Studie untersuchte erstmals die Wirksamkeit von Rapydan® im Vergleich zum bewährten EMLA® Pflaster bei der Venenpunktion von Kindern nach einer sehr kurzen Einwirkzeit von nur 30 min.

Lokalanästhetikumpflaster

Das bisher am häufigsten verwendete Präparat ist ein Gemisch aus Lidocain und Prilocain (je 25 mg, EMLA®, AstraZeneca, Wedel, Deutschland; [5, 6, 10]), das eine etwa einstündige Einwirkzeit benötigt, um eine befriedigende Wirkung zu entfalten. Häufig führt das Pflaster zu einer verquollenen, blassen Hautoberfläche, die die Sichtbarkeit der Venen und damit den Punktionserfolg u. U. beeinträchtigt [6, 10]. Um diesen Nachteil auszugleichen, wird das Pflaster in der klinischen Praxis häufig etwa 30 min vor der geplanten Punktion entfernt.

Das Rapydan®-Pflaster (Eusa Pharma GmbH, München, Deutschland; [3, 7, 11]) ist ein neu entwickeltes System zur lokalen Anwendung mit 70 mg Lidocain und 70 mg Tetracain. Es enthält außerdem eine Komponente, die Wärme frei setzt (26–34°C), um die Resorption der Lokalanästhetika zu beschleunigen. Dadurch beträgt die empfohlene Einwirkdauer laut Fachinformation nur 30 min. Das Präparat ist seit Februar 2008 in Europa für Kinder ab 3 Jahren zugelassen.

Vergleichende Studie

Patienten und Methoden

Das Design dieser Anwendungsbeobachtung war randomisiert, monozentrisch, prospektiv und einfach verblindet. Nach Einwilligung durch die Sorgeberechtigten wurden 200 Kinder im Alter von 3 bis 13 Jahren, die sich einem elektiven ambulanten Eingriff unterziehen sollten, 2 Gruppen zugeteilt: Kinder der Gruppe E erhielten 2 EMLA®-Pflaster, Kinder der Gruppe R 2 Rapydan®-Pflaster, jeweils auf Handrücken und Ellenbeuge. Ausschlusskriterien waren fehlendes Einverständnis, Unverträglichkeit einer der verwendeten Substanzen, präoperative Einnahme von Analgetika, eine Klassifikation der American Society of Anesthesiologists (ASA) >2 und das Fehlen sichtbarer Gefäße an Handrücken oder Ellenbeuge.

Die Patienten erhielten Midazolamsaft (0,3 mg/kgKG) und die Pflaster 30 min vor dem geplanten Beginn der Narkoseeinleitung durch eine Anästhesiefachpflegekraft. Kurz vor dem Transport in den OP wurden die Pflaster entfernt. Die Venenpunktion erfolgte mit einer 22-G-Venenverweilkanüle, zunächst am Handrücken, im Fall einer Fehlpunktion sekundär in der Ellenbeuge.

Beurteilung der Punktionsschmerzen

Primärer Endpunkt der Studie war die Inzidenz der Punktionsschmerzen, sekundärer Endpunkt die Intensität der Schmerzen. Dabei wurden durch einen Facharzt für Anästhesie motorische und verbale Reaktionen anhand des folgenden Scores beurteilt:

  • 0: keine Reaktion,

  • 1: leichte Bewegung und/oder Grimassieren,

  • 2: leichtes Wegziehen und/oder Weinen und

  • 3: starke Abwehr mit dem ganzen Körper und/oder Schreien.

Alle Werte >0 wurden als Schmerzreaktion eingestuft.

Beurteilung der Haut und des Punktionserfolgs

Die Beurteilung der Punktionsstelle erfolgte bei allen Patienten durch denselben Facharzt für Anästhesie, der weder beim Aufbringen noch beim Entfernen der Pflaster anwesend gewesen war, anhand folgender Kriterien.

Die Hautrötung wurde mit einem Score von 1 bis 5 beurteilt:

  • 1: sehr blass,

  • 2: blass,

  • 3: normal wie unbehandelte Haut,

  • 4: leicht gerötet und

  • 5: stark gerötet.

Die Sichtbarkeit der Venen wurde mit einer Skala von 1 bis 4 bewertet:

  • 1: gut sichtbar,

  • 2: mäßig sichtbar,

  • 3: kaum sichtbar

  • 4: nicht sichtbar.

Zusätzlich wurden die Fälle dokumentiert, in denen die Punktion am Handrücken nicht gelang. Falls sie an beiden anästhesierten Bereichen nicht möglich war, wurde eine inhalative Narkoseeinleitung durchgeführt.

