Das funktionsfähige Ellenbogengelenk ist essentiell für den Alltag des Menschen. Eine ausreichende, schmerzfreie Beweglichkeit und Stabilität ist für das Greifen und somit für grundlegende Tätigkeiten wie Nahrungsaufnahme und Körperpflege notwendig. Basis für ein funktionsfähiges Ellenbogengelenk nach Fraktur ist die exakte Wiederherstellung der knöchernen Gelenkflächen. Ist dies nicht möglich, stehen Rettungsmaßnahmen in Form von Prothesen oder Resektionsarthroplastiken zur Verfügung.

Für die meisten dieser Eingriffe ist eine exakte Gelenkdarstellung nötig. Diese Erkenntnis und das zunehmende Interesse an der Ellenbogenchirurgie der letzten Jahre führten zu einer Vielzahl von verfügbaren Zugangswegen zum Gelenk. Wegen der geringeren Weichteildeckung und ventralen Lage des Gefäß-Nerven-Bündels werden dafür meistens dorsale Zugänge bevorzugt, obwohl damit auch das Risiko einer Schädigung des Streckapparats und des N. ulnaris steigt. Neben den para- und transtrizepidalen Zugängen erlaubt insbesondere die Olekranonosteotomie eine ausgezeichnete Exposition der Gelenkflächen unter größtmöglicher Schonung des Streckapparats. Allerdings beinhaltet insbesondere dieses Verfahren das Risiko einer ausbleibenden oder verzögerten Knochenheilung des Olekranons oder der Gelenkschädigung. Gebräuchliche Techniken, Vorteile, Nachteile und alternative Vorgehensweisen sollen daher im Folgenden diskutiert werden.

Anatomie und Biomechanik des Ellenbogengelenks

Basis eines jeden Zugangs ist das Verständnis der zugrunde liegenden Anatomie. Beim Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) handelt es sich um eine Einheit aus drei Gelenkabschnitten, die durch eine gemeinsame Gelenkkapsel begrenzt werden:

  • Articulatio humeroradialis,

  • Articulatio humeroulnaris,

  • Articulatio radioulnaris proximalis.

Bei ersten artikuliert das Capitulum humeri mit der Fovea articularis radii. Im humeroulnaren Gelenkabschnitt kommuniziert die Trochlea humeri mit der Incisura trochlearis ulnae. Gerade dieses Kompartiment ist bei der Olekranonosteotomie in Gefahr. Die Osteotomie sollte daher entweder prinzipiell in dem zentral knorpelfreien Areal des Olekranons oder extraartikulär angelegt werden.

Weniger betroffen ist das proximale Umwendgelenk, in dem die Circumferentia articularis radii mit der Incisura radialis ulnae in Kontakt steht. Das Gelenk wird durch das die Circumferentia articularis radii umschließende Lig. anulare radii komplettiert.

Neben der knöchernen Führung werden die Gelenkabschnitte wesentlich durch die Kollateralbänder stabilisiert. Speichenseitig zieht das Lig. collaterale radiale vom Epicondylus lateralis humeri mit zwei Zügeln ventral und dorsal zur Incisura radialis und zum Lig. anulare radii. Der von hinten am lateralen Olekranon ansetzende Anteil verläuft dabei als laterales ulnares Kollateralband dorsal des Radiuskopfes. Ulnarseitig verläuft das Lig. collaterale ulnare vom Epicondylus medialis humeri ebenfalls mit zwei Schenkeln dorsal zum Olekranon und ventral zur Basis des Processus coronoideus. Beide Anteile sind fächerförmig durch Cooper-Fasern verbunden.

Für die Planung von dorsalen Zugängen und insbesondere der Osteotomie ist die Durchblutungssituation des Olekranons und des Streckapparats entscheidend.

