Das Risiko unter einer Allgemeinnarkose eine „awareness“ zu erleiden, wird mit 0,2–0,4% angegeben [2, 11, 18]. Unterschieden wird hierbei die Awareness ohne Erinnerung von der mit bewusster Wahrnehmung. Bei der Wahrnehmung kann es sich um Schmerzereignisse, Geräusche, Gespräche bis hin zu dem kompletten Erleben der Operation handeln. Es ist erwiesen, dass sowohl Awareness mit aber auch ohne Wahrnehmung zu schweren posttraumatischen Störungen führen kann. Diese reichen von leichten Schlafstörungen bis zu immer wiederkehrenden Alpträumen der erlebten Situation; sie können zu Vermeidungsverhalten führen, sich einer Narkose und Operation nicht wieder auszusetzen, oder auch in schweren Depressionen enden. Viele Patienten prägt ein solches Erlebnis ihr weiteres Leben [5].

Awareness kann in jeder Phase der Narkose, bei jeder Patientengruppe und jedem Eingriff auftreten. Ein erhöhtes Risiko ist jedoch für Patienten beschrieben, die sich einem kardiochirurgischen Eingriff unterziehen müssen. Gehäuft sind weiterhin hämodynamisch instabile Patienten nach Trauma aber auch Patientinnen während geburtshilflicher Eingriffe und adipöse Patienten betroffen [2, 6, 11].

Die Narkosesteuerung erfolgt heute zumeist anhand von Veränderungen vegetativer autonomer Parameter, die im sog. PRST-Score („pressure, rate, sweating, tears“) zusammengefasst sind. Spezifität und Sensitivität dieser Parameter sind zur Sicherung einer adäquaten Narkosetiefe unzureichend [5, 19]. Auch die motorische Reaktion auf einen Schmerzreiz lässt keinen adäquaten Rückschluss auf den Bewusstseinszustand zu. Bereiche des höheren zentralen Nervensystems, die das Bewusstsein steuern, können durchaus adäquat betäubt sein, während die vom Rückenmark gesteuerten motorischen Reaktionen nicht vollständig unterdrückt sind [1, 7].

Ein Ansatz zur Erfassung der Narkosetiefe besteht in der Ableitung des Elektroenzephalogramms (EEG). Da eine routinemäßige Analyse der Roh-EEG-Daten intraoperativ nicht möglich ist, wurden verschiedene Methoden der prozessierten EEG-Analyse in die Klinik eingeführt. Die Wirkung von Anästhetika konnte so mithilfe linearer Methoden anhand von Veränderungen des Leistungsspektrums („power“, Frequenz) in Form der spektralen Eckfrequenzen (SEF) des EEG nachgewiesen werden. Weiterentwicklungen in Form der multivarianten nichtlinearen EEG-Analyse, wie der in dieser Studie verwendete Bispektralindex (BIS), oder akustisch evozierte Potenziale führen zu besseren Ergebnissen bezüglich der Einschätzung der Hypnosetiefe.

Ein besonders starker Schmerzreiz ist, neben dem Hautschnitt, die Intubation des Patienten. Somit ist dieser Zeitpunkt der Narkose auch mit einem erhöhten Risiko für eine Awareness verbunden. Einleitung und Intubation werden üblicherweise mit der Bolusapplikation eines Analgetikums und eines Hypnotikums begonnen, dem ein Muskelrelaxanz für die Intubation folgt. In einer Studie von Schneider et al. [12] konnte gezeigt werden, dass bei BIS-Werten zwischen 50 und 60, die als ausreichende Narkosetiefe während der Operation gelten, 8 von 20 Patienten bei der Intubation eine Awareness-Reaktion ohne Erinnerung zeigten. Wie hoch oder wie tief die BIS-Werte zur Intubation in der täglichen Routine wirklich sind, wie hoch das Risiko für eine Awareness eingeschätzt werden muss und ob es Unterschiede zwischen den Narkotika gibt, dies festzustellen, war Ziel unserer Untersuchung.

Methoden

Nach dem Einverständnis durch die Ethikkommission der Universität Rostock, wurden in einer randomisierten, verblindeten Studie 60 Patienten der Risikoklassifizierung American Society of Anesthesiologists (ASA) I und II, die sich einem elektiven chirurgischen Eingriff unterzogen, in die Studie einbezogen. Alle Patienten hatten ihr schriftliches Einverständnis zu dieser Studie gegeben.

