Vorbemerkungen

Prinzipiell wird die Mehrheit der dislozierten, intraartikulären distalen Humerusfrakturen mittels offener Reposition und Osteosynthese therapiert. Bei Kontraindikationen für eine operative Versorgung oder bei primärer Indikation zur Frakturversorgung durch eine Prothese wird in logischer Konsequenz auf die offene Reposition und Fixation verzichtet.

Die klinische Untersuchung eines Patienten mit einer distalen Humerusfraktur sollte die Beurteilung der Weichteile, der Motorik, der Durchblutung und der Sensibilität beinhalten. Die Bildgebung mittels konventioneller Röntgenaufnahme des Ellbogengelenks in zwei Ebenen (a.-p. und seitlich) ist essentiell. Sollte eine intraartikuläre Fraktur vorliegen, empfiehlt sich die Untersuchung mittels Computertomographie (CT). Insbesondere in dieser Situation hat sich ein deutlicher Informationsgewinn durch die Schnittbildgebung gezeigt.

Klassifikationen

Neben der weit verbreiteten Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) wurden zusätzliche Klassifikationsvorschläge zur Beurteilung distaler Humerusfrakturen entwickelt. Eine dieser Einteilungen, die sich als klinisch hilfreich erwiesen hat, wurde von Jupiter et al. vorgeschlagen [1]. Klassifikationen haben das Ziel, Therapieentscheidungen zu erleichtern, die Prognose einzuschätzen und eine Kommunikationsbasis für Chirurgen zu ermöglichen.

Anatomie

Der distale Humerus besteht aus 3 anatomischen Säulen: der medialen, der lateralen und der transversalen Säule (Abb. 1; [2]).

Abb. 1
figure 1

Die drei anatomischen Säulen des distalen Humerus: die mediale, die laterale und die transversale Säule [2]

Darauf basierend werden 5 lokoregionale Gebiete definiert, welche bei der operativen Versorgung berücksichtigt und ggf. rekonstruiert werden müssen: der hintere und laterale Anteil des Capitulum, der Epicondylus lateralis, die hintere Trochlea und der Epicondylus medialis (Abb. 2; [3]).

Abb. 2
figure 2

Definition der lokoregionalen Gebiete (1–5), die bei der operativen Versorgung berücksichtigt und ggf. rekonstruiert werden müssen [3]

Operationsprinzip und -ziel

Ziel der operativen Versorgung ist die anatomische Wiederherstellung des Gelenks und die Rekonstruktion jeder betroffenen Säule durch eine bewegungsstabile Osteosynthese. Zusätzlich sollten alle lokoregionalen Gelenkanteile rekonstruiert werden. Eine direkte Reposition der artikulären Fragmente erfolgt temporär mit Kirschner-Drähten, bevor sie bei guter Knochenqualität mit Zugschrauben definitiv fixiert werden. Bei vorbestehender Osteoporose werden anstelle von Zugschrauben Positionsschrauben gewählt. Nach entsprechender Gelenkrekonstruktion wird der Gelenkblock an den Schaft reponiert. Bei isolierten Frakturen einer Säule kann die Fixation primär erfolgen, bevor der Gelenkblock an die zweite Säule fixiert wird. Dabei kann eine Miniplatte als Repositionshilfe hilfreich sein, die anschließend unter der definitiven Osteosynthese zu liegen kommen kann (Abb. 3). Je nach Frakturmuster und biomechanischem Ziel wird eine orthogonale oder parallele Plattenlage gewählt. Letztgenannte Konfiguration kann bei bestehender distaler Fraktur und verminderter Knochenqualität biomechanische Vorteile bieten [4].

Abb. 3
figure 3

Miniplatte als Repositionshilfe in „Plate-on-plate“-Technik. a Präoperative Bildgebung. b Intraoperative Reposition unter Zuhilfenahme von Repositionszange, Kirschner-Draht und Miniplatte

Vorteile, Nachteile und Repositionsausmaß der Zugänge

Die jeweiligen Zugänge erlauben verschiedene Expositionsausmaße und sind mit unterschiedlichen Vor- bzw. Nachteilen behaftet (Tab. 1). Je nach Frakturmuster kann ein entsprechender Zugang gewählt werden.