Das Olekranon wird über ein extra- und intraossär liegendes Gefäßnetz versorgt. Die intramedulläre Hauptarterie entspringt aus der A. ulnaris oder der A. recurrens ulnaris und tritt über die Apophyse des Koronoids in den Knochen ein. Die extraossäre Blutversorgung des Olekranons erfolgt über Äste im M. triceps brachii, M. anconeus und M. flexor carpi ulnaris [39]. Ferner relevant für den dorsalen Zugang zum Ellenbogen ist der Streckapparat des Ellenbogens. Im Wesentlichen wird er aus dem M. triceps brachii, der distal am Olekranon und der dorsalen Gelenkkapsel ansetzt und dem M. anconeus, der vom Epicondylus lateralis entspringt und dorsal an der proximalen Ulna inseriert gebildet. Nach Rajeev u. Pooley [28] wird der muskuläre Anteil des Trizeps hautsächlich vom radial einstrahlenden Gefäßnetz parallel zur Innervation versorgt, weshalb prinzipiell eine Spaltung der Trizepssehne möglichst kurz und eher ulnarseitig angelegt werden sollte.

Techniken der Olekranonosteotomie

Vorrangiges Ziel des Zugangs zum Ellenbogen ist die ausreichende Gelenkexposition. Zusätzliche Anforderung an den dorsalen Zugang ist die weitgehende Schonung der Integrität des Streckapparats, sowie eine Schonung bzw. anatomische Wiederherstellung der Gelenkfläche und der Erhalt der Gefäßversorgung.

Um dies zu erreichen, wurden verschiedene Techniken sowohl der Osteotomie als auch der anschließend notwendigen Refixierung des Olekranons beschrieben Die Lagerung erfolgt in Bauch- oder Seitenlage mit frei beweglichem Arm in Schulter- und Ellenbogengelenk unter Anlage einer sterilen Blutsperre.

Bei allen posterioren Zugängen erfolgt die Weichteilexposition in der Regel über eine dorsale, das Olekranon nach radial oder ulnar bogenförmig umschneidende Inzision. Aufgrund der guten Verschieblichkeit der Haut und der Subkutis erlauben auch posterolaterale und -mediale Hautinzisionen tiefe posteriore, mediale und laterale Zugänge zum Gelenk. Von der Streckseite aus können unter partieller oder kompletter Ablösung der Seitenbänder auch die ventralen Kompartimente erreicht werden, was auch die Möglichkeit für ausgedehnte tetrafokale Arthrolysen eröffnet [31].

Es wird ein ulnarer und radialer Haut-Subkutis-Lappen präpariert. Der N. ulnaris wird dargestellt und im weiteren Verlauf akribisch geschont. Nun bestehen unterschiedliche intra- und extrartikuläre Möglichkeiten der Osteotomie (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Mögliche Formen der Olekranonosteotomie: a intraartikuläre quere Osteotomie [18], b extraartikuläre Osteotomie, c intraartikuläre Chevron-Osteotomie nach proximal geöffnet ([15] Aufsicht), d intraartikuläre Chevron-Osteotomie nach proximal geöffnet ([15] seitliche Ansicht), e intraartikuläre bigastrische Osteotomie [6], f extraartikuläre bigastrische Osteotomie [6]

Klassische Olekranonosteotomie

Transverse transartikuläre Osteotomie

Mac Ausland beschrieb bereits 1915 eine quere Osteotomie des Olekranons, um Zugang zum Ellenbogengelenk zur Behandlung von Ankylosen zu erhalten (transverse transartikuläre Osteotomie nach Mac Ausland [18], Abb. 1 a). Der Zugang ermöglichte eine sehr gute Übersicht auf die Gelenkflächen und wurde häufig erfolgreich im Rahmen der Versorgung von distalen Humerusfrakturen eingesetzt. Zunehmend geriet die Methode jedoch wegen z. T. sehr hoher Pseudarthroseraten von bis zu 7 % in Verruf und es wurde nach alternativen Zugangsmöglichkeiten gesucht [11, 14].