Ausgeschlossen wurden Patienten, die unter 18 oder über 65 Jahre alt waren, eine Abweichung des idealen Körpergewichtes von ±30% des Broca-Index aufwiesen, eine neurologische oder psychiatrische Vorerkrankung hatten, Sedativa oder Psychopharmaka einnahmen, einen Drogen- oder Alkoholabusus betrieben, Patientinnen in der Schwangerschaft oder in der Stillzeit, Patienten mit Elektrolytentgleisungen oder einer Mehrfachkombination blutdruckwirksamer Medikamente.

Die Patienten erhielten 20–30 min vor dem Abruf in den Operationssaal körpergewichtbezogen 7,5–11,25 mg Midazolam oral. Die Narkoseeinleitung erfolgte standardisiert mit 30 µg/kgKG Alfentanil über 30 s. Die Gruppen unterschieden sich nur durch das zur Narkoseeinleitung applizierte Hypnotikum. In Gruppe 1 (n=30) erhielten die Patienten Thiopental in einer Dosierung von 5 mg/kgKG und in Gruppe 2 (n=30) Propofol in einer Dosierung von 2 mg/kgKG. Im Anschluss wurden alle Patienten mit 0,15 mg/kgKG Cisatracurium relaxiert.

Die Wahl des Hypnotikums erfolgte randomisiert; der intubierende Anästhesist war dafür verblindet. Die Patienten wurden bis zur Intubation mit 8 l Sauerstoff ventiliert. Eine repetitive Gabe der Einleitungsmedikamente vor der Intubation war nicht zulässig, ebenso durfte vor der Intubation kein volatiles Anästhetikum hinzugefügt werden. Der Blutdruck wurde nach der Narkoseinduktion in Intervallen von einer Minute gemessen; alle anderen Parameter wurden in 12-s-Abständen aufgezeichnet. Die neuromuskuläre Relaxation wurde semiquantitativ mit einem Nervenstimulator nach supramaximaler „Train-of-four- (TOF-)Stimulation“ (60 mA alle 12 s) des N. ulnaris am distalen Unterarm am M. adductor pollicis registriert. Der Intubationszeitpunkt wurde nach visueller Beurteilung der Muskelantworten auf die Nervenstimulation von dem intubierenden Anästhesisten gewählt. Neben den Intubationsbedingungen – nach den „Good-clinical-research-practice- (GCRP-)Empfehlungen“ [17] mit 1 sehr gut, 2 gut und 3 schwierig – wurde der Tränenfluss auf den Intubationsreiz erfasst. Patienten, bei denen der Intubationsvorgang länger als 90 s dauerte, wurden aus der Studie ausgeschlossen.

Alle Patienten wurden innerhalb von 24 h postoperativ bezüglich einer bewussten Awareness anhand des Fragebogens nach Brice et al. [3] befragt.

Ausgewertet wurden BIS-Werte, Herzfrequenz (HF) und systolischer Blutdruck (SYS) zu definierten Zeitpunkten. Neben einem Ausgangswert wurden die Messwerte zum Zeitpunkt der Thiopental-/Propofolgabe, 30 und 60 s nach Gabe des Hypnotikums, vor der Intubation, zur Intubation sowie 30 und 60 s nach der Intubation erfasst. Herzfrequenz und Blutdruck wurden als „heartrate pressure product“ [RPP=(RRSys×HR)/100] [16] zusammengefasst und in die Auswertung übernommen. Berechnet wurden außerdem die in Tabelle 1 aufgeführten Zeitabstände von der Medikamentengabe bis zur Intubation.

Tabelle 1 Zeitspannen von der Medikamentengabe bis zur Intubation

Die demographischen Daten wurden mit dem χ2-Test ausgewertet. Der Vergleich beider Gruppen miteinander erfolgte mit dem Mann-Withney-U-Test. Die abhängigen Variablen innerhalb einer Gruppe zu den verschiedenen Zeitpunkten wurden mit dem Friedmann-Test und posthoc dem Wilcoxon-Rank-Test bewertet. Nach möglichen Korrelationen wurde mit dem Spearmen-Test gesucht. Da keine normale Verteilung der Daten bei BIS und RPP vorliegt, sind die Ergebnisse als Median und Perzentile (25%, 75%) dargestellt. Die Zeitabstände von den Medikamentengaben bis zur Intubation sind normal verteilt und als Mittelwert (M) mit Standardabweichung (SD) dargestellt. Ein p<0,05 wurde als statistisch signifikant betrachtet.