Tab. 1 Vor- und Nachteile sowie Expositionsausmaß in Abhängigkeit vom jeweiligen Zugang

Patientenaufklärung

  • Allgemeine Operationsrisiken

  • Risiken bei der Versorgung von distalen Humerusfrakturen, wie Nerven- oder Gefäßschäden, Pseudoarthrose, unvollständige knöcherne Konsolidierung der Knochensegmente („Non-union“), Funktionseinschränkungen, heterotope Ossifikationen oder störendes Osteosynthesematerial

  • Posttraumatische Arthrose, speziell bei intraartikulären Frakturen

  • Individuelle Risiken entsprechend des gewählten Zugangs („Non-union“, Materialentfernung; Tab. 1) und ggf. intraoperativer Verfahrenswechsel

  • Repositionsfehler und Fehlverheilung („Malunion“)

  • Intensive langfristige physiotherapeutische Nachbetreuung

Operationsvorbereitung

  • Überprüfung und Dokumentation der Durchblutung und Neurologie

  • Konventionelles Röntgen in zwei Ebenen (a.-p. und seitlich)

  • Zusätzliche CT-Abklärung bei intraartikulären Frakturen zur Klassifikation und zur operativen Planung

Instrumentarium

  • Standardisiertes Osteosynthesesieb (Knocheninstrumentarien)

  • Distales LCP-Humerus-Set

  • Blutsperre (fakultativ)

  • Bildverstärker

Anästhesie und Lagerung

  • Allgemeine Narkose

  • Der Patient liegt in Bauch- oder Seitenlage.

  • Eine Abduktion wird durch Anlage einer Armstütze erreicht.

  • Das Ellbogengelenk muss während der Operation frei beweglich sein (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Lagerung in Bauch- oder Seitenlage mit frei beweglichem Ellbogengelenk

Zugänge

Je nach Frakturmuster eignen sich unterschiedliche Zugänge zum distalen Humerus. Sie erlauben eine unterschiedliche Einsicht auf die Säulen und die Gelenkfragmente.

Die große Mehrheit distaler Humerusfrakturen lässt sich durch einen dorsalen Zugang sicher versorgen, da hiermit eine vollständige Übersicht über die relevanten Anteile des distalen Humerus erreicht wird. Der dorsale Zugang ist technisch einfach durchführbar und hat ein geringes Risiko für Verletzungen relevanter Strukturen.

In dieser Arbeit beschreiben wir den dorsalen Zugang zum distalen Humerus mit seinen verschieden Varianten. Diesbezüglich werden wir neben der Olekranonosteotomie auch alternative dorsale Zugänge beschreiben. Auf den lateralen, den medialen und den vorderen Zugang zum distalen Humerus werden wir im Rahmen dieser Arbeit nicht eingehen, da diese nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.

Der dorsale Zugang

Der Hautschnitt beginnt etwa 10 cm proximal der Spitze des Olekranons und verläuft radial oder ulnar bogenförmig über die hintere Ulnarkante. Der Vorteil der nach radial gebogenen Inzision rund um die Olekranonspitze ist, dass der N. ulnaris sicherer geschont werden kann. Es gibt Chirurgen, die eine mediale Schnittführung aufgrund einer besseren Wundheilung bevorzugen [5]. In beiden Fällen wird ein „Full-thickness“-Hautlappen konfektioniert. Als erster Schritt wird der N. ulnaris an seiner Austrittsstelle aus der Trizepsmuskulatur aufgesucht und dargestellt (Abb. 5). Wichtig ist es, den ganzen Verlauf des N. ulnaris darzustellen, ihn aus dem Sulcus ulnaris herauszulösen, anzuschlingen und bis zum Eintritt in die Unterarmflexoren freizupräparieren.