Extraartikuläre Osteotomie

Initial wurde durch die Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese (AO-ASIF) eine schräge extraartikuläre Osteotomie des Olekranons als Ablösung der Trizepsinsertion ohne Durchtrennung der Gelenkfläche vorgeschlagen ([21], Abb. 1 b). Hierdurch können zwar die intraartikulären Komplikationen reduziert werden. Die Problematik der Pseudarthrosenbildung durch die Zugwirkung des M. triceps bleibt jedoch bestehen. Die intraartikuläre Sicht ist limitiert, so dass im Rahmen der Frakturversorgung auch von der AO inzwischen die intraartikuläre Osteotomie als „Chevron-Osteotomie“ empfohlen wird.

Chevron-Osteotomie

Ein Ansatz, die Pseudarthrosenrate zu verringern, ist die Vergrößerung der Kontaktfläche der Osteotomieschnitte. Zur Frakturversorgung wird dabei am häufigsten die Chevron-Osteotomie durchgeführt [15]. Die Osteotomie liegt an der tiefsten Stelle der Incisura trochlearis in der knorpelfreien Region. Liegt die Osteotomie distal des Processus coronoideus ist die Stabilität des Ellenbogens gefährdet. Erfolgt die Osteotomie zu weit proximal, ist die Exposition erschwert und das Risiko der Verletzung des Gelenkknorpels oder der Entwicklung einer Stufe in den Gelenkflächen erhöht. Die Schnittführung verläuft in einem nach proximal offenen V und erzeugt so eine große knöcherne Kontaktfläche (Abb. 1 c). Auch eine nach distal offene V-Anordnung erscheint für manche Frakturkonstellationen sinnvoll. Jedoch besteht hier eine vermehrte Gefahr, dass das proximale Olekranonfragment bricht. Die Osteotomie kann mit der oszillierenden Säge oder dem Osteotom durchgeführt werden. Es hat sich bewährt, mit einer Hochfrequenzsäge (mit schmalem Sägeblatt und damit reduziertem Substanzverlust), die einen kontrollierten Schnitt erlaubt, zu beginnen und dann die Osteotomie nach ventral mit dem feinen Osteotom zu komplettieren. Im Gegensatz zur alleinigen Benutzung der Säge geht durch dieses Vorgehen weniger Substanz in der Incisura trochlearis verloren. Ferner entsteht eine unregelmäßige Oberfläche der Schnittfläche, die eine bessere anatomische Verzahnung beim Verschluss des Osteotomiespalts erlaubt.

Der Knochen-Trizeps-Lappen wird unter Beachtung der in der Nachbarschaft verlaufenden Nn. radialis und ulnaris nach proximal präpariert und die Trochlea humeri exponiert (Abb. 2 a).

Abb. 2
figure 2

Dorsale Zugänge zum Ellenbogen: a Chevron-Osteotomie, b Bryan-Morrey-Zugang, c Trizeps-reflecting-anconeus-pedicle-Zugang (TRAP), d Trizeps-splitting-Zugang. (Mod. nach [30])

Vorteil dieses Vorgehens ist eine hervorragende Übersicht der dorsalen Gelenkflächen [37]. Die große Knochenoberfläche erlaubt mit dieser Technik einen verbesserten Kontakt und vermehrte Stabilität die eine bessere Heilung ermöglichen.

Vorteil der Chevron-Osteotomie ist eine hervorragende Übersicht der dorsalen Gelenkflächen

Wesentliche Gefahr ist neben der Entwicklung einer Pseudarthrose die Inkongruenz der Gelenkfläche in der Incisura trochlearis durch inkorrekte Schnittführung, unpräzise Reposition und unsichere Retention.