Ergebnisse

Die Patienten beider Gruppen (Thiopental/Propofol) unterschieden sich nicht signifikant im Alter (MW 43/40 Jahre), im Körpergewicht (MW 77/78 kg) und im Geschlecht (11:19/13:17 w/m).

Die Auswertung der registrierten BIS-Werte und des RPP erfolgte zu 8 definierten Zeitpunkten. Die zeitlichen Abstände der Medikamentengabe, beginnend mit Alfentanil bis zur Intubation, unterschieden sich nicht signifikant zwischen den beiden Untersuchungsgruppen.

Für die registrierten BIS-Werte konnten vom Ausgangswert bis einschließlich 60 s nach der Narkoseeinleitung mit Propofol bzw. Thiopental keine signifikanten Unterschiede nachgewiesen werden. Erst unmittelbar vor der Intubation bis zum Untersuchungsende lagen die BIS-Werte der Propofolgruppe signifikant unterhalb der mit Thiopental eingeleiteten Patienten (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Vergleich der BIS-Werte (Median, 25%,75%) bei Narkoseeinleitung mit Thiopental und Propofol. Ab dem Messzeitpunkt vor Intubation ist p<0,05

Zum Intubationszeitpunkt hatten 17 Patienten der Thiopentalgruppe (56%) einen BIS-Wert zwischen 60 und 82. Demgegenüber fand sich in der Propofolgruppe nur ein Patient (3%) mit einem BIS-Wert über 60. Zum Zeitpunkt 30 s nach Intubation lagen weiterhin 17 Patienten aus der Thiopentalgruppe mit ihren BIS-Werten zwischen 60 und 89 sowie 2 Patienten (7%) der Propofolgruppe bei 69 und 77. Weitere 30 s später lagen 21 Patienten (70%) aus der Thiopentalgruppe mit ihrem BIS-Wert zwischen 60 und 93. Bei den Propofolpatienten lagen 5 Patienten (16%) zu diesem Zeitpunkt mit den BIS-Werten zwischen 60 und 73 (Tabelle 2).

Tabelle 2 Anzahl der Patienten mit BIS ≥60 während und nach Intubation

Die Änderungen sowohl der BIS-Werte als auch des RPP von Zeitpunkt 5 zu 6 und Zeitpunkt 6 zu 7 waren innerhalb der Gruppen signifikant.

Das RPP unterschied sich zu den Zeitpunkten 4–8 signifikant zwischen beiden Gruppen (Abb. 2). Hier zeigte sich zudem eine Korrelation zwischen dem Anstieg der BIS-Werte und dem RPP von Zeitpunkt 5 zu 6.

Abb. 2
figure 2

Vergleich des „rate pressure product“ (RPP; Median, 25%,75%) bei Narkoseeinleitung mit Thiopental und Propofol. Ab dem Messzeitpunkt 60 s nach Hypnotikumgabe ist p<0,05

Untersucht wurde auch der zeitliche Verlauf der BIS-Werte nach Thiopental- bzw. Propofolgabe. Dabei zeigte sich, dass die Patienten der Thiopentalgruppe mit 135+61 s signifikant schneller als die Propofolgruppe mit 164±55 s ihren tiefsten BIS-Wert erreichten. Auch der Wiederanstieg der BIS-Werte in einen für die Awareness kritischen Bereich erfolgte in der Thiopentalgruppe mit 231±81 s schneller als unter Propofolgabe (274±110 s). Die Patienten der Propofolgruppe erreichten einen numerisch signifikant tieferen BIS-Wert mit 30 (28,5/33,5) gegenüber 36,5 (31/41) in der Thiopentalgruppe.

Für die Patienten, die Thiopental zur Einleitung erhielten, untersuchten wir, ob sich Unterschiede im BIS-Wert zwischen den Patienten finden ließen, die zum Zeitpunkt der Intubation oder später einen BIS-Wert über 60 hatten, und denen, die während der gesamten Messzeit mit ihren BIS-Werten unterhalb von 60 blieben. Es zeigte sich, dass Patienten, die zum Zeitpunkt der Intubation einen BIS-Wert ≥60 hatten, bereits 30 s nach der Hypnotikumgabe einen signifikant höheren BIS-Wert aufwiesen als die Patienten, die mit ihrem BIS-Wert zum Intubationszeitpunkt unter 60 lagen.