Statistik

Für die Auswertung wurde das Softwaresystem Sigma Stat for Windows 2.03 (SPSS Inc., USA) verwendet. Die Auswertung erfolgte mithilfe des Mann-Whitney Rangsummentests [Alter, Größe, Gewicht, Body-Mass-Index (BMI), Einwirkzeit, Schmerzintensität, Rötung, Venensichtbarkeit] oder des χ2-Tests (Geschlecht, Schmerzinzidenz). Die Gruppengröße wurde prospektiv anhand folgender Kriterien abgeschätzt: Um mit einer „power“ β=90% und einer Irrtumswahrscheinlichkeit von α=0,05 eine Reduktion der Inzidenz einer Schmerzreaktion um die Hälfte (von 30 auf 15%) zu erfassen, war es notwendig, insgesamt 174 Patienten in die Studie aufzunehmen.

Ergebnisse

Es traten keine unerwünschten Ereignisse oder Komplikationen auf, sodass alle 200 Kinder in die Auswertung einbezogen werden konnten. Sie unterschieden sich nicht hinsichtlich demografischer Daten, mit Ausnahme des Alters, das in Gruppe E im Median 6 Jahre (25./75. Perzentile: 4/8,5 Jahre) und in Gruppe R im Median 7 Jahre (25./75. Perzentile: 5/10 Jahre; p=0,045) betrug. Die Einwirkzeit der Pflaster betrug in beiden Gruppen 35 min (Tab. 1).

Tab. 1 Demografische Daten und Einwirkzeit

Die Inzidenz von Schmerzen unterschied sich signifikant: Eine Schmerzreaktion zeigten 46 Kinder der Gruppe E und 12 Kinder der Gruppe R (p<0,001; Abb. 1 a). Auch hinsichtlich der Stärke der Schmerzen ergab sich ein signifikanter Unterschied: Ein Score von 1 (leichte Bewegung/Grimassieren) trat in 24% der Fälle in Gruppe E und 10% der Fälle in Gruppe R auf. Einen Score von 2 (leichtes Wegziehen/Weinen) zeigten in Gruppe E 13%, in Gruppe R aber lediglich 1% der Kinder. Ein Score von 3 (starke Abwehr/Schreien wurde bei 9% in Gruppe E, jedoch nur bei 1% der Kinder in Gruppe R beobachtet (p<0,001; Abb. 1 b).

Abb. 1
figure 1

a Inzidenz von Schmerzen in beiden Gruppen.*p<0,001 für EMLA® vs. Rapydan®. b Schmerzreaktion auf die Venenpunktion. Verteilung der verschiedenen Schmerz-Scores in den Gruppen. 0 keine Reaktion, 1 leichte Bewegung und/oder Grimassieren, 2 leichtes Wegziehen und/oder Weinen, 3 starke Abwehr mit dem ganzen Körper und/oder Schreien.*p<0,001 für Rapydan® vs. EMLA®

Während die Haut der Kinder aus Gruppe E häufig blass imponierte, trat bei den Kindern der Gruppe R eher eine Rötung der Punktionsstelle auf (p<0,001; Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Rötung der Punktionsstelle. *p<0,001 für Rapydan® vs. EMLA®

Im Hinblick auf die Sichtbarkeit der Venen konnten keine Unterschiede ermittelt werden (Medan: 2; 25./75. Perzentile: 1/2 in Gruppe E vs. Median: 1; 25./75. Perzentile: 1/2 in Gruppe R). Auch die Zahl von notwendigen Zweitpunktionen oder einer Inhalationseinleitung aufgrund zweimal fehlgeschlagener Venenpunktion war in beiden Gruppen vergleichbar hoch (Tab. 2).

Tab. 2 Venensichtbarkeit, Notwendigkeit von Zweitpunktionen oder Inhalationseinleitungen

Diskussion

Präparate für die topische Anästhesie

Eine topische Anästhesie vor Venenpunktion gehört in der Kinderanästhesie in den meisten Abteilungen zum anästhesiologischen Standard, um den kleinen Patienten die Belastung durch die schmerzhafte Punktion zu ersparen [6]. Ein bewährtes und häufig verwendetes Präparat ist das EMLA®-Pflaster, ein Gemisch aus jeweils 25 mg Lidocain und Prilocain. Die Effektivität von EMLA® konnte in einer Reihe von Publikationen nachgewiesen werden. Allerdings benötigt EMLA® etwa 1-h-Einwirkzeit, um eine zufriedenstellende Wirkung zu entfalten [5, 6, 10]. Dies verzögert den Ablauf in der klinischen Praxis oft. Unterschiede zwischen den beiden zur Verfügung stehenden Applikationsformen, Pflaster bzw. Creme, scheinen eine untergeordnete Rolle zu spielen [2, 8].

