Zusammenfassung
Operationsziel
Operative Stabilisation osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen.
Indikationen
Osteoporotische Frakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule.
Kontraindikationen
Keine.
Operationstechnik
Präoperative Detektion der zu erwartenden Knochendichte. Einbringen von Pedikelschrauben in speziellen Trajektorien, Augmentation des Schraubenlagers und Verwendung alternativer Implantate.
Weiterbehandlung
Frühfunktionelle, orthograde Mobilisation und ggf. Einleitung einer Osteoporosetherapie.
Ergebnisse
In einer biomechanischen Studie an humanen Kadaverwirbelkörpern konnte eine hochsignifikante Korrelation von Knochendichte und Pedikelschraubenstabilität nachgewiesen werden (r2 = 0,839; p < 0,001). Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass Pedikelschrauben bei einer Knochendichte <80 mg/cm3 nur noch 60 % der Versagenslast einer Pedikelschraube im Wirbelkörper mit normaler Knochendichte (>120 mg/cm3) aufweisen. Somit sind diese als nicht mehr ausreichend stabil anzusehen und es sollte über ein Verfahren zur zusätzlichen Stabilisation nachgedacht werden. In einem Dauerbelastungsversuch konnte gezeigt werden, dass eine Zementaugmentation im osteoporotischen Wirbelkörper zu einer Steigerung der Versagenslast um ca. 52 % führt (Versagenslast nicht augmentiert: 173 N, augmentiert: 263 N; p = 0,001). Weitere, von anderen Arbeitsgruppen durchgeführte Studien belegen den Effekt verschiedener Schraubentrajektorien und alternativer Implantate zur Verbesserung der Stabilität bei der Versorgung osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen.
Abstract
Objective
Operative stabilisation of osteoporotic vertebral fractures.
Indications
Fractures of the thoracic and lumbar spine.
Contraindications
None.
Surgical technique
Preoperative determination of expected bone mineral density. Implantation of pedicle screws in special trajectories, cement augmentation of the screws and use of alternative implants.
Postoperative management
Early functional mobilisation and initiation of osteoporosis therapy if indicated.
Results
A biomechanical cadaver study with human vertebral bodies was performed. There was a highly significant correlation between bone mineral density and the fatigue load (r2 = 0.839, p < 0.001). Specimens with bone mineral density below 80 mg/cm3 only reached 60% of the fatigue load compared to the specimens with adequate bone quality (>120 mg/cm3) and therefore stability mightbe insufficient and an additional stabilisation should be considered. In osteoporotic vertebrae, the fatigue strength of cement augmented screws was increased by 52% compared to the non-augmented screws (fatigue load non-augmented: 173 N, augmented: 263 N; p = 0.001). Studies conducted by other research groups have demonstrated the effect of various screw trajectories and alternative implants to improve stability in the treatment of osteoporotic vertebral body fractures.
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Vorbemerkungen
Das Vorliegen einer Osteoporose manifestiert sich häufig im Rahmen einer Wirbelkörperfraktur [1]. Bei Vorliegen von instabilen sowie sekundär kyphosierten Frakturen ist die dorsale Instrumentation/Spondylodese oft die Therapie der Wahl [2,3,4]. Aufgrund schlechter Knochenqualität kann die Verankerung der hierfür benötigten Pedikelschrauben im Wirbelkörper jedoch schwierig sein und mit dieser Problematik einhergehend, zählen Schraubenlockerungen zu den häufigsten Versagensursachen dorsaler Instrumentationen [5,6,7].
In der Literatur werden verschiedene Ursachen für das Zustandekommen einer Schraubenlockerung beschrieben. Ein „Stress shielding“ könnte zu einem Remodeling des die Schraube umgebenden Knochens führen und somit eine Lockerung begünstigen [5]. Des Weiteren wurden Abrieb, Infektionen sowie lokale Überbelastung, beispielsweise durch fehlende Abstützung der ventralen Säule, als Risikofaktoren für eine Pedikelschraubenlockerung genannt [5, 8, 9]. Insbesondere bei älteren Patienten ist eine hohe Inzidenz von Schraubenlockerung beschrieben [5, 10]. Diesbezüglich ist eine osteoporotische Knochenstruktur als größter Risikofaktur anzunehmen [6, 10, 11], so dass die Inzidenz der Pedikelschraubenlockerung bei Patienten mit Osteoporose mit bis zu 60 % angegeben wird [12].
Bei der operativen Versorgung osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen müssen viele Faktoren berücksichtigt werden. An erster Stelle muss die verminderte Knochendichte detektiert werden, um eine adäquate Therapie gewährleisten zu können. Im Folgenden müssen die zur Verfügung stehenden Verfahren zur operativen Versorgung sowie der individuelle Patient und seine Begleitfaktoren, beispielsweise Vorerkrankungen, Körperbau/-gewicht und Statik der Wirbelsäule, evaluiert werden, um die individuelle Therapie des Patienten optimieren zu können.
Operationsprinzip und -ziel
Ziel des Eingriffs ist die Stabilisierung der Wirbelsäule, beispielsweise bei Vorliegen einer Wirbelkörperfraktur. Die eingebrachten Pedikelschrauben/Implantate müssen eine ausreichende Stabilität gewährleisten, um eine gegebenenfalls durchgeführte Reposition zu halten, eine Frakturheilung zu gewährleisten oder eine knöcherne Fusion zu ermöglichen.