Die Intubationsbedingungen wurden in beiden Gruppen bei jeweils 29 Patienten mit gut und sehr gut bewertet. In der Thiopentalgruppe reagierten 4 Patienten gegenüber 2 Patienten in der Propofolgruppe mit einer Bewegung, einem Husten- oder Schluckreflex auf den Intubationsreiz.

Die Auswertung der postoperativen Befragung ergab keinen Anhalt für eine bewusst erlebte Awareness.

Diskussion

In dieser Studie wurde die Narkosetiefe bei Intubation unter der Verwendung von 2 mg/kgKG Propofol und 5 mg/kgKG Thiopental als Einleitungshypnotikum untersucht. Diese Medikamente unterscheiden sich in ihrem Kreislaufverhalten nicht wesentlich und werden im anästhesiologischen Alltag für gewöhnlich bei einem vergleichbaren Patientengut eingesetzt.

Um dem anästhesiologischen Alltag gerecht zu werden, wurde ein Modell der Narkoseeinleitung gewählt, dass den klinischen Alltag repräsentiert. Dies umfasst die Abfolge der Medikamentengabe und auch die überwiegend praktizierte Form der Bolusapplikation. Um eine Beeinflussung des Intubationszeitpunkts durch steigende oder hohe BIS-Werte zu verhindern, war der intubierende Anästhesist sowohl für das Hypnotikum als auch für den BIS-Monitor verblindet. Die Festlegung des Intubationszeitpunkts erfolgte ausschließlich aus der visuellen Betrachtung des neuromuskulären Monitorings. Trotz dieses Vorgehens wurden die Propofolpatienten im Schnitt 20 s früher intubiert als die Thiopentalpatienten; diese Zeitdifferenz war nicht signifikant.

Eine mögliche Erklärung wäre eine längere Kreislaufzeit oder eine flachere Narkose in der Thiopentalgruppe. Einen indirekten Hinweis liefert das RPP. Dieses liegt bei den Thiopentalpatienten über dem der Propofolpatienten und deutet damit auf eine schnellere Kreislaufzeit oder eine flachere Narkose bei den Thiopentalpatienten hin.

Auf die besondere Situation des Bewusstseinszustands unter der Intubation geht eine Studie von Schneider et al. [12] ein. Hier wurde mithilfe der isolierten Unterarmtechnik die Reaktion der Patienten auf die Intubation bei einem BIS zwischen 50 und 60 untersucht. Acht von 20 Patienten in dieser Studie zeigten bei der Intubation gezielte Reaktionen, ohne später eine bewusste Awareness anzugeben. Die Autoren fanden außerdem einen signifikanten Anstieg des BIS-Wertes aller Patienten vom Zeitpunkt vor der Intubation zu nach der Intubation. Den Ergebnissen dieser Studie folgend, können BIS-Werte zwischen 50 und 60 zur Intubation als nichtausreichend angesehen werden.

Unabhängig vom Hypnotikum und dem BIS-Wert vor Beginn des Intubationsvorgangs stiegen in unserer Studie alle Patienten signifikant mit ihrem BIS-Wert und dem RPP durch den Intubationsvorgang an. Die Patienten, die durch den Anstieg ihres BIS-Wertes in den Risikobereich für eine Awareness (BIS ≥60) kamen, lagen schon vor der Intubation signifikant höher. Durch den Intubationsreiz stiegen die BIS-Werte bis 60 s nach der Intubation im Mittel um 8 Indexpunkte an. Demnach scheint es sinnvoll zu sein, vor der Intubation einen BIS-Wert ≤50 anzustreben, um eine ausreichend sichere Hypnose während des Intubationsvorgangs zu gewährleisten und Bereiche zu meiden, in denen das Awarenessrisiko steigt.