Wir führen die Chevron-Osteotomie in dieser Technik v. a. zur Versorgung komplexer intraartikulärer Frakturen durch. Wie oben beschrieben wird eine Bauch- oder Seitenlage mit frei beweglichem Arm in Schulter- und Ellenbogengelenk unter Anlage einer sterilen Blutsperre durchgeführt. Es erfolgt ein standardisierter posteriorer Zugang über eine dorsale, das Olekranon bevorzugt nach radial bogenförmig umschneidende Inzision. Es wird ein ulnarer und radialer Haut-Subkutis-Lappen präpariert. Der N. ulnaris wird dargestellt und im weiteren Verlauf akribisch geschont.

Mit einer Hochfrequenzsäge mit schmalem Sägeblatt wird von dorsal kommend V-förmig in der Regel mit distal liegender Spitze bis knapp subchondral osteotomiert und nach ventral mit dem feinen Osteotom komplettiert. Der Knochen-Trizeps-Lappen wird unter Beachtung der in der Nachbarschaft verlaufenden Nn. radialis und ulnaris nach proximal präpariert und die Trochlea humeri exponiert. Fixiert man den Knochen-Trizeps-Lappen über einen Haken oder eine Kompresse nach proximal ist hier für die Dauer der Osteosynthese eine hervorragende Übersicht gewährleistet (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Exposition einer intraartikulären distalen Humerusfraktur über eine Chevron-Osteotomie des Olekranons und Reposition des Gelenkblocks

Das Vorgehen der Osteosynthese ist abhängig vom Verletzungsmuster. In jedem Fall wird eine antatomische Wiederherstellung der Gelenkflächen angestrebt und zunächst über Zangen, dann über Schrauben und (resorbierbare) Stifte reteniert (Abb. 3). Der so entstehende Gelenkblock wird dann über entsprechende Plattensysteme am Schaft fixiert. Bewährt haben sich hierbei v. a. Doppelanordnungen mit ulnarer und dorsoradialer oder ulnarer und radialer Pfeilerabstützung (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Offene Reposition und interne Fixation einer intraartikulären distalen Humerusfraktur über Chevron-Osteotomie des Olekranons mit Refixation mittels Zuggurtung: a Röntgenaufnahmen Unfalltag, b Röntgenaufnahmen nach ORIF (offene Reposition und interne Fixation) über Chevron-Osteotomie des Olekranons und Refixation mit Zuggurtung, c Röntgenaufnahmen nach Implantatentfernung der Zuggurtung 6 Monate nach ORIF

Wir refixieren das Olekranon über eine Zuggurtung mit parallel bikortikal eingebrachten Drähten und Achterschlaufe. Das Zuggurtungsprinzip erfordert prinzipiell eine funktionelle Nachbehandlung. Die begleitenden ligamentären und Weichteilverletzungen machen jedoch häufig eine kontrollierte Beübung aus einer Schiene heraus erforderlich. Zur Ossifikationsprophylaxe muss über eine antiphlogistische Abdeckung (z. B. Diclofenac, Indometacin) nachgedacht werden. Im Frakturfall führen wir eine Bestrahlung in der Regel nicht durch.

Alternative Osteotomieformen und Zugänge

Trizepsschonende Zugänge mit partieller oder fakultativer Ablösung des Olekranons

Die bekannteste Variante dieser Zugangsalternativen ist die nach Bryan-Morrey [2]. Nach Präparation der Weichteillappen und Mobilisierung des N. ulnaris bis zum ersten motorischen Ast wird der Trizeps medial entlang des Septums intramusculare bis zur hinteren Kapsel vom Humerus abgelöst. Die Faszie über dem M. flexor ulnaris wird bis zum medialen Olekranonperiost inzidiert und mit diesem nach lateral abgelöst. Hierbei wird auch versucht, den Streckapparat zu schonen. Jedoch werden die Sharpey-Fasern, über die die Sehne am Olekranon ansetzt, vorsichtig unter Erhalt der Kontinuität mit Faszie und Periost abgelöst. Nach der Ablösung des Trizeps werden die verbliebenen Randzonen zur Seite gehalten. Durch subperiostales Ablösen des M. anconeus von der proximalen Ulna kann der Zugang erweitert und das Gelenk auch radial eingesehen werden. Zusätzliche Übersicht kann durch Entfernen der proximal des Trizepssehnenansatz liegenden Olekranonspitze erreicht werden (Abb. 2 b, [2]).