Vorteile
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Bessere Vorbereitung auf den Eingriff
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Reduzierung der Komplikationsrate durch Verbesserung der Implantatstabilität
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Einfach zu erlernende und anzuwendende Techniken
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Frühfunktionelle Nachbehandlung mit orthograder Mobilisation des oftmals geriatrischen Patientenkollektivs (auf das schwere Heben und Tragen von Lasten >5 kg sollte verzichtet werden)
Nachteile
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Allgemeine Operationsrisiken
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Möglichkeit der Implantatfehllage und Verletzung benachbarter Strukturen
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Möglichkeit einer Zementembolie oder einer Zementleckage
Indikationen
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Osteoporotische Frakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule mit Instabilität, relevanter Achsabweichung, neurologischen Defiziten oder sekundärer Fehlstellung
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Stabilisation bei degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen am osteoporotischen Knochen
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Stabilisation bei Tumorerkrankungen oder Infektionen im Bereich der Wirbelsäule und Vorliegen von osteoporotischer Knochenqualität
Kontraindikationen
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Allgemeine Kontraindikationen bezüglich Anästhesie und Operation
Patientenaufklärung
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Allgemeine Operationsrisiken
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Verletzungen benachbarter Strukturen, z. B. Spinalnerv, Dura, Myelon, Gefäße
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Implantatfehllage, -bruch, -lockerung, -dislokation
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Zementleckage, Zementembolie, allergische Reaktionen
Operationsvorbereitungen
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Ausführliche Anamnese und Untersuchung des Patienten. Differenzierte Indikationsstellung anhand des radiologischen und klinischen Befunds sowie der Begleitfaktoren
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Bestimmung der Knochendichte in den zu instrumentierenden Wirbelkörpern mittels quantitativer Computertomographie (qCT) oder DXA-Messung („dual energy x‑ray absorptiometry“)
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Planung der Schraubenlänge und -dicke anhand der vorhandenen Bildgebung
Instrumentarium
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Pedikelschraubensystem
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Bildwandler
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Bei Zementaugmentation kanülierte, fenestrierte Schrauben und Augmentationskit mit Knochenzement
Anästhesie und Lagerung
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Vollnarkose
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Bauchlage auf einem röntgendurchlässigen Tisch
Postoperative Behandlung
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Direkt postoperative Kontrolle der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität
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Mobilisation ab dem 1. postoperativen Tag
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Radiologische Kontrolle mittels konventionellen Röntgenbilds und ggf. Computertomographie (CT)
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Funktionelle Nachbehandlung mit orthograder Mobilisation unter Vermeidung des Hebens schwerer Lasten >5 kg
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Medikamentöse Behandlung der Osteoporose und Kontrollen im Verlauf
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Ggf. Materialentfernung im Verlauf (>6 Monate)
Fehler, Gefahren, Komplikationen
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Zementleckage und -embolie
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Verletzungen benachbarter Strukturen, insbesondere Spinalnerv, Dura, Myelon
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Materialfehllage, Materiallockerung
Ergebnisse
In einer von den Autoren durchgeführten biomechanischen Studie an humanen Kadaverwirbelkörpern wurde ein Dauerbelastungstest von konventionell eingebrachten Pedikelschrauben in Wirbelkörpern unterschiedlicher Knochendichte durchgeführt [18]. Es konnte eine hochsignifikante Korrelation von Knochendichte (qCT) und Pedikelschraubenstabilität nachgewiesen werden (r2 = 0,839; p < 0,001). Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass Pedikelschrauben bei einer Knochendichte <80 mg/cm3 nur noch 60 % der Versagenslast und 45 % der Zyklen bis zum Versagen einer Pedikelschraube im Wirbelkörper mit normaler Knochendichte („bone mineral density“: BMD >120 mg/cm3) aufweisen und somit als nicht mehr ausreichend stabil anzusehen sind. Ist diesen Fällen ist dementsprechend über ein Verfahren zur Optimierung der Pedikelschraubenstabilität nachzudenken. In einer weiteren Studie erfolgte ein Dauerbelastungsversuch von augmentierten und nichtaugmentierten Pedikelschrauben. Es konnte gezeigt werden, dass eine Zementaugmentation im osteoporotischen Wirbelkörper zu einer Steigerung der Versagenslast um circa 52 % führt (Versagenslast nichtaugmentiert: 173 N, augmentiert: 263 N; p = 0,001). Im osteopenen Wirbelkörper zeigte sich eine Steigerung der Versagenslast um 33 %, während sich in den Wirbelkörpern mit normaler Knochendichte kein Unterschied in den Versagenslasten der augmentierten und nichtaugmentierten Pedikelschrauben zeigte [19].
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L. Weiser, S. Sehmisch, W. Lehmann und L. Viezens geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Redaktion
K. Dresing, Göttingen
Zeichner
R. Himmelhan, Mannheim
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Weiser, L., Sehmisch, S., Lehmann, W. et al. Techniken zur Steigerung der Pedikelschraubenstabilität im osteoporotischen Knochen. Oper Orthop Traumatol 31, 284–292 (2019). https://doi.org/10.1007/s00064-019-0608-6
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00064-019-0608-6