Abb. 5
figure 5

Dorsaler Zugang, „Full-thickness“-Hautlappen und Darstellung des N. ulnaris

Modifikationen beim dorsalen Zugang

Je nach erforderlicher Exposition eignen sich verschiedene Modifikationen mit Erweiterungsmöglichkeiten:

  • Transolekranärer Zugang mit Olekranonosteotomie [2]

  • Transtripizitaler Zugang (sog. Trizeps-Split-Zugang; [2, 6])

  • Trizepsreflektierende Zugänge

    • Nach Bryan-Morrey (ggf. mit extraartikulärer Olekranonosteotomie, sog. „olecranon flip“; [7])

    • Trizepsreflektierender, M.-anconeus-schonender Zugang (sog. „Trizeps-reflecting-anconeus-pedicle“-Zugang, TRAP nach O’Driscoll; [8])

  • Paratrizipitale Zugänge mit Modifikationen nach

    • Mühldorfer-Fodor [9]

    • Newcastle [10]

Der dorsale Zugang mit Olekranonosteotomie

Die Olekranonosteotomie ist technisch relativ einfach und erweist sich häufig als die beste Option bezüglich der Übersicht über das Gelenk. Aus diesem Grund wird dieser Zugang bei komplexen Frakturen (AO13-C3) empfohlen. Mit einer Olekranonosteotomie ist eine Freilegung der Gelenkfläche bis zu 57 % möglich [11]. Die häufigsten Komplikationen nach einer Osteotomie sind bedingt durch das Osteosynthesematerial [1114]. Bis zu 50 % aller Osteosynthesematerialien müssen nach erfolgter Osteotomie entfernt werden. Zusätzlich wird in 4 % der Fälle eine „non-union“ der Osteotomie beschrieben.

Sofern eine Olekranonosteotomie durchgeführt wird, erfolgt eine V‑förmige Olekranonosteotomie nach Chevron (Abb. 6). Wichtig ist die Durchführung der Osteotomie im knorpelfreien Bereich (Abb. 7). Es empfiehlt sich, ein möglichst dünnes Sägeblatt zu verwenden, um das Risiko einer Verkürzung im Rahmen der Osteosynthese zu minimieren.

Abb. 6
figure 6

V-förmige Olekranonosteotomie nach Chevron

Abb. 7
figure 7

Knorpelfreier Bereich für die Osteotomie (rote Linie). a Anterior-posterior. b Seitlich

Nach initialer Osteototomie mit dem Sägeblatt sollten die letzten Millimeter zum Gelenk mit einem Meisel vollständig durchtrennt werden. Dadurch kann verhindert werden, dass an der knorpelfreien Zone ein Knochenverlust und damit eine Verkürzung im Rahmen der Osteosynthese entsteht. Diese Technik einer Olekranonosteostomie wurde von Jupiter et al. beschrieben [2].

Die Trizepssehne wird mit dem Olekranon und der anhaftenden dorsalen Gelenkkapsel nach proximal abpräparariert, sodass die Trochlea humeri gut zur Darstellung kommt. Durch die subperiostale Ablösung des M. anconeus von der Ulna und die Durchtrennung des medialen Kollateralbands kann man eine bessere intraartikuläre Übersicht gewinnen.

Verschiedene Möglichkeiten werden zur Refixation der osteotomierten Olekranonspitze beschrieben. Das am häufigsten gewählte Verfahren ist die Zuggurtungsosteosynthese (mit Draht- oder Fadenzerklage), wobei die Olekranonspitze entweder mit 2 Kirschner-Drähten oder einer intramedullären Schraube gehalten wird. Eine alternative Fixationsmöglichkeit ist die Fixation mit einer Platte.

Eine Übersichtsarbeit in der Zeitschrift Orthopäde aus dem Jahr 2013 gibt einen sehr guten Einblick über die verschiedenen Methoden [15]. In den meisten klinischen Studien werden Kirschner-Drähte in Kombination mit einer Drahtzerklage verwendet.