Da die Faszie über der proximalen Ulna teilweise hauchdünn sein kann und insbesondere bei rheumatischen Erkrankungen oder lang dauernder Kortikoideinnahme höchst vulnerabel ist, empfehlen einige Autoren die Ablösung als osteoperiostalen Lappen [25]. Dies empfehlen auch Wolfe et al. [38] in ihrer Modifikation, dem „Osteo-Anconeus-Zugang“. Dieser wurde v. a. für die Implantation von Endoprothesen entwickelt. Bei diesem Zugang wird nach Darstellung des N. ulnaris und des medialen Epicondylus humeri die Faszie des Anconeus vom Ursprung bis etwa 1 cm distal der Olekranonspitze inzidiert. Der Trizepssehnenansatz wird dann mit einer dünnen Knochenscheibe in der Substanz des Olekranons abgelöst. Die Arthrotomie kann nach proximal durch die Trizepsfaszie entlang des medialen Trizepsrandes erweitert werden. Der Trizeps wird zusammen mit dem Osteo-Anconeus-Lappen nach lateral gehalten und das laterale Kollateralband an der ulnaren Insertion abgelöst.

Vorteil dieses Vorgehens ist der weitgehende Erhalt des lateralen Trizeps

Vorteil dieses Vorgehens ist der weitgehende Erhalt des lateralen Trizeps, die Anheftung am umliegenden Gewebe sowie eine mäßig große und extraartikulär liegende knöcherne Osteotomiefläche zur Refixation des Trizeps über stabile Nähte.

Eine Erweiterung des Bryan-Morrey-Zugangs beschreibt O’Driscoll. Er erreicht über den TRAP eine vollständige Ablösung und somit bessere Einsicht auf den distalen Humerus und die Gelenkflächen [23]. Hierbei handelt es sich im Prinzip um die Kombination des Bryan-Morrey-Zugangs [2] mit dem lateralen Zugang nach Kocher ([16], Abb. 2 c). Vorteile sind auch hier die weitgehende Schonung des M. anconeus und des Olekranons bei relativ guter Exposition. Dennoch erfordern alle Modifikationen des Bryan-Morrey-Zugangs im Vergleich zur klassischen Olekranonosteotomie eine zumindest partielle Desinsertion der kollateralen Weichteilstrukturen unter erschwerter Darstellung der Gelenkflächen. Da die weiter distal gelegene Osteotomie jedoch nach Implantation einer ulnaren Komponente ein hohes Risiko der Pseudarthrose birgt, kommt sie bei der Endoprothetik kaum zur Anwendung.

Digastrische Olekranonosteotomie

Der von der Gruppe um Livernaux publizierte Zugang wurde als Alternative zu den herkömmlichen Zugängen entwickelt. Er kann ebenfalls als Weiterentwicklung des Zugangs nach Bryan-Morrey und des „Osteo-Anconeus-Zugangs“ gesehen werden, beinhaltet aber wiederum eine Olekranonosteotomie im engeren Sinne [7]. Es werden die Ansätze des Trizeps und des M. anconeus dennoch weitgehend geschont. Die schräg verlaufende Olekranonosteotomie kann intra- und extraartikulär geführt werden (Abb. 1 de). Nach Darstellen des N. ulnaris wird die Aponeurose des M. flexor ulnaris inzidiert und der M. flexor ulnaris desinseriert. Er wird zusammen mit dem mobilisierten N. ulnaris und mit dem Lig. collaterale ulnare nach ventral abgeschoben.