Den Bewusstseinszustand unter einer Kombination aus Propofol und Alfentanil untersuchte eine Studie von Iselin-Chaves et al. [9]. Diese Studie konnte zeigen, dass 95% aller Patienten bei BIS-Werten zwischen 54 und 63 ohne Bewusstsein waren. Bei BIS-Werten, die höher liegen, nimmt das Risiko einer Awareness jedoch rapide zu und erreicht bei einem BIS von >70 ein 50%iges Risiko der unbewussten Awareness. Bei einem BIS-Wert von >80 liegt das Risiko einer Awareness mit Erinnerung bei 50%. Die Probanden dieser letzten Studie wurden im Unterschied zu unseren Patienten jedoch nicht intubiert, sondern erhielten eine verbale Aufforderung oder einen leichten Schmerzreiz. Die Vermutung liegt daher nahe, dass bei einem Intubationsvorgang und damit deutlich höherem Schmerzreiz das Awarenessrisiko schon bei tieferen BIS-Werten ansteigt, besonders dann, wenn nur eine unzureichende Analgesie vorliegt.

Überträgt man diese Daten auf die von uns gewonnenen Ergebnisse, kommt man zu der Schlussfolgerung, dass von 30 Patienten, die Thiopental erhalten hatten, zum Zeitpunkt der Intubation 17 mit einem BIS ≥60 ein erhöhtes Risiko und 2 von ihnen mit einem BIS ≥80 ein sehr hohes Risiko für eine unbewusste Awareness, sich an den Intubationsvorgang zu erinnern, hatten. Das Risiko sowohl der unbewussten als auch der bewussten Awareness stieg 30 und 60 s nach der Intubation weiter an. Sieben von 17 Patienten mit Awarenessrisiko (BIS ≥60) hatten 30 s nach der Intubation das Risiko eines „recalls“ (BIS ≥80); 8 von 21 hatten dieses Risiko 60 s nach Intubation. Von den Patienten, die Propofol zur Einleitung erhielten, lagen 5 mit ihren BIS-Werten in Bereichen, in denen das Risiko einer unbewussten Awareness zunimmt. In Bereichen, in denen das Risiko einer Awareness mit Erinnerung beginnt, lag keiner dieser Patienten. Es können keine Aussagen über die tatsächliche Awareness gemacht werden, da in der vorliegenden Studie keine isolierte Unterarmtechnik verwendet wurde.

Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass keiner unserer Patienten über eine bewusste Awareness zu berichten hatte. Eine Erklärung dafür mag die Prämedikation mit Midazolam und eine daraus resultierende Amnesie zu dem Ereignis sein. Andererseits konnten sich die Patienten, bis auf wenige Ausnahmen, noch an die Wirkung des Analgetikums unmittelbar vor der Hypnotikumgabe und auch an das Anfluten des Hypnotikums erinnern. Ein weiterer Erklärungsansatz könnte die nicht unmittelbar im Aufwachraum erfolgte Befragung zu einem Wacherlebnis sein. Wennervirta et al. [18] zeigten in ihrer Studie, dass Patienten auch initial bewusste Wacherlebnisse wieder vergessen. Unsere Patienten wussten allerdings, dass sie nach einem intraoperativen Wacherlebnis befragt werden würden, und berichteten zum überwiegenden Teil davon, schon im Aufwachraum über ein Wachheitserlebnis nachgedacht zu haben. Eine weitere mögliche Erklärung könnte sein, dass die Zeitspanne zwischen dem Erreichen eines BIS-Wertes ≥60 und der Intubation plus 2 min, bis die Wirkung eines volatilen oder i.v.-Narkotikums zur Aufrechhaltung der Narkose einsetzt, zu kurz war, um eine bewusste Awareness zu produzieren. Bezieht man sich auf die Ergebnisse der Studie von Iselin-Chaves et al. [9], die bei BIS-Werten ≥80 ein Risiko von 50% für eine bewusste Awareness angeben, kommt man zu der Erkenntnis, dass unser Patientenkollektiv für diesen Nachweis zu klein ist. Es ist natürlich auch möglich, dass die von uns erhobenen BIS-Werte trotz ihrer Höhe ein für den Intubationsvorgang adäquates Narkosestadium widerspiegeln. Diese Möglichkeit erscheint jedoch äußerst unwahrscheinlich, da die Narkosetiefe offensichtlich nicht ausreichend war, einen signifikanten Anstieg der Kreislaufparameter zu verhindern. Dies weist auf ein Abflachen der Narkosetiefe hin, die allerdings nicht nur durch eine unzureichende Hypnose sondern auch durch fehlende oder unzureichende Analgesie ausgelöst werden kann [9].