Verschiedene biomechanische Studien verweisen auf eine fehlende dynamische Kompressionswirkung von Zuggurtungsosteosynthesen [1618].

Nichtsdestotrotz sind die klinischen Ergebnisse mehrheitlich gut. Die meisten Komplikationen treten durch die Lockerungstendenz der Kirschner-Drähte auf und der in der Folge entstehenden Weichteilirritationen.

Die klinischen Ergebnisse einer intramedullären Schraube kombiniert mit einer Zuggurtungsosteosynthese zeigen eine höhere Stabilität mit weniger Weichteilirritation durch das Implantat im Vergleich mit einer Zuggurtung mit 2 Kirschner-Drähten [19].

Aus rein biomechanischer Sicht ergibt die Plattenosteosynthese die besten Ergebnisse. Als stabiles Implantat neutralisiert es die Zugkräfte am posterioren Olekranon am zuverlässigsten. Dazu gibt es neuere Formplatten, die weniger prominent und deshalb weniger störend sind. Ein Nachteil sind allerdings die sehr hohen Kosten.

Die meisten Studien zeigen eine Heilungstendenz von über 90 % für die Zuggurtungsosteosynthesen nach Olekranonosteotomie. Für die Plattenosteosynthese werden tendenziell bessere Heilungsraten angegeben [11].

Insgesamt dürfen alle beschriebenen Osteosynthesemethoden bei korrekter Indikationsstellung und technischer Durchführung als zuverlässig betrachtet werden. In unserer Klinik verwenden wird aufgrund der mechanischen Vorteile die Plattenosteosynthese.

Der dorsale Zugang ohne Olekranonosteotomie

Eine andere Möglichkeit beim dorsalen Zugang mit gutem Einblick in das Gelenk besteht unter Umgehung einer Olekranonosteotomie.

Hier gibt es zum einen die Möglichkeit eines Trizeps-Split-Zugangs, eines trizepsreflektierenden oder eines paratrizipitalen Zugangs. Vor- und Nachteile der einzelnen Zugänge sind in Tab. 1 zusammengefasst. Eine Fotodokumentation der Einblicke auf die jeweiligen Gelenkflächen zeigt Abb. 8 [9, 11].

Abb. 8
figure 8

Fotodokumentation zur Veranschaulichung der Darstellung der distalen humeralen Gelenkfläche bei den entsprechenden Zugängen. a Trizeps-Split-Zugang. b Trizepsreflektierender Zugang. c Olekranonosteotomie [11]. d Anatomisches Präparat nach einem Zwei-Fenster-Zugang (Fenster-Zugang nach Mühldorfer-Fodor; [9]). e Schematische Zeichnung des paratrizipitalen Zugangs nach Newcastle [8]. blau Gelenkoberfläche, die eingesehen werden kann

Trizeps-Split-Zugang

Die gemeinsame Trizepssehne wird mittig längs 10 cm proximal bis zur Olekranonspitze durchtrennt. Häufig wird die modifizierte Version von van Gorder et al. in der Literatur beschrieben [6]. Die Muskulatur wird stumpf auseinander gedrängt und die Gelenkkapsel unter Zuhilfenahme eines Raspatoriums abgeschoben. Anschließend zeigt sich eine gute Einsicht auf den Humerus. Eine Freilegung der Gelenkfläche ist jedoch nur zu 35 % möglich [11]. Aufgrund muskelsparender Alternativen (trizepsreflektierende und paratrizipitale Zugänge) ist die Indikation für diesen Zugang sehr eingeschränkt. Alternativ kann der Trizeps mit einer V‑Y-Inzision getrennt werden. Nachteile der V‑Y-Plastik sind jedoch erhöhte Risiken für eine Trizepsnekrose, -schwäche sowie für einen Infekt.