Die Osteotomie wird extraartikulär 50 mm hinter der Olekranonspitze oder intraartikulär tangential zum tiefsten Punkt der Incisura trochlearis ulnae begonnen und schräg nach distal-posterior zwischen Ansatz des M. anconeus und dem Ursprung des M. extensor carpi ulnaris geführt. Das Olekranonfragment kann dann mit den beiden Muskeln gestielt weggeklappt werden.

Die digastrische Olekranonosteotomie erlaubt eine gute Exposition der Gelenkflächen

Der Zugang erlaubt eine gute Exposition der Gelenkflächen und bewahrt dennoch sowohl die Kontinuität des Streckapparats als auch v. a. die Durchblutung des Olekranons.

Trizepsspaltung nach Campbell

Bei dieser Variante des Zugangs nach Kocher [16] wird der Trizeps in der Mitte zwischen Aponeurose und medialem Kopf gespalten. Der Muskel wird subperiostal vom Humerus und der Ansatz von der proximalen Ulna abgelöst (Abb. 2 d). Am Ende des Eingriffs wird der Trizeps transossär an der Ulna refixiert [3].

Die Trizepsspaltung nach Campbell ist technisch relativ einfach durchzuführen und das Olekranon bleibt in Kontinuität erhalten

Der Zugang ist technisch relativ einfach durchzuführen, das Olekranon bleibt in Kontinuität erhalten. Potentiell störende Implantate sind damit nicht erforderlich. Er wurde daher zuletzt v. a. für offene Frakturen propagiert [20]. Von der Arbeitsgruppe um Pooley [28] wurde jedoch auf die unzureichende Schonung der Innervation und Durchblutung des Streckapparats mit sekundärer Entwicklung einer Insuffizienz des Streckapparats aufgrund einer Ruptur oder zumindest partiellen Dehiszenz an der Insertionszone des Trizeps hingewiesen. Die Präparation eines oberflächlichen Lappens der Aponeurose und möglichst weit ulnar im sehnigen Anteil gelegenen Splits wurde daher empfohlen. Diese Variante wird daher vom Seniorautor seit mehr als 10 Jahren für die meisten Fälle der Implantation einer Endoprothese bevorzugt. Beachtet man dieses Vorgehen, können die beschriebenen Probleme an der Trizepssehne minimiert werden.

Stabilisierung der Osteotomie

Unterschiedliche Methoden von der Knochennaht über Drahtnähte, Zuggurtungen, Schrauben bis zu Plattenosteosynthesen wurden in unterschiedlichen Modifikationen zum Verschluss der Osteotomie beschrieben [12, 19, 34, 36]. Natürlich ist die Auswahl der Stabilisierungsmethode in erster Linie abhängig vom gewählten Zugang. So können bei Zugängen mit verbliebener hoher Stabilität und/oder nur kleinem Osteotomiefragment, wie bei den Osteo-Anconeus-Zugängen, Knochennähte durchaus ausreichend sein [2, 7, 23]. Differenzierter muss jedoch die Situation bei den klassischen queren und der Chevron-Osteotomie gesehen werden. Auch hier ist die Zugangswahl entscheidend. Die in oben beschriebener Technik durchgeführte Chevron-Osteotomie erleichtert durch Verzahnung der Fragmente die Reposition und hat eine hohe Grundstabilität gegenüber Rotation und Translation [29]. Diese ist bei queren Osteotomieformen jedoch nicht gegeben.