In der vorgestellten Arbeit wurde die Effektivität eines neu entwickelten Lidocain-Tetracain-Pflasters (Rapydan®) zur topischen Anästhesie vor Venenpunktion bei Kindern mit dem Lidocain-Prilocain-Pflaster (EMLA®) verglichen. Rapydan® enthält neben den Lokalanästhetika eine zusätzliche Schicht aus Eisenpulver, medizinischer Kohle, Natriumchlorid und Holzmehl, die nach Entfernen der Hülle durch Kontakt mit Sauerstoff aktiviert wird und in einer exothermen chemischen Reaktion Wärme freisetzt. Dabei entstehen Temperaturen von 26–34°C, die zu einer beschleunigten Resorption der Lokalanästhetika führen. Schädigungen durch übermäßige Erwärmung der Haut wurden bisher nicht beobachtet. In der Fachinformation wird allerdings empfohlen, keinen zusätzlichen Okklusivverband über dem Pflaster anzubringen, um eine Hautschädigung durch einen übermäßigen Wärmestau zu vermeiden.

Analgesiequalität

In der Rapydan®-Gruppe zeigte sich eine deutlich bessere Analgesiequalität. Während in dieser Gruppe R nur 12% der Kinder eine Schmerzreaktion zeigten, war dies in Gruppe E bei 46% der Fall. Auf diese Weise bestand nicht nur ein statistisch signifikanter, sondern aus Sicht der Autoren auch ein klinisch sehr bedeutsamer Unterschied zwischen den Gruppen.

Einwirkdauer

Die kurze Einwirkdauer von im Mittel 35 min wurde aus 2 Gründen gewählt: Zum einen empfiehlt die Fachinformation, Rapydan® nach 30 min wieder zu entfernen, um eine zu hohe Lokalanästhetikaresorption zu vermeiden. Zum anderen kann bei einer 30-minütigen Einwirkdauer die orale medikamentöse Prämedikation, die in der Regel bei Kindern mit einem kurz wirksamen Präparat wie Midazolam durchgeführt wird, gemeinsam mit der Pflastergabe vorgenommen werden. Dieses Vorgehen spart Arbeitszeit und reduziert die Zahl notwendiger Patientenkontakte vor der Einleitung, die ängstliche Kinder u. U. beunruhigen. Für Rapydan® konnte in 2 Studien eine Wirksamkeit im Vergleich zu Placebo nach einer Einwirkdauer von 20 min bei Probanden [3] bzw. Kindern [12] beobachtet werden.

Bei einer längeren Einwirkdauer der Pflaster wären die Ergebnisse möglicherweise anders ausgefallen. Vergleichende Untersuchungen zwischen Rapydan® und EMLA® bei Kindern wurden bisher noch nicht publiziert. Bei erwachsenen Freiwilligen konnte jedoch gezeigt werden, dass Rapydan® bei einer Einwirkdauer unter 60 min signifikant besser wirkte, während nach 60 min keine Unterschiede zu EMLA® mehr zu beobachten waren [11]. Diese Ergebnisse stützen die Beobachtungen der vorliegenden Untersuchung.

Venenpunktionsschmerz

Eine sedierende, anxiolytische Prämedikation kann durchaus großen Einfluss auf den Venenpunktionsschmerz nehmen. Ängstliche Kinder mit normaler Vigilanz reagieren sicher ausgeprägter auf die Venenpunktion als angstfreie Kinder oder solche, die bereits ein gewisses Maß an Müdigkeit mitbringen. In der vorgestellten Arbeit war die orale Prämedikationsdosis mit 0,3 mg/kgKG Midazolam für alle Kinder festgelegt. Die Verabreichung des Midazolamsaftes erfolgte zeitgleich mit der Pflasterapplikation; der zeitliche Abstand zur Venenpunktion betrug somit in beiden Gruppen 35 min. Es kann daher von einem vergleichbaren durch die Prämedikation vermittelten anxiolytischen bzw. sedierenden Effekt in beiden Gruppen ausgegangen werden. Eine Beeinflussung der in den Gruppen beobachteten unterschiedlichen Reaktionen auf die Venenpunktion durch die medikamentöse Prämedikation erscheint deshalb nicht wahrscheinlich.