Trizepsreflektierender Zugang

Dieser Zugang beinhaltet verschiede Varianten. Hier sind beispielsweise die Zugänge nach Bryan-Morrey und O’Driscoll zu nennen [7, 8]. Sie werden primär für extraartikuläre Frakturen empfohlen, allerdings können diese auch bei intraartikulären Frakturen verwendet werden, da eine übersichtliche Gelenkdarstellung möglich ist. Die Trizepsmuskulatur wird von medial nach lateral vom Humerus abgeschoben. Anschließend erfolgt die Mobilisation der Trizepsmuskulatur medial vom Olekranon und lateral zum M. anconeus. Bei Beugung des Ellenbogengelenks (ca. 30°) wird die Gelenkkapsel gemeinsam mit der Unterarmfaszie nach lateral vom Olekranon abgeschoben. Ein Anconeus-Triceps-Flap wird von der Olekranonspitze abpräpariert. Mit einer extraartikulären Osteotomie ist die Erhaltung des Extensorenapparats möglich. Diese extraartikuläre Olekranonosteotomie wird abschließend mit einer transossären Naht fixiert (Abb. 9; [2]). Sowohl das laterale ulnare Kollateralband (LUCL) als auch das Ligamentum annulare können dabei geschont werden.

Abb. 9
figure 9

Trizepsreflektierender Zugang mit Flip-Osteotomie

Paratrizipitaler Zugang

Dieser Zugang wird in verschiedenen Modifikationen beschrieben. Beim Zugang nach Mühldorfer-Fodor und dem Newcastle-Zugang wird auf eine Durchtrennung des Trizeps sowie auf eine Olekranonosteotomie verzichtet [9, 10]. Auch ohne Olekranonosteotomie ist eine Übersicht von 50–75 % des Ellbogengelenks möglich.

In der Modifikation nach Mühldorfer wird medial und lateral der Trizepsmuskulatur ein Humerusfenster präpariert und die Muskulatur vom Humerus abgeschoben (Abb. 10 und 11).

Abb. 10
figure 10

Paratrizipitales mediales und laterales Fenster [9]

Abb. 11
figure 11

Intraoperative Freilegung beim Zugang nach Mühldorfer. a, b Laterales Fenster. c, d Mediales Fenster mit N. ulnaris

Das mediale Fenster wird nach sicherer Darstellung des N. ulnaris geschaffen. Der mediale Kopf des Trizeps wird vom Humerus gelöst, womit eine gute Sicht auf den medialen Anteil des Humerus erreicht wird. Bei intraartikulären Frakturen wird zusätzlich eine dorsomediale Kapsulotomie durchgeführt, wobei das posteriore und das transversale Kollateralband durchtrennt werden. Ein wesentlicher Punkt ist die Schonung des medialen, kollateralen ligamentären Komplexes.

Die laterale Säule wird mittels Präparation eines lateralen Fensters dargestellt. Es erfolgt die Identifikation und Schonung des M. anconeus und des lateralen Teils des Trizeps. Der laterale Anteil des M. trizeps wird längs entlang der Trizepssehne durchtrennt. Damit wird der zentrale Extensorenapparat, der M. anconeus und die neurovaskuläre Innervation sicher erhalten. Sollte eine weitere Exposition nach proximal notwendig werden, wird der N. radialis identifiziert. Bei diesem Zugang bleibt das ulnare kollaterale Ligament unter dem M. anconeus und den Extensoren intakt.

In einer Kadaverstudie konnte kein signifikanter Unterschied bezüglich der Exposition des humeroradialen Gelenks zwischen Osteotomie und einem trizepssparenden Zugang festgestellt werden [13]. Mit diesem Zugang können bis zu 46 % der Fläche des Ellbogengelenks dargestellt werden. Im Gegensatz dazu kann durch die Olekranonosteotomie eine Übersicht auf etwa 57 % der Gelenkfläche realisiert werden. In einer weiteren vergleichenden Studie konnte mittels eines paratrizipitalen Zugangs eine Exposition von bis zu 50 % der dorsalen Trochlea und von einem Drittel des Capitulums erreicht werden [14].