Zuggurtungssosteosynthesen zeigen die biomechanisch stabilsten Verhältnisse

Betrachtet man alle möglichen Techniken einer Osteosynthese, zeigen in den meisten Untersuchungen Zuggurtungssosteosynthesen die biomechanisch stabilsten Verhältnisse ([10], Abb. 4). Hierbei müssen jedoch ausreichende Implantatdurchmesser gewählt werden. Neat et al. [22] konnten in einem biomechanischen Modell zeigen, dass die Stabilität der Zuggurtung v. a. auch durch die Dimensionierung des Zuggurtungsdrahtes beeinflusst wird, während z. B. die Lokalisation des Bohrloches von untergeordneter Bedeutung ist. Um die korrekte Zuggurtungswirkung zu erreichen ist die parallele Anordnung der Bohrdrähte wichtig. Die Drähte zeigen dabei weniger Lockerungstendenz, wenn sie bikortikal platziert werden und das Konstrukt ist stabiler [27, 33]. Bei distalem Überstand und/oder inkorrekter Platzierung der Drähte ist die Gefahr von Weichteilverletzungen und Kompromittierung des Radius bzw. des proximalen Radioulnargelenks gegeben [4]. Proximale Komplikationen durch Weichteilirritation können u. a. durch Umbiegen und Versenken der Drahtenden im Olekranon limitiert werden [29].

Alleinige Schraubenosteosynthesen weisen in der Stabilität gegenüber der Zuggurtung Nachteile auf. Allerdings kann durch Kombination der Schraubenosteosynthesen mit Drahtnähten die Festigkeit weiter verbessert werden [10, 13, 24, 26]. Angesichts des engsten Querschnitts der proximalen Ulna von durchschnittlich 0,78 cm ist eine entsprechend dicke Schraubenwahl (z. B. 7,3 mm intramedullär eingebracht) essentiell um adäquaten Halt zu erreichen [35].

Die Plattenosteosynthese neutralisiert theoretisch als stabiles Implantat die Zugkräfte am posterioren Olekranon am besten. Durch die Positionierung einer axialen Schraube bei dorsaler Anordnung können Scher- und Rotationskräfte zusätzlich neutralisiert werden [12, 32]. Modifikationen und Innovationen der Implantate und Implantatpositionierung zielen auf eine weniger störende Plattenlage hin. Sie sollen auch dem entscheidenden Nachteil der Plattenosteosynthese gegenüber der korrekt durchgeführten Zuggurtung entgegenwirken. Bei dorsaler Plattenlage tendiert die Osteotomie durch den Zug des Trizeps zum ventralen Aufklappen. Dem kann durch die Platzierung einer axialen Schraube oder speziellen Plattentypen entgegengewirkt werden [12]. Niedrigkonturplatten weisen geringere durch störende Implantate bedingte Komplikationshäufigkeiten auf [12].

Die korrekte Reposition und Implantatplatzierung kann durch das Vorbohren von Schrauben und Drähten bereits vor Durchführung der Osteotomie erleichtert werden. Insgesamt können alle gängigen Osteosynthesemethoden (Zuggurtung, Schraube, Platte) bei korrekter Indikationsstellung und technischer Durchführung als zuverlässig betrachtet werden. Aufgrund des bei korrekter technischer Anwendung zuverlässigen, schonenden, einfachen und kostengünstigen Verfahrens wird vom Erstautor die Zuggurtungsosteosynthese in bikortikaler Technik bevorzugt.

Diskussion

Wesentlicher Vorteil der intraartikulären Olekranonosteotomie ist die im Vergleich zu alternativen Zugängen sehr gute Darstellung der Gelenkflächen. Bei komplexer Gelenkbeteiligung stellt die extraartikuläre Olekranonosteotomie keine Verbesserung der Übersicht dar und ist bezüglich des limitierten Blickes auf die anterioren Gelenkabschnitte den Trizepssplit und trizepsschonenden Eingriffen gleichzusetzen [6, 8]. Wilkinson u. Stanley [37] verglichen die Trizepsspaltung, den trizepserhaltenden Zugang und die Olekranonosteotomie an humanen Präparaten. Sie stellten dabei fest, dass die Trizepsspaltung und der trizepserhaltende Zugang nur Sicht auf den posterioren Anteil der Trochlea zulassen, während die Olekranonosteotomie auch Sicht auf den anterioren Anteil der Trochlea und des Capitulums erlaubt. Erweiterungen der Trizepsspaltung mit weitgehender Ablösung der Trizepssehne und auch der Kollateralbänder erlauben zwar eine verbesserte Sicht auf den anterioren Anteil des Humerus, sie sind jedoch auch vermehrt komplikationsbehaftet [40]. Trizepserhaltende Varianten, wie der von Bryan u. Morrey [2] beschriebene Zugang, sollen gewebeschonender sein. Jedoch ist hierbei wiederum die Exposition v. a. auf das Capitulum humeri limitiert, was speziell in Fraktursituationen von Nachteil sein kann.