Limitationen

Ein methodisches Problem dieser Arbeit war die korrekte Verblindung des Untersuchers. Zwar konnten die Pflaster von einer anderen Person aufgebracht und wieder entfernt werden. Allerdings war die Gruppenzughörigkeit durch die in Gruppe R auftretende Hautrötung oft unschwer zu erkennen. Für die Veränderung der Hautfarbe kommt als Ursache neben der Erwärmung auch eine vasodilatierende Wirkung von Tetracain in Gruppe R infrage [13]. EMLA® kann dagegen zu einem Aufquellen der Haut führen, was die Venensichtbarkeit u. U. beeinträchtigt [6, 10]. Dieses Phänomen besteht nur vorübergehend und kann durch eine weitere Wartezeit ausgeglichen werden. Allerdings wird dadurch das Zeitfenster, in dem die schmerzlose Punktion unter guten Bedingungen durchgeführt werden kann, weiter reduziert, und die Abläufe in der klinischen Routine werden verlängert. Hier zeigte sich lediglich ein Trend zu einer besseren Venensichtbarkeit in der Gruppe R ohne statistische Signifikanz. Vielleicht lag dies an der verwendeten Skala, bei der die bestmögliche Klassifizierung nur „gut sichtbar“ war, die schlechteste „nicht sichtbar“. Dadurch wurde nicht zwischen guten und sehr guten Bedingungen unterschieden. Die Mehrzahl der Patienten in der Gruppe R erhielt die bestmögliche Bewertung. Eventuell hätte die Wahl einer Skala mit einer differenzierteren Beurteilungsmöglichkeit, z. B. mit der besten Bewertung „sehr gut sichtbar“, eine bessere Diskriminierung der Venensichtbarkeit erlaubt.

Erfolgsquote der Venenpunktionen

Die pflasterbedingten Hautveränderungen hatten keinen Einfluss auf die Erfolgsquote der Venenpunktionen in den jeweiligen Gruppen. Die Zahl der Fehlpunktionen war allerdings insgesamt relativ gering, vermutlich weil der durchführende Facharzt ein Oberarzt mit langjähriger klinischer Erfahrung war. Ob eine durchaus vorstellbare grundsätzlich höhere Fehlpunktionsrate bei weniger geübten Kollegen zu einem signifikanten Unterschied im Punktionserfolg zwischen den Gruppen geführt hätte, kann anhand dieser Daten nicht beurteilt werden. Unter den vorliegenden Bedingungen war die Zahl der Fehlversuche nicht ausreichend groß, um Unterschiede zwischen den Gruppen aufzudecken.

Nebenwirkungsprofil

Beide Präparate haben ein Nebenwirkungsprofil, das in der klinischen Praxis beachtet werden sollte. Der Prilocainzusatz im EMLA®-Pflaster kann bei unkritischer Dosierung zu einer Methämoglobinämie führen [1, 6]. Das im Rapydan®-Pflaster enthaltende Tetracain dagegen hat als Esterderivat ein höheres Potenzial, allergische Reaktionen auszulösen, als die mittlerweile in der Anästhesie hauptsächlich verwendeten Lokalanästhetika vom Amidtyp [9]. Zusätzlich ist die Lokalanästhetikamenge im Präparat Rapydan® deutlich höher als im EMLA® Pflaster. Aus diesem Grund wird Rapydan® in der Fachinformation erst für Kinder ab 3 Jahren empfohlen (maximal 1 bis 2 Pflaster), während EMLA® auch für Säuglinge zugelassen ist und in der Altersgruppe von 1 bis 5 Jahren eine Höchstdosis von immerhin 10 Pflastern möglich wird.

Engberg et al. [4] bestimmten die Plasmakonzentrationen von Methämoglobin, Lidocain- und Prilocain bei Säuglingen, die EMLA® erhalten hatten. Dabei traten nur sehr niedrige, klinisch nichtrelevante Methämoglobinspiegel auf; die Werte für Lidocain und Prilocain lagen stets unterhalb der toxischen Grenze. Für Rapydan® wurden bisher keine Ergebnisse pharmakokinetischer Untersuchungen zur Resorption von Lidocain oder Tetracain bei Kindern publiziert. Die einzig verfügbaren Daten stammen aus der Fachinformation, in der die Tetracainspiegel bei Kindern unterhalb der Nachweisgrenze blieben, der höchste gemessene Lidocainspiegel betrug 331 ng/ml und lag damit deutlich unterhalb einer Plasmakonzentration, die mit toxischen Nebenwirkungen einhergeht (etwa 5000 ng/ml).

Fazit für die Praxis

Die vorgestellte Untersuchung kann aufgrund der methodischen Einschränkungen als ein erster Hinweis darauf gewertet werden, dass Rapydan® dem EMLA® im Hinblick auf die Analgesie überlegen sein könnte. Im Hinblick auf die Venenpunktiontrefferquote scheint es keinen Vorteil zu geben.