Paratrizipitaler Zugang nach Newcastle

Dieser Zugang ist in der aktuellen Literatur tendenziell unterrepräsentiert, obwohl die Daten von Amirfeyz et al. gute Ergebnisse zeigen. In einer anatomischen Kadaverstudie konnte die Freilegung des Ellenbogengelenks bis zu 75 % gezeigt werden [10]. Diese Daten zeigen eine statistische Signifikanz bezüglich der operativen Freilegung im Vergleich zur Olekranonosteotomie, einem trizepsreflektierenden Zugang (Bryan and Morrey) oder zu einem Trizeps-Split-Zugang.

Bei dem paratrizipitalen Zugang nach Newcastle wird nach standardisiertem dorsalen Zugang mit Darstellung des N. ulnaris eine Querinzision der Trizepsaponeurose vorgenommen. Die Inzision wird in Richtung der medialen Kante der Ulna verlängert. Der proximale Anteil der Aponeurose wird von der Raphe gelöst und nach distal freipräpariert. Dabei wird der M. anconeus von der Ulna abgeschoben. Sowohl der lange als auch der tiefe Kopf des M. trizeps werden bis zum medialen Epikondylus freipräpariert. Anschließend kann das Gelenk bei maximaler Flexion luxiert werden. Bei fehlender suffizienter Exposition wird die Ablösung des medialen kollateralen Ligaments empfohlen.

Fraglich ist es, ob in der Studie von Amirfeyz et al. die medialen Kollateralbänder durchtrennt worden sind, um eine Exposition von 75 % zu erzielen [10].

Postoperative Behandlung

Postoperativ wird das Ellenbogengelenk in einer Mittelstellung zwischen 70–90° in einer Oberarmgipsschiene für 3–4 Tage immobilisiert (Förderung der Abschwellung, Schmerzbehandlung). Aus dieser Schiene heraus wird der Patient physiotherapeutisch aktiv assistiv und schmerzadaptiert mobilisiert. Dies kann bei entsprechend gut eingestellten Schmerzen ab dem 1. postoperativen Tag erfolgen. In den folgenden 6 Wochen ist eine Belastung nicht erlaubt. Diese Empfehlung ist unabhängig von der Art des gewählten Zugangs.

Die häufig propagierte postoperative Ruhigstellung in protektiver Intention, bei ggf. ungenügend stabiler Osteosynthese, kann rasch zur Gelenksteife führen. Aus diesem Grund sollte auf eine entsprechende postoperative Empfehlung verzichtet werden. Allenfalls kann eine Schiene zur Nacht, wechselnd in einer eigestellten Extension oder Flexion des Ellbogengelenks, angelegt werden.

Die sekundäre Gelenksteife mit eingeschränktem Bewegungsausmaß ist häufig assoziiert mit der Ausbildung heterotoper Ossifikationen. Diese können allerdings durch eine Arthrolyse und ggf. Entfernung der Ossifikationen günstig beeinflusst werden.

Aktuell fehlen wissenschaftliche Grundlagen, die eine suffiziente Prophylaxe zur Vermeidung von heterotopen Ossifikationen belegen.

Ergebnisse

In unserer Klinik wurden in den Jahren 2009–2015 insgesamt 40 Patienten mit einer distalen Humerusfraktur operiert. Der Anteil der weiblichen Patienten war mit 23 Fällen (57,5 %) etwas größer als der Anteil der männlichen Patienten. Im Mittel waren die Patienten in dem untersuchten Kollektiv 65 Jahre alt (Spanne 18–98 Jahre). Die männlichen Patienten waren dabei signifikant jünger als die weiblichen Patienten (53,4 Jahre vs. 73,3 Jahre; p = 0,004) und wiesen eine geringere präoperative Morbidität auf (ASA-Score: 1,47 vs. 2,13; p = 0,002).

