Das bundesdeutsche Rettungswesen wird im internationalen Vergleich nach wie vor als beispielhaft und besonders effizient bewertet. Entscheidenden Anteil an dieser exponierten Stellung hat das hierzulande übliche Konzept, speziell ausgebildete Notfallmediziner einzusetzen und somit eine schnelle und differenzierte Notfalltherapie direkt „vor Ort“ zu gewährleisten [5]. Dennoch muss sowohl die individuelle fachliche Qualifikation der aktiv tätigen Notfallmediziner als auch die Qualität der notärztlichen Ausbildung immer wieder überprüft und kritisch diskutiert werden [6].

Trotz offenkundiger Fortschritte in vielen Bereichen der Notfallmedizin wurden in den letzten Jahren auch Defizite im präklinischen Management bestimmter Notfallsituationen deutlich. Gerade auf die Durchführung bestimmter Notfalltechniken, die eine gewisse Invasivität und entsprechende praktische Übung voraussetzen, wird von Notärzten präklinisch immer wieder verzichtet. Beim Traumapatienten wird trotz bestehender Indikation die Anlage einer Thoraxdrainage häufig unterlassen bzw., wenn doch durchgeführt, diese nicht korrekt platziert [10].

Als ebenfalls problematisch erweist sich die Analyse der notärztlichen Qualifikation hinsichtlich des präklinischen Managements pädiatrischer Notfälle. Viele der aktiven Notärzte sehen sich auch heute noch nicht in der Lage, ein schwer verletztes Kind präklinisch adäquat zu versorgen. Die Gründe für die Unsicherheit im Umgang mit „kleinen Patienten“ sind vielfältiger Natur. Eindeutig nachgewiesen ist jedoch, dass eine adäquate Versorgung auch hier oftmals an manuell-technischen Problemen scheitert [8]. Obwohl beispielsweise die intraossäre Punktion als praktisch gleichgestellte effektive präklinische Alternative zur in dieser Altersgruppe oftmals schwierigen oder gar unmöglichen Venenpunktion in die Algorithmen des European Resuscitation Council (ERC) und der American Heart Association (AHA) aufgenommen wurde, stößt diese einfache und in der Regel komplikationsarme Notfalltechnik nur auf mäßige Akzeptanz bei den Notärzten und hat sich daher in der täglichen Praxis bislang nicht durchsetzen können [1, 4].

Eine vergleichbare Problematik ergibt sich hinsichtlich der sachgerechten Durchführung der Koniotomie im Sinne einer „Ultima Ratio“ zur präklinischen Sicherung des schwierigen Atemwegs. Obwohl diese in der Praxis sehr selten notwendige Maßnahme einen festen Platz in den aktuellen Algorithmen des ERC zum Atemwegsmanagement einnimmt, ist die Mehrheit der Notfallmediziner nach eigenen Angaben nicht oder nur unzureichend mit deren praktischer Durchführung vertraut [3].

In diesem Zusammenhang ist die anstehende bzw. in einigen Bundesländern bereits erfolgte Einführung der „Zusatzbezeichnung Notfallmedizin“ (nach den Richtlinien der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin, DIVI) als weiterer Schritt zur Optimierung der notärztlichen Qualifikation zu sehen. Als Voraussetzung zur Erlangung der Zusatzbezeichnung wird der praktischen Tätigkeit in notfallmedizinisch relevanten Bereichen bereits ein deutlich höherer Stellenwert als bisher eingeräumt. Dennoch erscheint unwahrscheinlich, dass derartige Maßnahmen allein ausreichend sind, die notärztliche Qualifikation generell bzw. gerade die für das zeitgemäße Management der oben genannten Notfallsituationen erforderlichen manuell-technischen Fertigkeiten zu verbessern.

In der Reihe „Invasive Techniken in der Notfallmedizin“ nimmt sich Der Anaesthesist nun diesem Themenkomplex an. Nach der Darstellung aktueller Daten zur notärztlichen Routine bei der Versorgung insbesondere polytraumatisierter und pädiatrischer Patienten stellen Zink et al. den seit 2001 jährlich stattfindenden Heidelberger Workshop „Invasive Notfalltechniken“ als ein mögliches Konzept zur praxisorientierten notfallmedizinischen Aus- und Fortbildung vor [11]. Als Fachreferenten dieser Veranstaltung mit notfallmedizinischer Expertise gehen dann Helm et al. auf die intraossäre Kanülierung in Notfallsituationen, Aul et al. auf die Technik der präklinischen Thoraxdrainage und Mutzbauer et al. auf die präklinische Koniotomie ein. Die Autoren zeigen dabei eindrucksvoll, dass diese Notfalltechniken zwar selten notwendig sind, dann aber durchaus lebensrettend und damit gerade für die präklinische Notfallmedizin von großer Relevanz sein können [2, 7, 9].

Zukünftige regelmäßige Evaluierungen im Rahmen eines konsequenten Qualitätsmanagements müssen nun zeigen, ob durch entsprechende streng praxisorientierte Kurskonzepte zusammen mit den geänderten formalen Anforderungen an die notärztliche Qualifikation die präklinische Versorgungsqualität weiter optimiert werden kann.

A. Gries

W. Wilhelm