Bezüglich der Rate an Komplikationen nach einer Olekranonosteotomie finden sich sehr widersprüchliche Angaben in der Literatur. Hohe Pseudarthroseraten treten v. a. im osteoporotischen Knochen und bei Rheumatikern sowie vermehrt bei den queren Osteotomien auf [14, 37]. Aktuellere Studien zeigen bessere Heilungsraten. So fanden Coles et al. [6] nach 67 Chevron-Osteotomien bei komplexen, distalen Humerusfrakturen eine Osteotomieheilungsrate von 100 %. Eine Entfernung der Implantate nach Olekranonosteotomie ist individuell unterschiedlich zu bewerten, jedoch meistens regelmäßig erforderlich [12, 29].

Die Aussagen zu zugangsbedingten Funktionsstörungen des Streckapparats sind unterschiedlich. O’Driscoll [23] führt in diesem Zusammenhang insbesondere die Bedeutung des intakten M. anconeus als lateralen dynamischen Stabilisator des Ellenbogens auf.

Einige Autoren fanden im Vergleich eine bessere Funktion des Streckapparats nach Trizepssplit [20, 37, 40]. Andere fanden keine signifikanten Unterschiede zwischen Trizepssplit oder trizepsschonenden Zugängen und der Olekranonosteotomie [1, 5, 17, 20]. Im Rahmen der Prothesenimplantation sind die klassischen Olekranonosteotomien teilweise problematisch. Die Möglichkeiten einer stabilen Fixierung des Fragments nach Prothesenimplantation sind sehr limitiert. Ferner ist das korrekte Rotationszentrum nach Olekranonosteotomie z. T. schwierig zu bestimmen [9, 38]. In Fällen, bei denen eine Prothesenimplantation erwogen oder geplant wird, sollte deshalb auf alternative Zugänge zurückgegriffen werden.

Bei gelenkerhaltenden Eingriffen, insbesondere bei der Versorgung von komplexen intraartikulären Brüchen, erlaubt jedoch die intraartikuläre Olekranonosteotomie eine vollständige Einsicht der gesamten Gelenkflächen inklusive der vorderen Anteile von Trochlea und Capitulum humeri, die eine optimale Versorgung bei diesen Frakturtypen deutlich erleichtert.

Fazit für die Praxis

  • Insgesamt bleibt festzuhalten, dass alle streckseitigen Zugänge Vor- und Nachteile beinhalten, die in der Literatur unterschiedlich und z. T. widersprüchlich bewertet werden.

  • Für die intraartikuläre Frakturrekonstruktion hat sich die Olekranosteotomie als intraartikuläre Chevron-Osteotomie mit korrekt durchgeführter Zuggurtungsosteosynthese zur Refixation etabliert.

  • Für einfachere Frakturtypen und v. a. die Prothetik sind alternative Zugänge sinnvoller. Eine klare Evidenz hierzu liegt in der Literatur jedoch nicht vor. Es ist daher vom Chirurgen je nach persönlicher Präferenz und Erfahrung zu entscheiden, welcher Zugang bei individuell vorliegender Situation und Indikation für die angestrebte Versorgung in seinen Händen zu bevorzugen ist.