Das durch stärkere Analgesie bei gleich bleibender Hypnose das Awarenessrisiko gesenkt werden kann, zeigt eine Studie von Coste et al. [4]. Hier konnten durch den zusätzlichen Einsatz von Lachgas zu einer Einleitung mit Propofol und Alfentanil zwar nicht die Anstiege von BIS und Kreislaufparametern unterdrückt werden, es kam jedoch signifikant seltener zu einer Awarenessreaktion bei angewandter isolierter Unterarmtechnik.

Leider zeigt die große Streubreite der BIS-Werte, bei denen eine Awareness auftreten kann, aber durchaus nicht muss, dass der BIS-Monitor nicht zwischen Patienten mit und ohne Awareness unterscheiden kann. Er lässt lediglich die Abschätzung der Risikozunahmes zu [13]. Entscheidend für eine Awareness ist vermutlich auch die Länge des Zeitraums, über den der BIS-Wert erhöht war [7].

Um das offensichtlich vorhandene Risiko einer unbewussten Awareness durch die Intubation und möglicher schwer wiegender Folgen zu reduzieren, sollten gewisse Abläufe des Intubationsvorgangs angepasst werden. So kann bei der Verwendung von Thiopental durch eine höhere Dosis oder durch die Kombination mit einem Muskelrelaxans mit kürzerer Anschlagzeit das Awareness-Risiko gesenkt werden. In einer Studie von Sie et al. [14] wurde Rocuronium, 0,6 mg/kgKG, als Relaxans zu Propofol, 2 mg/kgKG, und Thiopental, 4 mg/kgKG, gewählt. Der Intubationsvorgang wurde innerhalb von 2 min abgeschlossen und liegt damit deutlich unter den durchschnittlich 4 min 30 s, die wir für den abgeschlossenen Intubationsvorgang benötigten. Trotzdem zeigten sich auch hier 120 s nach der Narkoseinduktion Unterschiede der BIS-Werte von Thiopental- und Propofolpatienten mit einem höheren Awarenessrisiko für Thiopental. Eine weitere Alternative bei einem Muskelrelaxans mit langer Anschlagzeit ist die Kombination mit dem länger wirkenden Hypnotikum Propofol oder die repetitive bzw. kontinuierliche Gabe des Hypnotikums vor der Intubation. Die repetitive Gabe eines Hypnotikums gilt immer für einen schwierigen und damit protrahierten Intubationsvorgang. Die häufig praktizierte Methode, ein volatiles Anästhetikum schon zur Maskenbeatmung vor der Intubation einzusetzen, ist im Einzelfall sicherlich möglich, sollte aber wegen der doch steigenden Arbeitsplatzbelastung nicht routinemäßig für jede Intubation durchgeführt werden.

Wichtig ist weiterhin, für ein ausreichendes Analgesieniveau [4, 9] zu sorgen, um den starken Schmerzreiz der Intubation abzufangen und damit einer Abflachung der Narkosetiefe vorzubeugen. Dabei sollte nicht nur die Menge des applizierten Analgetikums sondern auch dessen Pharmakokinetik berücksichtigt werden. Anschlagzeiten und Wirkdauer des Analgetikums sollten Einfluss auf die Reihenfolge der Medikamentengabe haben. So scheint es mit Blick auf die Dauer eines normalen Intubationsvorgangs – in dieser Studie im Schnitt 4 min 30 s – durchaus sinnvoll, bei einem kurz wirksamen Analgetikum einen Teil der Gesamtdosis als Repetitionsdosis kurz vor der Intubation oder die gesamte Dosis erst im Anschluss an das Muskelrelaxanz zu applizieren.

Interessant wäre es sicherlich zu wissen, wie hoch die Anzahl der von uns nicht untersuchten unbewussten Awareness in unserem Patientengut war. Dazu ist zu sagen, dass uns beim Beginn der Studie nicht klar war, wie groß die Unterschiede zwischen den von uns gewählten Hypnotika wirklich sind, und in welchen Dimensionen sich die BIS-Werte bei einem normalen Intubationsvorgang, vor allem nach Trapanal, tatsächlich bewegen. Die Untersuchung wäre dann sicherlich durch die Anwendung der isolierten Unterarmtechnik zum Nachweis der unbewussten Awareness erweitert worden.