Bei 10 Patienten lag präoperativ eine offene Fraktur vor. Diese betraf überdurchschnittlich häufig männliche Patienten (70 %). Vier Patienten erlitten eine nach Anderson und Gustillo erstgradig offene Fraktur. Fünf Patienten präsentierten sich mit einer zweitgradig und ein Patient mit einer drittgradig offenen Fraktur.

Bezüglich der Art der Frakturen zeigten sich 9 A-Frakturen (22,5 %), 4 B-Frakturen (10 %) und 27 C-Frakturen (67,5 %). Dabei war bei 12 Patienten (30 %) ein „high energy trauma“ für die Verletzung verantwortlich.

Zu einem überwiegenden Anteil wurden die Patienten ohne einen vorübergehenden Fixateur externe (67,5 %) primär mit einer Osteosynthese versorgt. Im Großteil der Fälle (27 Patienten; 67,5 %) wurde ein Zugang durch eine Osteotomie durchgeführt. Mit einem „Triceps-sparing“-Zugang wurden 8 Patienten (20 %) und mit einem Trizeps-Split-Zugang 3 Patienten (7,5 %) versorgt. Bei weiteren 2 Patienten war aufgrund des Unfallmechanismus durch die Fraktur bereits ein Zugang entstanden und damit eine Kategorisierung nicht möglich.

Die durchschnittliche Operationszeit betrug 180 min mit einer Spannweite von 79–443 min.

Nach der operativen Versorgung fand sich bei einem Patienten ein Infekt. Bei diesem Patienten hatte initial eine zweitgradig offene Fraktur vorgelegen. Im Verlauf musste bei 7 Patienten eine Arthrolyse durchgeführt werden. Zusätzlich ergab sich bei 2 Patienten die Notwendigkeit zur Neurolyse und Transposition des N. ulnaris.

Insgesamt 5 Patienten (12,5 %) mussten im Sinne einer Revisionsoperation erneut operiert werden. Bei zwei Patienten erfolgte ein Wechsel der Schrauben bei initial falscher Schraubenlänge bzw. gelockertem Osteosynthesematerial. Drei Patienten wurden aufgrund eines Repositionsverlusts im Verlauf mit einer neuen Osteosynthese versorgt.

Die Kontrolluntersuchungen erfolgten bei einem Großteil unserer Patienten über einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten, 6 Patienten (15 %) wurden sogar bis zu zwei Jahre nachverfolgt. Bezogen auf die Analyse des maximalsten Bewegungsumfangs des Ellbogengelenks im Verlauf ergaben sich ein mittlerer Flexionsumfang von 123,06° und ein Extensionsdefizit von 22,50°. Die mittlere Pronation betrug 85,8° und die Supination 85,5°. In Tab. 2 ist das funktionelle Ergebnis, jeweils in Abhängigkeit von dem Zeitpunkt der Nachkontrolle, ersichtlich.

Tab. 2 Funktionelles Ergebnis zum Zeitpunkt der Nachkontrolle

Betrachtet man die Patienten mit einer Arthrolyse gesondert, konnte man sehen, dass beide Gruppen sich bezüglich des Flexionsumfangs annähernd glichen. So erreichten Patienten mit einer Arthrolyse im Verlauf 100° und Patienten ohne Arthrolyse 105° (p = 0,527). Bezüglich des Extensionsdefizits zeigten Patienten ohne eine Arthrolyse nach 6 Wochen ein Defizit von 33°. Dem gegenüber hatten Patienten mit einer Arthrolyse ein Extensionsdefizit von 42° nach 6 Wochen. Dieser Unterschied zeigt zwar keine statistische Signifikanz, allerdings ist ein Trend zwischen beiden Gruppen zu erkennen (p = 0,19).

Bei 6 Patienten (15 %) fand sich eine Neuropathie des N. ulnaris über mindestens 6 Wochen nach initialer Operation. Im Verlauf musste bei 11 Patienten (27,5 %) entweder eine teilweise oder eine vollständige Entfernung des Osteosynthesematerials durchgeführt werden.